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DIE FURCHE 18.04.2024

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Solanum nigrum

Solanum nigrum Österreichische Post AG · WZ 02Z034113W Retouren an Postfach 555 · 1008 Wien DIE FURCHE · Hainburger Straße 33 1030 Wien · T.: (01) 512 52 61-0 DIE FURCHE · 16 16 Film 18. April 2024 LATINO-DRAMA Regisseur Christopher Zalla hat die wahre Geschichte des Lehrers Sergio J. Correa verfilmt. Mitreißender Schulfilm Nach einer wahren Geschichte erzählt Christopher Zalla von einem Lehrer (Eugenio Derbez), der in einer von Gewalt und Armut geprägten mexikanischen Grenzstadt unkonventionelle Methoden an eine Grundschule bringt. Statt auf stures Auswendiglernen setzt dieser Sergio auf die Denkfähigkeit und Selbstständigkeit seiner Schützlinge und betont auch die Wichtigkeit von Fehlern, aus denen man lernen kann. So stärkt er ihr Selbstbewusstsein und lässt sie von einem Ausbruch aus dem tristen Milieu träumen – legt sich aber auch mit der Schulbehörde an. Eingebettet in das dicht gezeichnete Milieu und getragen von natürlich agierenden Jungschauspielern, die vom groß aufspielenden mexikanischen Star Eugenio Derbez angeführt werden, entwickelt Zalla in seinem zweiten Spielfilm ein mitreißendes „Feelgood-Movie“ über die Lust und Freude, die spielerischentdeckendes Lernen machen kann. Emphatisch feiert er in schnellen Montagesequenzen die Erkenntnisse, die die Schüler durch eigenwillige Experimente gewinnen, oder lässt sie philosophische Fragen diskutieren. In der Fokussierung auf herausragende Talente, über deren weitere Karriere der Nachspann informiert, mag dieser Schulfilm zwar schöngefärbt und zu glatt sein. Doch gelingt es ihm gerade dadurch, Mut und Hoffnung zu machen und leidenschaftlich zu vermitteln, wie wichtig Bildung für den künftigen Lebensweg ist. (Walter Gasperi) Radical – Eine Klasse für sich USA 2023. Regie: Christopher Zalla. Mit Eugenio Derbez, Daniel Haddad, Jennifer Trejo. Filmladen. 125 Min. Von Otto Friedrich Auf der Diagonale gehörte die umjubelte Premiere „What a Feeling“ zu den Highlights des ersten Festivaltages. Und tatsächlich kann Kat Rohrers Langspielfilmdebüt als ein gelungenes Beispiel eines Feelgood-Movies österreichischer Provenienz herhalten, das auf charmante, aber auch wirklich witzige Weise queere Konstellationen auf die Leinwand bringt, die jedenfalls hierzulande noch nicht wirklich oft für einen Spielfilmstoff hergehalten haben. Versteckte oder ausgelebte schwule Liebe ist cineastisch ja längst nichts Besonderes mehr, bei den lesbischen Pendants dazu besteht gewiss noch „Aufholbedarf“. Bekanntlich lief erst vor wenigen Wochen Ethan Coens (also den halbierten Coen-Brüdern) „Drive-Away Doll“ an, wo sich das Publikum ausgiebigst an Frau-mit-Frauen-Sex langweilen konnte. Mit explizitem beziehungsweise überbordendem Sex wartet denn „What a Feeling“ nicht auf. Das bedeutet aber ganz und gar nicht, dass das Knistern zwischen dem gleichen Geschlecht hier keine Rolle spielt. Ganz im Gegenteil. Und auch dass die Protagonistinnen ihre Jugend schon eine Weile hinter sich gelassen haben, ist eine Ansage gegen jeglichen Jugendwahn im Kino. Ärztin trifft Edel-Tischlerin Hochzeitstag ist, und die erfolgreiche Ärztin Marie-Theres lädt den Göttergatten zum Jubiläumsdiner. Doch Alexander, der Angetraute, kommt gerade von einem Outdoor- Selbstfindungs-Event zurück und eröffnet der Gemahlin, dass er sich von ihr zu trennen gedenkt. Für Marie Theres, die Alexanders wegen von Berlin nach Wien gezogen ist, bricht eine Welt zusammen – bis sie das Schicksal auf Fa treffen lässt: Die lebenslustige Austro- Iranerin designt und baut Kücheneinrichtungen oder ähnliche Tischlerinnenarbeiten in wohlbestallten Haushalten ein und ist ihren Kundinnen mit weitaus mehr als mit ihrer handwerklichen Expertise zu Diensten. Nachdem es Marie Theres in ihrer Verzweiflung in eine Lesben-Bar verschlägt, wo Fa Stammkundin und noch mehr ist, beginnt es zwischen den beiden zu funken – und was bisher nicht sein durfte, geschieht: Marie Theres hätte nie gedacht, sich in eine Affäre zu stürzen, die ihre Upper-Class-Freundinnen schockiert. Und Fa ist wohl auf körperliche Begegnung mit ihren „Kundinnen“ aus, aber ganz „ Gleich mehrere vermeintliche Tabus bricht der Film voller Situationskomik. Und nicht zuletzt davon , dass zwei ‚reifere Frauen‘ sich ineinander verlieben – und das ist gut so! – lebt der Film. “ Liebe leben – oder? Proschat Madani (li.) spielt die lebenslustige Fa, Caroline Peters gibt genial dazu die von Mann und – zeitweilig – Amor verlassene Marie Theres. „What a Feeling“: queer, köstlich, spritzig. Kat Rohrer gelingt in ihrem Langspielfilmdebüt ein österreichisches Feelgood-Movie zu einem hierzulande noch wenig beackerten Filmthema. Zwei Frauen in ihrem Element gewiss nicht auf eine Liebesbeziehung. Auch Teenager-Tochter Anna und Alexander sollen nichts wissen. Aber neben dem Überwinden konservativer Moralvorstellungen hält „What a Feeling“ auch eine Migrationsgeschichte parat: Fa scheut sich –mit Ausnahme ihres Bruders –, sich vor ihrer iranischen Familie zu outen, insbesondere der vermutete Bannfluch der Mutter hängt wie ein Damoklesschwert über dem Treiben von Fa. Gleich mehrere vermeintliche Tabus bricht der Film voller Situationskomik. Und nicht zuletzt davon, dass zwei „reifere Frauen“ sich ineinander verlieben – und das ist gut so! – lebt der Film. Das funktioniert auch wegen der fulminanten Performance der beiden Hauptdarstellerinnen vorzüglich: Proschat Madani bringt als Fa nicht nur ihr großartiges Schauspiel mit in den Film, sondern steuert auch das nötige biografisch-familiäre Kolorit bei. Und über die Marie Theres von Caroline Peters muss man erst recht kein Wort verlieren: Diese Schauspielerin bewegt sich einmal mehr in einer Rolle zwischen Beziehungsirrsinn und ungelenker bis vollendeter Warmherzigkeit wie ein Fisch im Wasser. Kat Rohrer geht in „What a Feeling“ an ihr queeres Thema mit allem Anderen als mit Depression heran: Man kann dieses auch spritzig und mit über weite Strecken unbändigem Witz verhandeln. Gott sei Dank! What a Feeling A 2024. Regie: Kat Rohrer. Mit Caroline Peters, Proschat Madani. Filmladen. 110 Min. Literatur entdecken Heute im aktuellen booklet, der Literaturbeilage der FURCHE. Mit einem Abo lesen Sie alle Beiträge seit 1945 und tauchen ein in eine Welt der Bücher. Jetzt Gratisabo bestellen: » 4 FURCHE-Ausgaben druckfrisch nach Hause geliefert » FURCHE online mit E-Paper für unterwegs » Alle Texte seit 1945 auf furche.at im Navigator » Mehr als 80 booklets als E-Paper u Losstarten: www.furche.at/abo/gratis aboservice@furche.at +43 1 512 52 61 52 Nr. 82 Literaturbeilage 18. April 2024 Die Zukunft des Feminismus, der Gesellschaft, der Natur: Die Literatur dieses Frühjahrs weitet den Blick. FLORA UND ANDERE BÜCHER Jetzt 4 Wochen gratis lesen!

DIE FURCHE · 16 18. April 2024 Film & Medien 17 „Evil does not exist“: Der japanische Regisseur Ryûsuke Hamaguchi reflektiert über das ökologische Gleichgewicht. Eine feine Fabel Von Heidi Strobel In einem Wald heult eine Motorsäge auf. Die Kamera fährt nach rechts und richtet ihr Auge auf Takumi, der mit seiner neunjährigen Tochter Hana hier zuhause ist. Ruhig und konzentriert geht der Mann seinem Tagewerk nach, als sei er Teil dieser Natur. „Evil does not exist“ kreiert ein friedlich-beschauliches Bild, obgleich ihm etwas Beunruhigendes anhaftet. Es entspringt der eigenwilligen Art der Kameraführung und dem Bildformat. Als würde über sie ein Naturgeist walten, welcher die Menschen bei ihrem Treiben beobachtet, ihnen aber auch böse werden kann. Philosophische Durchdringung In seinem in Venedig preisgekrönten ethisch-ökologischen Spielfilm entführt uns der japanische Regisseur Ryûsuke Hamaguchi aufs Land. In dem Dorf, in dem Takumi lebt, ist die Natur und die Gemeinschaft intakt. Eine Quelle versorgt alle mit frischem Trinkwasser und die örtliche Gastwirtschaft mit einer Zutat, welche das Ideal der japanischen Küche auf höchstem Niveau erfüllt. Doch inmitten der malerischen Natur soll ein Glamping-Platz gebaut werden. Als das Dorf die Überarbeitung des Bauentwurfs fordert, sollen die Projektbetreuer die Menschen umstimmen. Hamaguchis Fabel greift Elemente seiner früheren Filme auf. Sie erscheint schlicht; ihre Charaktere hie und da mehr auszuar- Welche Seiten unseres Menschseins zeigen sich im Angesicht des Unvorstellbaren, der Katastrophe? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk Alex Garlands. Mit den Überlebenden in seiner Zombie-Reimaginierung „28 Days Later“ exerzierte er sie ebenso durch wie mit dem Himmelfahrtskommando, das in „Sunshine“ die Sonne neu starten sollte – und nun erst recht in „Civil War“. Wobei die vergangenen Jahre das Unvorstellbare hier sehr vorstellbar machen: Im Weißen Haus sitzt ein diktatorisches Regime, und während der Präsident vom nabeiten, hätte ihr gutgetan. Aber dem Regisseur ist der sichtbare Bedürfniskonflikt lediglich Anlass für seine rhythmisch-nuancierte, philosophische Durchdringung des Themas. Sie gleicht der beschriebenen reinen Quelle: Nicht nur sieht man bis auf deren Grund, sondern sie reflektiert auch das eigene Selbst. So versenkt sich Hamaguchi in das menschliche Verhältnis zur Natur, webt ein feinsinniges Netz symbolischer Verbindungen und blickt ins Innere seiner Protagonisten und Protagonistinnen. Für Hana ist die wilde, ursprüngliche Natur ein Kindheitsparadies. Hier kann die Tochter ihrem Vater nah sein, hier spielt und lernt sie. Doch der vereiste See und winterlich fahlbraune Wiesen, ein waidwundes Reh künden zugleich von Melancholie, Einsamkeit, Tod. Details wie ein Foto Hanas mit ihrer Mutter oder der Vater, der seine Tochter von der Schule abzuholen vergisst, deuten auf seelische Verletzungen, beschädigte Bindungen. Meisterhaft werden diese Verwerfungen getragen von Yoshio Kitagawas Kameraführung und Eiko Ishibashis Musik. Sie gipfeln in einem überraschenden Ende, das Fragen aufwirft. Es lädt dazu ein, sich diesen Film voll hintergründiger Tiefe nochmals anzuschauen. Evil does not exist (Aku Wa Sonzai Shinai) JP 2023. Regie: Ryûsuke Hamaguchi. Mit Hitoshi Omika, Ryo Nishikawa, Ryuji Kosaka, Ayaka Shibutani. Polyfilm. 106 Min. Für die neunjährige Hana ist die wilde Natur ein Kindheitsparadies (im Bild mit Vater Takumi). Doch die Idylle ist (nicht nur) durch einen geplanten Luxus-Campingplatz bedroht. SPIELFILM Allzu gut vorstellbar „Civil War“ zeigt die USA in naher Zukunft, die sich im Bürgerkrieg befindet (Bild: Kirsten Dunst). Von Thomas Taborsky MEDIEN IN DER KRISE hen Sieg gegen die Aufständischen redet, stehen deren Armeen kurz vor Washington. Für drei Kriegsreporter, alle auf ihre Weise vom Beruf gezeichnet, ist klar: Sie müssen dorthin. Mit der jungen, ihnen nacheifernden Jessie im Gepäck machen sie sich auf den Weg durch dystopische Szenerien vor allzu vertrautem Hintergrund: eine von Wracks verstopfte Autobahn, auf der als bizarres Überbleibsel von Ordnung eine elektronische Stautafel vor Minen warnt; das College-Stadion, das zum Flüchtlingslager umgewandelt wurde; ein Scharfschützengefecht in einer Art Weihnachtsdorf am Golfplatz. Auf dieser Achterbahnfahrt zwischen Adrenalinkick, Philosophieren und blankem Entsetzen untersucht Garland seine – nicht völlig klischeefreien – Figuren, allen voran die von Kirsten Dunst gespielte, von den Geistern ihrer früheren Einsätze heimgesuchte Fotojournalistin Lee. „Würdest du es fotografieren, wenn ich erschossen werde?“, wird sie von ihrer Bewunderin gefragt. Die Kunst dieses klugen Films ist, dass er im Verlauf gleich mehrere Antworten liefert, eine erschütternder als die andere. Civil War USA/GB 2024. Regie: Alex Garland. Mit Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny. Constantin. 109 Min. Angriff auf Qualitätsjournalismus Österreichs Qualitätspresse wurde einmal mehr von einem linkslinken Eliten-Schmierblatt hereingelegt: Was der österreichischen Tagespresse mit dem fingierten FPÖ-Brief an die Wirte in Niederösterreich gelungen war (zur Erinnerung: Freispruch in erster Instanz für die über die Gebühr rotzfreche Online-Zeitung!), fand nun Nachahmung durch einen Bericht im deutschen Schwestermedium Der Postillon. Dort war ein Bericht samt Foto erschienen: „Endlich komplett: Sammler baut sich aus verlorenen Boeing-Teilen sein eigenes Flugzeug“ über einen Flugzeugfreak, der nach sechs Jahren intensiven Sammelns seine eigene Boeing zusammengebastelt hätte. Der bekannt seriöse Nachrichtenkanal oe24 postete die Satire auf einer seiner Plattformen als echte Nachricht mit eingeblendetem oe24-Logo drauf und titelte: „Komplett flugfähig: Deutscher baut sich aus verlorenen Boeing-Teilen seinen eigenen Flieger.“ Der Postillon, wie gewohnt nicht mundfaul, postete auf X (vormals Twitter) dazu: „Liebes Boulevard-Blatt @oe24at, warum verwendet ihr ein Foto von unserer Seite und erzählt unseren Artikel nach, ohne zu fragen oder auch nur die Quelle zu nennen? Funktioniert so Journalismus in Österreich?“ Wir denken, obige Satire-Frage aus Deutschland ist bloß eine rhetorische. Denn hierzulande ist die Qualität der Fellner-Publizistik über alle Zweifel erhaben. Das sollte sich auch bis nach Deutschland respektive zum Postillon durchgesprochen haben. Außerdem: Wenn Satire im Gewand von Fake News daherkommt, wie soll der kleine Qualitätsjournalist hierzulande noch einen Durchblick haben? (Otto Friedrich) KREUZ UND QUER MIT GOTT AN DIE MACHT (3) – DEMOKRATIE IN GEFAHR: DIE EVANGELIKALEN UND DIE US-WAHLEN DI 23. APRIL | 22:35 Im dritten Teil der Dokumentation über den weltweiten Siegeszug der evangelikalen Christen widmet sich „kreuz und quer“ den drastischen Auswirkungen der politischen Machtergreifung im Namen Gottes. Die politische Agenda der Evangelikalen wird ausgerechnet in den USA, einem Mutterland der modernen Demokratie, zu einer Gefahr für eben diese. Ihren bisherigen Höhepunkt nimmt die Entwicklung 2021 beim Angriff auf das Kapitol. Doch auch innerhalb der evangelikalen Bewegung regt sich angesichts dieser Bedrohung massiver Widerstand. religion.ORF.at Furche24_KW16.indd 1 08.04.24 13:06

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