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DIE FURCHE 20.07.2023

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DIE FURCHE · 29 14 Diskurs 20. Juli 2023 ERKLÄR MIR DEINE WELT Das Verständnis kommt mit dem Lesen Den gesamten Briefwechsel zwischen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger können Sie auf furche.at bzw. unter diesem QR-Code nachlesen. Hubert Gaisbauer ist Publizist. Er leitete die Abteilungen Gesellschaft- Jugend-Familie sowie Religion im ORF-Radio. Den Briefwechsel gibt es jetzt auch zum Hören unter furche.at/podcast Ein wenig erschrocken war ich schon, als Sie in Ihrem jüngsten Brief schrieben, dass Sie sich vor meiner Antwort hinsichtlich unserer Weltschmerz-Debatte gefürchtet hätten. Aber das hat sich ja gleich entspannt, sodass Sie Ihr – offenbar veganes – Frühstück genießen konnten. Apropos vegan: So weit bin ich noch nicht, aber wir sind auf dem Weg. Zumindest gibt es bei uns seit geraumer Zeit nur mehr höchstens zweimal in der Woche Fleisch – was übrigens in meiner Kindheit eine Selbstverständlichkeit war. Und wenn wir schön langsam wieder dorthin zurückkehren, tun wir es bewusst: der Umwelt, den Tieren und uns selber zum Wohle. Aber kein „ Ich glaube, dass Menschen, die empfindliche Antennen haben – und das sind nun einmal Dichterinnen und Dichter –, einfach oft sehr kompliziert sind. “ Grund, sich den Jungen gegenüber als bedürftige Nachkriegskinder zu brüsten, für die es „das alles nicht gegeben hat“, wovon heute die Jungen verschwenderisch zu viel hätten. Wir Alten neigen ja dazu, unsere Kindheit als Vorbild von Einfachheit und Sparsamkeit zu verklären, als wären wir Robinson und Freitag in einer Person gewesen – und glücklich, bis uns das böse Wirtschaftswunderschiff endlich in die konsumstrotzende Normalität geholt hat. Ja, wir ändern die Welt Ich bin inzwischen ganz bei Ihnen, wenn es darum geht, nicht bei dem kleinsten Schaden gleich zum Kauf von etwas Neuem zu rennen, sondern es reparieren zu lassen oder ein Loch im Socken – notfalls auch selber – zu stopfen. Übrigens ein Wundermittel gegen Weltschmerz. Letztlich kommt es auf mich an. Und zwar jetzt. Auch wenn es immer nur ein kleines Loch ist, das ich stopfen kann. Dann habe ich nicht das Gefühl, dass ich machtlos bin. Sie deuten es ja auch an: Ja, wir ändern die Welt, wenn wir für unsere Liebsten glücklich sind. Sie schreiben, dass Sie „Herbstzeit“, den Briefwechsel zwischen Paul Celan und Ingeborg Bachmann, lesen und merken die Kompliziertheit der Sprache an. Nun, ich glaube, dass Menschen, die äußerst empfindliche Antennen haben – und das sind nun einmal Dichterinnen und Dichter –, einfach oft sehr kompliziert sind. Im Leben, in der Sprache und in Beziehungen. Hohe Empfindlichkeit gepaart mit sprachlich scharfer Reflexion, das gibt dann eine mitunter sehr explosive – um nicht zu sagen toxische – Mischung. Ich habe eben wieder ein wenig im Briefwechsel geblättert. Und im ausführlichen Kommentar zu den Lebensumständen. (Sie haben sicher entdeckt, wie auf den Seiten 46 und 53 von der FURCHE die Rede ist, die 1952 „dringend“ Celans Gedichte „braucht“. Wir sind in prominenter Gesellschaft!) Es erstaunt immer wieder, wie interessiert die Literaturwissenschaft oft an privaten Details ist. Datenschutz ist eben nur für Lebende, oder? Ja, es gibt auch ein Recht auf Vergessen! Empfohlen sei aber der Leserin, sich nicht mit der Schlüssellochperspektive der Briefliteratur zu begnügen. Sie wage sich doch einmal auch hinaus in die eisige, aber klare Luft der Gedichte Celans! Das Verständnis kommt mit dem Lesen. Langsam. Ich weiß, wovon ich spreche. Vielleicht sogar mit lebenslangem Lesen dieser Gedichte. Und immer spüre ich dabei: wie sehr Dichter und Dichterinnen den Schmerz der Welt und der Zeit tragen! Sie tragen ihn auch für uns. Ich wünsche Ihnen kühle und schöne Tage! Ja, definitiv. Bislang haben es in Österreich zwar noch keine Klimakleber aufs Rollfeld geschafft – aber die Airports rüsten sich angesichts der jüngsten Vorfälle in Deutschland. Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis die polarisierende Klimaschutzdebatte „Heiligt der Zweck wirklich alle Mittel?“ auch hierzulande um eine Facette reicher ist. Der Kampf für eine gute Sache wird mittlerweile von den Behörden als Hochsicherheitsrisiko eingestuft. Muss das sein? Inzwischen distanzieren sich selbst jene von der sogenannten „letzten Generation“, die sie noch vor Monaten offen unterstützt haben. Spätestens wenn sich die eigenen Enkelkinder oder Kinder den Blockadeaktionen anschließen und ins Visier der Polizei geraten bzw. Schadensersatzforderungen drohen, setzt bei den meisten ein Umdenken ein. Vielleicht gilt es jetzt für alle Beteiligten – von den Gesetzeshütern über die Gesetzesgeber bis hin zu den Gesetzesbrechern (der Eingriff in den Luftverkehr ist schlicht eine Straftat ebenso Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung) – einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen: Sollten wir nicht lieber alle an einem Strang ziehen? Schließlich liegt es in aller (abzüglich Lobbyisten) Interesse den klimaschädlichen CO₂-Ausstoß, der unter anderen von der Luftfahrtbranche befeuert wird, endlich einzudämmen. Wenn sich Klimakleber aufs Rollfeld legen, passiert im Übrigen sogar das Gegenteil: Die Emissionen wer- LASS UNS STREITEN! Klimakleber auf dem Rollfeld: Geht das zu weit? den erhöht, weil geplante Landungen auf andere Flughäfen umgeleitet werden, womit zusätzliches CO₂ freigesetzt wird. Hinzukommen die Runden, welche die Flugzeuge beim Warten auf eine Landefreigabe drehen müssen. Und das ist nur eine von vielen Folgen, die die Blockadeaktionen nach sich ziehen können. Was, wenn ein Flugzeug einmal tatsächlich nicht mehr rechtzeitig bremsen kann? Es scheint, als nähme man auch Todesopfer in Kauf. Auch ich befürworte die hehren Ziele der „letzten Generation“ – aber nicht den Weg, den sie gewählt hat, um diese zu erreichen. Die Klimakleber bedienen sich erpresserischer Methoden, verhalten sich oft wie bockige Kinder – und verhindern damit, dass man ihnen auf Augenhöhe begegnen kann. (Brigitte Quint) wollen in Österreich nicht einmal 30 km/h langsamer „Wir auf der Autobahn fahren, um weltweit dafür zu sorgen, dass nicht das Schlimmste eintritt und die Kipppunkte überschritten werden“, sagte der Sprecher der „Letzten Generation“ Florian Wagner kürzlich auf einer Pressekonferenz der Klimaschutzaktivisten. Im Juli legten die Protestierenden in Wien mehrere Male den Verkehr lahm. Und nun bereitet sich sogar der Flughafen Wien-Schwechat auf die Klimakleber vor. In Deutschland klebten sich schließlich jüngst die Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ in Hamburg und Düsseldorf auf den Rollfeldern fest. Zweifelsohne ein gefährliches Unterfangen. Für viele Menschen, die unbeschwert in den Urlaub fliegen wollen, ist das auch eine moralische Abmahnung. Aber den Klimaklebern geht es um viel mehr als um die Moralkeule. Während die Aggression gegen die Klimakleber immer größer wird, vergessen manche rasch, warum der Protest überhaupt stattfindet. Mit Temperaturen von fast 50 Grad auf Sizilien und Sardinien ist der Klimawandel nun auch in Europa angekommen. Wetterextreme sind bereits so allgegenwärtig geworden, dass auch die Medien nicht mehr sonderlich viel über die Waldbrände in Kanada, die Tornados in Chicago und die extreme Hitze in Nordindien mit über 50 Grad berichten. Die Klimaaktivisten- und Aktivistinnen setzen daher ein klares Zeichen für die Politik, jetzt sofort aktiv zu werden. Und ihre Forderungen sind sehr konkret. Sie stellen sich hinter die 93 Empfehlungen des Klimarats. Bürgerinnen und Bürger aus allen Regionen und Teilen der Gesellschaft setzten sich mit Unterstützung der Wissenschaft mit Klimafragen auseinander und erarbeiteten Maßnahmen. Die Ergebnisse wurden Mitte 2022 der Bundesregierung übergeben. Darin finden sich etwa die Empfehlung für pflanzliche Ernährung, das Tempolimit auf den Autobahnen oder die Unterstützung des Arbeitsmarktes in Richtung Klimaschutz. Solange die Politik die Forderungen der breiten Gesellschaft ignoriert, ist es nur logisch, dass Klimaaktivisten weiterhin ein Zeichen setzen. Und das sollen sie auch dürfen – selbst auf dem Rollfeld. (Manuela Tomic) Medieninhaber, Herausgeber und Verlag: Die Furche – Zeitschriften- Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KG Hainburger Straße 33, 1030 Wien www.furche.at Geschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner, Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Chefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Redaktion: Dr. Otto Friedrich (Stv. Chefredakteur), MMaga. Astrid Göttche, Dipl.-Soz. (Univ.) Brigitte Quint (Chefin vom Dienst), Jana Reininger BA MA, Victoria Schwendenwein BA, Dr. Brigitte Schwens-Harrant, Dr. Martin Tauss, Mag. (FH) Manuela Tomic Artdirector/Layout: Rainer Messerklinger Aboservice: 01 512 52 61-52 aboservice@furche.at Jahresabo: € 181,– Uniabo (Print und Digital): € 108,– Bezugsabmeldung nur schriftlich zum Ende der Mindestbezugsdauer bzw. des vereinbarten Zeitraums mit vierwöchiger Kündigungsfrist. Anzeigen: Georg Klausinger 01 512 52 61-30; georg.klausinger@furche.at Druck: DRUCK STYRIA GmbH & Co KG, 8042 Graz Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz: www.furche.at/offenlegung Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Art Copyright ©Bildrecht, Wien. Dem Ehrenkodex der österreichischen Presse verpflichtet. Bitte sammeln Sie Altpapier für das Recycling. 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DIE FURCHE · 29 20. Juli 2023 Diskurs 15 Es gibt ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Aber gilt das auch für die öffentliche Verbrennung des Korans? Ein Gastkommentar. Wo die Toleranz enden sollte Wir leben in einem Zeitalter der Provokationen. Proteste gegen Regierungen, gegen Religionen, gegen gesellschaftliche Zustände nehmen immer wieder Formen an, die mehr zur Verschärfung als zur Lösung von Problemen beitragen. In erster Linie geht es darum, Aufmerksamkeit zu erregen, mitunter wird auch vor bösartiger Diffamierung der Gegenseite, ja sogar vor brutaler Gewalt nicht zurückgeschreckt. Damit stellen sich einige Fragen: Welche Formen von Protest sind legitim und in einer freien Gesellschaft verkraftbar? Kann ein hehrer Zweck böse Mittel heiligen? Wann sind Provokationen zwar gerechtfertigt, aber politisch unklug und kontraproduktiv? Wie immer gilt es, zwischen den verschiedenen Protesten zu differenzieren. Für friedliche Demonstrationen und damit verbundene Arbeitsniederlegungen sollte in jeder humanen Gesellschaft Platz sein. Kein Verständnis muss man jedoch für jene aufbringen, die – wie jüngst in Frankreich – ihre Wut über eine Polizeiaktion mit tödlichem Ausgang zum Anlass für eigene gewalttätige Ausschreitungen nehmen. Impfgegner sind zu respektieren, wenn sie ihr Anliegen nicht mit dem Einschüchtern von medizinischem Personal verbinden. Die Sorgen der „Klimakleber“ kann man verstehen, aber ihr zeitweiliges Lahmlegen des Verkehrs und Verärgern der Autofahrer dürfte ihren Zielen mehr schaden als nützen. Mit Füßen treten, was anderen heilig ist? Großes Aufsehen erregte unlängst eine Provokation in Schweden. Ein Mann trat im Rahmen einer Demonstration ein Exemplar des Korans, des heiligen Buches der Muslime, mit Füßen und verbrannte mehrere Seiten, noch dazu vor der Hauptmoschee in Stockholm unmittelbar nach dem Mittagsgebet. Die schwedische Polizei hatte die vorher angekündigte Aktion genehmigt, nachdem bisherige Verbote ähnlicher Kundgebungen von den Gerichten mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit gekippt worden waren. Der aus dem Irak stammende Täter durfte deshalb seiner Abneigung gegen den Islam auf diese Weise Ausdruck verleihen. Dass es unter Muslimen und in vielen islamischen Ländern eine Welle der Empörung Foto: Ursula Hummel-Berger gab, sollte uns verständlich sein, und zwar nicht erst, seit auch die inzwischen abgesagte Verbrennung einer Tora und einer Bibel angekündigt wurde. Nicht nur Muslime, auch Christen und andere Menschen, denen in dieser Welt noch etwas heilig ist, leiden darunter, wenn man nicht nur alles kritisieren darf – was durchaus legitim ist –, sondern es auch buchstäblich mit Füßen treten und öffentlich zerstören kann. Das schwedische Außenministerium hat die Koran-Verbrennung inzwischen verurteilt und bekundet, man habe „volles Verständnis dafür, dass die islamfeindlichen Handlungen, die DIESSEITS VON GUT UND BÖSE Von Heiner Boberski „ Ich wünsche mir für ein Objekt von kultureller Bedeutung ebenso viel Respekt wie für die Meinung einer Person. “ bei Demonstrationen in Schweden von Einzelpersonen begangen wurden, für Muslime beleidigend sein können“. Natürlich weiß man in Stockholm, dass die Angelegenheit außenpolitisch schädlich für Schweden ist und dass dadurch ein baldiger NATO-Beitritt des Landes, der von einer Zustimmung der Türkei abhängt, gefährdet werden könnte. Zugleich stellte das Ministerium fest, dass es in Schweden ein „verfassungsmäßig geschütztes Recht auf Versammlungs-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit“ gebe. Nach der schwedischen Auslegung dieses Rechts, das in ähn- licher Form in vielen Ländern besteht, können auch Flaggen von Ländern sowie Schriften und Symbole der Christen, Juden und anderer Religionen öffentlich herabgewürdigt werden. Gerade weil die Meinungsfreiheit ein höchst kostbares Gut ist, das in unseren Breiten mühsam erkämpft wurde und in vielen Teilen der Welt noch erkämpft werden muss, sollte man Meinungen nur in Bild, Wort und Schrift, aber nicht als öffentliche Zerstörungsaktionen tolerieren. Ein solches Vorgehen zeugt nämlich nur von Hass, weckt neuen Hass und ist daher völlig kontraproduktiv. Auch wirklich problematische Symbole, etwa Hakenkreuze, sollte man meiner Meinung nach lieber still, nicht mit großem Aufsehen entsorgen. Bücher verbrennen – und am Ende Menschen Das öffentliche Verbrennen von Büchern ist abzulehnen, denn gerade Bücher sind Ausdruck der Meinungsfreiheit. In meiner Jugend habe ich durch den Film „Fahrenheit 451“ mit Oskar Werner gelernt, dass das Verbrennen von Büchern eher das Kennzeichen einer Diktatur als einer freien Gesellschaft ist. „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“, hat der deutsche Dichter Heinrich Heine geschrieben. Wir wissen, dass auf die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten rasch der Holocaust folgte. Man darf aber auch nicht verschweigen, dass das Verbieten und Vernichten bestimmter Literatur sowie das Errichten von Scheiterhaufen zu den finstersten Kapiteln der Kirchengeschichte zählt. Mir ist klar, dass der heutige demokratische, laizistisch angelegte Staat sich meist nicht in der Lage sieht, eine klare Grenze zwischen legitimen und nicht tolerierbaren Meinungen zu ziehen. Ich sehne mich auch keinesfalls nach einer Regierung, die alles verbietet, was nicht ausdrücklich erlaubt ist, und die Polizei bereits beim Heben eines gar nicht beschrifteten Transparents einschreiten lässt. Aber ich wünsche mir für ein Objekt von kultureller Bedeutung ebenso viel Respekt wie für die Meinung einer Person. Der Autor ist Journalist und war von 1995 bis 2001 Chefredakteur der FURCHE. ZUGESPITZT Hirnschmalz oder Hirnschmelze? Es ist heiß. Unsagbar schwül. Ich schwitze und ich habe das Gefühl, mein Gehirn tut es auch. In Deutschland rät der Amtsärzteverband ob der derzeit hohen Temperaturen zur Siesta in Sommermonaten nach spanischem Vorbild. Auch in Österreich hat man Ähnliches schon gehört, denn: Man wünscht sich Abkühlung, damit das Gehirnschmalz nicht davonrinnt. Doch die Debatten in den Kommentarspalten diverser (sozialer) Medien erlauben das nicht. Sie sind hitzig. Ja, das Denken fällt dieser Tage nicht leicht, bei so manchem sogar besonders schwer. Wobei: An der Hitze der letzten Tage kann das freilich nicht liegen. Warm war es im Sommer schließlich immer. Und außerdem: Im Frühjahr hat es ja geregnet. Von den jüngsten Gewittern nicht zu reden. Vom Klimawandel keine Spur, alles nur Hysterie. Und wer ist Schuld daran? Logisch: Die Medien, die diesen Klima-Terror heraufbeschwören. Fake News eben. Alles nur ein Vorwand, um die Urlaubszeit schlecht zu reden. Wie gut, dass mein Urlaub erst bevorsteht, damit ich mich von solchen Debatten erholen kann. Zumindest eine Abkühlung für das hitzegeplagte Gehirn ist damit in Aussicht. Egal wie extrem das Wetter wird, wenigstens der persönlichen Gehirnschmelze kann ich so entgegenwirken. Victoria Schwendenwein NACHRUF Jane Birkin: „Keinen Mut, mich selbst zu sehen“ Jane Birkin hat viele Menschen begeistert, mit ihrer Stimme, mit ihren Filmen, mit ihrer Frohnatur und ihrem Willen, mit denen sie Schicksalsschläge erduldet hat. Die 1946 in London geborene Schauspielerin und Sängerin ist vergangenen Sonntag 76-jährig in Paris verstorben – sie hinterlässt eine große Leerstelle im französischen Chanson ebenso wie auf der Leinwand. Rund 90 Filme hat sie gedreht, unzählige Lieder aufgenommen, viele davon mit ihrem Lebenspartner Serge Gainsbourg, mit dem sie elf Jahre zusammen war: Es klingt noch in den Ohren, das bekannteste Chanson des Duos: „Je t’aime… moi non plus.“ Jane Birkin war der Eifersuchtsgrund in Jacques Derays „Der Swimmingpool“, weil Alain Delon seine Romy Schneider in der Rolle mit ihr betrog. Damals war Birkin Anfang 20 und ein neues Gesicht am Filmhimmel. Sie drehte wichtige Filme, darunter drei mit Jacques Rivette, natürlich „Blow Up“ (1966) von Antonioni, mit dem sie berühmt wurde, aber auch „La fille prodigue“ (1981) von Jacques Doillon, mit dem Birkin eine gemeinsame Tochter, die Sängerin Lou Doillon hat. Auch Charlotte Gainsbourg ist ihre Tochter, sie entstammt der Beziehung zu Serge Gainsbourg. Ihre älteste Tochter, die Fotografin Kate Berry – aus Birkins Ehe mit dem Komponisten John Barry – starb 2013 nach einem Fenstersturz aus ihrer Wohnung im vierten Stock. Den Tod ihrer Tochter hat Birkin nie überwunden, sie war in den letzten Jahren kränklich, zog sich mehr und mehr zurück. Strahlen wollte sie ohnehin nicht mehr, dafür war sie umso stolzer auf ihre Töchter: „Was Charlotte im Film ist, ist Lou in der Musik. Sie investieren beide ihre ganze Kraft da hinein. Und auch Kate war so energisch in der Fotografie. Sie war ein großes Talent“, sagte Birkin im Interview mit dem Verfasser 2016, das aus Anlass der Überreichung des Goldenen Ehrenleoparden in Locarno stattfand. Es war ihr erster Filmpreis überhaupt, wie sie damals dankbar feststellte. Sich selbst in die erste Reihe zu stellen, war Birkin aber immer unangenehm gewesen: „Mir fehlte immer schon der Mut, mich selbst anzusehen. Einerseits, weil ich meine Stimme beim Sprechen nicht hören will, andererseits, weil ich ständig nur die Fehler sehe“, so Birkin. Ihr beeindruckendes Œuvre widerspricht ihrer Skepsis: Die Kunst hat eine Künstlerin verloren. (Matthias Greuling) Foto: APA / dpa / Marcus Brandt Die Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin starb am vergangenen Sonntag im Alter von 76 Jahren in Paris.

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