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DIE FURCHE 21.03.2024

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11 · 14. März 2024

11 · 14. März 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– als Aggressor zu benennen, noch protestierte er gegen den Missbrauch des Christentums durch Patriarch Kyrill II., der das Morden quasi unter Gottes Schutz stellte. Sonderbar, dass der römische Pontifex, der Ungerechtigkeit etwa Flüchtlingen gegenüber lautstark anprangert, hier als geradezu kleinlaut wahrgenommen wird. Von Otto Friedrich Eigentlich müsste der Papst Klartext sprechen, zumal mit den griechisch-katholischen Glaubensgeschwistern in der Uk- er Sturm der medialen Entrüstung, der dieser Tage über Franloser Schlagzeile verbreitet hatte: Einmal raine Katholiken besonders bedroht sind: Franziskus’ Interviewaussage per kontextziskus hinwegfegte, war beachtlich: Eine Passage aus einem auch als römisches PR-Desaster. Man erinbieten – und aus den von Russland okkupier- mehr entpuppt sich der aktuelle Shitstorm Stalin ließ diese mit Rom unierte Kirche ver- TV-Interview des Papstes für einen italienischsprachigen Schweizer Sensches Wort aus der „Regensburger Rede“ Be- griechisch-katholische Gemeinden wieder nert sich, wie ein vermeintlich islamkrititen Territorien mehren sich Berichte, dass der wurde von vielen Kommentatoren als nedikts XVI. 2006 zu einem Aufruhr in der der russischen Orthodoxie einverleibt werden. Das ist Krieg. Das spricht der Ökumene Aufforderung an die Ukraine zur Kapitulation aufgefasst. Der Wiener evangelische mals war ein aus dem Kontext gerissenes Zi- Hohn. Das darf ein Papst nicht hinnehmen. islamischen Welt geführt hatte – auch da- Theologe Ulrich Körtner etwa meinte, Franziskus habe da „den letzten Rest von mora- und das Nicht-Benennen dessen, was Sache tat Ursache für den Furor wider den Papst. Durch – diplomatisches? – Schweigen lischer Glaubwürdigkeit und Autorität verspielt“. Er müsse sich als Protestant „wegen Den Kontext im Blick zu haben, sollte für schmutzig machen. Die Sehnsucht, dass das Franziskus geradezu kleinlaut ist, kann sich aber auch ein Papst die Hände des Papstes fremdschämen“. seriöse Medien eine Selbstverständlichkeit Töten auf den Schlachtfeldern der Ukraine Allerdings war das ganze Interview sein. Und abwägende Kritik, die natürlich enden möge, steht einem Religionsführer noch gar nicht on air, sodass auch der Kontext weitgehend unbeleuchtet blieb, in dem weist sich nur dann als glaubwürdig, wenn durch die Duldung von Putins Menschenver- auch dem Papst gegenüber legitim ist, er- gewiss an. Aber auch dieser darf sich nicht die Äußerung vom „Mut zur weißen Flagge“ fiel, die der Ukraine sinngemäß nahe- genommen wird. wie Franziskus zu Beginn der russischen nicht nur eine Einzelaussage in den Blick achtung zu dessen Ministranten machen – legte, weiteres massenhaftes Sterben auf Hier gilt dennoch ganz sicher, dass beim Invasion in einer selten klaren Wortmeldung Patriarch Kyrill (wie wir heute wissen: den Schlachtfeldern entlang der Frontlinie Ukrainekrieg das Agieren und das Sprechen von Franziskus im Gesamten nicht erfolglos) ins Gewissen geredet hat. durch Verhandlungen zu beenden. Soviel weiß man: Das Interview für den dazu angetan sind, der katholischen Kirchenspitze moralische Autorität zuzubilli- von seinem Papst genau dies einzufordern. Als Katholik darf man nicht müde werden, Sender RSI drehte sich um die Farbe Weiß in vielen Facetten; und es kam dabei auch die gen. Denn um den Menschen in der Ukraine Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist einem Empörungsritual rund um ein Fran- Das ist weit mehr, als sich bloß wieder an weiße Fahne zur Sprache. Auf diesen Kontext gingen die heftigen Reaktionen nicht es unabdingbar, Ross und Reiter beim Namen zu nennen. Doch Franziskus war bisziskus-Wort zu beteiligen. ein. Allerdings war es auch das Papst-Medium Vatican News selber gewesen, welches lang kaum imstande, Wladimir Putin klar otto.friedrich@furche.at Dass Putin bei den Präsidentschaftswahlen wiedergewählt wird, steht außer Frage. Warum lässt er sie überhaupt durchführen? Ein Erklärungsversuch. Seite 6 Was macht die amerikanische Kirche bis heute so anders – und verstörend? Der Theologe Benjamin Dahlke sucht in einem Wie Kreisky buhlt Andreas Babler um Bürgerliche. Doch die heutige SPÖ ist proletarischer denn je. Thomas Köhler über Polit-Spitzen und einen Diskurs „am Limit“. Seite 15 Geschichten über das Unterwegssein und Gedanken über die Fragen des Lebens bestimmen das Werk Christoph Ransmayrs. Ein Porträt zum 70. Geburtstag. Seite 19 Frederic Hanusch forscht zu planetarer Demokratie. Er meint: Um auf die Klimakrise zu reagieren, müssen wir unsere politischen Systeme radikal neu denken. Seite 22-23 Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0 DIE FURCHE · 11 14. März 2024 Von Franz Essl m die Artenvielfalt in Österreichs Kulturlandschaft ist es nicht gut bestellt. Fast die Hälfte aller Brutvögel – exakt 48 Prozent – sind in nur 25 Jahren aus Feld und Flur verschwunden. Das zeigen Zahlen der Vogelschutzorganisation „BirdLife“. Der ebenso rasante Rückgang von Insekten ist mittlerweile zum Allgemeinwissen geworden. Und dies, obwohl Österreich mit dem Agrar-Umweltprogramm ÖPUL Vorreiter in der EU ist – und obwohl viele Bauern und Bäuerinnen mit der Natur wirtschaften. Was bedeutet diese Diagnose für die Ernährungssicherheit in Österreich? Unstrittig ist, dass es ohne eine halbwegs intakte Artenvielfalt in unserer Landschaft zunehmend gravierende Probleme geben wird. Siehe auch die Ohne Hecken, Säume, Blumenwiesen – Reportage „Die keine Bestäuber. Ohne Feuchtgebiete und Agrotüftler: Biodiversität auf Auen – fallender Grundwasserspiegel, was dem Feld wahren“ (8.11.2023) gerade im Klimawandel zu Ernteausfällen führen wird. Ohne intakte Böden – fallende Ernteerträge. Und wenn sich Österreich Anninger, auf von Laura weiterhin so ungehemmt versiegelt, wird furche.at. auch die Anbaufläche langsam knapp werden. Dabei müssten bei den aktuellen Zahlen zum Artenverlust die Alarmglocken nicht nur bei den paar Ökologen und bei Naturliebhabern, sondern ebenso in der Landwirtschaft und der gesamten Gesellschaft schrillen – aus purem Eigeninteresse, geht es doch um nichts weniger als um die Sicherung unserer Ernährung. und die Bewahrung einer lebenswerten werden: Es sollte sich für landwirtschaftliche Betriebe lohnen, mit der Natur und kli- derzeit 30 mal (!) mehr Geld für Straßenbau Beispiel: Das Land Niederösterreich gibt Umdenken bei politischen Prioritäten Welt geht. Wie kann das gelingen? Erstens Dass es sich für Landwirtschaft und Naturschutz sitzen muss auf die gemeinsamen Interessen fokussiert werden. Dafür braucht es Ver- auch die Kernforderung des „Green Deals“ mafreundlich zu wirtschaften – das ist ja und -erhaltung aus als für den gesamten dabei im selben Boot, das Artensterben geht landwirtschaftliche Betriebe dern ist es ähnlich. Dies sind völlig aus der Naturschutz. In den anderen Bundeslän- einher mit einem Betriebssterben: Seit dem ständnis für andere Positionen, und den der EU-Kommission. In der Praxis ist das Beitritt zur EU hat etwa jeder zweite Landwirt in Österreich seinen Bauernhof für im- Wie etwa die Entwicklung einer bäuerli- werden Natur- und Klimaschutz von vielen natur- und klima- natürlich kann mit solch geringen Mitteln Willen, gemeinsame Ziele zu erarbeiten. heute jedoch oft nicht der Fall, und daher lohnen sollte, Zeit gefallene politische Prioritäten. Und mer geschlossen. In der Realpolitik jedoch chen, wirtschaftlich tragfähigen, umwelt- Landwirten als Ärgernis und Belastung, freundlich zu wirtschaften, ist eine ernsthaftes Angebot gemacht werden. Landwirten und Landwirtinnen auch kein rudern beide Akteure in entgegengesetzte und klimaschonenden Landwirtschaft, noch nicht als Chance empfunden. Um das Richtungen. Und nicht selten muss der Natur- oder Klimaschutz auch als Sündenbock takte Umwelt erzeugt. Und dass es für diefentlichen Finanzen einiges ändern. Ein EU-„Green Deals“. Politik, die Ernährung, Klimaschutz und die gesunde Nahrungsmittel und eine in- zu verbessern, muss sich auch an den öf- Kernforderung des Ich denke, die Zeit ist reif für eine andere herhalten, weil es sich an anderen Stellen se Leistungen eine angemessene Abgeltung braucht. Das müsste doch zu machen unserer Zeit versteht. Ich glaube auch, dass eine intakte Natur als ein großes Thema im Agrarsystem spießt – wie bei den Protesten von Bäuerinnen und Bauern der letzten sein. Gesellschaftlich mehrheitsfähig ist dies mehrheits- und durchsetzungsfähige Monate sichtbar wurde. das sicher. Positionen sind. Packen wir es an! Ich halte es für wichtig, diese Frontstellungen aufzubrechen und neue Allianzen menbedingungen in der Landwirtschaft zu Der Autor forscht an der Universität Wien Zweitens braucht es den Willen, die Rah- zu bilden. Bauern, Klimaschützer, Naturschützer und Konsumenten, sie eint vieles, nissen anzupassen. Dafür muss auch an onalen Biodiversitätsrates. Er war Öster- hinterfragen und den heutigen Erforder- und ist Mitglied im Leitungsteam des nati- wenn es um die zukünftige Ernährung den finanziellen Stellschrauben gedreht reichs „Wissenschaftler des Jahres“ 2022. Brot ist heute oft zum industriell hergestellten Einheitsbrei geworden. Slow Food versucht die handwerkliche Kultur des Backens zu bewahren. Von Christine Kottnig higen Systemen so produziert, dass hergestellt – mit Geschmacksverstärkern, Stabilisatoren und Kon- Hand eingewogen, gemischt, ge- keit. Rohstoffe werden aber von die Umwelt und das Ökosystem ie weltweite Slow Food-Bewegung wurde vor mehr als 35 turelle Vielfalt bewahrt und kein Brot“ ist zum Einheitsbrei gewor- der Teig ausreichend Zeit zum Rei- nicht belastet werden, die biokulservierungsmittel. „Unser täglich formt, geschliffen und – nachdem Jahren in Italien von Carlo Schaden an Mensch, Natur und Tier den. Die Unterschiede liegen oft nur fen hatte – in den warmen Ofen eingeschossen. Petrini mit dem Ziel gegründet, Bewusstsein für gute, saubere und fai- Wirtschaftskreisläufe zu schaffen, Backmischungen. Die Verwendung von Natur- verursacht wird. „Fair“ bedeutet, noch im Maschinenpark und den re Lebensmittel zu schaffen – sowie die auf Partnerschaft und Solidarität gründen. Soziale Gerechtigkeit Brot wird hingegen handwerklich rung spielen hier eine zentrale Ein gutes, sauberes und faires sauerteig und eine lange Teigfüh- regionale und traditionelle Ernährungs- und Esskulturen zu bewahren. Der achtsame Genuss steht da- Arbeitsverhältnisse sowie dem wertigen, geschmacklich hervorrien, Hefen und Essigsäurebakterien entsteht durch faire und inklusive von Menschen hergestellt: mit hoch- Rolle. Natürliche Milchsäurebaktebei im Mittelpunkt, denn Essen soll gleichberechtigten Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und Land. die möglichst direkt und regional sammen. Sie schließen das Getreiragenden, ökologischen Rohstoffen, arbeiten auf faszinierende Weise zu- auch Freude machen. Davor steht freilich die Landwirtschaft: Slow bezogen werden. Nur so kann eine de auf, verdauen es vor und verarbeiten die Stärke. Dadurch wird der Food beginnt nicht erst bei der Zubereitung von Lebensmittel, sondern Vor hundert Jahren war das Brotschmäckern und Formen bewahrt Teig angesäuert, aufgelockert und Beispiel Brot Vielfalt in den Rezepturen, Ge- bereits bei der Herstellung. backen noch fest im Alltag vieler werden – ebenso wie der Beruf der nährstoffreicher sowie bekömmlicher. Zugleich verleiht der Sauerteig „Gut“ heißt hier nahrhaft, saisonal, Menschen verankert. Heute ist das Bäckerin oder des Bäckers. Bei der frisch, vielfältig und wohlschmeckend. „Saubere Lebensmittel“ werworden und an jeder Ecke erhältlich, Maschinen nur als Werkzeug – zur anders: Brot ist zur Massenware ge- handwerklichen Fertigung dienen jedem Brot ein einzigartiges Aroma den in lokalen und widerstandsfä- meist industriell und maschinell Erleichterung der manuellen Tätig- FORTSETZUNG AUF DER NÄCHSTEN SEITE DIE FURCHE · 12 12 Diskurs 21. März 2024 IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Wo ist der Mut Moskaus? Der Papst im Shitstorm Von Otto Friedrich Nr. 11, Seite 1 Herzlichen Dank für die klare Kommentierung der jüngsten päpstlichen Ergüsse in Sachen Frieden und Ukraine. Es macht mich als Katholiken fassungslos, wie ein Papst so die Dinge verdrehen kann. Als hätte es die Ukraine in der Hand, den Krieg zu beenden! Ich kann mir das diabolische Grinsen Putins beim Lesen dieser Worte von Papst Franziskus leider sehr gut vorstellen. Der Papst ist damit nicht nur der Ukraine, sondern allen mit den Menschen in der Ukraine mitfühlenden und für sie betenden Christen auf der ganzen Welt (und das sind sicher viele Millionen) in den Rücken gefallen! Ich bin es nicht gewohnt, so respektlos über päpstliche Äußerungen zu reden, aber hier hätte Papst Franziskus wohl besser geschwiegen oder – noch besser – Moskau zum Mut zur weißen Fahne aufgefordert! Mag. Hermann Major 8302 Nestelbach bei Graz Schmutzige Hände wie oben Otto Friedrich ist der Meinung, dass sich Papst Franziskus mit seinen Äußerungen über eine Beendigung des Krieges in der Ukraine „die Hände schmutzig“ mache. Machen sich aber nicht auch jene die Hände schmutzig, die von Friedensverhandlungen, so schwierig sie zugegebenermaßen auch sein dürften, absolut nichts wissen wollen und die ständig Pro und Contra: Nuklearwaffen für Europa? Gewalt gegen Frauen: Nach dem Notruf? Die Warnung bleibt aufrecht Der Theologe Ullrich H. J. Körtner und der Außenpolitik-Experte Alexander Kmentt über Sicherheits- Beratungsstellen. Drei fiktive Fälle zeigen, wie entführte Westen“. Er liest sich auch heute Nur wenige Frauen wenden sich an die Polizei oder 1983 schrieb Milan Kundera seinen Essay „Der politik und Zeitenwende. · Seite 5 Opferschutz funktioniert. · Seite 12–13 beklemmend aktuell. · Seite 17 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Fordert Franziskus die Ukraine zur Kapitulation auf? Auch wenn hier auf ein Interview einmal mehr ein übliches Empörungsritual folgte: Die Position des Papstes zur Ukraine bleibt prekär. Der Papst im Shitstorm D „ Durch Schweigen und Nicht-Benennen dessen, was Sache ist, macht sich auch ein Papst die Hände schmutzig. “ Was wird künftig auf den Teller kommen? Aktuelle Krisen werfen ihre Schatten auf unsere Ernährungssicherheit. Ein Fokus zum Symposion Dürnstein. Was uns beim Essen blüht Foto:iStock/Eplisterra Foto: IMAGO / Bridgeman Images Birgit Minichmayr: „Man ist leider erpressbar“ An der vielseitigen Schauspielerin kommt man derzeit kaum vorbei, so viel Präsenz hat sie auf der Bühne und im Kino. · Seite 20-21 „Einen rein jüdischen Staat lehnte Arendt ab“ Die Philosophin Hannah Arendt kritisierte die Idee einer Zwei-Staaten- Lösung für Israel und Palästina von Anfang an. Historikerin Annette Vowinckel über Arendts Gedanken zu Nahost sowie Auszüge aus einem Essay, der sich prophetisch liest. Seiten 7–8 AUS DEM INHALT Die organisierte Zustimmung Befremdliches bei US-Katholiken neuen Buch nach Erklärungen. Seite 9 Mit Babler „ein Stück des Weges“? Glänzende Verwandlungen „Nicht ohne die Nichtmenschlichen!“ furche.at nach mehr Waffenlieferungen und neuesten, effektiveren, den blutigen Krieg noch verlängernden Waffensystemen rufen? Man stelle sich nur vor, auch Franziskus billige noch mehr Waffenlieferungen und lehne Friedensgespräche als zurzeit nicht angebracht ab … Westliche Politikerinnen, Politiker und Medien würden ihm dann vielleicht sogar Applaus spenden. Aber wollen wir so einen Papst? Wäre er dann noch eine „moralische Autorität“, die der in diesem Artikel erwähnte Theologe Ulrich H. J. Körtner ihm jetzt abspricht? Mag sein, dass Franziskus’ Äußerungen zu diesem Konflikt diplomatisch unausgewogen sind, er so manches nicht benennt. Im Grunde sind es aber mutige und kluge Worte, die einer eventuellen Vermittlerrolle des Vatikans somit die Tür nicht zuschlagen. Bernhard Plibrsek 4810 Gmunden Weiter sinnloses Sterben wie oben Ihr Artikel stimmt zweifelsfrei, nämlich insofern, dass Papst Franziskus verhaltensauffällig agiert, was diplomatisches Ungeschick betrifft. Vergessen Sie bitte alle nicht, der Mann geht auf die neunzig zu, da bleibt niemand von etwaigen Verlusten des Denkvermögens verschont, auch der Papst nicht. Dennoch hätten Sie anmerken müssen, dass er inhaltlich vollkommen Recht hat: Der Ukraine-Krieg ist verloren, und spätestens wenn Trump gewählt wird – und das wird er ganz sicher –, ist der Krieg vermutlich und hoffentlich schnell vorbei. Immerhin rund acht lange Monate an sinnlosem Sterben, Verstümmelungen und unermesslichem Leid könnten erspart werden. Dass Sie nicht darauf hingewiesen haben, nehme ich Ihnen übel; auch DIE FURCHE heult angepasst im Zeitgeist des Jahres 2024 mit. Guntharis Adolfo Innsbruck Anwalt für das Opfer wie oben Einem Staat als Opfer eines grausamen Gewalteinbruchs Versöhnung vorzuschreiben, wie jüngst in einem Interview von Papst Franziskus geschehen, zeugt von empörendem, moralischem Hochmut diesem Opfer gegenüber (Tötungen, Vergewaltigungen, Zerstörungen, ununterbrochene Bombardierungen, Vertreibungen, Kindesentführungen durch den Aggressor usw.). Es spitzt sich der Konflikt zwischen Demokratie und Autokratie zu. Das Vermittlungsangebot des Papstes aus der sich selbst zugeschriebenen Allmacht der katholischen Kirche ist keine Opferanwaltschaft und somit auch keine Schutznahme der der Rechtsstaatlichkeit verpflichteten Demokratie, sondern ein Freibrief für den grausamen, autokratischen Täter. Dr. Lisa Bock Klinische Psychologin 5020 Salzburg Mehr Freiwilligkeit Wir brauchen neue Allianzen! Gastkommentar von Franz Essl Nr. 11, Seite 3 U Foto: Dominik Derflinger/Slowfood Foto: iStock / Frederick Doerschem Das Thema der Woche Was uns beim Essen blüht Die aktuellen Befunde zum Artensterben sollten die Alarmglocken schrillen lassen, denn es geht um unsere Ernährungssicherheit. Landwirtschaft und Naturschutz sitzen dabei im selben Boot – und sollten künftig miteinandern rudern. Ein Gastkommentar. Wir brauchen neue Allianzen! SLOW FOOD-BEWEGUNG Die sinnliche Entdeckung der Langsamkeit D Naturnah „ Der Natur- oder Klimaschutz muss nicht selten als Sündenbock herhalten, weil es sich an anderen Stellen im Agrarsystem spießt – wie zuletzt bei den Bauernprotesten sichtbar wurde. “ Ich finde, beim Thema Artenschutz und Biodiversität versus Landwirtschaft wäre das Prinzip der Freiwilligkeit angebracht: Es gibt sicher noch immer viele Menschen, die trotz Teuerung genug Einkommen haben und die die Bauernschaft finanziell unterstützen wollen. Es wäre technisch mit einer neuen Software sicher leicht zu schaffen, dass Artikel im Supermarkt, die von Bauern stammen – also Milch, Gemüse, Obst, Kaffee etc. –, zwei verschiedene Preise haben und man an der Kasse nur sagen muss, ob man den billigeren oder teureren Preis bezahlen will. Der Unterschied muss jedoch eins zu eins beim produzierenden Bauern ankommen, weil Lieferketten und Zwischenhandel ja schon im Normalpreis enthalten sind. Damit gibt es für die Leute mit geringerem Einkommen keinen Unterschied zum Status quo – und die, die es sich leisten können, zahlen etwa 20 Prozent mehr und haben das gute Gefühl, etwas zum Wohle ihrer Mitmenschen gemacht zu haben. Ich glaube auch, Freiwilligkeit würde der grünen Bewegung guttun, da sie jetzt von vielen als Zwang empfunden und daher abgelehnt wird. Ing. Alfred Bumerl 7202 Bad Sauerbrunn 3 Drohende Ernüchterung Das Norwegengate Von Brigitte Quint Nr. 10, Seite 15 Zur Ihrer „Quint-Essenz“ über Lena Schilling einige Gedanken. Ich denke, Schilling hat sich da in eine Sache hineinstoßen lassen, der sie – zumindest derzeit – nicht gewachsen ist. Klar, bis zur Wahl bleibt genug Zeit, sich über die Mitglieder der Union und des EWR ausführlich zu informieren. Dieser Fauxpas zeigt aber auch, dass die Grünen nicht fähig oder willens waren, Lena Schilling zu briefen. Irgendwie kommt das so rüber, als sei sie ins kalte Wasser gestoßen worden und müsse nun zusehen, wie sie da wieder herauskomme. Sie sprechen die Verantwortung der Grünen an: Ich denke, dass sich kein arrivierter Kandidat für diese Wahl bereitfand, ist bezeichnend. Betrachtet man freilich die Leistung der Grünen in der Koalition, dann ist es kein Wunder. Es dürfte eine saftige Ernüchterung auf die Grünen zukommen. Aber ebenso auf die Volkspartei. Für Lena Schilling bleibt zu hoffen, dass sie die Kurve kriegt. Mag. Johannes Kaiblinger via Mail Furchtloser Kardinal Mitgestalter und Anwalt des Konzils. Von Otto Friedrich Nr. 10, Seite 9 Danke für diesen Beitrag. Ich will diesbezüglich auf die Aussage der Sekretärin von Kardinal König, Annemarie Fenzl, in der Sendung „Kirchengeschichte in Rot-Weiß-Rot – Die Ära König“ hinweisen, die am 28. Dezember 2023 auf ORF 2 ausgestrahlt wurde. Königs Geheimnis sei „die Furchtlosigkeit des betenden Menschen“ gewesen: „Dann brauche ich keine Angst haben – weil dann hat mich Gott in der Hand, wenn ich mit Gott in Verbindung bin. Und wenn ich keine Angst habe, dann brauche ich auch keine Angst haben, mich mit anderen zusammenzusetzen, die anderer Meinung sind oder deren Meinung ich kennenlernen will!“ Ein großes Danke für Ihre Arbeit in und an der FURCHE. Ich staune, wie sich diese Zeitung über die Jahre gemausert hat und welche Vielfalt Sie da abbilden. Karl Gebel 4203 Altenberg In dieser Ausgabe der FURCHE finden Sie Zahlscheinbeilagen von Missio, Päpstliche Missionswerke in Österreich. Karten für Anton Tschechows „Die Möwe“ auf lotterien.at zu gewinnen. Lotterien Tag in den Kammerspielen der Josefstadt Der nächste Lotterien Tag steht am 4. April auf dem Programm und öffnet diesmal die Türen zu den Kammerspielen in der Josefstadt: Die Österreichischen Lotterien sind langjähriger Partner und ermöglichen ihren Spielteilnehmer:innen einen außergewöhnlichen Abend mit dem Stück „Die Möwe“ von Anton Tschechow. Außergewöhnlich deshalb, weil die Möwe als ein typisches Tschechow’sches Stück einen Theaterabend mit vielschichtigen Dialogen und psychologisch faszinierenden Figurenzeichnungen bietet. Wer am Donnerstag, dem 04. April 2024 dabei sein möchte, kann auf www.lotterien.at Karten für jeweils zwei Personen gewinnen. Die Teilnahme an der Verlosung ist bis Sonntag, 24. März möglich. Die Gewinner werden per E-Mail verständigt. Alle Informationen zu den Lotterien Tagen findet man unter www.lotterientag.at. Am 4. April ist Lotterien Tag Foto: © Moritz Schell IN KÜRZE RELIGION ■ Martin Simmer gewählt RELIGION ■ Walter Greinert, 1940–2024 RELIGION ■ Neofit I., 1945–2024 GESELLSCHAFT ■ J. Poigenfürst, 1929–2024 Die evangelische Diözese A.B. Niederösterreich hat einen neuen Superintendenten: Am 16. März wurde Martin Simmer (41) von der Superintendentialversammlung in Langenlois im achten Wahlgang gewählt. Der bisherige Fachinspektor für den evangelischen Religionsunterricht an höheren Schulen in Niederösterreich setzte sich unter vier Kandidaten, darunter eine Frau, durch. Die Neuwahl war nach dem Rücktritt des bisherigen Superintendenten Lars Müller-Marienburg im Oktober 2023 notwendig geworden. Die Amtszeit des einem katholischen Bischof vergleichbaren evangelischen Amtsträgers beträgt zwölf Jahre. Der frühere österreichische Vatikan-Botschafter verstarb im 85. Lebensjahr. Der gebürtige Wiener Greinert war Journalist und Leiter der Abteilung Presse und Information im Außenministerium und seit vielen Jahren ehrenamtlich in kirchlichen Organisationen und Einrichtungen aktiv. 2001–05 vertrat er die Republik Österreich beim Heiligen Stuhl. Nach seiner Pensionierung engagierte er sich im christlich-jüdischen Dialog sowie in der „Plattform Christen und Muslime“, wo er sich leidenschaftlich für eine „Kultur der gegenseitigen Rücksichtnahme“ einsetzte, wie die Plattform anlässlich Walter Greinerts Tod festhielt. Der Patriarch der bulgarisch-orthodoxen Kirche verstarb 78-jährig in Sofia. Ab 2013 war der Geistliche an der Spitze der bulgarischen Kirche gestanden, seine Kür war die erste freie Patriarchenwahl seit dem Mittelalter gewesen. Zur Zeit des Realsozialismus war diese Wahl unter der Kuratel der KP gestanden. Der ökumenisch offene Neofit versuchte in seiner Amtszeit als Patriarch, die Beziehungen zu den anderen christlichen Kirchen zu verbessern. Zuvor war das intern zerstrittene bulgarisch-orthodoxe Patriarchat 1998 unter seinem greisen Vorgänger Maxim aus dem Weltkirchenrat ausgetreten; ein Wiedereintritt erfolgte bislang nicht. Der Unfallchirurg und langjährige Leiter des Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhauses in Wien-Brigittenau verstarb im 95. Lebensjahr. Johannes Poigenfürst war als Mastermind des Krankenhauses „Casa Austria“ im Temeswar bekannt: Nach der Revolution 1989/90 engagierte sich der Chirurg als Notfallmediziner in der westrumänischen Stadt. Unter dem Eindruck der dramatischen Situation fasste er in Eigenregie den Plan, in Temeswar ein Unfallkrankenhaus zu errichten, das nach vielen Schwierigkeiten 2003 in Betrieb gehen konnte. Poigenfürst wurde für sein Engagement mit dem Kardinal-König-Preis 2001 ausgezeichnet.

DIE FURCHE · 12 21. März 2024 Literatur 13 Warum werden gerade in den USA so viele Menschen erschossen? Der Schriftsteller Paul Auster sucht nach Erklärungen und landet bei einer langen Geschichte der Gewalt. Mandalay Bay Hotel Paradise, Nevada. 1. Oktober 2017. 60 Tote, 867 Verletzte (413 durch Schusswunden, 454 im anschließenden Chaos). Von Brigitte Schwens-Harrant Jeden Tag werden in den USA durchschnittlich mehr als einhundert Menschen erschossen. Seit 1968 haben eineinhalb Millionen Amerikaner ihr Leben durch Schusswaffen verloren. Zynisch könnte man also festhalten, dass sich die USA selbst erschießen, sie brauchen keinen Krieg gegen andere dazu. Der Amoklauf erscheint dabei, so der Schriftsteller Paul Auster, als eine besonders „teuflische neue Variante zeitgenössischer Performancekunst. Es ist Amerikas neuestes Geschenk an die Welt, eine psychopathische Fußnote zu früheren Wunder dingen wie Glühbirne, Telefon, Basketball, Jazz oder dem Impfstoff gegen Polio.“ Der Irrsinn lässt sich in Ziffern und Statistik darstellen. Aber Zahlen allein stumpfen ab, für Massen entwickelt man selten Gefühle. Will man Empathie wecken und menschliche Tragödien sichtbar machen, hilft der Blick auf den Einzelnen. Etwa auf jenen neunjährigen Buben, der zusehen musste, als seine Mutter den Vater erschoss. Oder auf den sechsjährigen Bruder, den die Mutter zuvor noch ins Bett gebracht hatte. Dieser einst Sechsjährige war Paul Austers Vater. Gut gehütetes Geheimnis Der US-amerikanische Schriftsteller Paul Auster beginnt sein Buch „Bloodbath Nation“ mit einem Familiengeheimnis, das jahrzehntelang gut gehütet wurde. Es gab zwei Großmütter und einen Großvater – vom anderen Großvater fehlte jede Spur. Kein Foto erinnerte an ihn, und das Kind erhielt auf seine Fragen unterschiedliche Antworten über den Tod des Großvaters. Einmal hieß es, er „sei vom Dach eines hohen Gebäudes, an dem es etwas auszubessern gab, gestürzt und dabei zu Tode gekommen“, ein anderes Mal, „er sei bei einem Jagdunfall getötet worden“, ein anderes Mal, „er sei als Soldat im Ersten Weltkrieg gefallen“. Aber selbst ein Kind weiß, „dass ein Mensch nur einmal stirbt, nicht dreimal, doch aus mir kaum nachvollziehbaren Gründen habe ich meinen Vater nie auf diese Widersprüche hingewiesen und um Aufklärung gebeten. Vielleicht hatte ich, weil er so unnahbar und wortkarg war, schon damals gelernt, den Abstand zwischen uns zu respektieren und gehorsam hinter der Mauer zu bleiben, die er um sich gezogen hatte.“ Zeitlebens sprach der Vater nicht über das, was in seiner Kindheit geschehen war, und als Paul Auster als Erwachsener einige Jahre vor dem Ableben des Vaters die Wahrheit über den Tod seines Großvaters erfuhr, sprach er seinen Vater gar nicht mehr darauf an. Die Mauer blieb. Foto: Spencer Ostrander Im Land der vielen Waffen Dabei hatte der Mord für die ganze Familie Folgen: Die freigesprochene Großmutter verbot den Kindern, jemals mit irgendjemandem darüber zu sprechen, sie zog ruhelos und immer am Rand des sozialen und ökonomischen Abgrundes von Ort zu Ort; der Onkel, der den Mord mitangesehen hatte, wurde ein aufbrausender und oft tobender Mann. Und der Vater? Er trug das Schicksal auf seine Weise in und mit sich herum und teilte es nicht mit. Er umgab sein düsteres Innenleben mit einer Mauer, „und wann immer ich an die im Grunde guten Eigenschaften meines Vaters denke, und was aus ihm hätte werden können, wäre er unter anderen Umständen aufgewachsen, denke ich auch an die Pistole, der mein Großvater zum Opfer fiel – die Waffe, die das Leben meines Vaters ruiniert hat“. Auch seelisch Verletzte Wenn man über den Einsatz der Schusswaffen und ihre schrecklichen Folgen spricht, so Paul Auster in seinem Essay, sollte man daher nicht nur an die Toten denken, sondern auch an die vielen durch Schüsse Verletzten, Verstümmelten, für immer gezeichneten und beschädigten Menschen, aber auch an die an der Seele Versehrten. Durchschnittlich zweihundert Menschen werden in den USA nämlich täglich durch Schüsse verletzt. Etwa 393 Millionen Schusswaffen befinden sich Schätzungen zufolge zurzeit im Besitz amerikanischer Staatsbürger. Zwar gibt es in immer weniger Haushalten Waffen, dafür besitzen aber immer weniger Menschen immer mehr Waffen. Eine unheimliche Entwicklung, vor allem auch angesichts der unübersehbaren Radikalisierungen. Aber wie konnte es dazu kommen? Und warum wird nichts dagegen getan? Auf der Suche nach einer Antwort tastet sich Auster zeitlich zurück. In seine Kindheit, die geprägt war vom Bild des Wilden Westens, wie das Fernsehen es zeigte. Aber vor allem in die Geschichte Amerikas, zurück zu den Anfängen der USA. Sein Blick richtet sich auf die brutale Landnahme, den Unabhängigkeitskrieg und die erste Unabhängigkeitserklärung, die Auster als Lüge bezeichnet. Denn sie versprach Gleichheit und Freiheit für alle. Doch damit war es nicht weit her. „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen worden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freyheit und das Bestreben nach Glückseligkeit“, zitiert Auster daraus. Doch es waren nicht alle Menschen gleich und frei. Im Bundesrecht räumte man „den Südstaatlern unverhältnismäßig viel Einfluss“ ein und gestand ihnen zu, „jeden ihrer Sklaven als drei Fünftel einer Person zu zählen und damit die Anzahl der Repräsentanten zu erhöhen, die sie in den Kongress wählen konnten. So war es, und so blieb es, bis nach dem Bürgerkrieg die Verfassungszusätze 13, 14 und 15 kamen – und wieder einmal waren Schwarze die Opfer.“ „ Ein Verbot von Waffen würde, so zeigt sich Paul Auster überzeugt, wie die Prohibition einst das Gegenteil erreichen. “ Schonungslos klopft Auster die amerikanische Unrechtsgeschichte ab. „Die Vereinigten Staaten sind durch Gewalt zustande gekommen, haben aber auch eine Vorgeschichte, hundertachtzig Jahre in ununterbrochenem Krieg mit den Ureinwohnern des Landes, das wir ihnen weggenommen haben, sowie kontinuierliche Unterdrückung unserer versklavten Minderheit – die zwei Sünden, die wir in die Revolutionszeit mitgebracht und für die wir bis heute nicht gebüßt haben. Ob es uns gefällt oder nicht, und unabhängig von allem Guten, was Amerika im Lauf seiner Geschichte geleistet hat, tragen wir immer noch an der Schmach dieser zwei Sünden, dieser Verbrechen gegen die Ideale, für die wir angeblich eintreten.“ „US-Nonnen gegen Waffenlobby: Wie man widersteht“, 3.1.2024, furche.at. Im Unterschied zu Deutschland hätten die USA ihre Vergangenheit nie kritisch aufgearbeitet und sich dieser Realität nicht gestellt. Es ist daher auch eine Geschichte von Versäumnissen zu erzählen – und eine Lösung noch nicht in Sicht. Denn ein Verbot von Waffen allein würde, so zeigt sich Paul Auster überzeugt, wie die Prohibition einst das Gegenteil erreichen und erst recht zum Einsatz von Waffen führen – und zu Gewalt. Menschenleere Orte Zu einem Buch wird Austers fünfteiliger Essay durch die ihn begleitenden beeindruckenden Schwarz-Weiß-Fotografien von Spencer Ostrander. Sie führen an Orte, an denen Menschen ermordet und verletzt wurden: eine Kirche, eine Schule, ein Geschäft, ein Konferenzzentrum, ein Café, ein Nachtclub … Lauter Orte, wo sich sonst Menschen versammeln. Die Fotografien zeigen sie menschenleer. Aus jedem wurden von jetzt auf gleich Menschen gelöscht. Angesichts der vielen Gewalttaten und der Opfer versagt letztendlich die Sprache – und am Ende auch der Versuch, den Wahnsinn vernünftig zu erklären. Und so ist es wohl die Stille – das Unsagbare, das aus diesen Fotografien spricht –, die Austers sprachliches Ringen um Verstehen notwendig ergänzt. Bloodbath Nation Von Paul Auster Übersetzung Werner Schmitz Mit Fotos von Spencer Ostrander Rowohlt 2024. 167 S., geb., € 27,50

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