DIE FURCHE · 38 14 Diskurs 21. September 2023 ERKLÄR MIR DEINE WELT Quatschen um des Quatschens willen? Den gesamten Briefwechsel zwischen Johanna Hirzberger und Hubert Gaisbauer können Sie auf furche.at bzw. unter diesem QR-Code nachlesen. Johanna Hirzberger ist Redakteurin von „Radio Radieschen“ und freie Mitarbeiterin von Ö1. Den Briefwechsel gibt es jetzt auch zum Hören unter furche.at/podcast „ Grundsätzlich hasse ich Smalltalk. Aber mir kam es vor, als ziehe der Kellner im Anzug Tisch für Tisch die Gäste aus der digitalen Welt in die analoge. “ Ich komme gerade aus dem Urlaub zurück. Auch wenn ich meinen persönlichen, moralischen Ansprüchen damit nicht gerecht werde, muss ich gestehen, dass ich den Badeurlaub sehr genossen habe. Zum ersten Mal seit Jahren, seit dem Ende meiner Schulzeit, hatte ich keine Arbeit im Gepäck. Im Vorfeld hatte ich ein bisschen Angst davor, dass mir langweilig werden könnte. Das war aber nicht der Fall. Stattdessen genoss ich die kleinen alltäglichen Routinen, wie den morgendlichen Gang zum Frühstücksbuffet. Und die fünftausend Schritte bergab, an Sissys Market vorbei, hinunter zum Meer und dann den Strand entlang ins kleine Dörfchen. Dort hatte ich zwei Stammlokale, in denen ich abwechselnd gegrillte Melanzani in Tomatensoße oder griechischen Salat mit Knoblauchbrot verspeiste. Die meisten Gäste aßen erst nach dem Sonnenuntergang, so hatten die Kellner (es waren nur Männer) immer Zeit für einen kleinen Plausch. Eigentlich mag ich solche Situationen nicht so gern. Diese Gespräche fühlen sich unnatürlich an. Mir ist nicht ganz klar, worin das Interesse meines Gegenübers liegt. Handelt es sich um Smalltalk, den ich hasse, um eine Überbrückung von Zeit, will man freundlich wirken, damit ich mehr Trinkgeld gebe, oder ist die Person wirklich am Austausch interessiert? Wie bei einem Flipperspiel rasen diese und andere Gedanken durch meinen Kopf. Eines Morgens, es war noch vor meinem ersten Kaffee, beobachtete ich noch leicht benommen die anderen Gäste auf der Frühstücksterrasse. Die meisten von ihnen waren in ihr Handy vertieft, sie wischten und scrollten über ihre Displays – und erst als der Mann mit dem Kaffee vor ihnen stand und freundlich nach ihrem Befinden fragte, blickten sie auf. Mir kam es vor, als ziehe der Herr im Anzug Tisch für Tisch die Gäste aus der digitalen Welt in die analoge. Dann stand er vor mir. Er überreichte mir den Verlängerten, und wir lächelten einander an. Überraschend nett war der Moment. Da kamen mir Ihre Worte aus einem Ihrer Briefe in den Sinn. Sie schrieben damals von alltäglicher Interaktion und dem Bedürfnis nach Gesehenwerden. Ich frage mich gerade, ob ich mich vielleicht häufiger auf das Quatschen um des Quatschens willen einlassen sollte. Graus vorm Geplauder Als ob Google meine Gedanken lesen könnte, wurde mir heute passend dazu ein Artikel vorgeschlagen. „Graus vorm Geplauder mit Fremden“ ist der Titel. Die beiden Psychologinnen Gillian Sandstrom und Erica Boothby untersuchten die Haltung bzw. Erwartungen von Personen, die sich vor Konversationen mit Fremden scheuen. Das Gegenüber könnte langweilig sein, das Gespräch oberflächlich, man könnte sich unsympathisch finden, oder es könnte am nötigen Talent fehlen, um einen Smalltalk elegant zu beschreiten – das waren nur einige der genannten Gründe. Gesprächsfertigkeiten seien jedoch eine Frage der Gelegenheit und Gewohnheit. Für mich heißt das: Je häufiger ich in Alltagssituationen an einem Gespräch teilnehme, desto normaler und angenehmer werden sie. Na ja, das ist zumindest meine Arbeitshypothese. Ob es funktioniert, darüber werde ich Sie auf dem Laufenden halten. Ja! Rund zehn Prozent der Lehrenden an Österreichs Schulen sind diesen Herbst nicht über ein einschlägiges Studium ausgebildet worden, sondern als Quereinsteiger eingestiegen. Es sei „ein mehr als unhaltbarer Zustand“, polterte die Opposition, etwa der freiheitliche Bildungssprecher Hermann Brückl, wenn auch im kommenden Schuljahr in allen Bundesländern unter anderem Quereinsteiger und Studenten ohne abgeschlossenes Studium in die Schulklassen geholt werden müssten. Keine Frage: Der Lehrermangel braucht dauerhafte Lösungen, und es braucht mehr Budget für die Schulen. Ebenso sollte nicht die ganze Last bei jenen liegen, die noch kein Studium abgeschlossen haben. Aber das ist noch lange kein Grund, die Idee von Quereinsteigern in den Schulen gänzlich abzulehnen. Denn einiges spricht dafür, sich diesem Modell zu öffnen. Quereinsteiger bringen schließlich frischen Wind in die Schulen und können neue Perspektiven vermitteln. Das ist von unschätzbarem Wert. Manche der Lehrenden werden in Sachen Digitales auch fitter sein und den Schülerinnen und Schülern näher, was einen modernen und innovativen Unterricht unterstützen könnte. Ebenso können nun auch Quereinsteiger aus der Privatwirtschaft leichter in den Lehrerberuf wechseln und Schülerinnen und Schülern viel berufliche Erfahrung aus ihrer Praxis näherbringen. Menschen, die von ihrem Fach begeistert sind und darin viele Jahre Berufserfahrung LASS UNS STREITEN! Noch mehr Quereinsteiger in den Schulen? Nein! Seit mindestens zehn Jahren weiß man, dass sich mit der Pensionierungswelle der geburtenstarken Jahrgänge eine Lücke auftun wird. 20.000 Lehrpersonen werden in den kommenden fünf Jahren in Pension gehen. Gleichzeitig verlassen immer mehr Lehrer(innen) frühzeitig den Schuldienst. „In Wien löst im Prinzip täglich eine Lehrperson den Dienst auf“, erklärte etwa Thomas Krebs, oberster Gewerkschaftsvertreter (FCG) der allgemeinbildenden Pflichtschulen gegenüber Puls 4. Krebs meint damit nur jene, die sich selbstständig (also nicht durch Versetzung oder Pensionierung) aus dem System zurückziehen. Und nun werden Quereinsteiger als eierlegende Wollmilchsau gehandelt. Personen mit Berufserfahrung in der Privatvorweisen können, haben nun die Chance, ihr Wissen weiterzugeben und andere junge Menschen dafür zu begeistern. Es ist jedoch unerlässlich, dass Quereinsteiger angemessen vorbereitet und unterstützt werden. Die Integration des neuen Lehrpersonals erfordert eine sorgfältige Planung, um sicherzustellen, dass sie die Bedürfnisse der Schüler erfüllen und effektiv unterrichten können. Dennoch sollten Quereinsteiger als das gesehen werden, was sie sind: eine große Unterstützung für das österreichische Schulsystem. Sie allein werden das Problem des Lehrermangels ohnehin nicht lösen. Aber jeder, der sich in der heute herausfordernden Zeit für den Lehrerberuf entscheidet, sollte unterstützt und gefördert werden, auch wenn diese Entscheidung später im Leben getroffen wurde. (Manuela Tomic) wirtschaft, die sich als Spätberufene fühlen (und daher motivierter sind?), sollen das Chaos an Österreichs Schulen beseitigen und das Bildungssystem stabilisieren. Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Man würde es auch zu gerne glauben. Aber dass dieses Narrativ einen fahlen Beigeschmack hat, ist offensichtlich. Derzeit heißt es vielerorts: Klappt es mit dem Traumjob, der Traumfirma nicht, kann man immer noch als Quereinsteiger an eine Schule gehen. Schuldirektoren nähmen einen angeblich mit Handkuss. Kein Zweifel, handelt es sich um eine hochtalentierte Fachkraft, die sich autodidaktisch sämtliche pädagogischen Fähigkeiten angeeignet hat und die Schülerinnen und Schüler zu Höchstleistungen anspornen kann – dann wird die Schulleitung in der Tat „Juchhe“ schreien. Doch diese Wunderwuzzis sind rar. Vielmehr zieht es jene an Schulen, die eine Veränderung suchen, sich in ihrem eigentlichen Job nicht mehr wohlfühlen, womöglich sogar überlastet sind, denen die Aussicht auf wochenlange Ferien gefällt. Das muss nicht unbedingt heißen, dass diese Leute schlecht unterrichten. Es muss aber auch nicht unbedingt heißen, dass sie gut unterrichten. Der Hype um die Quereinsteiger sollte also differenziert betrachtet werden. Es gilt, das Bildungsministerium wieder mehr in die Verantwortung zu nehmen. An ihm liegt es, den Kindern in Österreich qualifizierten Unterricht zu ermöglichen. (Brigitte Quint) Medieninhaber, Herausgeber und Verlag: Die Furche – Zeitschriften- Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KG Hainburger Straße 33, 1030 Wien www.furche.at Geschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner, Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Chefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Redaktion: Philipp Axmann, Dr. Otto Friedrich (Stv. Chefredakteur), MMaga. Astrid Göttche, Dipl.-Soz. (Univ.), Brigitte Quint (Chefin vom Dienst), Victoria Schwendenwein BA, Dr. Brigitte Schwens-Harrant, Dr. Martin Tauss, Mag. (FH) Manuela Tomic Artdirector/Layout: Rainer Messerklinger Aboservice: 01 512 52 61-52 aboservice@furche.at Jahresabo: € 181,– Uniabo (Print und Digital): € 108,– Bezugsabmeldung nur schriftlich zum Ende der Mindestbezugsdauer bzw. des vereinbarten Zeitraums mit vierwöchiger Kündigungsfrist. Anzeigen: Georg Klausinger 01 512 52 61-30; georg.klausinger@furche.at Druck: DRUCK STYRIA GmbH & Co KG, 8042 Graz Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz: www.furche.at/offenlegung Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Art Copyright ©Bildrecht, Wien. Dem Ehrenkodex der österreichischen Presse verpflichtet. Bitte sammeln Sie Altpapier für das Recycling. Produziert nach den Richtlinien des Österreichischen Umweltzeichens, Druck Styria, UW-NR. 1417
DIE FURCHE · 38 21. September 2023 Diskurs 15 Warum beim Angriffskrieg russlands* gegen die Ukraine sprachliche Präzision wesentlich ist – und der Aggressor in der Berichterstattung nicht ausgeblendet werden darf. Ein Gastkommentar. Die verschleiernde Rede vom „Ukrainekrieg“ In der modernen Sprachwissenschaft gehen wir von einem reziproken Zusammenwirken zwischen Sprache und Realität aus. Denn die Sprache bildet nicht nur die Realität ab, sondern gestaltet diese auch mit – und sie schafft Bewusstsein für bestimmte Vorgänge und Sachverhalte. Als gutes Beispiel können hier Wörter wie Mobbing oder Bullying dienen, die eine Sensibilität für gewalttätige Handlungen schufen, obwohl es diese Phänomene schon seit jeher gab. Dieser Wirkung von Sprache sollten wir uns insbesondere dann bewusst sein, wenn wir neue Sachverhalte benennen. Nach dem verhüllenden Begriff Ukrainekrise, mit dem der von russland* seit 2014 gegen die Ukraine geführte hybride Krieg bezeichnet wurde, schien der nach dem breit angelegten russischen Angriff vom 24. Februar 2022 in Umlauf gekommene Begriff Ukrainekrieg eine Bezeichnung zu sein, die nicht nur der realen Situation entspricht, sondern auch der üblichen deutschen Wortbildung. Denn: Das Deutsche liebt zusammengesetzte Wörter. Mark Twain hat das in seinem Essay „Die schrckliche deutsche Sprache“ als „eigentümlichste und bemerkenswerteste Erscheinungen“ bezeichnet und treffend witzig beschrieben: „Sechs oder sieben Wörter sind zu einem zusammengepackt, ohne Gelenk oder Naht. [...] Dies sind keine Wörter, das sind Prozessionen von Buchstaben.“ Als längstes Beispiel wird gern der Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän angeführt. Bei den Zusammensetzungen überwiegen die Determinativkomposita: Hier sind die einzelnen Wortbestandteile nicht gleichwertig. Vielmehr ist das Endglied ein Hauptwort, das durch das Erstglied (Bestimmungswort) näher bestimmt wird. Ist die Ukraine schuld an der Teuerung? Auch der Begriff Ukrainekrieg ist ein solches Kompositum. Doch wird hier ein stark negativ konnotiertes Wort (Krieg) mit jenem Land in Verbindung gebracht, welches das Opfer eines Angriffs wurde. Der Aggressor freilich wird zur Gänze ausgeblendet. In Berichten über die Auswirkungen dieses Krieges auf das alltägliche Leben (etwa in Form der Teuerung von Lebensmitteln, Gas, Strom etc.) wird so das Bild Foto: Mario Lang weiter verstellt. Denn alltägliche Unannehmlichkeiten werden damit unbewusst mit der Ukraine in Verbindung gebracht – während das daran schuldige Aggressorland durch Nichterwähnung verschont bleibt. Als korrekte Bezeichnung betrachte ich deshalb russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine. Seriöse Medien verwenden diese Beschreibung längst – wenn auch nicht immer konsequent. Denn um Platz zu sparen, wird nach wie vor zum Ukrainekrieg gegriffen. Dabei wäre Russlandkrieg das korrektere Kompositum: Erst dadurch würde das für alle Folgen verantwortliche Land explizit benannt DIESSEITS VON GUT UND BÖSE Von Oksana Havryliv „ Wörter beeinflussen unsere Wahrnehmung – und natürlich auch das Ergebnis von Umfragen über den Krieg. “ und nicht nur mitgemeint. Der litauische Militärexperte Aurimas Navys hat diese Bezeichnung schon vor einem Jahr in einem Facebook-Beitrag verwendet: „Wann und wie wird der Russland-Krieg enden?“, fragte er damals. Faktum ist: Wörter beeinflussen unsere Wahrnehmung – und natürlich auch das Ergebnis von Umfragen. Die Frage „Sollte Russland den Krieg gegen die Ukraine beenden, indem es alle besetzten Gebiete verlässt?“ würde wohl zu anderen Antworten führen als die Frage „Sollte die Ukraine weiterkämpfen?“. Letztere wurde im Februar 2022 von „Unique Research“ gestellt und von 65 Prozent der Österreiche- rinnen und Österreicher mit Nein beantwortet. Zudem stärkt die Bezeichnung russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine das Bewusstsein für verschiedene Kriegsarten: den Angriffskrieg und den Verteidigungskrieg. Auch dies beeinflusst die öffentliche Meinung: Würde der Angreifer klar benannt, so könnten auch die Antworten auf die Frage nach EU-Militärhilfe für die Ukraine – etwa gestellt von „Europa#wasistjetzt“ und von 63 Prozent der Jugendlichen negativ beantwortet – anders aussehen. Frieden ist nicht gleich Frieden Sprache als lebendiger Organismus reagiert auf gesellschaftliche Veränderungen nicht nur mit neuen Bezeichnungen, sondern auch mit Bedeutungsveränderungen des bestehenden Wortschatzes. Wir sehen das etwa am Beispiel des Wortes Frieden, das von Ukrainerinnen und Ukrainern in der Regel mit dem Attribut siegender Frieden gebraucht wird. Zwar will auch putin* Frieden. Seiner ist aber als Synonym zur Okkupation zu verstehen. Da rauf, dass Frieden nicht gleich Frieden ist, weist auch der Theologe und Philosoph Clemens Sedmak hin: „Frieden bedeutet nicht einfach die Abwesenheit des Krieges und der Gewalt. Frieden bedeutet Gerechtigkeit“, betont er. In der ukrainischen Gesellschaft gehört der Frieden zu den wichtigsten Werten. Er hat den Bürgerinnen und Bürgern im Laufe der letzten Jahrzehnte trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten und politischer Turbulenzen immer Halt gegeben und Trost gespendet. Seine baldige Wiederherstellung durch den Sieg über den Terrorstaat russland* wünsche ich meinem Heimatland von ganzem Herzen. *Die Kleinschreibung von „russland“ wie auch von „putin“ ist kein Tippfehler, sondern ein bewusstes Zeichen der Solidarität der Autorin mit Ukra inerinnen und Ukrainern, die diese Wörter seit dem russischen Angriff als Zeichen der Missachtung kleinschreiben. Die Autorin ist Sprachwissenschafterin/ Germanistin und forscht seit 30 Jahren zu verbaler Aggression. Am 5. Oktober erscheint ihr neues Buch: „Nur ein Depp würde dieses Buch nicht kaufen“ (Komplett-Media Verlag). ZUGESPITZT Die ASFiNAG als Seelenverwandte Zunächst ein Geständnis: Die Autorin dieser Zeilen arbeitet nicht gut unter Druck. Je voller ihr Terminkalender, desto leerer ihr Kopf. Verzweifelt versucht sie, alles gleichzeitig zu erledigen, beantwortet E-Mails während Meetings und isst, während sie schreibt. Doch trotz Post-its, Handywecker und Kalendererinnerungen verliert sie regelmäßig den Überblick über die Baustellen. Das Ergebnis: ein riesiger gedanklicher Stau. Nichts geht mehr. Mit dieser Stressreaktion scheint sie nicht allein zu sein. Gerade am Wochenende hat sie in der ASFiNAG eine Seelenverwandte gefunden. Fünf Autobahntunnel der A10 zwischen Golling und Werfen sollen bis 2025 auf Vordermann gebracht werden; und um diesen ehrgeizigen Termin einhalten zu können, widmet man sich allen gleichzeitig. Das Resultat war eine 25 Kilometer lange Autokolonne, die im Schneckentempo durch die Salzburger Alpen staute. Abfahren war zwecklos, waren die Ausweichrouten doch genauso verstopft. Vermutlich wird sich das Chaos am kommenden Wochenende wiederholen. Aber hey, wir müssen da ein bisschen Vertrauen in die ASFiNAG haben. Schauen Sie, diese Glosse ist auch ja noch rechtzeitig fertig geworden. Helena Pichler NACHRUF Streitbare Kämpferin für Frauen, nicht nur in der Kirche Wer Ingeborg Schödl begegnet ist, erlebte eine – bis ins hohe Alter – begeisterungsfähige Frau, die sich ihrer Sache und ihren Protagonistinnen mit Leib und Seele verschrieben hat. Ihrer „Sache“, das war Christin-Sein in der heutigen Zeit und Welt und gleichzeitig auch ein In-ihrer-Kirche-Finger-in-Wunden-Legen und Lästigsein – etwa um der Frauen willen, die in der katholischen Kirche so lange „zweitklassig“ waren. Aber nicht nur in der Kirche. So setzte sich Schödl ein fürs Andenken an die erste weibliche Abgeordnete der Christlich-Sozialen im Nationalrat, Hildegard Burjan, Sozialreformerin und Gründerin der Ordensgemeinschaft „Caritas Socialis“, als Vizepostulatorin betrieb sie deren Seligsprechung, die 2012 erfolgte, maßgeblich mit. Oder sie holte in einem Buch die Katholikin Margarethe Ottillinger vor den Vorhang, die als 29-jährige Beamtin 1948 von den Sowjets aus Österreich verschleppt wurde, im Gulag landete und nach ihrer Rückkehr zur Managerin in der verstaatlichten Industrie aufstieg. Oder Anna Dengler, die Gründerin der Missionärztlichen Schwestern, die nicht nur in den Ländern des Südens ärztlich tätig war, sondern zuvor in der katholischen Kirche das heute absurd anmutende Verbot für Ordensfrauen bekämpfen musste, als Ärztin oder Hebammer tätig sein zu dürfen. Diesen Frauen hat Schödl Bücher gewidmet, ihr Sammelband „Gottes starke Töchter“ (1998) gibt schon im Titel vor, wen sie da aufs Podest heben wollte, denn, so Schödl: „Kinder, Küche, Kirche – auf diese drei K fixierte man noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gerne den Tätigkeitsbereich von Frauen.“ Geboren wurde Ingeborg Schödl 1934 in Wien. Sie war Redakteurin bei der Wiener Kirchenzeitung, gehörte 1977–99 der ORF-Hörer- und -Sehervertretung an, ab 1990 nahm sie sich als streitbare Vorsitzende von dessen Programmausschuss oft kein Blatt vor den Mund. Sie engagierte sich auch als Vizepräsidentin des Katholischen Familienverbandes und leitete dessen Zeitschrift Ehe und Familie. Auch für die FURCHE schrieb Ingeborg Schödl zahlreiche Beiträge, ihr letzter datiert vom November 2022 übers 45-Jahr-Bischofsjubiläum von Helmut Krätzl. Dieser ist bekanntlich im Mai verstorben. Ihm ist Ingeborg Schödl nun am 13. September nachgefolgt – wenige Tage nach ihrem 89. Geburtstag. (Otto Friedrich) Foto: Franz Josef Rupprecht Über Margarethe Ottillinger schrieb Ingeborg Schödl am 12.5.2005, nachzulesen unter „Die Beamtin als Bauernopfer“ auf furche.at.
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