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DIE FURCHE 21.03.2024

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DIE FURCHE · 12 20 Ausstellung 21. März 2024 Seine Kunst sieht aus wie Science-Fiction, spiegelt aber politische und sozialkritische Themen wider. Eine Retrospektive im Kunst forum Wien beleuchtet das beeindruckende Schaffen von Roberto Matta. Affinität für Technik Neben der Politik bestimmt die Faszination für Naturwissenschaften und Technik das Werk von Roberto Matta (1911–2002). Beeinflusst von Picasso bevorzugte er große Formate, kleiner das Werk „Babbo Napalm“, 1973, Öl auf Leinwand, 106 x 86 cm. Von Theresa Steininger Weltraumschrott, der in Farbwolken umherschwebt. Apokalyptisch anmutende Szenen. Futuristische Flugobjekte. Neue Galaxien, die bedrohlich wirken. Vorbilder für Science-Fiction-Filme und Utopien: Das alles findet man in Roberto Mattas oft monumentalen Bildern. Das Kunstforum Wien widmet dem zwischen Surrealismus und abstraktem Expressionismus wandelnden Künstler eine große Retrospektive. „Einen der visionärsten Maler des 20. Jahrhunderts“ nennt ihn Direktorin Ingried Brugger, die die Schau selbst kuratiert hat. Seine Motive wirken oft wie ein aus den Fugen geratenes und aus Fragmenten einer explodierenden Welt zusammengefügtes Universum. Biomorphe Formen schwirren in den von ihm erzeugten Räumen herum. Den Surrealismus, den er am Anfang seiner Karriere betrieb, führte er bald weiter. Ihm ging es weniger um eine Traumwelt, sondern um eine alternative zeitlich-räumliche Realität. „ Ein wichtiges Vorbild war für ihn Pablo Picasso. Das Bild ‚Guernica‘ brachte Matta auf große Formate, gleichzeitig bestärkte es ihn darin, dass Kunst politisch ist. “ Aus Chile stammend, zog er 1934 nach Paris, wo er mit Le Corbusier zusammenarbeitete und den Surrealismus kennenlernte. Nach seinem Umzug nach New York fand er rasch Anschluss an die dortige Kunstszene, sein Einfluss prägte die Entwicklung des abstrakten Expressionismus nachhaltig mit, dort begegnete er Jackson Pollock, Robert Motherwell und anderen. Gleichzeitig blieb er stets ein Einzelgänger – und seine Malerei immer gegenständlich. Ein wichtiges Vorbild war für ihn Pablo Picasso. 1937 arbeitete er als Assistent für den spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris – und sah dort „Guernica“. Dies brachte auch Matta auf große Formate, gleichzeitig bestärkte es ihn darin, dass Kunst politisch ist. „Er war damals fast täglich in Picassos Atelier und sah, wie Picasso einerseits das riesige Format bewältigte und andererseits gesellschaftliche Themen auf den Punkt brachte. Das alles beeinflusste ihn sehr“, so Brugger, während sie vor einem zehn Meter breiten Bild steht. Mattas Arbeiten, die er als innere Landschaften bezeichnete, als „inscape“, und auf die er meist zuerst mit dem Schwamm Farbe auftrug, bevor er mit dem Pinsel arbeitete, sind also weit mehr als reine Science-Fiction. Vielmehr Foto: © Matta Archives Visionen in großem Maßstab rückten bald sozialkritische Themen in seinen Fokus. Er setzte sich einerseits mit Naturwissenschaften, insbesondere der Physik, auseinander – vor allem das Wirken Albert Einsteins und dessen Theorien zu Raum und Zeit haben ihn beeinflusst. Die Begeisterung für die Forschung wird in den Bildern sichtbar. Andererseits sprühen seine Arbeiten vor Lebensenergie, Liebe, Begierde und Leidenschaft. Oft haben seine Werke auch etwas Bedrohliches, ja, Apokalyptisches. Und gerne forderte er das Eintreten für eine offene Gesellschaft ein und reflektierte seinen politischen Geist in seinen Werken. Kunst als Sprachrohr Auch Anspielungen auf tagesaktuelle Politik oder aber diktatorische Systeme finden sich in seinem Œuvre. „Wie er auf brutale Art und Weise den Holocaust in ein Bild übersetzt, lässt einen nicht los“, sagt Brugger. Auch als starke Stimme gegen jegliche Art von Diktaturen, nicht nur in seinem Herkunftsland Chile, wurde Matta wahrgenommen. „Er hat immer Verantwortung übernommen für gesellschaftliche und politische Probleme. Seine Devise war: Kunst ist immer politisch, auch wenn sie schön ist“, so Brugger. Als Visionär möchte das Kunstforum Matta darüber hinaus präsentieren, malte er doch bereits Jahre vor der ersten Weltraumfahrt der Menschheit Visionen des Alls. „Es ist, als ob er mit den Darstellungen von Unendlichkeit, Raumfähren, Flugzeugen sowie allerlei amorphem und biomorphem Weltraumschrott in die Zukunft schauen würde“, sagt Ingried Brugger. Gleichzeitig legte Matta, der als Architekt ausgebildet wurde, diesen Konnex nie ab. Er schuf Strukturen, Kuben, die er zerschmetterte – und er dachte darüber nach, wie Bilder installiert werden. In einem Raum lässt man im Kunstforum mehrere Werke auf besondere Art schräg von der Decke hängen, weil Matta es so vorgesehen hat. „Letztlich ist das eine Vorwegnahme von dem, was heute so hypt“, sagt Brugger in Anspielung auf immersive Ausstellungsangebote. Ganz anders wiederum ist der letzte Raum gestaltet, in dem man Mattas Entwürfe für eine „Zauberflöte“-Inszenierung an der Royal Opera Covent Garden zeigt – und seine Liebe zu Mozart präsentiert. Apropos Musik: Zu einigen Bildern Roberto Mattas haben die Komponistinnen Maja Osojnik und Matija Schellander sowie die Autorin Natascha Gangl „Klangcomics“ kreiert, die im Kunstforum mit eigenem Kopfhörer zu erleben sind und den Arbeiten Mattas eine weitere Dimension hinzufügen sollen. „Matta“ Kunstforum Wien Bis 2. Juni 2024, täglich 10–19 Uhr www.kunstforumwien.at IN KÜRZE LITERATUR MUSIK WISSEN FILM ■ Joanna Bator Die polnische Autorin erhält heuer den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Die Auszeichnung wird der 56-Jährigen am 27. Juli im Rahmen eines Festaktes während der Salzburger Festspiele offiziell verliehen. Joanna Bator nimmt „in ihren Werken mehrfach Bezug auf die Gewaltgeschichte des Zweiten Weltkriegs, welche die Beziehungen zwischen Europa und Polen bis heute prägt. In vielschichtigen Erzählungen, in deren Zentrum meist weibliche Figuren stehen, verarbeitet Bator traumatische Erfahrungen des letzten Jahrhunderts“, heißt es in der Begründung der Jury. ■ Aribert Reimann, 1936–2024 Über 70 Werke schrieb er, er vertonte Texte von Paul Celan, James Joyce und Joseph von Eichendorff. Vor allem seine Opern jedoch machten den am 4. März 1936 in Berlin geborenen Komponisten bekannt. „Lear“, „Melusine“, „Bernarda Albas Haus“, „Medea“, „Das Schloss“, „L’invisible“. „Troades“ nach Euripides war ihm ein besonderes Anliegen. Aufgewachsen während der Bombardierungen, hatte er als Achtjähriger seinen Bruder verloren und 1945 die „Nacht von Potsdam“, den Luftangriff auf die Stadt, erlebt. „Mein größter Wunsch war immer, eine Oper gegen den Krieg zu schreiben.“ Am 13. März 2024 ist Aribert Reimann verstorben. ■ Forschung zu „Deepfakes“ „Deepfakes“ sind Bild- und Videomanipulationen, die im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz täuschend echt sein können. Ein neues Projekt zur Erkennung von „Deepfakes“ wurde nun unter Leitung des Austrian Institute of Technology (AIT) gestartet. Gefördert durch das Sicherheitsforschungsprogramm KIRAS, sollen in Kooperation mit dem Innen- und dem Verteidigungsministerium geeignete Werkzeuge für die unterstützende semi automatisierte Erkennung von „Deepfakes“ in großen Datensätzen erforscht werden. Zudem sollen Präventionsund Awareness- Maßnahmen das gesellschaftliche Problembewusstsein schärfen. ■ Papierener Gustl 2023 Der Papierene Gustl, mit dem die österreichischen Filmjournalisten die besten Filme des Jahres auszeichnen, wurde am 18. März in Wien überreicht. Zum Besten Film des Jahres 2023 wurde Christopher Nolans Biopic „Oppenheimer“ gewählt, der Beste österreichische Film war in den Augen der Filmjournalisten „Vera“ von Tizza Covi und Rainer Frimmel. Als Bester Dokumentarfilm des Jahres 2023 gewann „Auf der Adamant (Sur l‘Adamant)“ von Nicolas Philibert, zum Besten Animationsfilm 2023 wurde „Spider-Man: Across the Spider-Verse“ unter der Regie von Joaquim Dos Santos, Kempt Powers und Justin K. Thompson gekürt.

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