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DIE FURCHE 21.09.2023

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DIE FURCHE · 38 10 Religion 21. September 2023 Beziehungs- Pflege Barmherzige- Brüder-Provinzial Frater Saji Mullankuzhy (2. v. li.) ist 2004 nach Österreich gekommen und begleitet jetzt mit Personalleiterin Romana Gabriel (re.) das Projekt. Von Wolfgang Machreich Der augenscheinlichste Unterschied beim Besuch eines Krankenhauses in Österreich und eines Spitals in Indien liege in der Zahl der jungen Beschäftigten, sagt Romana Gabriel. „Wir sind vielen jungen Menschen in Ausbildung zur Pflege begegnet, die Altersverteilung ist wesentlich ausgewogener“, beschreibt die Personalleiterin der Ordensprovinz der Barmherzigen Brüder in Österreich ihren Eindruck von einem Besuch in der indischen Ordensprovinz. „Dort steht die Bevölkerungspyramide noch auf einer breiten Basis und nicht wie bei uns auf dem Kopf.“ Dass in Indien der größte Bevölkerungsanteil zwischen 15 und 25 Jahre alt sei, merke man folglich überall. Gabriel war Teil einer Delegationsreise im Mai dieses Jahres, bei der ein Kooperationsprojekt zwischen den Barmherzigen Brüdern in Österreich und Indien offiziell gestartet wurde. Ziel dieser Kooperation ist es, indische Pflegepersonen mit akademischer Ausbildung für die Gesundheitseinrichtungen des Ordens in Österreich und Bayern zu gewinnen. Das Interesse seitens der indischen Fachkräfte an dieser Kooperation sei groß, beschreibt Gabriel ihren Eindruck: „Man merkt die Aufbruchsstimmung, es gibt viele junge Menschen, die über den Tellerrand FOKUS ORDENSKRANKENHÄUSER „Solidarität braucht Struktur“ lautete eine zentrale Forderung für den Pflegebereich am 9. Dezember 2010; nachzulesen unter furche.at. Primärversorgung in und neben Spitälern? hinauswollen, Interesse an der westlichen Welt zeigen.“ Gleichzeitig ist der Personalleiterin das Verantwortungsbewusstsein der jungen Menschen ihren Familien gegenüber aufgefallen: „Bei dieser Entscheidung für einen Arbeitsplatz in Österreich geht es sicher auch darum, ihre Familien zu Hause zu unterstützen.“ Als ersten Schritt nach Österreich müssen die vorwiegend weiblichen Interessentinnen die notwendigen Deutschprüfungen bestehen. „Um als diplomierte Pflegefachkraft in Österreich arbeiten zu dürfen, braucht man das Deutschsprachniveau B2“, erklärt Gabriel. Auf der sechsstufigen Leiter der Sprachbeherrschung ist Die Ordenskrankenhäuser sind der größte Spitalsträger Österreichs. Jedes fünfte österreichische Spitalsbett steht in einem Ordenskrankenhaus. „Die Ordensspitäler erbringen klinische Spitzenmedizin. Unser Augenmerk gilt aber auch jenen Menschen, die nicht medizinisch versorgt werden. Für sie bieten die Ordensspitäler kostenlose Leistungen von der Zahnbehandlung über die Geburtshilfe bis hin zum VinziDorf-Hospiz an“, sagt Christian Lagger, Vorsitzender der ARGE der Ordensspitäler Österreichs. Im Gespräch mit der FURCHE betont Lagger: „Es ist viel Knowhow in den Kranken häusern gebündelt.“ Dieses Potenzial möchte er auch für die Primärversorgung nützen. „Wir haben die teuren Strukturen der Krankenhäuser und gleichzeitig den Fachkräftemangel im niedergelassenen Bereich“, sagt er und schlägt vor: „Als Ordensspitäler mit starker regionaler Verankerung wäre es für uns denkbar, die Primärversorgung direkt in den Ordensspitälern oder in deren Nähe anzusiedeln – mit den Ärztinnen und Ärzten des Spitals.“ Patienten könnten dort schwellenfrei ihre Untersuchungen durchführen lassen, so Laggers Gedankengang. Für Krankenhausärzte könnte das ein Anreiz sein, als Nebenbeschäftigung in solchen Praxen zu arbeiten. Befragt nach der Resonanz aus der Politik auf diesen Vorschlag, antwortet Lagger: „Wir sind da mitten im Fluss, da ändert sich gerade viel. Ich möchte keine Politikschelte betreiben: Das scheitert weniger am Gesetzgeber oder am Gesundheitsministerium als an der starren Haltung der Ärztekammer.“ (wm) Eine Kooperation zwischen den Barmherzigen Brüdern in Österreich und Indien zeigt Chancen und Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Pflegefachkräften. Barmherzige Internationale „ Wir haben in Österreich Schwellen aufgebaut, die pragmatische Lösungen bei der Zuwanderung von Arbeitskräften verhindern. Wir brauchen gefilterte Migration. “ Christian Lagger, ARGE Ordensspitäler das die Sprosse vier. Insofern gilt für Pflegekräfte ein höherer Anspruch als für andere Bewerber um die Rot-Weiß-Rot-Karte. Einer gelungenen Kommunikation wird im Pflegebereich also mehr Bedeutung beigemessen als bei anderen Berufsgruppen. Nach der Sprachhürde beginnt für die indischen Pflegefachkräfte der bürokratische Hürdenlauf um Aufenthalts- und Beschäftigungserlaubnis. Im ersten Halbjahr 2024 soll die erste Gruppe nach Österreich kommen, anschließend rechnen die Barmherzigen Brüder mit einem jährlichen Zuzug von 20 Fachkräften. „Zwanzig pro Jahr klingt nicht so viel“, sagt Gabriel – doch sie stellt die Zahl in eine größere Relation: „Auswanderung ist immer ein großer Schritt. Wir wollen, dass sich die Neuzugezogenen wohlfühlen, bestmöglich sozialisiert und integriert werden. Gleichzeitig gehören die bestehenden Mitarbeiter in unseren Einrichtungen in diesen Prozess eingebunden. Deswegen ist die Zahl limitiert, und deswegen legen wir viel Wert auf die Sprachausbildung. Denn die Sprache ist die wichtigste Brücke zwischen den Kulturen und Basis für gelungene Migration und Integration.“ Foto: Barmherzige Brüder Als ein „Exzellenzbeispiel“ bezeichnet Christian Lagger, Vorsitzender der ARGE der Ordensspitäler Österreichs und Direktor der Elisabethinen Graz, diese Kooperation der Barmherzigen Brüdern in Österreich und Indien. „In der Pflege brauchen wir in den nächsten zehn Jahren zwischen siebzig- und hunderttausend Fachkräfte“, rechnet Lagger vor. Die demografische Entwicklung und Pensionierungswellen nennt er als Gründe für den Bedarf – und sagt: „Wir kommen an einer verantwortungsbewussten, gefilterten Migration nicht vorbei. Was wir brauchen, ist eine klare und rechtssichere Zuwanderungsstrategie, die uns ermöglicht, gezielt Arbeitskräfte nach Österreich zu holen. Deutschland holt jährlich 20.000 Pflegekräfte ins Land, wir schaffen im Schnitt nur 130.“ Neben dem Gesundheitsbereich sei der Fachkräftemangel auch in der Industrie oder in der Tourismusbranche allgegenwärtig, spannt Lagger den Problembogen größer: „Wir sind da alle im selben Boot. Da muss sich eine Gesellschaft schon die Frage stellen, wie sie solche wesentlichen Schlüsselbereiche mit qualifiziertem Personal besetzen will.“ Lagger hat sich dieser Frage gestellt, eine seiner Antworten lautet: „Wir haben in Österreich Schwellen aufgebaut, die pragmatische Lösungen bei der Zuwanderung von Arbeitskräften verhindern.“ Als Beispiel für Schwellen nennt Lagger, wenn anderswo absolvierte Top-Pflegeausbildungen in Österreich nicht anerkannt werden: „Diese Menschen müssen in der Nostrifikation bei uns alles wiederholen, das kann nicht sein“, sagt Lagger. Er fordert eine „an den Realitäten Maß nehmende“ Überarbeitung der gesetzlichen Rahmen bedingungen, um den Integrationsprozess zu vereinfachen, „damit man nicht alles doppelt und dreifach machen muss und es diesen Leuten vergällt, bei uns zu arbeiten“. Bürokratiehürdenlauf Gefragt nach der größten Herausforderung bei der Umsetzung der Pflegekräfterekrutierung, nennt auch Romana Gabriel die Bürokratie: Dokumente müssen beglaubigt und teilweise im Original – also nach einem hoffentlich geglückten interkontinentalen Postweg – vorgelegt werden. Nos tri fizierung, Rot-Weiß-Rot-Karte und Aufenthaltsvisum gehören beantragt, danach folgt der Eintrag ins Gesundheitsberufe register. Nachdem mehrere Behörden in diesen Bewerbungsprozess involviert sind, komme es oft zu Verdopplungen. Dass relevante Internetseiten nicht auch durchgängig ins Englische übersetzt sind, schafft weitere Verzögerungen. „Die Zentralisierung des gesamten Prozesses an einer Stelle und die Bereinigung redundanter Prüfschritte wäre für alle Beteiligten hilfreich, um den Zeitaufwand zu reduzieren und ohne dadurch an Prüfungsqualität zu verlieren“, sagt Gabriel. Mittlerweile rekrutieren die meisten Krankenhausträger Pflegekräfte aus Nicht- EU-Staaten, sagt Gabriel: „Wir haben aber den Vorteil, dass wir diesen Austausch zwischen unseren Ordensstandorten in Indien und Österreich organisieren können.“ Und noch eine Besonderheit macht das Projekt einzigartig: Frater Saji Mullankuzhy, der Provinzial der österreichischen Ordensprovinz, ist in Indien geboren und aufgewachsen – und zeigt als Initiator und Promotor, dass Migration und Integration keine Einbahnstraßen sind. Diese Seite entstand in Kooperation mit den Ordensgemeinschaften Österreichs. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der FURCHE.

DIE FURCHE · 38 21. September 2023 Gesellschaft 11 Werden Kinder in ihren Familien misshandelt oder sind sie potenziell gefährdet, muss die Behörde eingreifen und sie aus den Familien nehmen. Bis geklärt ist, wo sie auf Dauer bleiben können, schenken Krisenpflegeeltern ihnen ein Zuhause auf Zeit. Ein Besuch. Wenn Eltern zur Gefahr werden Von Sandra Lobnig In den Nächten ist Renate Krammer gerade viel auf den Beinen. Wie das eben so ist, wenn man ein Neugeborenes zu versorgen hat. Krammer wärmt Milch und wechselt Windeln, sie tröstet und wiegt das Baby wieder in den Schlaf. Sie macht all das, was Eltern eines Kindes normalerweise tun. Nur dass Renate Krammer weder die Mutter noch die Großmutter des Kindes ist, das bei ihr wohnt, noch auf eine andere Weise verwandt ist mit ihm. Und doch war in ihrer Wohnung innerhalb weniger Stunden alles vorbereitet, bevor die Kleine – nennen wir sie Livia – vor zwei Wochen bei ihr eingezogen ist: ein Bettchen, Fläschchen und Baby nahrung, ein passender Kinderwagen, bunte Strampler. Denn Renate Krammer ist Krisenpflegemutter. Kinder zwischen null und drei Jahren, die aufgrund einer drohenden Gefährdung nicht bei ihren Eltern bleiben können, finden bei ihr für einige Monate ein Zuhause. „Die Kinder tragen alle einen schweren Rucksack. Ich möchte ihnen eine schöne Zeit schenken, damit sie den Glauben an die Menschheit nicht verlieren“, sagt Krammer. Und: „Irgendwo in ihnen soll abgespeichert sein, dass es auch Gutes und Schönes gibt – anders, als sie es zu Hause erlebt haben.“ Vorsichtiges Trösten Foto: Privat Zuhause auf Zeit Werden Kinder von der Behörde aus ihren Familien genommen, soll die Krisenunterbringung Schutz und Zuwendung bieten. „ Die Kinder tragen alle einen schweren Rucksack. Ich möchte ihnen eine schöne Zeit schenken, damit sie den Glauben an die Menschheit nicht verlieren. “ Renate Krammer Renate Krammer ist eine von 33 angestellten Krisenpflegemüttern in Wien. GLAUBENSFRAGE Foto: iStock/gorodenkoff Lesen Sie zum Thema Pflegefamilie auch Linda Elias Blancos Beitrag „Initiative Pflegemutter“ (17.1.1980) auf furche.at. Ich liebe die Sanftmut An diesem Tag sitzt Renate Krammer in der freundlichen Wohnküche ihrer Wiener Wohnung, eine Spuckwindel über der Schulter, die schlafende Livia im Arm. „Sie ist ein ganz liebes Baby“, sagt die 59-Jährige mit den kinnlangen, dunklen Haaren und den pinken Blumenohrringen lächelnd und streichelt dem Baby über den Kopf. Die Arbeit von Krisenpflegeeltern kannte die ehemalige Ordinationsassistentin seit Langem aus nächster Nähe, bevor sie sich entschloss, selbst Krisenpflegemutter zu werden. „Meine Freundin macht das seit 25 Jahren. Ich wusste, dass es immer Bedarf gibt.“ Krammer absolvierte die nötige Ausbildung und trat vor zweieinhalb Jahren ihren Dienst an. Elf Kinder hat die Mutter einer erwachsenen Tochter seitdem bei sich aufgenommen. Sie deutet auf eine Fotocollage an der Wohnzimmerwand, auf der zufriedene Babys und lachende Kleinkinder zu sehen sind. „Wenn die Kinder bei mir ankommen, sind sie oft blass, ihre Augen schauen ins Leere. Manche wirken sehr verängstigt, andere aggressiv. Mit der Zeit verändert sich ihre Gesichtsfarbe, und ich merke richtig, wie sie aufblühen. Sie beginnen wieder zu sprechen, kuscheln sich an mich, und ihre Haare wachsen wieder. Das zu erleben, ist wunderschön.“ Dass Kinder ihren leiblichen Eltern abgenommen werden, sei das allerletzte Mittel, erklärt Monika Hummel, Sozialarbeiterin beim Referat für Adoptiv- und Pflegeeltern der Stadt Wien. Dazu kommt es dann, wenn ein Kind verwahrlost, misshandelt wird oder die Eltern es auch mit Unterstützung des Jugendamtes nicht schaffen, sich gut zu kümmern. In diesen Fällen wird es vorübergehend bei Krisenpflegeeltern untergebracht; ist es über drei Jahre alt, in einem Krisenzentrum. In Wien sind pro Jahr etwa 160 Kinder betroffen. „Die Krisenpflege soll für das Kind ein sicherer Hafen sein und der Abklärung dienen. Hat das Kind Defizite, und braucht es Unterstützung wie Physio- oder Ergotherapie? Und: Wo kann es in Zukunft leben?“, sagt Hummel. Rund die Hälfte der Kinder kehrt zu den Eltern oder in den erweiterten Familienkreis zurück, fünfzig Prozent kommen in eine Pflegefamilie. Krisenpflegeeltern werden laufend gesucht, selbst Mutter oder Vater muss man dafür nicht sein, wobei Erfahrung mit Kindern – zum Beispiel in einem pädagogischen Beruf – notwendig ist. Aktuell stehen dem Referat für Adoptiv- und Pflegeeltern 33 angestellte und fünf frei berufliche Krisenpflegeeltern zur Verfügung, der Großteil sind Frauen. Für die angestellten Krisenpflegeeltern gibt es seit wenigen Monaten in Wien eine deutliche finanzielle Verbesserung (österreichweit ist die Krisenpflege in den Bundesländern unterschiedlich geregelt). „Angestellt bekommt man jetzt 1500 Euro netto pro Monat, unabhängig davon, ob man gerade ein Kind betreut“, sagt Monika Hummel. „Dazu gibt es für jedes Kind eine Aufwandsentschädigung von rund 1100 Euro – und die Familienbeihilfe.“ Mit der neuen finanziellen Regelung ist Renate Krammer zufrieden. „Natürlich macht man diesen Job, weil man etwas Sinnvolles tun will, und nicht wegen des Geldes. Aber man muss ja trotzdem von etwas leben können.“ Als angestellte Krisenpflegemutter muss sie bis auf fünf Wochen Urlaub im Jahr zur Verfügung stehen. Wann das nächste Kind kommt, wie alt es sein wird und welche Geschichte es mitbringt, erfährt sie erst kurz vor dessen Ankunft. Neugeborene holt sie selbst aus dem Krankenhaus ab, ältere Kinder werden von zwei Sozialarbeiterinnen zu ihr gebracht. Manchmal geht alles ganz schnell – und innerhalb weniger Stunden steht ein Kind vor ihrer Tür. Beim Ankommen sei besondere Sensibilität notwendig. „Ich richte eine Jause her und ein paar Spielsachen. Und dann warte ich: Manche Kinder wollen in Ruhe gelassen werden, manche weinen, dann versuche ich vorsichtig zu trösten.“ Die Wochen und Monate der Krisen pflege sollen vor allem eines sein: So ruhig und geregelt wie möglich. „Was die Kinder brauchen, ist in erster Linie Stabilität, Routine und Zuwendung.“ Sich darauf verlassen zu können, regelmäßige Mahlzeiten zu bekommen, im eigenen Bett schlafen zu können, getröstet zu werden: Für viele der Kinder, die Renate Krammer betreut, ist das alles andere als selbstverständlich. Neben den notwendigen Arzt- und Therapieterminen besucht die Krisenpflegemutter mit dem Kind einmal in der Woche für eine Stunde die leiblichen Eltern. Diese Besuchskontakte finden im Referat für Adoptiv- und Pflegeeltern unter Aufsicht einer Sozialarbeiterin statt und sehen ganz unterschiedlich aus: „Manche Kinder wollen mit den Eltern am Anfang nicht allein spielen, manche Eltern haben viele Fragen an mich, andere erzählen mir alles über sich und ihre Situation. Es passiert auch, dass die Eltern zu den Besuchsterminen nicht kommen.“ Krammer weiß über das, was die Kinder in ihren Familien erlebt haben, grob Bescheid. Details kennt sie nicht. „Das ist auch gut so“, sagt sie. „Ich muss mich schon auch abgrenzen können.“ Emotionale Nähe und nötige Distanz seien in ihrem Job Themen, die man ohnehin immer wieder reflektieren müsse. „Eine Sozialarbeiterin bei der Ausbildung meinte: Als Krisenpflegemutter muss man professionell liebhaben.“ Trennung mit Tränen Wird eine Pflegefamilie gefunden, beginnt die sogenannte Anbahnung: Krammer bereitet die Kinder auf den Umzug vor, besucht mit ihnen gemeinsam das zukünftige Zuhause und muss sich irgendwann von ihnen verabschieden. „Ich weine bei jedem Kind, das geht“, sagt Krammer, „auch bei denen, mit denen es schwieriger war. Wenn ich aber sehe, mit wie viel Liebe die Kinder bei ihren Pflegefamilien erwartet werden, freue ich mich sehr mit ihnen.“ Was Livia betrifft, so wird noch abgeklärt, wo sie leben wird. In der Zwischenzeit kann sie sich darauf verlassen, dass sie bei Renate Krammer bekommt, was sie braucht: regelmäßig warme Milch, frischgewaschene Kleidung und viel Zuwendung. Infos zur Krisenpflege: www.wien.gv.at Von Ines Charlotte Knoll werde das zu meinem Wesen nicht brauchen können.“ Also, das ist ein Satz, „Ich der sich hören lassen kann, der hallen darf durch die ganze Welt und hin zum Mond, wenn er bebt oder auch nicht und wieder zurück in das ganze ungeheuerliche Gemächte! „Ich werde das zu meinem Wesen nicht brauchen können“; diese Worte von Goethe, gehörten gebetet, finde ich froh. Der Dichter sprach sie, als er seine Studien über die Lehre der Farben abbrach. Ich finde das so toll als Seinsbild. Sich aufhören zu können, ist eine Gnade und ein Geschenk, ist ein Wunderwerden, dessen unser Wesen bedarf. Durch mein Herz gehen alle Kriegstreiber, die unaufhörlichen mit ihren Waffen in Gedanken und Worten und Werken auf allen Etagen des Hierseins. Durch mein Herz geht all die Maßlosigkeit mit und ohne Namen; und auch der Taxi fahrer, den ich Gott sei Dank fand für einen dringenden Weg, und der mir, weil ich sprachschwach bin in diesem geliebten Land, mit seinen diamantenen Sprachbrocken aus dem Herzen sprach. In der Welt ist alles falsch. Gehe ich eine Beziehung ein mit einem Menschen, so will er oder sie nur HABEN! Ach, wir können so glücklich werden im Einvernehmen einer Wahrnehmung. Wir brauchen das sehr zu unserem Wesen, dieses Wissen, ich liege nicht falsch mit meinem Erschrecken, das sich an der Welt- und Allerschütterung bildet. Sich aufhören zu können, ist ein Wunderwerden. Das wusste auch der vor fünfzig Jahren verstorbene Pablo Neruda, der immer der Spur des Sich-Transzendierens folgte in seinem Werde- Werk: Ich liebe die Sanftmut. / Und trete ich über die Schwelle einer Einsamkeit, / öffne ich die Augen / und lasse sie überlaufen // von der Schwere ihres Friedens. /… Ich finde in der Beruhigung der Dinge / ein großes und ein stummes Lied. Wir werden das zu unserem Wesen gut brauchen können. Die Autorin ist evangelische Pfarrerin i. R.

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