DIE FURCHE · 3 10 Religion 19. Jänner 2023 Der Widerstand im Iran geht weiter, auch wenn man in den Medien täglich von Todesurteilen und deren Vollstreckung hört. Was hat die tödliche Repression mit dem Islam zu tun? Ein Experte für islamisches Recht sieht ursächliche Zusammenhänge, ein Imam meint: Nicht der Islam, sondern die Muslime seien das Problem. Von Ebrahim Afsah Im Iran übernahm der politische Islam erstmals die Macht. Er wird irgendwann auch hier sein Ende beginnen, allerdings noch nicht jetzt. Vierzig Jahre real existierende Islamische Republik haben gezeigt, dass der Islam keine funktionierende Alternative zum modernen Verfassungs- und Verwaltungsstaat besitzt. Dennoch sind Nachrufe verfrüht, da zum einen die Machthaber sich zu äußerster Gewalt berufen fühlen und zum anderen ihre Gegner keine Sprache für ihre Forderung nach einem anständigen Leben haben. Das hat auch mit dem naiven westlichen Umgang mit dem Islam zu tun. „Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?“– So betitelte die deutsche Satirezeitschrift Titanic einst das Bild eines lächelnden Führers. An diesen Titel musste ich denken, als ich das Interview mit dem emeritierten Schweizer Orientalisten Reinhard Schulze in der FURCHE 49/2022 las. Nach einer Exegese des iranischen Staatsmodells prophezeite er unheilschwanger: „Ich befürchte, man versucht, so etwas wie eine schleichende Diktatur zu errichten.“ Ihm schwane Böses, er sehe das existierende „Zweisäulenregime“ im Iran kurz vor dem Zusammenbruch. Auf der einen Seite „die zivile Gesellschaft, die durch die Regierung, ihre Ministerien und Behörden vertreten ist“ und auf der anderen Seite „die Ideologie Chameneis“, die nun die Oberhand zu gewinnen droht. Man sieht bereits das Titelbild der Titanic: „Furchtbare Vorstellung: Ist Khamenei Islamist?” Chameini, Raissi & Co beim Wort nehmen Es scheint, dass in der Tat eine ehrliche Auseinandersetzung mit der dem Islam heute so eigentümlichen Gewalt nur noch in Satirezeitungen möglich ist. Die Titanic hatte die im Westen verbreitete Neigung, diese klein zu reden, bereits 1989 persifliert. Auf einem krakeligen Titelbild zeigte sie ein Turban tragendes, von abgestochenen Haustieren umgebenes Kind: „Khomeini, der ewige Lausbub“. Wie seinerzeit Rudi Carrell für seinen BH-Sketch wurde die Zeitschrift damals natürlich von den Vertretern der Islamischen Republik bedroht und von deren westlichen Apologeten als „islamophob“ und „rassistisch“ angefeindet, ebenso wie man Salman Rushdie – nun schließlich fast erfolgreich – nach dem Leben trachtete, von Charlie Hebdo mal ganz zu schweigen. Als ob es die Massenexekutionen gegen die Kurden; den tausendfachen Mord an Gefängnisinsassen 1988 an denen der jetzige Präsident Raissi maßgeblich beteiligt gewesen ist; die nur noch vom dutzendmal größeren China übertroffenen jährlichen Hinrichtungen; die systematische Verfolgung Andersdenkender; die Einführung einer „Kulturrevolution“ nach ausdrücklich chinesischem Vorbild mit Säuberung der Universitäten und Lehrpläne; die Einheiten zum gewaltsamen Export der islamischen Revolution und der Ermordung von Regimegegnern im In- wie Ausland; als ob all das noch nicht existieren würde, schwant dem Professor unheilschwanger die Gefahr „einer systemischen Diktatur des Revolutionsregimes von Chamenei“. Es scheint mir ein Gebot politischer Foto: APA/AFP/UGC Klugheit und intellektueller Redlichkeit zu sein, den Gegner und seine Aussagen ernst zu nehmen. Susan Sonntag hat im Nachgang der Septemberanschläge 2001 sehr viel, ihr nie verziehene Kritik einstecken müssen, weil sie die damals gängige Beschreibung der Attentäter als „feige“ angezweifelt hatte: „In the matter of courage (a morally neutral virtue): what ever may be said of the perpetrators of Tuesday’s slaughter, they were not cowards.“ „ Es scheint, dass in der Tat eine ehrliche Auseinandersetzung mit der dem Islam heute so eigentümlichen Gewalt nur noch in Satirezeitungen möglich ist. “ Das im Beitrag zitierte Interview mit Reinhard Schulz vom 6.12.2022 findet sich unter „Gefahr einer Putinisierung“ auf furche.at. Die Gewalt im Iran basiert auf dem Islam. Auch wenn dessen westliche Apologeten das nicht wahrhaben wollen: Die Proteste richten sich auch gegen die Religion. Aufstand, auch gegen Islam Ohne Kopftuch Protestierende Iraner(innen) auf dem Weg zum Friedhof der westiranischen Stadt Saqquz, wo die am 16.9. im Polizeigewahrsam verstorbene Mahsa Amini begraben wurde. In Analogie möchte ich als exilierter Atheist und Gegner der Islamischen Republik eines klarstellen: Die globale Bewegung des politischen Islams mag oft doppelzüngig agieren, taktische Bündnisse wie in Europa mit der Linken eingehen und ihre wahren Ziele verheimlichen. Dem iranischen Revolutionsführer Khomeini und seinen Nachfolgern aber ist dieser Vorwurf der Scheinheiligkeit nicht zu machen. Er war besessen davon, eine gottgefällige Gesellschaft einzurichten, eine, in der die religiösen Gebote Anwendung finden und zu deren Durchsetzung würde er die Machtmittel des modernen Staates nutzen. Das von ihm entworfene, die Grundlage der Islamischen Republik bildende Konzept der sogenannten „Statthalterschaft des Rechtsgelehrten“, velayat-e faqih, ist kein traditionelles Rechtsinstitut, sondern eine moderne, vom Faschismus ebenso wie dem Bolschewismus und Maoismus inspirierte ideologische Neuschöpfung. Diese Ideologie orientiert sich an tradierten religiösen Werten, zu deren, wenn nötig gewaltsamer Durchsetzung, sie den modernen Staat zu erobern sucht. Khomeini, ebenso wie sehr viele ihm folgende höchste Würdenträger dieses Staates und dieser Religion haben mit bewundernswerter Klarheit deutlich gemacht, was genau sie unter einer solch religiös geprägten Gesellschaft verstehen. Das Kopftuch spielt hier eine zentrale Rolle als Symbol der vom islamischen Recht verlangten kompletten Durchdringung aller Lebensbereiche, also die explizite Negierung einer erstmals in Westeuropa erkämpften Privatautonomie des Individuums. Diese liberale „allgemeine Handlungsfreiheit“ erlaubt alles, was nicht rational begründbar die Rechte anderer verletzt und steht somit im direkten Widerspruch zum islamischen gesellschaftlichen Ordnungsbegriff. Professor Schulze schreibt in der NZZ am 17. 11. 2022, dass die Verschleierung im Iran nach der Revolution als nationales, nicht religiöses Symbol zu werten sei. Daher sollte der gegenwärtige Aufstand der iranischen Frauen, ebenso wie das nun zunehmend auftretende disrespektierliche Vom-Kopf- Stoßen der Turbane der Kleriker als Zeichen der Aneignung, der symbolischen Besitznahme eines bloßen Kleidungsstücks angesehen werden: „Das Kopftuch ist nun weder national noch islamisch, es gehört wieder allein der Frau.“ Nach seiner Lesart ist das Kopftuch wenig mehr als ein austauschbarer Vorwand staatlicher Repression, etwas, das das gegenwärtige Regime gerade zur Disposition zu stellen bereit sei, und daher nach einer „ideologischen Alternative, die die entstandene Leerstelle füllen könnte“ suchen würde. Dies ist wohlfeil im gegenwärtigen links-liberal westlichen Diskurs, der Muslime nur als schutzbedürftige Opfer zu sehen und Kopftücher nur als Zeichen der „Diversität“ zu feiern weiß. Dies erklärt, wie eine deutsche Außenministerin sich erblöden kann, eine angeblich „feministische“ Außenpolitik gegenüber den Machthabern im Iran durch die Negierung des Offensichtlichen zu verfolgen. Hat die staatliche und private Repression zur Durchsetzung des Kopftuchgebots wirklich „nichts, aber auch gar nichts mit Religion“ zu tun? Es handelt sich hier um einen epistemischen Narzissmus, der darauf besteht, die Welt ausschließlich aus der engen Perspektive eigener Befindlichkeiten zu sehen. Kopftuchgebot hat religiöse Grundlage Niemand im Iran – ob für oder gegen das Regime – zweifelt die religiöse Grundlage des Kopftuchgebots an. Worum seit dem Bestehen der Islamischen Republik immer wieder gekämpft wird, ist vielmehr die Legitimität staatlichen wie privaten Zwangs zur Durchsetzung dieser Gebote. Die Verschleierung dient zur Aufrechterhaltung einer auf altarabischen Stammesvorstellungen basierenden rigiden Sexualmoral und der damit verbundenen Objektivierung und Ungleichheit der Frauen. Wie andere religiöse Gebote auch, fällt die Pflicht zur Verschleierung unter das koranische Gebot „das Gute zu gebieten und das Schlechte zu verbieten“. Dieses Rechtsinstitut der hisba legt jedem einzelnen Muslim die Pflicht auf, die Durchsetzung aller Gebote bei jedem anderem Muslim ständig mit zu überwachen. Förmliche und informelle Moralpolizeien sind demnach a feature, not a bug. Der Autor, geb. in Teheran, aufgewachsen in Gießen/D, war 2018–22 Professor für islamisches Recht an der Universität Wien.
DIE FURCHE · 3 19. Jänner 2023 Religion 11 „Der Koran spricht nicht selbst, sondern es sind die Menschen, die ihn zum Sprechen bringen.“ Analog dieses Ausspruchs des vierten Kalifen Ali ist der Islam weder das Problem noch die Lösung! Es liegt an den Muslimen, ihn in die eine oder andere Richtung auszulegen und zu etablieren. Muslime: Kinder ihrer Zeit Von Mounir Regragui Pauschalaussagen wie „Gewalt basiert auf dem Islam“, oder „der Islam lehnt Gewalt kategorisch ab“ implizieren, dass es den Islam als abgeschlossene Religion gibt. Der Islam ist allerdings kein Subjekt, das für sich selbst spricht, sondern es sind die Muslime, die ihr Verstehen darlegen. Sie sind es, die den Koran und die prophetische Tradition „Sunna“ interpretieren. Und die Muslime sind nur Kinder ihrer Zeit. Schon ein erster grober Blick in die islamische Ideengeschichte zeigt, welche Entwicklungen hier bereits kurz nach dem Ableben des Propheten Mohammeds stattgefunden haben. Die bekannten islamischen Konfessionen Sunniten, Schiiten, Ibaditen, Ahmadeyya usw., aber auch die sunnitischen Rechtsschulen der Hanafiten, Malikiten, Schafiiten und Hanbaliten zum Beispiel oder die theologischen Schulen der Asch’ariten, Maturiditen, Mu’taziliten usw. sowie die verschiedenen Positionen und Auslegungen innerhalb der islamischen Lehre waren zur Zeit der Verkündigung durch den Propheten Mohammed im siebten Jahrhundert noch nicht vorhanden. Sie haben sich erst viele Jahre nach seinem Tod gebildet, etabliert und sind nicht vom Himmel gefallen. Der Islam ist somit die Summe all dieser Prozesse und Entwicklungen, an denen der Mensch wesentlich beteiligt war. Auch heute wird der Islam mit vielen Argumenten und Gegenargumenten konfrontiert, auf die er, wenn er zeitgemäß bleiben will, eingehen muss, auch wenn dies bedeuten sollte, manche seiner Positionen zu revidieren und neu zu überdenken. Deshalb braucht der Islam eine ständige Reform und in jedem Kontext eine entsprechende ständige kritische Reflexion. Wenn wir Muslime dies verweigern, nehmen wir dem Islam seine Dynamik und machen aus ihm eine Ansammlung von Aussagen, die zum Teil für vergangene Jahrhunderte, aber nicht für heute geeignet sind. Das, was wir heute unter Islam verstehen, ist ein gewachsenes Produkt historischer Versuche vieler Gelehrter, den Islam auszulegen und zu interpretieren. Diese Bemühungen sind prinzipiell ergebnisoffen. Daher kann man nicht von dem Islam bzw. von der Scharia sprechen. Interpretation ist nicht absolute Wahrheit Nehmen wir als Beispiel die Frage nach der Rolle der Frau im Islam, dann stellen wir sofort fest, dass diese von den gesellschaftlichen Strukturen innerhalb der jeweiligen Gesellschaft geprägt sind. In patriarchalen Gesellschaften wird der Islam eben patriarchal gelesen. In demokratischen Gesellschaften wird er demokratisch gelesen. Daher können wir auf keinen Fall Pauschalaussagen darüber tätigen, wie der Islam sich zur Rolle der Frau verhält. Der vierte Kalif, Imam Ali, sagte: „Der Koran spricht nicht selbst, sondern es sind die Menschen, die ihn zum Sprechen bringen.“ Der Fehler, den viele Muslime wie Nichtmuslime machen, besteht darin, dass sie ihre Interpretationen des Islams als die absolute Wahrheit deklarieren, allein wenn sie Sätze verwenden wie „der Islam sagt …“, „der Islam meint …“ suggerieren sie, dass ihre Interpretation nicht irgendeine Aussage darstellt, sondern mit der absoluten Wahrheit über den Islam gleichzusetzen ist. In einem Land wie Saudi-Arabien war noch vor kurzem das Autofahren für Frauen mit dem Argument verboten, dies widerspreche der Scharia. Ja, aber welcher Scharia? Zur Zeit des Propheten Mohammeds gab es keine Autos. Wer verbietet hier also? Gott? Der Prophet Mohammed? Oder sind es nicht vielmehr die Gelehrten selbst, die dies tun, die Foto: Getty Images / NurPhoto / Morteza Nikoubazl meinen, dass sie gerade für Gott sprechen? Es sind dieselben Gelehrten in Saudi-Arabien, die heute die Position vertreten, dass Frauen im Islam nun doch Auto fahren dürfen. Sie haben ihre Meinung nicht primär aus theologischen Gründen geändert, sondern weil die Politik sich dafür entschieden hat, den Frauen in Saudi-Arabien mehr Rechte zuzusprechen, um das Land zu modernisieren und für Touristen attraktiver zu machen. Die Gelehrten suchen nachträglich nach anderen Interpretationen des Islams, die mit der neuen politischen Entscheidung in Harmonie stehen. Schauen wir uns die Frage nach der Vereinbarkeit zwischen dem Islam und der Demokratie an. Die muslimischen Gelehrten in Ländern wie Saudi-Arabien meinen, dass Demokratie im Widerspruch zum Islam steht, weil Gott und nur Gott der Gesetzgeber sei. Die muslimischen Gelehrten in Indonesien vertreten die gegensätzliche Position, daher ist Indonesien, das übrigens das größte islamische Land ist, eine Demokratie, die mehr oder weniger funktioniert. „ Wer vom Islam oder von der Scharia spricht, muss also zuerst erklären, was er damit meint. Gelehrte bleiben jedoch Kinder ihrer Zeit und der Kontexte, in denen sie wirken. “ Diese zwei konträren Positionen werden im Namen der Scharia begründet. Wer vom Islam oder von der Scharia spricht, muss also zuerst erklären, was er damit meint. Gelehrte bleiben jedoch Kinder ihrer Zeit und der Kontexte, in denen sie wirken. Diese beeinflussen ihr Schaffen und die Ergebnisse ihrer Interpretationen. Daher ist die Scharia ein menschliches Produkt, verstanden als die Summe der Bemühungen der jeweiligen Gelehrten, den Islam im jeweiligen Kontext zu deuten. Der Islam ist daher keineswegs statisch. Er ist letztendlich das, was die Muslime im jeweiligen Kontext daraus machen. Und da der Islam keine Kirche kennt, obliegt es dem Diskurs zu bestimmen, welcher Islam sich letztendlich in welchem Kontext durchsetzt. Die Menschen in Ländern, in denen sie im Namen des Islams unterdrückt und ihrer Rechte beraubt werden, assoziieren diese Unterdrückung mit dem Islam selbst und meinen, der Islam sei das Problem, das Ablegen des Islams sei die Lösung. Islamisten hingegen meinen, der Islam sei die Lösung und das Ablegen jeglicher Gesellschaftsordnung außerhalb der Scharia sei das Problem. Beide haben ein essenzialistisches Verständnis vom Islam, als existiere dieser unabhängig von den Muslimen selbst und ihren Interpretationen und den sozialen wie politischen Rahmenbedingungen, in denen Muslime agieren. Die islamische Geschichte und Gegenwart zeigen uns, wie oft und wie stark der Islam in Geiselhaft politischer Machtstrukturen genommen wurde. Immer wieder wurde und wird der Islam zur Legitimation von Macht Eine ähnliche Argumentation findet sich schon am 6.6.1999 im Beitrag „Nach dem Koran sind alle Menschen gleich“ von Smail Balić, siehe furche.at. GLAUBENSFRAGE Judentum stößt an Grenzen Durch eine glückliche Fügung durfte ich einer Tagung zum christlich-jüdischen Gespräch in einem deutschen Stift beiwohnen. Ein liberaler Rabbiner aus Berlin sprach über die Vorzüge des reformierten Judentums, die mit denen des reformierten Christentums in gewissem Einklang stünden. Dabei appellierte er an die vielen Judentümer des Judentums, da es „das“ Judentum ja schließlich gar nicht gibt. Doch wie wissen wir dann – so wurde er gefragt –, welches dieser vielen Judentümer noch zum Judentum gehört? Gibt es denn ein Grenze, wo ein Judentum aufhört Judentum zu sein, und wo sollte ein liberaler Rabbiner diese ziehen? Darauf erwiderte der Rabbiner mit pragmatischer Einsicht, dass sich diese Grenze eben immer wieder verlagerte und dass ein Judentum sich immer erst in Zukunft, sozusagen im Nachhinein bewähren müsse. Und er bezog sich (wenn auch unwissentlich) auf die Worte des großen Talmudgelehrten Adin Steinsalz, der einmal gesagt haben soll, eine Jude sei nicht, wessen Eltern oder Großeltern, sondern wessen Enkelkinder Juden seien. Mit dem Koran in der Hand Die Machthaber der „Islamischen Republik Iran“ operieren auch mit „staatlichen“ Protesten (Bild) gegen den Aufstand der Zivilbevölkerung – Religion im Sinn des herrschenden Regimes. instrumentalisiert. Daher wäre es verkürzt dargestellt, auch die Unterdrückung von Frauen im Iran pauschal als islamisches Problem zu deklarieren. Die eigentliche Frage, die uns beschäftigen sollte, lautet: „Wie können wir Rahmenbedingungen (soziale, wie auch politische, gesellschaftliche, pädagogische und intellektuelle) schaffen, unter denen Muslime den Islam im Sinne der Gleichberechtigung von Mann und Frau, im Sinne des Friedens, der Demokratie, der Menschenrechte usw. auslegen können?“ Der Autor, Imam in Westfalen, ist Vorstandsmitglied im Verein „Begegnung zwischen Imamen, Wissenschaft und Gesellschaft“ sowie Mitinitiator der Solidaritätserklärung deutscher Imame mit Frauen in Afghanistan „‚Nicht unser Islam‘! Wir als Imame wollen nicht mehr schweigen!“ Von Asher D. Biemann In diesem Satz lag mir schon immer viel Wahrheit, denn er zeigt die völlige Absurdität des Rassendünkels, aber auch die prinzipielle Schwierigkeit des jüdischen Gesetzes, welches jüdisches Sein zunächst nach mütterlicher Herkunft bestimmt. Doch wirft er andere Probleme auf. Denn war Moses Mendelssohn nach diesem Maßstab Jude? Vielleicht liegt das Problem nicht so sehr an der Frage der Herkunft oder der Zukunft, sondern an der Frage des „Seins“ überhaupt. Ob nämlich dieses „Sein“ sich ganz ablösen lässt von Leben und Tun, und ob das Judentum, von dem Franz Rosenzweig einmal ganz lässig sagte „Man ist es“, nicht auch nach einem „Man tut es“ verlangt. Tut man es aber, so stößt das Judentum an genau das, was der liberalen Tradition unheimlich ist: Grenzen. Der Autor ist Professor für moderne jüdische Philosophie an der University of Virginia, USA.
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