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DIE FURCHE 20.06.2024

DIE FURCHE

25 · 20. Juni 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– „Der Irrenarzt mit dem Mikroskop“ Der Mediziner Alois Alzheimer entdeckte 1906 die „Krankheit des Vergessens“. Ein Porträt zu seinem 160. Geburtstag. · Seite 20 Maritimer Terror im Roten Meer Eine Schulung für das Sterben Straßburg: Hochburg des Buches Die Huthis im Jemen versenken nicht nur Frachter, sondern dürften auch Seekabel sabotieren. Über die „Arterien der Weltwirtschaft“. · Seite 5 Für den assistierten Suizid bräuchten Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte klare Vorgaben und Trainings. Eine Recherche. · Seiten 8–9 Jedes Jahr kürt die UNESCO eine „Welthauptstadt des Buches“. Nun darf ein besonders kulturträchtiger Ort diesen Titel tragen. · Seite 13 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Ein hitziger Wahlkampfsommer steht bevor. Zwist und Zank drohen auch in der Familie und unter Freunden. Wie ein Diskurs ohne Hass gelingt. Lasst uns streiten! Bild: Rainer Messerklinger (unter Verwendung eines Bildes von iStock/Ljupco) Foto: APA/dpa/Frank Rumpenhorst Schule ohne Gott? Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr sorgt mit seinem Vorschlag, den verpflichtenden Religionsunterricht abzuschaffen, für Aufregung. Eine Einordnung – und ein Gespräch mit der Religionssoziologin Astrid Mattes-Zippenfenig über Konflikte im Klassenzimmer. Seiten 6–7 Der Eklat rund um Leonore Gewesslers Ja zur EU-Renaturierung ist ein Lehrstück über Recht, Verantwortung und Taktik in der Politik. „Das Beste zweier Welten“ ist jedenfalls Geschichte. In getrennten Welten AUS DEM INHALT Gedanken über den Frieden In ihrem neuen Brief an Hubert Gaisbauer macht sich Johanna Hirzberger Sorgen um die Zukunft Europas und erzählt von ihrem sehnlichsten Kindheitswunsch. Seite 10 Von Doris Helmberger Klimakatastrophe für Österreichs Regierung, aber mehr Klimaschutz für Europa“: So kommentierte das „Eine ZDF am Montagabend die Turbulenzen rund um die Zustimmung von Leonore Gewessler zur Renaturierungsverordnung der EU. Österreichs grüne Umweltund Klimaministerin war zum Zünglein an der Waage geworden, das über Wohl oder Wehe des „Gesetzes über die Wiederherstellung der Natur“ entschied – des Herzstücks des European Green Deal. Es stand also viel auf dem Spiel am Montag. Nicht nur für die Ministerin selbst, auch für die Glaubwürdigkeit Europas. Ist man bereit, das 2021 verbindlich vereinbarte Ziel der Klimaneutralität bis 2050 umzusetzen? Oder sollte der Green Deal, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch 2019 vollmundig als Europas „Man on the Moon-Moment“ ausgegeben hatte, nicht mehr sein als rhetorisches Pathos für Schönwetterphasen? Gewessler sagte dazu nein – und ja zur Renaturierungs- Verordnung. „Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, im entscheidenden Moment vor meiner Verantwortung wegzulaufen“, erklärte sie in Luxemburg. „ Die Klimaministerin konnte nicht anders entscheiden. Ob sie es rechtlich durfte, werden Gerichte klären. “ Tatsächlich war diese Entscheidung nicht nur im Interesse künftiger Generationen richtig, sondern für die grüne Ministerin auch politisch alternativlos. Das entscheidendste Gesetz der letzten Jahre zum Erhalt der Biodiversität verhindert zu haben, hätten selbst frustrationstolerante Grün-Wählerinnen und -Wähler nicht verziehen. Auch strategisch-taktisch kam Gewessler diese Profilierungsoption gelegen. Mit einem Schlag konnte sie die EU-Wahl-Farce rund um Lena Schilling vergessen machen – ein idealer Booster für den Wahlkampf und den anstehenden grünen Bundeskongress. Verlorenes Vertrauen Ob sie auch im Wortsinn Recht hat – oder die empörte ÖVP, die Gewessler nicht nur Vertrauensbruch, sondern auch Rechts- sowie Verfassungsbruch vorwirft und Nichtigkeitsbeschwerde beim EuGH sowie eine strafrechtliche Anzeige wegen Amtsmissbrauchs in Aussicht stellt, ist eine andere Frage. Tatsächlich bewegt sich Gewessler auf juristisch dünnem Eis. Ob ihre vier Privatgutachten gegen die Einschätzung des Verfassungsdienstes des Kanzleramtes bestehen, müssen die Gerichte klären. Umgekehrt ist jedoch zu hinterfragen, wie viel rechtliche Bindung ein formal einstimmiger Landeshauptleutebeschluss haben kann, der faktisch nicht mehr besteht bzw. sich auf einen überholten Vorschlag bezieht. Zudem ist in der Verfassung von der Landeshauptleutekonferenz keine Rede. Hier zeigt sich die Fragilität in der Bund-Länder-Kooperation und der politischen Willensbildung einer Regierung – zumal unter einem Kanzler ohne Richtlinienkompetenz. Der wichtigste Kitt zwischen Parteien ist und bleibt also Vertrauen. Dieses wurde freilich nicht nur jetzt „aus Gewissensgründen“ durch Gewessler riskiert, sondern zuvor auch zuhauf von der ÖVP – von einem ähnlichen Alleingang Norbert Totschnigs in Brüssel über die Abkehr vom Verbrenner-Aus bis zur anhaltenden Desinformation über das Renaturierungsgesetz im EU-Wahlkampf. Längst schielt man auf freiheitliche Wähler, die Klimaschutzvorgaben als Anschlag auf ihre Freiheit empfinden – und Gewessler als Feindbild kultivieren. Diese habe eine „Agenda“, heißt es auch seitens der ÖVP. Das ist richtig – und wäre im Sinn des Brennens für die eigenen Visionen von jedem zu wünschen, der den Beruf des Politikers, der Politikerin ergreift. Das „Beste aus beiden Welten“, wie ÖVP und Grüne ihre weltanschaulich disparate Koalition nannten, ist jedenfalls Geschichte, auch wenn Kanzler Nehammer aus Taktik und Sorge vor dem teuren freien Spiel der Kräfte die vermeintlich amtsmissbräuchliche Ministerin im Amt belässt. Nun können sich alle ihrer Profilschärfung widmen – in getrennten Welten. doris.helmberger@furche.at Kirche bewegt sich – ein bisschen Otto Friedrich über das Dokument „Der Bischof von Rom“, in dem 30 Jahre nach Ut unum sint die Forderung aufgegriffen wurde, über das Papstamt nachzudenken. Seite 11 Hotspot der falschen Milde Roma und Sinti galten selbst 1948 noch immer nicht als Menschen. Hohn begleitete eine Reihe von NS-Strafprozessen nach dem Krieg, so Hellmut Butterweck. Seite 15 Neuer Skurrealismus am Traunsee Die entdeckungsfreudige Ausstellung „Villa Karbach“ zeigt im Rahmen der „Europä ischen Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut“ zeitgenössische Kunst. Seite 16 Die Seifenblasen des Über-Selbst Der Drang nach Zugehörigkeit prägt die krisengeschüttelte Gegenwart. Was wäre ein gesunder Umgang mit Identität? Ein essayistischer Rundgang. Seiten 18–19 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0

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