Aufrufe
vor 10 Monaten

DIE FURCHE 20.07.2023

  • Text
  • Foto
  • Lewinsky
  • Frau
  • Gesellschaft
  • Welt
  • Zeit
  • Menschen
  • Juli
  • Treue
  • Furche

DIE

DIE FURCHE · 29 4 Das Thema der Woche Trotzdem treu? 20. Juli 2023 Von Manuela Tomic Die andere Frau Obwohl Bill Clinton den Betrug an seiner Frau begangen hat, wurde Lewinsky in den 90er- Jahren zum Gesicht der Untreue. Ein Narrativ, dass in Zeiten von #metoo undenkbar wäre. Schwarze Stirnfransen, grünblaue Augen, breites Lächeln: Es ist ein einfaches Passfoto, das um die Welt ging. Längst ist Monica Lewinsky in die Pop-Geschichte eingegangen. Ihre sexuelle Affäre mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton hätte den Staatsmann fast das Amt gekostet. Doch seine Frau Hillary und seine Familie standen hinter ihm. Clinton entging mit Mühe der Amtsenthebung, sein Ruf litt beträchtlich. Am 23. Juli feiert Monica Lewinsky ihren 50. Geburtstag und spricht heute reflektiert über das Geschehene. Für die moralisch glattgebügelten Vereinigten Staaten ist und bleibt sie das Gesicht der Untreue, das Gesicht der anderen Frau. Aber wie ist das heute, in Zeiten von #metoo? In der dritten Staffel der berühmten TV- Serie „American Crime Story“ (2021, FX Network) wird Lewinskys Geschichte erzählt. Die US-Schauspielerin Beanie Feldstein hofft, dass die Menschen Lewinsky mit Hilfe der Miniserie in einem neuen Licht sehen. „Sie kennen die Person nicht, sie kennen den Menschen nicht, der mit nur 21 bis 24 Jahren eine sehr traumatische, überfordernde Erfahrung durchleben musste“, sagte Feldstein 2021 dem Branchenportal people.com. Aber alles von Anfang. Hören Sie dazu auch den Podcast mit dem Detektiv Lukas Helmberger: „Das Ibiza-Video war ein Meisterstück“, in dem er auch über Beschattung von Ehepartnern, Vertrauen und Treue spricht. Monica Lewinsky feiert am 23. Juli ihren 50. Geburtstag. Ihre Affäre mit Ex-Präsident Bill Clinton Ende der 90er-Jahre markierte das Ende einer Epoche des politischen Amerika. Über eine Frau, die kein Opfer sein will. Verliebt in den Chef „ Sie blicken auf eine Frau, die für über ein Jahrzehnt zum Schweigen gebracht wurde. “ Das Geständnis Monica Lewinsky wurde 1995, während Clintons erster Amtszeit, als Praktikantin im Weißen Haus angestellt. Sie war damals 22 Jahre alt. In dieser Zeit hatte sie eine Beziehung zu Clinton. Danach arbeitete Lewinsky im Verteidigungsministerium. Dort erzählte sie ihrer Kollegin Linda Tripp, was im Weißen Haus passiert war. Tripp zeichnete diese Gespräche heimlich auf und leitete sie an Kenneth Starr weiter, der im Auftrag des Kongresses als Independent Counsel in der Whitewater- und anderen politischen Affären bereits gegen Clinton ermittelte. Die Lewinsky-Affäre erreichte am 17. Jänner 1998 ihren Höhepunkt. Nach ersten Dementis von Seiten des Präsidenten erschien Clinton am 26. Jänner in einer Pressekonferenz, in der er folgende vielzitierte Erklärung abgab: „Ich möchte dem amerikanischen Volk eines sagen. Ich möchte, dass Sie mir zuhören. Ich werde es erneut sagen. Ich hatte kein sexuelles Verhältnis mit dieser Frau, Miss Lewinsky. Ich habe nie jemandem aufgetragen, für mich zu lügen, nicht ein einziges Mal; niemals. Diese Vorwürfe sind unwahr. Und ich muss nun zurück, um für das amerikanische Volk zu arbeiten. Vielen Dank.“ Als Lewinsky Ende Juli 1998 Immunität versprochen wurde, wenn sie vor einer Grand Jury über ihr Verhältnis mit Clinton aussagt, erreichte die Affäre eine neue Phase. Lewinsky übergab den Ermittlern ein mit dem Ejakulat des Präsidenten beflecktes Kleid. Über das im Fleck auf dem Kleid enthaltene genetische Material hätte Präsident Clintons DNA identifiziert und damit der Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen bewiesen werden können. Und so lenkte Clinton ein. Am 17. August gab der US-Präsident vor der Grand Jury zu, dass er eine „unangemessene Beziehung“ zu Lewinsky gehabt hatte. Am selben Abend erklärte er die Umstände in einer Fernsehübertragung, deren Bilder um die Welt gingen. Das Geständnis Clintons läutete eine neue Ära in den USA ein. Das Bild der heiligen Familie war nun endgültig zerstört. Doch es war nicht der erste Sex-Skandal im Weißen Haus. Es gab bereits einen Abgeordneten, der einen Callboy bei sich einquartierte, einen anderen, der sich in eine 17-Jährige verliebte. Skandalös waren alle diese Fälle, doch die Konsequenzen fielen unterschiedlich aus: Republikaner mussten meist mit dem Rücktritt bezahlen, Demokraten kamen oft heil davon. Je konservativer ein Politiker ist, desto tiefer ist sein Fall bei sexuellem Fehlverhalten. Zwei Fälle aus dem Jahr 1983 belegen dies: Der republikanische Abgeordnete Dan Crane ging ein Verhältnis mit einer 17-jährigen Pagin, einer Kongressgehilfin, ein, während der demokratische Abgeordnete Gerry Studds ein Verhältnis mit einem 17-jährigen Pagen hatte. Crane entschuldigte sich unter Tränen für sein Fehlverhalten, doch seine Wählerschaft verweigerte ihm in konservativer Strenge die Vergebung. Er wurde abgewählt. Studds hingegen lehnte eine Entschuldigung mit dem Hinweis ab, die Beziehung basiere auf beiderseitigem Einverständnis. Er wurde mehrfach wiedergewählt. Die Falschaussage Clintons und seine vermutete Beeinflussung Lewinskys wurde von der republikanischen Mehrheit im Kongress und einigen Abgeordneten der Demokratischen Partei als ausreichend angesehen, um eine Amtsenthebung anzustreben. Das Verfahren ging mangels einer erforderlichen Zweidrittelmehrheit der Senatoren am 12. Februar 1999 zu Ende, der Demokrat Clinton blieb im Amt. „Ich bereue nichts“ Foto: imago / UPI Photo „Das Mutigste war, dass ich in meiner Ehe geblieben bin“, so äußerte sich Hillary Clinton. Die frühere US-Außenministerin hat in einem gemeinsamen Interview 2022 mit ihrer Tochter Chelsea über mutige Entscheidungen gesprochen. „Das war eine echte Herausforderung und unfassbar hart. Aber es war die richtige Entscheidung für mich, und ich bereue nichts“, sagte die 74-Jährige dem Magazin Bunte. Beim US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 attackierte Trump Clinton: Hillary habe das Handeln ihre Mannes „ermöglicht“ und damit „viele Frauen verletzt“. Einige der Frauen seien „nicht durch ihn zerstört worden, sondern durch die Art, wie Hillary damit umging“, sagte Trump bei einer Wahlveranstaltung. Dass es sich um eine klassische Umkehr eines Narrativs handelt, muss nicht betont werden, dennoch lässt sich durch Trumps Aussagen auch veranschaulichen, dass die Affäre sowohl für Hillary Clinton als auch für Lewinsky vor allem Häme und Herablassung bedeuteten. Und Lewinsky? Noch viele Jahre vor der #metoo-Bewegung, schaffte es Lewinsky schnell aus der Opferrolle herauszukommen. Sie schlug sogar mächtig Kapital aus dem Skandal. So warb sie etwa für ein Diät produkt mit dem Argument, ihre Anwaltskosten seien so hoch gewesen, sie habe das Geld gebraucht. Sie schrieb Bücher über die Affäre und trat in sämtlichen TV- Shows auf. Doch Lewinsky ist viel mehr als ihre Affäre. Sie hat am Santa-Monica-College in Kalifornien Psychologie studiert. Danach zog sie nach London, studierte an der renommierten London School of Economics. Ihre Abschlussarbeit dort trägt den Titel: „Auf der Suche nach dem unparteiischen Geschworenen: Eine Untersuchung des Third-Person-Effect und der Öffentlichkeit vor dem Gerichtsverfahren.“ Lewinsky ist eine Geschäftsfrau, eine Bildungsbürgerin und eine Aktivistin, die zu ihrem 50. Geburtstag eine neue Rolle gefunden hat. Der Preis der Scham In einem Ted-Talk von 2015 spricht sie über den „Preis der Scham“. „Ich war einfach verliebt in meinen Chef“, sagt sie. Lewinsky trägt ein elegante schwarze Bluse und eine Bundfaltenhose, ihre Haare sind nicht mehr toupiert. Mehr als ein Jahrzehnt durfte Lewinsky ihre Sicht der Dinge nicht vollständig schildern. Das war Teil der Immunitätsvereinbarung. „Sie blicken auf eine Frau, die für über ein Jahrzehnt zum Schweigen gebracht wurde“, sagt sie. Lewinsky spricht mit bedachter und ruhiger Stimme. „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an meinen Fehler erinnert werde“, sagt sie. Ihre Affäre, erklärt sie, war eine der Ersten, die auch von Online-Medien aufgenommen wurden. Doch damals gab es die Begriffe „Online-Bullying“ oder „Shitstorm“ noch gar nicht. Über Nacht sei sie von einer privaten Person zu einer öffentlich geachteten Person geworden. Ihr Name kommt in mehr als vierzig Rap-Songs vor. Doch Lewinsky steht heute über den Dingen. Die Werte des christlichen Amerika schienen zu Beginn der Lewnisky-Affäre zu zerbröckeln. Wenn man sich in Erinnerung ruft, wie viele Skandale Ex-US-Präsident Donald Trump politisch überstanden hat, dann liegt diese Veränderung mehr als auf der Hand. Lewinsky hat sich nun, mit 50 Jahren, von der Scham, die so vielen Frauen auch heute noch zu Teil wird, befreit. Sie hat ihre Rolle als „die andere Frau“ reflektiert und ihre Rolle als Praktikantin inmitten des Machtapparates namens Weißes Haus. Sie bleibt jenes Gesicht, das der Doppelmoral vieler so genannter „glücklicher Familien“ einen Spiegel vorhält. Man muss sie nicht mögen, aber sie ist da, genau wie der Betrug. Das Thema aus der Tabuzone zu holen, war ihre Leistung. Lewinsky war eine 22-jährige junge Frau, die 1998 den mächtigsten Mann der Welt herausgefordert hat, obwohl er ihr angeraten hatte, nicht über die Affäre zu sprechen. Dem US-Präsidenten widersprechen, mit all den Konsequenzen, die dies nach sich zieht: Auch das muss man sich trauen. Nächste Woche im Fokus: Eine Haltung des „Immer mehr!“ hat lange das soziale Grundgefühl geprägt. Heute wächst das Unbehagen daran. Aber wo und wie ist Verzicht sinnvoll? Über den Umgang mit Reduktion in Politik, Gesellschaft und Religion. Ein Fokus anlässlich der Salzburger Hochschulwochen.

DIE FURCHE · 29 20. Juli 2023 International 5 Bei der israelischen Bevölkerung geht die Angst vor einem Bürgerkrieg spürbar um. Viele spielen mit dem Gedanken, dauerhaft auszuwandern. Ein Ortstermin. Israel auf dem Weg zum Gottesstaat? Von Susanne Glass Sein rumänischer Reisepass würde demnächst ablaufen. Deshalb beantragte Alexandru in Tel Aviv, wo er seit einigen Jahren lebte, beim rumänischen Konsulat online einen Termin zur Erneuerung seiner Papiere. Als er ein Datum zugewiesen bekommt, das weit mehr als ein halbes Jahr in der Zukunft liegt, glaubt er an ein Versehen. Er setzt sich auf seinen Motorroller und fädelt sich durch den sympathisch-chaotischen Verkehr entlang der schier endlosen Party- und Geschäftsmeile an der Strandpromenade zum Konsulat, um das Problem direkt mit seinen rumänischen Landsleuten zu klären. Was dann passiert, erzählt er, noch immer erstaunt, beim Abendessen in großen Runde. Der späte Termin sei kein Irrtum gewesen, belehrt ihn ein freundlicher Konsulatsmitarbeiter. Sie kämen hier mit der Arbeit einfach nicht mehr nach. Aber als er erfährt, dass Alexandru rumänischer Staatsbürger von Geburt an ist, der zwar in Israel lebt und arbeitet, aber keinen israelischen Pass besitzt, den neuen rumänischen also dringend braucht, erbarmt er sich, vergibt einen früheren Termin und bittet Alexandru mitzukommen. „Er hat mir Zimmer voller Regale mit neuen Pässen, bereit zur Abholung, gezeigt.“ Mehr als dreihunderttausend Anträge seien innerhalb kurzer Zeit bei ihnen eingegangen, erklärt ihm der davon völlig überforderte Mitarbeiter. Wohlgemerkt, fast alle Anträge von israelischen Staatsbürgern, die jetzt rumänische Vorfahren geltend machten, um so eine zweite Staatsbürgerschaft zu bekommen, die ihnen als Israelis den dauerhaften Aufenthalt in der EU sichert. Foto: APA / AFP / Jack Guez Das Gefühl, sein Land zu verraten Am Tisch herrscht – für Israelis ja sehr untypisch – zunächst Schweigen. Dann sagt Liora leise, sie habe die österreichische Staatsbürgerschaft für ihre Familie beantragt. Was, ausgerechnet Liora? Deren Mutter als einzige der Familie lebend vor den Nazis aus Graz fliehen konnte und seither nichts mehr mit diesem Land zu tun haben wollte? Und deren Vater einer von jenen war, die Eretz Israel, „das Land Israels“, nach der Staatsgründung vor 75 Jahren aufgebaut haben. Ja, antwortet Liora. Früher hätte sie es selbst niemals für möglich gehalten, dass sie bei den Österreicherin um Papiere bitte. „Aber wenn sich hier diese extrem-rechten und ultrareligiösen Kräfte weiter durchsetzen, wenn es gar zum Bürgerkrieg kommt, dann soll mein Enkelsohn mit dem österreichischen Pass die Möglichkeit haben abzuhauen.“ Nun fangen die anderen an zu reden. Es stellt sich heraus: Alle Israelis am Tisch haben mittlerweile eine zweite Staatsbürgerschaft für ein EU-Land beantragt. Edo hat einen polnischen Pass, Viktor einen spanischen und Mickey zusätzlich zum israelischen den litauischen. Ihr Anrecht darauf ist absolut legal. Ihre Vorfahren sind auf der Flucht vor dem Holocaust aus diesen Ländern geflohen oder dort ermordet worden. Seit seiner Gründung 1948 ist Israel der Zufluchtsort für Jüdinnen und Juden aus aller Welt. Man ist stolz darauf, dass Jahr für Jahr weiterhin Zehntausende „Alija machen“, nach Israel „aufsteigen“, wie die Einwanderung genannt wird. Dass nun aber eine immer größere Zahl Israelis mit dem Gedanken spielt, im Notfall dauerhaft auszuwandern und nicht nur vorübergehend etwa ins hippe Berlin umzuziehen, wird ungern „ Hier die Verbundenheit, dort dieser tiefe Riss, eine Spaltung, die sich seit 29 Wochen in Massenkundgebungen manifestiert. “ Lesen Sie auch den Text von Ben Segenreich zu 75 Jahre Staatsgründung: „Der Letzte löscht das Licht aus“ (10.5.2023) auf furche.at. Reich an Kontrasten Am Strand von Tel Aviv werden die diversen Lebensformen in Israel besonders deutlich: Während ultraorthodoxe Juden beten, frönen Sonnenanbeter dem westlichen Beach-Lifestyle. thematisiert. Auch für die Freunde an diesem Abend ist es eine Option, die hoffentlich niemals Wirklichkeit werden muss. Nur darüber zu sprechen, fühle sich wie Verrat an dem geliebten Land an, sagen sie. Dessen Existenzrecht weiterhin von vielen Feinden in Frage gestellt wird. Deshalb wollen sie es bei der Nennung ihrer Vornamen belassen. Was den familiär-lockeren Umgangsformen in Israel entspricht. Ausnahmslos alle Duzen sich. Es existiert nicht mal eine formelle Anrede in der hebräischen Sprache. Natürlich stehen auch an diesem Abend die Mezze in vielen bunten Tellerchen in der Tischmitte, woraus sich alle gemeinsam bedienen. Ein ganz besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl und eine tief empfundene Verbundenheit zeichnen die israelische Gesellschaft aus. Einerseits. Auf der anderen Seite ist da dieser tiefe Riss. Eine Spaltung, die sich seit nun 29 Wochen in Massenkundgebungen manifestiert, in „Tagen des Widerstands“ und Streiks gegen Langzeitpremier Benjamin Netanjahu mit seiner Regierungskoalition aus extrem-rechten, ultra-orthodoxen und Siedler-Parteien. Hunderttausende protestieren gegen die geplante sogenannte Justizreform, mit der die Regierung die Kontrollfunktion des Obersten Gerichtes erheblich einschränken will. In erster Lesung ist das Gesetz angenommen. Zwei muss es bis zum Inkrafttreten noch passieren. Die Gegner unterstellen, dass der wegen Korruption vor Gericht stehende Netanjahu und seine Koalitionspartner vor allem aus persönlichen Gründen das Oberste Gerichts entmachten wollen. Netanjahu bestreitet dies. Er wirft den Richtern vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen. Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof in Israel sehr weitgehende Befugnisse. Allerdings ist er auch die einzige Kontrollinstanz der Regierung. Israel hat keine Verfassung und kennt kein System der Checks und Balances, wie etwa zwischen Bundes- und Länderregierungen. Entschluss 75 Jahre „vertagt“ Sollte die Justizreform in der Knesseth verabschiedet werden, könnte die Regierung willkürliche Entscheidungen treffen. Es wäre ihr möglich, Wahlen immer weiter zu verschieben. Sie könnte den Korruptionsprozess gegen Netanjahu für beendet erklären. Und Netanjahu wäre in der Lage, sein Versprechen gegenüber Arje Deri einzulösen und den Chef der strengreligiösen Schas-Partei wieder ins Kabinett zu holen, obwohl der wegen Steuervergehen vorbestraft ist. Aufgrund Deris krimineller Vergangenheit hatte das Oberste Gericht Anfang des Jahres dessen Berufung als Innen- und Gesundheitsminister für „unangemessen“ erklärt. Für die Gegner ist diese Justizreform ein großer Schritt weg von der Demokratie in Richtung eines autokratischen Staates. Sie warnen vor der „Orbanisierung“ Israels. Aber in diesem erbittert ausgetragenen Konflikt geht es um weit mehr als um die Angst, dass Netanjahu sich ein allzu großes Vorbild am ungarischen Ministerpräsidenten nehmen könnte. 75 Jahre nach der Staatsgründung steht eine Entscheidung an, die damals bewusst vermieden wurde. Die Spannung zwischen religiösen und nicht-religiösen Jüdinnen und Juden war von Anfang an Teil der zionistischen Bewegung. Doch die grundsätzliche Frage blieb ungelöst: Judentum FORTSETZUNG AUF DER NÄCHSTEN SEITE

DIE FURCHE 2024

DIE FURCHE 2023