DIE FURCHE · 47 16 Diskurs 21. November 2024 ZEITBILD Minister Kreuzritter Foto: instagram.com / petehegseth Auf der Brust trägt der künftige US- Verteidigungsminister Pete Hegseth ein Tattoo mit einem großen Kreuz, umrandet von vier kleineren. Das Symbol, auch bekannt als „Jerusalemkreuz“, wird den Kreuzrittern zugerechnet. Die Darstellung findet sich aber bis heute in weit harmloseren Kontexten, so ziert sie nicht nur in Jerusalem selbst viele Gebäude. Auch der deutsche evangelische Kirchentag verwendet es in seinem Logo. Sogar in der Landesflagge von Georgien findet sich das Kreuz. Zudem prangt der Spruch „deus vult“, lateinisch für „Gott will es“, auf Hengseths Oberarm. Den Ausruf soll Papst Urban II. als Aufruf zum Kreuzzug im Jahr 1095 getätigt haben. Wissenschaftler sehen diese Zuschreibung allerdings als Legende. Heute wird er dennoch von rechtsextremen Kreisen verwendet und richtet sich gegen Muslime. „Anders als heute hatte der Ruf aber keine rassistische Konnotation, weil es das Konzept der ‚Rasse‘ im modernen Sinne nicht gab“, sagte der Historiker Georg Strack der katholischen Nachrichtenagentur (KNA). Auch den sogenannten Kreuzzugsablass, also der päpstliche Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen, hätten nur die bekommen, die auf dem Kreuzzug starben, was eher auf das Vorbild des christlichen Martyriums verweise. „Das scheint mir mit Ideen einer Vorherrschaft einer ‚weißen Rasse‘ nicht viel zu tun zu haben“, so Strack. (Till Schönwälder) 300.000 Euro im Rubbellos Adventkalender XXL Rechtzeitig vor Adventbeginn gibt es auch heuer wieder einen besonderen Adventkalender bei Rubbellos – mit bis zu 300.000 Euro als Hauptgewinn. Zusätzlich zum üblichen Rubbellos Adventkalender, der sich großer Beliebtheit erfreut und Gewinne von bis zu 100.000 Euro verspricht, gibt es heuer einen weiteren Kalender mit dem Motto Advent: den Rubbellos Adventkalender mit 24 Spielen XXL. Diese Variante besteht aus 24 voneinander unabhängigen Spielen und das heißt: Jedes Türchen ist ein Spielchen mit einer eigenen Gewinnchance. Der Hauptgewinn beträgt 300.000 Euro. IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Wie weit reicht die Leidensfähigkeit? Von Till Schönwälder Nr. 46, Seite 14 Gratulation und Dank für diesen Synoden-Kommentar! „Aufbruchstimmung klingt definitiv anders“: Sie treffen für mich den Ton, den wir in unserer Gesellschaft viel öfter bräuchten. Klar, auch hart in der Sache, aber nicht – persönlich – verletzend. Trotz der Knappheit finden Sie klare und verständliche Aussagen – wie wertvoll in Zeiten wie diesen. Ein wichtiger Punkt war, dass die Bischöfe ob des Tempos und der weitreichenden Befugnisse sozusagen „überrumpelt“ worden seien. Das will ich einfach nicht glauben: Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, dann hat Papst Franziskus die Diözesanbischöfe weltweit ja schon viel früher aufgefordert, mehr Verantwortung zu übernehmen. Wie kann also ein österreichischer Diözesanbischof davon überrascht werden (wenngleich der Papst immer für Überraschungen gut ist)? Viele trauen sich einfach nicht, etwas (aus-) zu probieren. Die Freiheit an Möglichkeiten erfordert Mut. Das wünsche ich unseren Bischöfen. Ich habe das Kirchenvolksbegehren 1995 nicht unterschrieben. Aber nachdem der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Johann Weber, über den „Dialog für Österreich“ das Leichentuch gebreitet hat, hätte ich ein neuerliches Kirchenvolksbegehren wahrscheinlich unterschrieben. Was mich besonders betroffen macht: Ich bin überzeugt, dass wir heute nicht einmal im Ansatz rund 500.000 Menschen dazu brächten, für die Kirche aufzutreten. Die Gleichgültigkeit sitzt sehr tief. Zeit, dass ein Glaubensfeuer entzündet wird. Gerhard Tschugguel-Tramin 2020 Hollabrunn Was der Dalai Lama alles erzählt Von Otto Friedrich sowie Mit der Esoterik auf der Couch Von Martin Tauss Nr. 46, Seiten 21 und 22–23 Eines von vielen Missverständnissen zum Dalai Lama findet sich im Filmporträt „Weisheit des Glücks“ wieder: Er ist nämlich nicht das spirituelle Oberhaupt des tibetischen Buddhismus, sondern nur einer bestimmten, von mehreren hierarchisch voneinander unabhängigen Traditionen des Vajrayana zugehörig. Auch im Beitrag „Mit der Esoterik auf der Couch“ finden sich eine Reihe von Stereotypen. Leider wird der Ambiguität des Esoterik-Begriffs keine Beachtung geschenkt, sondern alles, außer sogenannten aufgeklärten Strömungen des Christentums, unter Esoterik subsummiert. Diese undifferenzierte Sichtweise ist umso bedauerlicher, als gerade in unseren Tagen eine Unterscheidungsfähigkeit von seriösen oder nicht seriösen Angeboten besonders wichtig wäre. Gerhard Weißgrab Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft Sonderschule als Abstellgleis? Von Magdalena Schwarz Nr. 45, Seite 12 „Behandelt man sie wie alle anderen, dann läuft man Gefahr, sie zu wenig zu unterstützen“, heißt es in diesem Artikel. Genau diese Gefahr sehe ich aber, wenn man die Sonderschule abschaffen möchte. In dieser besonderen Schule finden Kinder Lernmöglichkeiten in der Kleingruppe mit meist bestens ausgebildeten Lehrerinnen und hohem Engagement für die Kinder vor. Warum sollte man Kindern diesen Lernort wegnehmen? Es geht nicht darum, die Inklusion und die Sonderschule gegeneinander auszuspielen. Aus meiner Praxis kann ich sagen, dass beides – Inklusion und Sonderschule – seine Berechtigung hat. Ich habe erlebt, dass Inklusion SchülerInnen völlig überfordert hat. Ich habe auch erlebt, dass Regelschullehrerinnen integrierte Kinder nicht ausreichend gefördert haben. Aber Inklusion kann auch gelingen. Es wäre ein Rückschritt, wenn man alle Kinder in die „Regelschule“ zwingen würde, wenn Anpassung (!) – so wie beim Lehrplan – von denen gefordert wird, die die meiste Unterstützung und individuelle Förderung brauchen. Ist es nach wie vor so, dass wir Menschen/Kinder ausgrenzen, auf sie herabschauen, weil sie weniger/ andere Fähigkeiten und Fertigkeiten haben, weil sie nicht im Schul/System die gleiche Leistung erbringen? Hier wären aus meiner Sicht wichtige Arbeitsansätze – auch und gerade von der Diakonie. Melitta Beyer, via Mail In dieser Ausgabe der FURCHE finden Sie eine bezahlte Beilage der Concordia Sozialprojekte. Auch hier ist, wie bei der bisher bereits bekannten Variante, in jedem Fall ein Gewinn pro Kalender garantiert, dadurch eignen sich die Adventkalender auch bestens als Geschenk. Die Adventkalender zum Rubbeln sind zum Preis von 10 Euro bzw. als neue Variante XXL zu 25 Euro in den Annahmestellen der Österreichischen Lotterien erhältlich. Als kleine Aufmerksamkeit für alle Personen ab 18 Jahren zum verschenken oder selbst aufrubbeln um mit etwas Glück mit einem Gewinn von bis zu 300.000 Euro. Der „Adventkalender XXL“ mit 24 Spielen wird mit einer Auflage von 300.000 Losen produziert. Die Chance auf einen Gewinn beträgt 1:1, d.h. jeder Kalender gewinnt. Der Rubbellos Adventkalender XXL, mit 24 Spielen & bis zu 300.000 Euro. Foto: © Österreichische Lotterien IN KÜRZE DIE FURCHE EMPFIEHLT GESELLSCHAFT/LITERATUR ■ Österreichischer Buchpreis Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde am 18. November 2024 zum Auftakt der „Buch Wien“-Woche für seinen Roman „Brennende Felder“ (S. Fischer) mit dem Österreichischen Buchpreis ausgezeichnet. „Durch unerwartete Wendungen spielt er nicht nur mit seinen Figuren, sondern auch mit den Lesenden. So konstruiert und dekonstruiert er diese abgründige, kalte und düstere Welt immer wieder aufs Neue“, begründete die Jury ihre Entscheidung. (Die Besprechung des Romans von Lothar Struck, „Ein teuflischer Plan“, finden Sie auf furche.at). Der Debütpreis ging an Frieda Paris für ihr Langgedicht „Nachwasser“ (Voland & Quist). RELIGION ■ 60 Jahre „Lumen gentium“ Vor 60 Jahren, am 21. November 1964, wurde im Vatikan die dogmatische Konstitution „Lumen gentium“ („Das Licht der Völker“) verabschiedet. Die Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils schränkte den Papstprimat ein, wertete das Kollegium auf und befasste sich auch mit der Stellung der Laien in der Kirche. Das Hauptanliegen der Konstitution liegt darin, dass Christus als Mitte der Kirche deutlicher hervortritt. Die katholische Kirche betont außerdem ihren Charakter als mystischer Leib Christi und „Wanderndes Gottesvolk“ und vermeidet insbesondere Engführungen auf den nur institutionellen Charakter der Kirche. RELIGION ■ Religionskarikatur-Contest Fast zehn Jahre nach dem Anschlag auf seine Redaktionsräume sucht das Satiremagazin Charlie Hebdo die besten religionskritischen Karikaturen. Der Wettbewerb richte sich „an diejenigen, die es satt haben, in einer von Gott und Religion regierten Welt zu leben“, schreibt das Redaktionsteam auf seiner Internetseite. Die besten Zeichnungen sollen unter dem Titel „MockingGod“ („Gott verspotten“) im Jänner veröffentlicht werden. Am 7. Jänner 2015 drangen islamistische Terroristen in die Redaktion von Charlie Hebdo ein und töteten zwölf Menschen. Zuvor hatte die Zeitschrift Mohammed- Karikaturen veröffentlicht. 250 Jahre Pastoraltheologie Mit einem Symposion am 25./26. 11. und einem Festakt feiert die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien den 250. „Geburtstag“ des Faches Pastoraltheologie. Nach der Festansprache „Himmlische Evaluierung: Allegorisches zu 250 Jahre“ von Regina Polak (25.11., 19.30 Uhr) moderiert FUR- CHE-Chefredakteurin Doris Helmberger eine Podiumsdiskussion. Info: https://pt-ktf.univie.ac.at.
DIE FURCHE · 47 21. November 2024 Literatur 17 „Warum konnten wir nicht einfach Freunde sein?“ Foto: picturedesk.com / Karl Schöndorfer Selbsterkundung Die gebürtige Oberösterreicherin übersetzt Lyrik, verfasst Essays und veröffentlichte bislang zehn Romane, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt den Adalbert-Stifter-Preis (2019). Anna Mitgutsch erinnert sich in ihrem Buch „Unzustellbare Briefe“ an Menschen, die in verschiedenen Lebensabschnitten wichtig für sie waren – ihre Lebensmenschen. Von Christa Gürtler „Du lehrtest mich das Geschichtenerzählen.“ Mit diesem Satz beginnt die erste Erzählung „Was Du für mich warst“ in Anna Mitgutschs jüngstem Buch mit dem mehrdeutigen Titel „Unzustellbare Briefe“. Es enthält achtzehn Porträts von Menschen, die für die Autorin in verschiedenen Lebensabschnitten wichtig waren. Bezogen auf ihren späteren Lebensweg als Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin zählte ihre Großmutter zu den Lehrmeisterinnen. Sie lebte auf einem abgeschiedenen Hof am Rand des Böhmerwaldes nahe der tschechischen Grenze, wo sie zwölf Kinder gebar. Die Erzählerin erinnert sich an das Austragshäusl, in dem sie Geborgenheit und Liebe erfahren und gelernt hat, „dass es keiner Leistung und keiner Bestechung bedarf, um geliebt zu werden“. Es war für die Großmutter selbstverständlich, dass sie zwei Stunden Gehweg in Kauf nahm, um der Enkelin die gewünschten Oblatentorten aus dem Nachbardorf zu holen. Als die Erzählerin vierzig Jahre nach dem Tod der Großmutter zurückkehrt, muss sie feststellen, dass das Haus verschwunden und der Name auf dem Grab getilgt war. Am Anfang steht die Erinnerung Trauer und Melancholie bestimmen den poetischen Ton der Abschiedsbriefe an Menschen, die nicht mehr leben oder die aus dem Leben der Erzählerin verschwunden sind, weil man einander nichts mehr zu sagen hatte, oder von denen man sich im Streit getrennt hat oder aus anderen Gründen. Unzustellbar sind die fiktiven Briefe aber auch, weil sie nicht geschrieben sind, um beantwortet zu werden, also um ein Gespräch, einen Dialog wieder aufzunehmen. Anna Mitgutsch geht es in ihrer Selbstreflexion nicht um wahrhafte Porträts von Lebensmenschen, sondern um ihre persönliche Wahrnehmung, ihre Perspektive. Dabei erweist sich die Wahl der Briefe als literarische Form einer Autobiografie als Glücksfall. Im Impressum des Buches heißt es: „Der autobiografische Anteil dieser Erzählungen ist fiktionalisiert und literarisch verfremdet. Die Briefe sind erdacht und nicht an reale Personen adressiert, sondern nach einem literarischen Gestaltungsprinzip konzipiert.“ Leider muss man heute schon erklären, wie ein Buch zu lesen ist. Schon in ihren Grazer Poetik-Vorlesungen „Erinnern und Erfinden“ setzte sich Mitgutsch mit ihrem Lebensthema auseinander, das alle ihre Texte bestimmt: Wie verwandelt sich das Erfahrungsmaterial Leben in Literatur. „Am Anfang allen Schreibens steht die Erinnerung, und Erinnern ist weder etwas Allgemeines noch etwas Objektives“, heißt es in der ersten Vorlesung. Auch für die Erinnerung als literarische Tätigkeit gilt die Erfahrung, „dass das Erinnern ein Scheitern an der Realität ist“. In „Unzustellbare Briefe“ zeichnet die Autorin schonungslos ihre eigenen Lebensspuren nach – als Geschichte von schmerzlichen Erfahrungen, Verlusten und bisweilen verpassten Gelegenheiten, aber auch von Nähe, glücklichen Momenten und langlebigen Freundschaften wie zu ihrem Lektor Helmuth Frielinghaus, der 27 Jahre ihre Bücher begleitete. In diese umfangreichste Hommage unter dem Titel „Mein Mentor, mein Freund“ sind Zitate aus seinen Briefen eingewebt, die ihre Vertrautheit ebenso vermitteln wie die gegenseitige Wertschätzung des jeweiligen Blicks auf Mensch und Natur. Schwieriger war das Verhältnis zwischen der Autorin und der prominenten Widerstandskämpferin und Literaturagentin Ruth Liepmann. Aus anfänglicher Begeisterung und Zuneigung folgte rasch Distanz und Abkühlung, weil die Manuskripte nach dem ersten großen Erfolg die Erwartungen der Agentin nicht mehr erfüllten. Gerade die Beziehungen zu Frauen erweisen sich als besonders gefährdet, pendeln zwischen Freundschaft und Feindschaft, zwischen Bewunderung und Rivalität trotz Frauenbewegung und Solidarität. Mutige Selbsterkundung Die Erinnerungen führen die Erzählerin von der Kindheit über Studium und verschiedene berufliche und private Lebensstationen nach Israel und in die USA, zu einer lesbischen Dichterin in West Virginia, zur ersten großen Liebe zu einem jüdischen Hippie, mit dem sie eine Zeit lang in einem Kibbuz lebte, bis hin zur Amour fou mit einem viel älteren Professor nach der Scheidung von ihrem Mann, die zu Ende war, als ihr erstes Romanmanuskript fertig war. Und immer wieder geht es um Entfremdung, um ideologische Grenzen und die Frage, Lesen Sie auch „Liebe der Töchter, vergeblich nachgetragen“ von Evelyne Polt-Heinzl (12.5.2016) auf furche.at. „ Anna Mitgutsch geht es in ihrer Selbstreflexion nicht um wahrhafte Porträts von Lebensmenschen, sondern um ihre persönliche Wahrnehmung, ihre Perspektive. “ warum man einander „schrecklich verfehlt“ hat. Der Titel des letzten Briefes bringt es auf den Punkt: „Warum konnten wir nicht einfach Freunde sein?“ Anna Mitgutschs berührendes und sprachlich brillantes Buch „Unzustellbare Briefe“ ist aber nicht nur eine mutige Selbsterkundung, sondern das Porträt einer Nachkriegsgeneration, die vieles anders und besser machen wollte und bisweilen an ihren eigenen Ansprüchen scheiterte. Unzustellbare Briefe Erzählungen von Anna Mitgutsch Luchterhand 2024 316 S., geb., € 25,50 Tipp: Unzustellbare Briefe Lesung von Anna Mitgutsch Moderation: Katja Gasser 24.11.2024, 15 Uhr Buch Wien, buchwien.at Unzustellbare Briefe Lesung von Anna Mitgutsch Moderation: Christa Gürtler 2.12.2024, 19:30 Literaturhaus Salzburg
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