DIE FURCHE · 3 24 Ausstellung 18. Jänner 2024 Hermann Czech schrieb am 16.12.1965 über „Hans Hollein: Ein Geschäft am Kohlmarkt“, nachzulesen auf furche.at. Von Isabella Marboe Historische Einblicke Hans Hollein und Kollegen fotografieren das Wettbewerbsmodell für den Neubau des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt/Main. Die Ausstellung „Hollein Calling. Architektonische Dialoge“ im Architekturzentrum Wien konfrontiert 15 Werke aus Holleins Leben mit 15 Projekten jüngerer Büros aus Europa. Das Faszinierendste daran sind die Objekte aus Holleins Archiv. Mystisch, titanisch, plakativ Seine Werksliste ist lang, sein Vermächtnis gigantisch: Hans Hollein war ein Titan. Der erste und bisher einzige österreichische Architekt, der je mit dem Pritzkerpreis ausgezeichnet wurde, hatte einen untrüglichen Sinn für Symbolik und seismografische Antennen für die Strömungen seiner Zeit. Die Ausstellung „Hollein Calling. Architektonische Dialoge“ im Architekturzentrum Wien (AzW) nimmt diesen Faden auf. Das Kuratorentrio Lorenzo De Chiffre, Benni Eder und Theresa Krenn wählte 15 Schlüsselwerke aus Holleins Œuvre und stellte sie 15 Projekten diskursfreudiger, europäischer Büros gegenüber. „Hollein hat neue Denkräume eröffnet. Wir wollten die junge Generation in diesen Denkraum eintreten lassen“, sagt Theresa Krenn. „Für uns war Hollein ein Vehikel, um über Architektur zu sprechen.“ Er habe sich eine ernsthaftere Auseinandersetzung verdient. Hollein starb am 24. April 2014, zwei Jahre später kaufte das Wiener Museum für Angewandte Kunst seinen Nachlass an und übergab ihn dem Architekturzentrum Wien. Er war von epischem Ausmaß: 263 Paletten voller Pläne, Collagen, Fotos, Zeichnungen, Skizzen, Modellen in allen erdenklichen Maßstäben und Materialien langten im Archiv des AzW in Möllersdorf ein und stehen seither der Forschung offen. „Zu Lebzeiten haben Architekten auch die Deutungsoberhoheit über ihr Werk. Archive sind historische Quellen, die sich aus unterschiedlichen „ Hollein hat neue Denkräume eröffnet. Wir wollten die junge Generation in diesen Denkraum eintreten lassen. “ Theresa Krenn Perspektiven befragen lassen“, sagt Monika Platzer, die Leiterin der Sammlung des AzW. Genau das geschieht hier. Kreativer Denkraum Foto: © Architekturzentrum Wien, Sammlung, Foto: Sina Baniahmad Das Faszinierendste an dieser Ausstellung sind die Objekte aus Holleins Archiv. Sie legen eine Fährte in seinen Kosmos und sind in der Lage, Zerstörtes wieder gegenwärtig zu machen: So ruft ein Arbeitsmodell aus Karton die opulente räumliche Vielfalt des Haas-Hauses mit seinen Galerien, Lufträumen und Brücken in Erinnerung. Ein Foto von Franz Hubmann dokumentiert das österreichische Verkehrsbüro der Jahre 1976–78 mit den goldfarbenen Palmen, in denen sich die damalige Vorstellung von Traumurlaub manifestiert. Die Ausstellung ist mit Werktischen auf Böcken wie der Zeichensaal einer Architekturfakultät gestaltet: ein kreativer Denkraum. „Für uns war Hollein ein Gegenüber“, so Theresa Krenn. „Wir entdeckten ihn in seinen gebauten Projekten wieder.“ Schon Holleins erstes Werk, das Kerzengeschäft Retti am Wiener Kohlmarkt, war eine internationale Sensation. Es bildet den Auftakt der Ausstellung: Gerade einmal 17 Quadratmeter groß, wurde es 1966 vom „American Institute of Architects“ (AIA) mit dem renommierten Reynolds Memorial ausgezeichnet, damals die höchstdotierte Auszeichnung für Architektur. Hollein hatte das Geschäft selbst eingereicht, er dachte an jedes Detail. Ein Modell des Bauzauns zeigt höchst attraktive Astronautinnen. Es stimmt auf das futuristisch anmutende Portal des Geschäftes ein, das ausgerechnet so ein archaisches Produkt wie Kerzen verkauft. Hollein wusste scheinbare Widersprüche zu verbinden, er wusste auch, wie wichtig die professionelle Darstellung zur medialen Verbreitung von Architektur ist. Schon früh arbeitete er mit dem Fotografen Franz Hubmann zusammen. Dem Kerzengeschäft Retti ist eine höchst raffinierte, kleine Arbeit des Jahres 2002/2003 gegenübergestellt. Das erste gebaute Projekt des Brüssler OFFICE Kersten Geers und David Van Severen. Der Fotograf Bas Princen hat diesen absoluten Illusionsraum aus verspiegelten Flächen so fotografiert, dass er ganz abstrakt wird. Es ist das Foyer einer Anwaltskanzlei. Gold und flaschengrün Hollein kannte keine Berührungsängste gegenüber dem Plakativen. Der Eingang von „Vulcania“, dem europäischen Zentrum für Vulkanismus in Clermont-Ferrand, ist ein goldener Konus, der keinerlei weiterer Erklärung bedarf. Man assoziiert sofort einen Vulkan. Zwölf Modellstudien und Konzeptstudien zeigen, wie sehr er an der Ausformung dieses wesentlichen Elements feilte, das zum gebauten Synonym wurde. Innen mit Gold verkleidet, von Oberlicht erhellt, wirkt es fast mystisch. Das zeitgenössische Pendant zu diesem Bau bildet der Carlsberg-Flagshipstore von baukuh: ein flaschengrüner Konus, gleichermaßen der Hals einer Bierflasche, der auf den ersten Blick banal wirkt. Auf den zweiten zeigt sich: Auch hier wurde sehr genau gearbeitet. Der kreisrunde, mit dunkelgrünen, schillernden Fliesen verkleidete, gleichfalls von oben beleuchtete Innenraum, an dessen Wänden sich Bierflaschen aneinanderreihen, muss faszinierend sein. Auch Holleins Schule in der Köhlergasse inspirierte das Mailänder Büro baukuh. Sie lässt sich auch in natura noch erleben, die Führung dorthin war sofort ausgebucht. Hollein Calling. Architektonische Dialoge Bis 12. Februar 2024 Architekturzentrum Wien azw.at IN KÜRZE WISSEN WISSEN FILM MEDIEN ■ Kritik an neuer TU in Linz In der nun beendeten Begutachtung der neuen Technischen Universität in Linz (IDSA bzw. IT:U) hat es massive Kritik aus der heimischen Hochschullandschaft an dieser Einrichtung gegeben, die im Gegensatz zu den anderen öffentlichen Unis nicht unter das Regime des Universitätsgesetzes fällt, sondern einen eigenen Rechtsrahmen erhält. Auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts sieht die IDSA kritisch. In einer Stellungnahme wird unter anderem die „hohe Machtkonzentration“ an der Spitze der Universität kritisiert. Zudem entfalle wegen der Einzelspitze eine „gewisse wechselseitige Kontrolle“. ■ Neues Hochschulpaket Fachhochschulen (FH) sollen sich künftig auch „Hochschulen für angewandte Wissenschaften“ nennen dürfen. Das sieht das in Begutachtung geschickte neue Hochschulrechtspaket der Regierung vor, das auch die Neuregelung der Lehrerausbildung umfasst. Außerdem soll die Kurzzeitmobilität gefördert und durch die Einführung von „Microcredentials“ auch erstmals die Anerkennung von „non-formalem“ Lernen ermöglicht werden. Vereinheitlicht werden darüber hinaus die Regelungen zur wissenschaftlichen und künstlerischen Integrität. Die Änderungsvorschläge sind bis 21. Februar in Begutachtung. ■ Ehren-Oscars verliehen Zwei Monate vor der Oscar-Gala hat die Filmakademie in Hollywood die Ehren-Oscars verliehen. Bei der „Governors Awards“-Gala feierte Hollywoods Prominenz die vier Preisträger. Neben der Komikerlegende Mel Brooks (97) und der US-Schauspielerin Angela Bassett (65) nahm auch die Filmeditorin Carol Littleton (82) die Auszeichnung entgegen. Zudem wurde Michelle Satter vom „Sundance Institute“ für ihr Engagement um den Independent-Film mit dem Jean-Her sholt- Preis gefeiert. Für die Ehren-Oscars gibt es keinen Wettbewerb, sondern die Akademie sucht Personen aus, die einen besonderen Beitrag für den Film geleistet haben. ■ Kahlschlag bei X Der Kurzbotschaftendienst X (früher Twitter) hat seit der Übernahme Elon Musks im Oktober 2022 weltweit mehr als tausend Mitarbeiter entlassen, die für die Moderation von Inhalten und gegen die Verbreitung von Hassrede zuständig waren. Nach Angaben der australischen Behörde für Onlinesicherheit verließen 1213 Mitarbeiter im Bereich „Vertrauen und Sicherheit“ das Unternehmen. Darunter seien 80 Prozent der Software-Ingenieure in diesem Bereich gewesen. Zugleich seien tausende gesperrte Nutzerkonten wieder freigeschaltet worden. So seien alle Voraussetzungen für die Verbreitung von schädlichen Inhalten geschaffen worden, so die Behörde.
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