DIE FURCHE · 3 24 Ausstellung 19. Jänner 2023 Das Leopold Museum zeigt mit „Tilla Durieux“ eine Schauspielerin aus dem Blickwinkel von namhaften bildenden Künstlern. In Kunst verewigt Von Theresa Steininger Sie war eine Grand Dame der Bühnenwelt, aber auch ein viel gewähltes Motiv der bildenden Künstler ihrer Zeit: Tilla Durieux. Sie wurde von Auguste Renoir, Lovis Corinth, Franz von Stuck, Ernst Barlach, Max Oppenheimer, Oskar Kokoschka und vielen mehr verewigt, was für das Leopold Museum Grund genug ist, der großen Schauspielerin eine Ausstellung zu widmen. „Selten wurde eine Person über einen Zeitraum von rund 70 Jahren so häufig und in unterschiedlichsten Medien dargestellt“, sagt Kuratorin Daniela Gregori. „Anhand von Tilla Durieux ließe sich gewissermaßen die Geschichte des Porträts der Moderne erzählen.“ Auch wenn das wohl ein wenig hoch gegriffen ist, so findet man jedenfalls Schlaglichter aus einigen Stilrichtungen vom Historismus bis zur Neuen Sachlichkeit. Und die Vita der glamourösen Darstellerin lässt sich anhand von Gemälden, Aquarellen, Fotos und Zeitdokumenten nachvollziehen. Ausstrahlung und Esprit „ Sie war sich ihrer Wirkung auf andere natürlich bewusst und kontrollierte diese auch. So inszenierte sie ihr Bild in der Öffentlichkeit durchaus mit. “ Dabei war die Vielporträtierte alles andere als dem Schönheitsideal der Zeit entsprechend. Als „weiße Negerin“ soll sie Alfred Kerr bezeichnet haben, die Mutter ließ sie in ihrer Kindheit in Wien intensiv Klavier und Nähen lernen, da sie nicht an eine gute Partie oder eine Karriere für ihre Tochter glaubte. Doch Durieux ließ sich vom mangelnden Vertrauen noch anstacheln und startete ihre Schauspielkarriere. Als sie ans Deutsche Theater nach Berlin kam, fiel Gertrud Eysoldt als Salome aus, Durieux sprang prompt ein und wurde zum Star. Sie agierte lasziver und gewagter in der Rolle der fordernden Königstochter als die Kollegin, was auch in Fotos der von ihr bevorzugten Fotoagentur Becker & Maass deutlich wird. Zahlreich sind die Porträts in Rollen, so zeigte Max Slevogt sie etwa als Potifars Weib und als Kleopatra. Berühmt wurde Franz von Stucks Serie mit Tilla Durieux als Circe. Auch wenn diese Darstellung durch kommerzielle Reproduktionen berühmt wurde, mochte Durieux sie ebenso wenig wie ein Porträt, das Oskar Kokoschka von ihr anfertigte: „Furchtbar. Ich sehe aus wie eine weiße Maori“, soll sich die Künstlerin über das Werk des Malers geäußert haben. Das angesprochene Bild konnte nicht für die Ausstellung gewonnen werden, was durch eine andere Arbeit Kokoschkas von ihr kompensiert werden soll. Viel lieber hatte sie jenes, das Auguste Renoir von ihr malte, als er schon schwer von der Gicht befallen war. Man musste ihm den Pinsel an die Hand binden, damit er es malen konnte. Aber wie so viele konnte auch er Paul Cassirer, der mit Durieux ab 1910 verheiratet war, den Wunsch nicht abschlagen, sie abzubilden. An Cassirers Aufträgen liegt es einerseits, dass es so viele Porträts von Durieux gibt, schließlich war er in Künstler- und Literatenkreisen gut vernetzt. Andererseits war es ihre einzigartige Ausstrahlung, die Künstler faszinierte, wie Gregori ausführt. „Sie war sich ihrer Wirkung auf andere natürlich bewusst und kontrollierte diese auch.“ So inszenierte sie ihr Bild in der Öffentlichkeit durchaus mit, indem sie nicht nur genau darauf achtete, welche Fotos von ihr hinausgingen – auf diesen sah sie sich gerne als moderne Dame von Welt, ob als unerschrockene Pilotin, Mode-Ikone oder im Automobil –, sondern auch, wie sie auf gemalten Porträts zu sehen war. Da überrascht, dass Gregori erzählt: „Sie wurde eigentlich gar nicht gerne porträtiert.“ Dieser Zwiespalt soll etwa zur verkrampften Haltung auf Max Oppenheimers Porträt geführt haben, mit dem sie – so will es die Anekdote –nicht recht warm wurde. Wie jene, die eng mit ihr vertraut waren, sie malten, ist dem gegenübergestellt. Ihr erster Ehemann Eugen Spiro bildete sie entspannt ab und in dem Stil, den er bei Gustav Klimt und im „Ver Sacrum“ gesehen hatte. Emil Orlik und Emil Pirchan standen ihr ebenfalls nahe. Ernst Barlach setzte sie auch plastisch um. Und von ihrem Freund August Gaul ließ sie sich nackt auf einem Schwein als Circe künstlerisch fassen, um Stucks Kommerzialisierung ihres Porträts zu kontern. Auch ins Exil folgt die Ausstellung Tilla Durieux: Als sie in Abbazia ein Hotel betrieb und in Zagreb für ein Puppentheater aus ihren alten Roben Kostüme nähte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte sie auf die Theaterbühne und ins Fernsehen zurück. Ein spät entstandenes Porträt Werner-Viktor Toefflings zeigt, wie sie ihren Glamour bis ins hohe Alter bewahrte – und komplettiert den Stilrundgang, der durch die Zusammenschau der verschiedensten Künstler, die die schillernde Mimin malten und ihren Ruf mitgestalteten, entstanden ist. Tilla Durieux Leopold Museum Noch bis 27. Februar 2023 www.leopoldmuseum.org Tilla Durieux Im Laufe ihres Lebens wurde die Mimin (1880-1971) von zahlreichen Künstlern porträtiert, darunter von Hermann Haller: Impression nach Tilla Durieux, 1917 Foto: Archiv Georg Kolbe Museum/Markus Hilbich, Berlin IN KÜRZE LITERATUR ■ Preis für György Dalos KUNST ■ Heinrich Heuer (1934–2023) FILM ■ Gina Lollobrigida (1927–2023) WISSEN ■ Ältester Runenstein entdeckt Der diesjährige Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste (Berlin) ergeht an den ungarischen Autor, Historiker und Übersetzer György Dalos (*1943). Im Zentrum seines literarischen Werkes steht die europäische Zeitgeschichte, die er mit sarkastisch gefärbtem Humor und prägnantem Wortwitz umkreist. Die Themenlandschaft von Dalos reicht von der Teilung Europas über den Zerfall der Sowjetunion bis hin zum Projekt einer illiberalen Demokratie in seinem Heimatland Ungarn. Zu seinen bekannten Veröffentlichungen zählen „Ungarn in der Nussschale. Geschichte meines Landes“ (2004) und „Der Fall der Ökonomen“ (2012). Heuer wurde 1934 in Pommern (Deutschland) geboren. Nach Stationen in Berlin und Stuttgart absolvierte er von 1957 bis 1959 in Wien die Meisterschule für Grafik an der Akademie der bildenden Künste. Ab diesem Zeitpunkt lebte und arbeitet er mit seiner Frau, der Künstlerin Christine Heuer, in Wien. Das Medium seiner Kunst war die Radierung, wobei er die Arbeit in Kupfer bevorzugte. Seine Werke waren in zahlreichen Ausstellungen vertreten und wurden mehrfach mit Auszeichnungen geehrt; so erhielt er im Jahr 2000 den Preis der Stadt Wien für bildende Kunst. Am 8. Jänner verstarb Heuer im Alter von 88 Jahren in Wien. „Gina nazionale“ verstarb am 16. Jänner in Rom im 96. Lebensjahr. Sie hatte ab Mitte der 1940er Jahre in 70 Film- und TV-Produktionen mitgewirkt. Ihren Ruhm als „Sexsymbol“ begründete die Lollobrigida in „Fanfan, der Husar“ (1952). Ein Jahr später reüssierte sie an der Seite von Vittorio de Sica in „Liebe, Brot und Fantasie“, 1956 folgte „Der Glöckner von Notre Dame“ (mit Anthony Quinn), 1959 der Monumentalfilm „Salomon und die Königin von Saba“ (mit Yul Brynner). Ab den 1970er Jahren betätigte sich die Lollobrigida zunehmend als Fotografin, später auch als Bildhauerin. Auch einen Abstecher in die (Europa-)Politik weist ihre Biografie auf. In Norwegen wurde der weltweit vermutlich älteste Runenstein entdeckt. Er ist fast 2000 Jahre alt und damit mehrere hundert Jahre älter als bisher bekannte Runensteine, wie das Kulturhistorische Museum in Oslo mitteilte. Bisher galten in Norwegen und Schweden gefundene Steine aus den Jahren 300 bis 400 nach Christus als die ältesten Runensteine. Es handelt sich um mit Inschriften versehene Steine, die meist auf Gräbern aufgestellt wurden – vor allem während der Wikingerzeit. Der einzigartige Fund am Tyrifjorden ist vom 21. Jänner bis 26. Februar im Kulturhistorischen Museum in Oslo zu sehen.
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