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DIE FURCHE 21.09.2023

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DIE FURCHE · 38 24 Ausstellung 21. September 2023 In großem Rahmen Vom Mittelalter bis heute zeigt die neu ausgerichtete Dauerausstellung die Wechselwirkungen zwischen Kunst und Gesellschaft. Immer mehr Künstler traten dabei aus dem Schatten der Anonymität. Von Theresa Steininger werden der Besucher und die Besucherin derzeit im Oberen Belvedere schlichtweg auf- „Schau!“, gefordert. Was im Kontext eines Museumsrundgangs logisch erscheint, wurde als Titel für die Neuordnung der Dauerpräsentation gewählt. Das Herzstück des Hauses wurde zuletzt vor fünf Jahren neu gehängt, „aber in fünf Jahren tut sich viel“, sagt Generaldirektorin Stella Rollig. „Man darf nicht dem Irrtum unterliegen, dass eine Dauerausstellung etwas Statisches ist. Der Blick auf die Bestände ändert sich, Neuankäufe und Dauerleihgaben kommen dazu.“ Unter den rund 400 Werken der Dauerausstellung sind nun etwa 60, die bisher hier noch nicht gezeigt wurden, darunter solche zur Avantgarde in Ungarn und der ehemaligen Tschechoslowakei aus den Sammlungen Laszlo und Rotter. Als roten Faden durch all die Jahrhunderte Kunstgeschichte nutzt man die Frage, „wie Künstler ihre Zeit reflektierten, wie das Wechselverhältnis zwischen Kunst und Gesellschaft war“, sagt Das Obere Belvedere hat sein Herzstück, die Dauerpräsentation, neu aufgestellt. „Der Kuss“ hat neue Nachbarinnen bekommen. Mit einem frischen Blick Chefkuratorin Luisa Ziaja. Diese Frage möchte man auf das Mittelalter und die Renaissance ebenso anwenden wie auf Werke aus dem vorigen Jahrhundert. In den Räumen zum Mittelalter möchte man nunmehr stärker betonen, wie sich Kunst zunehmend aus der Anonymität befreite. Beginnend mit einem Selbstporträt aus dieser Phase hat man in der aktuellen Neuordnung generell pro Bereich einen Künstler oder eine „ Als roten Faden durch all die Jahrhunderte Kunstgeschichte nutzt man die Frage, wie Künstler ihre Zeit reflektierten. “ Künstlerin als Erzählfigur hervorgehoben und Selbstporträts gehängt. „Wir möchten dadurch nachvollziehbar machen, wie sich die Rolle des Künstlers verändert“, so Ziaja. In der Zeit der Aufklärung sieht man eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Zeit ‒ Bilder des Alltagslebens auch abseits von beauftragten Porträts zeugen davon. Den so populären Bereich Wien um 1900 lässt man mit Bildern beginnen, die damalige Fortschritte der Technik wiedergeben, so eine Bahnhofsdarstellung von Karl Karger. Die Werke der Secessionisten stellt man solchen von Monet, Rodin und Munch gegenüber, die Kunstbewegung selbst wird in einer Foto-Slideshow präsentiert. Im selben Raum wie der „Kuss“ hängen nun Elena Luksch-Makowskys „Adolescentia“ sowie das neu erworbene „Selbstporträt als Schwangere“, während Werke von Klimt selbst etwas ausgedünnt wurden. Werke von Frauen verstärken auch den Bereich Impressionismus, dort hängen solche von Tina Blau und Olga Wisinger-Florian. Im Bereich der frühen Abstraktion zeigt man nun auch zentraleuropäische Tendenzen, die sich mit Form und Fläche auseinandersetzen. Man möchte, so heißt es aus dem Belvedere, diese künstlerischen Entwicklungen Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien besser als internationales Phänomen nachvollziehen lassen. Allerdings haben nun Wiener Moderne und Nachkriegsmoderne weniger Platz. In den Räumen zur Zeit des Austrofaschismus und Nationalsozialismus werden einige gebrochene Biografien wie jene von Lilly Steiner angeschnitten und gezeigt, wie beispielsweise Gerhart Frankl das Schicksal seiner Familie verarbeitete ‒ Bruder und Mutter starben durch die Schoah. Außerdem wird die Frage aufgeworfen, wie man nach dem großen Bruch wieder Anschluss an internationale Tendenzen fand. Aufgewertete Frauenpositionen Zur Begegnungszone für so viele nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Art Club, der auch für Stilpluralismus steht, die Väterfiguren Herbert Boeckl und Albert Paris Gütersloh werden ebenso im Belvedere gezeigt wie eine frühe Arbeit von Maria Lassnig und solche von Arnulf Rainer. Der Anspruch war generell, „nicht nur den Kanon immer zu wiederholen, sondern ihn auch zu ergänzen“, heißt es von Kuratorenseite. Neu ist, dass das Ende des Rundgangs nunmehr im Erdgeschoß zu finden ist. Hier werden die 1960er und 1970er Jahre präsentiert, der feministischen Avantgarde ist ein Schwerpunkt gewidmet, darunter Valie Export und Birgit Jürgenssen. Ein neues Selbstbewusstsein, das mit einem patriarchalen Blick auf die Kunst bricht, sowie performative Tendenzen und die Rolle von Betrachterin und Betrachter werden hervorgehoben. Den Abschluss macht eine Hinterglasarbeit von Marc Adrian, die den Wahrnehmungsprozess des Menschen und die Abläufe zwischen Sehen und Denken thematisiert – und somit einmal mehr auf das Motto der Neuaufstellung rekurriert: „Schau!“ „Schau!“ – Dauerausstellung Oberes Belvedere Mo bis So, 9 bis 18 Uhr www.belvedere.at IN KÜRZE PHILOSOPHIE • WISSEN ■ Tractatus an Isolde Charim KUNST ■ Günter Brus (85) MEDIEN ■ Wiener Journalistinnenpreis WISSEN ■ Forschungsfest und Co Seit 2009 wird vom Verein Philosophicum Lech der mit 25.000 Euro dotierte Tractatus für herausragende Leistungen im Bereich der philosophischen Essayistik vergeben. Die heurige Preisträgerin ist die Philosophin und Publizistin Isolde Charim. Exem plarisch prämiert wird ihr Buch „Die Qualen des Narzissmus“, mit dem sie eine überraschende, tiefgreifende Theorie zur vorherrschenden Gesellschaftsideologie vorlegt und u. a. die Mechanismen der freiwilligen Unterwerfung entlarvt: „Ein intellektueller Parforce-Ritt durch die Qualen des gegenwärtigen Hyper-Individualismus“, heißt es in der Begründung der Jury. Am 20. September wurden die Feierlichkeiten rund um den 85. Geburtstag von Günter Brus mit einer Ausstellung im Wiener Palais Schönborn-Batthyány eröffnet. Gezeigt wird eine Hommage aus insgesamt 84 Einzelarbeiten über 60 Jahre, die bis 6. Oktober zu sehen ist. Brus zählt zu den Vertretern des Wiener Aktionismus und betätigte sich auch als Maler und Schriftsteller. Am 22.9. erfolgt die Eröffnung einer Brus-Ausstellung in der Galerie Sommer in Graz; und am 28.9., einen Tag nach dem Geburtstag, lädt das „Bruseum“ am Universalmuseum Joanneum in Graz zu einem „Geburtstagsfest für Günter Brus“ mit Konzert und Lesung. Yvonne Widler wurde im Wiener Rathaus mit dem Wiener Journalistinnenpreis 2023 des „Frauennetzwerks Medien“ ausgezeichnet. Die Jury ehrte die Kurier-Journalistin für ihre „Hartnäckigkeit, mit der sie sich immer wieder sozial- und gesellschaftspolitisch brisanten Themen widmet“. Speziell ihre sensible Femizid-Berichterstattung sei beeindruckend. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert und fördert journalistische Arbeiten mit frauenpolitischem Fokus. Der mit 1000 Euro dotierte Jungjournalistinnenpreis ging an die Gründerin des inklusiven Onlinemagazins andererseits, Clara Porák. Ein bunter Strauß an Möglichkeiten, sich mit der Welt der Forschung vertraut zu machen, bietet sich demnächst wissenschaftlich Interessierten: Den Auftakt macht am 22. September das „Forschungsfest NÖ“ im Palais Niederösterreich in der Wiener Herrengasse. Von 25. September bis 1. Oktober steht die sechste Ausgabe des „Vienna Humanities Festivals“ unter dem Motto „Promise & Temptations – Verführtes Denken“. Und in mehreren größeren Städten lädt man am 29. September bundesweit zur „European Researchers’ Night“. Insgesamt findet die Veranstaltung in rund 400 europäischen Metropolen statt.

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