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DIE FURCHE 21.03.2024

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DIE FURCHE · 12 4 Das Thema der Woche Auf dem Holzweg, aber richtig 21. März 2024 Hochamt in Grün Der steirische Forstexperte Hans Liebfahrt setzt auf Dauerwaldbewirtschaftung und Naturverjüngung. Er verspricht: „So tasten wir uns an die nächste Baumgeneration heran.“ Von Wolfgang Machreich Wenn Hans Liebfahrt über seinen Wald spricht, dann meint man, er rede über Menschen. Wenn er vom Baumstamm erzählt, der vor ihm liegt, dann glaubt man, er beschreibe einen alten Freund. Obwohl wuchtig wie eine Litfaßsäule, wurde die Fichte von einem Sturm gefällt. 120 Jahre stand sie im Seckauer Klosterwald, doch „auf einmal fällt sie um“, lässt Liebfahrt das Baumleben Revue passieren – nicht ohne einen vermenschlichenden Zusatz: „Irgendwann ist für alle ein Ende vorprogrammiert.“ Oberforstrat in Unruhe Von Anfang an vorprogrammiert scheinen auch Hans Liebfahrts Liebe und Verständnis für Wald. Auf einem steirischen Bergbauernhof geboren, „sind die Bäume bei uns beim Fenster reingewachsen“, sagt er, „so gesehen war ich schon immer im Wald“. Nach dem Gymnasium in Judenburg ging er zum Forstwirtschaftsstudium an die Boku in Wien, arbeitete anschließend in privaten Forstbetrieben und wechselte nach der forstlichen Staatsprüfung für 30 Jahre in die Landesforstdirektion Steiermark, wo er sich als Schutzwaldreferent des Landes spezialisierte. Als pensionierter Oberforstrat widmet er seinen (Un-)Ruhestand dem Klosterwald der Benediktinerabtei Seckau. Gemeinsam mit zwei Mönchen – der eine zuständig für den Forst, der andere für die Jagd – und vier Bauernakkordanten aus dem Ort, allesamt Spezialisten für waldschonende Baumschlägerung, bewirtschaftet er einen vergleichsweise bescheidenen Waldbesitz von 170 Hektar. Eine Fläche rund halb so groß wie die Wiener Innenstadt. Was dem Klosterwald an Quantität fehlt, macht er mit Qualität wett. „Wir sind ein PHILOSOPHIE IM WALD „Bäume sind intelligent“, sagte der Holzbau-Experte Erwin Thoma am 27. Februar 2020, nachzulesen auf furche.at. Einzelstammbewirtschaftung statt Kahlschlag lautet das forstwirtschaftliche Erfolgsprinzip im Seckauer Klosterwald. Ein Waldrundgang wie ein Besuch bei alten Freunden. Im Wald, in dem es menschelt „ Bäume sind Persönlichkeiten, das ist wie beim Menschen. Wir schauen, dass unsere Bäume ihr Bestmögliches erreichen. Wir haben Zeit, wir wollen reife Bäume. “ Hans Liebfahrt kleiner Betrieb, wir können uns keinen Kahlschlag leisten“, beschreibt Liebfahrt das Seckauer Waldcredo, das sich aus ökologischen wie ökonomischen Gründen zu einer naturnahen einzelstammweisen Nutzung als Dauerwald bekennt. Geduld und Beharrlichkeit sind die Prinzipien, denen ein Dauerwald gehorcht: „Wir haben Zeit, wir wollen reife Bäume“, definiert Liebfahrt sein forstwirtschaftliches Ziel. In Zentimetern ausgedrückt sind das Stämme mit einem Durchmesser von 50 Zentimetern und mehr. Wobei die individuelle Hiebsreife variieren kann, sagt er; und man denkt wieder, er rede über langjährige Bekannte: „Bäume sind Persönlichkeiten, das ist wie beim Menschen: Wir schauen, dass unsere Bäume ihr Bestmögliches erreichen.“ Geschlägert wird ein Baum erst, wenn er vollholzig ist und den Kriterien für bestes Bau- und Blochholz entspricht. Zeichnet sich ab, dass ein Stamm diese Qualität nicht erreicht, kommt er früher weg. Der individuelle Zugang zu jedem Baum verbietet Kahlschläge, die breite Schneisen in Wälder schlagen. Der Seckauer Klosterwald darf auf allen Waldetagen gleichzeitig wachsen. Im Fachjargon wird dieser Dauerwaldbetrieb „Plenterwirtschaft“ genannt. Das Forstlexikon versteht darunter eine „urwaldähnliche“ Waldbewirtschaftung. Im Unterschied zur Kahlschlagwirtschaft werden im Plenterbetrieb nur einzelne Bäume in einem stetig nachwachsenden Hochwald gefällt. Diese gezielte Aus lese und Pflege bringt auch wirtschaftliche Vorteile, rechnet Liebfahrt vor – und widerspricht der Meinung, die Dauerwaldphilosophie sei nur Liebhaberei von Kleinbetrieben: „Das Plenterprinzip kann ich in jedem Wald, unabhängig von der Größe, anwenden.“ Auch große Forstbetriebe, wie der des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens in Waldbaden mit den Brüdern Grimm, Stifter und Nietzsche Foto: Wolfgang Machreic der Weststeiermark verfolgen seit mehreren Forstleutegenerationen dieses Prinzip: „Entscheidend für den Erfolg ist die Einstellung von Eigentümern und Forstmeistern.“ Eine Haltung, die auch über die Steiermark hinaus Anerkennung findet: 2002 erhielt die Abtei Seckau den Staatspreis für vorbildliche Waldwirtschaft. Um das Prinzip anschaulich zu machen, stapft Liebfahrt in eine Ecke seines Forsts, wo im Vorjahr einzelstammweise geschlägert wurde. Der Waldlaie sieht Bäume, der Waldmensch zelebriert ein Tannicht-Hochamt mit „dickeren, dünneren Stämmen verschiedener Baumarten in lockerem Verband; dazwischen in den Lücken ein paar Tannen, auch ein Ahorn in der Naturverjüngung, verschieden hoch und flächig ausgebreitet, das Licht scheint durch, die Sonne findet Platz, all das schafft ein stimmiges Waldbild“. Das Besondere daran: Es schaut nirgendwo nach Zerstörung aus, nicht einmal nach intensiver Nutzung. Dass hier vor nicht langer Zeit Holz geerntet wurde, fällt erst beim zweiten Blick auf, nämlich dort, wo in den Platz neben frischen Baumstümpfen junge Bäume drängen. Den frei gewordenen Raum kann jetzt der bisher bedrängte Schmalhans-Bruder daneben nützen. Lern- und Abenteuerraum „Bei uns bekommt auch der Schwache seine Chance“, beschreibt Liebfahrt die Forststrategie dahinter. Er kennt von diesem Baum sicher Setzdatum und Namen, denkt man sich – und staunt, wenn Liebfahrt mit seinen Händen zeigt, wie viel mehr an Dicke er dem Stamm aufgrund des ihm neu zur Verfügung stehenden Freiraums zutraut. Einen Lern- und Abenteuerraum bietet der Seckauer Klosterwald auch den Schülerinnen und Schülern des Abteigymnasiums. „Leben im Klosterwald“ heißt die zweieinhalbtägige Klassenfahrt samt Übernachtungen in einer Holzfällerhütte, wo Liebfahrt den Jugendlichen das einfache Leben im und mit dem Wald vermittelt: „Damit sie verstehen: Wenn wir nachhaltig und anständig mit dem Wald umgehen, wird er uns nachwachsend immer belohnen.“ Am Ende zeigt der Waldmensch den Schülern die vom Sturm umgeworfene 120 Jahre alte Fichte, die liegen bleibt, und sagt: „In jeden gesunden Wald gehören auch tote Bäume. Und im Grunde ist in einem toten Baum tausendmal mehr Leben als in einem gesunden.“ Dann denken sich die Jugendlichen vielleicht: „Der Herr Liebfahrt redet von dem Baum wie von einem alten Freund.“ Der Seckauer „Waldmensch“ Hans Liebfahrt hat seine Erfahrungen im Buch „Wald. Alle leben davon“ (Eigenverlag) zusammengefasst; erhältlich unter hans.liebfahrt@ainet.at. Nächste Woche im Fokus: Gott – (k)eine Frage: In säkularen Gesellschaften spielt Religion eine immer geringere Rolle. Was bedeutet das für die Gottesfrage? Hat sich der Glaube an ein übergeordnetes und übernatürliches Wesen erübrigt? Oder kommt er wieder – und ganz neu? Eine Spurensuche. Das Buch „Vom Wald“ beginnt mit einem Versprechen: „Wald ist Freiheit“. Autor Alexander Grau bezieht die Aussage aber nicht nur auf individuelle Freiheitserlebnisse mit dem Wald, als spielendes Kind, lustwandernder Spaziergänger oder Waldgeschichten Hörende, Lesende, Schaudernde … Der deutsche Kultur- und Wissenschaftsjournalist hebt persönliche Erfahrungen mit dem Wald auf eine für das Menschwerden und -sein existenzielle Stufe. „Im Wald erlebt der Mensch seine Begrenztheit genauso wie die Autonomie“, schreibt Grau und nennt den Wald eine „Freiheitsschule“. In diese stellt er als Vortragende das „Who’s who“ literarisch-philosophischer Waldexegese. Mit dem für seine „Göttliche Komödie“ vom rechten Weg abgekommenen Dante im dunklen Wald geht es los. Hänsel, Gretel, Schneewittchen, Rotkäppchen und ihr Redakteursduo Grimm lässt Grau über den Wald als „Ort des Erwachsenwerdens“ referieren. Danach steigt er auf die Literatenhochsitze, setzt sich neben Tieck, Heine, Thoreau, Stifter, Nietzsche und andere – und lässt sich ihr Dichter-Halali auf den „Hochwald“ vorspielen. Von so viel liberaler Walddusche imprägniert, ist Grau am Ende seiner Tann-und-Laub-Philosophie überzeugt, dass sich der Wald menschlichen Unterwerfungsutopien immer widersetzen wird. Robert Musil war da skeptischer, als er über die deutsche Oberforstmeisterei, die global fröhliche Urständ feiert, spottete: „jene schöne, reihenförmige, gekämmte Anordnung“ der Wälder, „die uns so entzückt, wenn wir aus der wilden Unregelmäßigkeit der Großstädte kommen“. (wm) Vom Wald Eine Philosophie der Freiheit Von Alexander Grau Claudius 2023 184 S., kart., € 20,60

DIE FURCHE · 12 21. März 2024 Chancen/Politik 5 Das Gespräch führte Manuela Tomic „Es gibt nur eine Art, dieses Buch zu beginnen. Mit Ekel. Mit Selbstekel“, das sind die ersten Zei- len des neuen Buchs der Journalistin und Autorin Solmaz Khorsand. Im Gespräch mit der FURCHE erklärt sie, warum niemand vor dem Mitläufertum gefeit ist und wie man die Strukturen hinter dem Konformismus entlarvt. DIE FURCHE: Ihr Buch handelt „von braven und rebellischen Lemmingen“, wie es im Untertitel heißt. Warum Lemminge? Solmaz Khorsand: Im Sprachgebrauch werden Lemminge immer als Synonym für Mitläufertum und Opportunismus benutzt. Geschuldet ist dieses Bild dem Dokumentarfilm „White Wilderness“ von 1958. Zu sehen sind Lemminge, die sich auf eine Massenwanderung in die Arktis begeben und in Massen über eine steile Klippe in den Tod stürzen. Wie sich später herausstellte, war die Szene gestellt. Die Tiere sind nicht freiwillig kollektiv in den Suizid gesprungen, sondern wurden absichtlich mit Hunden einen Hang hinuntergejagt. In Wahrheit können Lemminge sehr wehrhaft sein, sie verteidigen sich sogar gegen Feinde, die zehnmal so groß sind wie sie. Deshalb beginnt mein Buch auch mit dieser Ehrenrettung der Lemminge. Foto: Canva (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) Die Autorin und Journalistin Solmaz Khorsand widmet sich in ihrem neuen Buch „untertan“ dem Phänomen des Mitläufertums. Sie erklärt, warum dieses politisch viel stärker in den Blick genommen werden sollte. „Was muss passieren, damit die Mitte endlich aufsteht?“ DIE FURCHE: Stichwort Feinde: Anfang dieses Jahres hat das Rechtsextremistentreffen in Potsdam eine breite Front des Protests hervorgerufen. Vor allem in deutschen Städten wird seither lautstark demonstriert. Ein Zeichen, dass Widerstand doch noch lebt? Khorsand: Grundsätzlich begrüße ich die Demos. Es ist gut, dass eine bislang schweigende Mitte der Gesellschaft, die immer als apolitisch wahrgenommen wird, aufsteht und sich gegen rechts auf die Straße traut und versucht, Position zu beziehen. Wenn mich aber jemand fragt, ob das Buch gerade jetzt aktuell ist, dann ist das eine sehr unpolitische Frage. Mein Buch ist das Buch jeder Stunde. Leider. Anderes können nur Menschen behaupten, die nie von Politikern und von den Parteien zu Sündenböcken gemacht worden sind. Oder deren Muttersprache nie permanent zu einem Defizit erklärt worden ist. Oder jene, die sich nicht fürchten müssen, von einer Partei oder einer Regierung deportiert werden zu müssen. Deswegen stehe ich auch den Protesten etwas ambivalent gegenüber, weil ich mich frage: Was muss alles passieren, damit die Ruhigsten auch einmal beunruhigt sind? Was muss passieren, damit die Mitte endlich aufsteht und begreift, dass sie eine Mitverantwortung trägt, wenn sie zu lange still bleibt? DIE FURCHE: Sie bezeichnen AfD- Anhänger, die sich als rebellisch sehen, als „antiautoritäre Autoritäre“. Was ist damit gemeint? Khorsand: Rebellion und Aufstand wurden in den vergangenen Jahren auch von einer Gruppe in Anspruch genommen, die ich als demokratiefeindlich wahrnehme. Der Soziologe Oliver Nachtwey hat 2014 beobachtet, dass es sich bei den ersten Pegida-Demonstranten um „regressive Rebellen“ handelte. Das ist ein neuer Protesttyp, der in Fundamentalopposition zu allem steht, ein autoritäres Verständnis von Demokratie hat und sich eine autoritäre Figur wie Putin an der Spitze wünscht. Einerseits stellen diese regressiven Rebellen das System infrage, andererseits begrüßen sie autoritäres Denken. Dieses Phänomen der antiautoritären Autoritären zeigt, wie sich das Koordinatensystem in unserer Gesellschaft verschoben hat. Jene, die nun die Demokratie, also „das System“, verteidigen, gelten bei diesen regressiven Rebellen als Lemminge. Und jene, die die Demokratie aushöhlen wollen, identifizieren sich als kritische Geister. Ich fand es wichtig, diesem Zustand in meinem Buch Rechnung zu tragen. DIE FURCHE: Sie schreiben in Ihrem Buch: „Widerstand muss man sich leisten können.“ Aber sind es nicht gerade die Unterdrückten, die Widerstand leisten, weil sie nichts mehr zu verlieren haben? Khorsand: Einerseits muss man sich Widerstand tatsächlich leisten können. Denn wer sich seinem Chef oder seiner Chefin entgegenstellen kann und riskiert, seinen Job zu verlieren, muss finanziell auf sicherem Boden stehen. Ansonsten traut man sich vielleicht nicht, den Vorgesetzten zu kritisieren oder Aufgaben abzulehnen, die einem aufgezwungen werden. Doch Widerstand hat viele Gesichter. Da spreche ich von den „Passern“, die aus ihrer sozialen Identität mit all den Normen und Erwartungen ausbrechen und unter anderem vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind. Zum Beispiel im 19. Jahrhundert waren das in den USA Schwarze, die eine hellere Haut hatten und als Weiße gelesen wurden und so der Sklaverei entfliehen konnten. Im Zweiten Weltkrieg gab es den Widerstandskämpfer Wilhelm Daene, der sich als Nazi ausgab, um Juden zu retten. Er hatte sich den Habitus angelegt, den er eigentlich verachtete, und konnte so Fabriksarbeiterinnen vor der Deportation retten. Ich finde diese Beispiele spannend, weil sie auch zeigen, dass Protest viele Formen annehmen kann und sich manchmal auch als Anpassung tarnen kann. DIE FURCHE: Warum unterwerfen wir uns gerne? Khorsand: Das Unterwerfen wurde uns quasi bereits in die Wiege gelegt. Als Säuglinge unterwerfen wir uns zunächst unseren Eltern, weil wir ohne sie nicht lebensfähig wären. Die französische Philosophin Simone de Beauvoir sagt, dass wir uns aus dieser Ur-Unterwerfung in der Pubertät emanzipieren sollten. Doch häufig passiert das nicht, und wir unterwerfen uns auch als Erwachsene freiwillig oder unfreiwillig weiterhin. DIE FURCHE: Sie schreiben, der Anpassungstrieb des Menschen beeinflusst sogar Kriege. Inwiefern? Khorsand: Es gab viele Studien über das Verhalten deutscher und amerikanischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Soziologen sind zu dem Schluss gekommen, dass die Motivation, im Krieg weiterzukämpfen, nichts mit ideologischen oder politischen Gründen zu tun hatte, sondern mit der Loyalität zur Gruppe und zu den Kameraden. Diese Gruppendynamik zeigt sich auch bei vielen anderen Grausamkeiten, wie etwa Gruppenvergewaltigungen bis hin zum Kannibalismus. Man möchte nicht als Feigling wahrgenommen werden und macht auch bei Gräueltaten mit, weil es andere tun. Ich würde mir wünschen, dass man das Phänomen der Gruppe gesamtgesellschaftlich betrachtet, im Positiven wie im Negativen. Ich bin jemand, der Gruppen gegenüber sehr skeptisch bin. Aber natürlich kann die Kraft der Gruppe sehr viel bewirken, auch sehr viel Gutes. Sie kann aber das genaue Gegenteil bedeuten, nämlich die absolute Vernichtung. DIE FURCHE: Wie haben Sie die politische Gemengelage eingeschätzt, als Sie begonnen haben, das Buch zu schreiben? Lesen Sie das Interview mit Solmaz Khorsand „Pathos und Aufmerksamkeit: Heul doch!“ vom 7. April 2021 auf furche.at. „ Das Phänomen der antiautoritären Autoritären zeigt, wie sich das Koordinatensystem verschoben hat. “ Foto: Luiza Puiu ZUR PERSON Khorsand: Das Buch hätte ich sowohl mit 15 als auch mit 85 schreiben können. Die Motivation lag darin, dass ich zur Gruppe von Menschen gehöre, die sich immer die Frage gestellt haben, wie eine Gesellschaft, die fast ausschließlich aus Nachkommen von Tätern und Ermöglichern des Holocausts besteht, tickt. Und da stand für mich immer die Frage des Mitläufertums im Zentrum, weil nur dieses derartige Regime ermöglicht. Ein Anführer ohne Gefolgschaft ist ein Verrückter, der in eine Menge schreit. Aber jene, die ihm zujubeln und ihn gewähren lassen, machen aus dem Verrückten einen Anführer, ebnen so den Weg unter Umständen in den Massenmord. untertan Von braven und rebellischen Lemmingen Von Solmaz Khorsand Leykam 2024 160 S., geb., € 22,50 Solmaz Khorsand ist Journalistin, Podcasterin, Moderatorin und Buchautorin. Berufliche Stationen u. a. bei der Wiener Zeitung, Die Zeit, derStandard.at, Datum und Republik. Khorsands Arbeiten reichen von Essays zur österreichischen Innenpolitik über Reportagen aus Belarus bis hin zu Wahlberichterstattung aus dem Iran. Ihr Essay „Die iranische Verwandlung“ zählte zu den besten Storys des Jahres 2017. Für ihre Arbeit wurde sie u. a. mit dem Wiener Journalistinnenpreis 2018 ausgezeichnet. Zuletzt erschien ihr Buch „Pathos“ (Kremayr & Scheriau 2021). (tom)

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