DIE FURCHE · 3 2 Das Thema der Woche Mörder eines Menschheitstraums 18. Jänner 2024 AUS DER REDAKTION Vom vermeintlichen Messias zum Despoten ist es oft ein kleiner Schritt: Das zeigte sich vielfach in der Menschheitsgeschichte. Auch bei Wladimir Iljitsch Uljanow, Kampfname „Lenin“, der am 21. Jänner 1924 gestorben ist. Wie sein Leben seine Ideologie prägte, wie er es mit der Religion hielt, wie es sein kann, dass Parteien wie die Grazer KPÖ ihn bis heute verehren – und was wäre, wenn Klaus Maria Brandauer ihn verkörperte: All das können Sie im Fokus „Mörder eines Menschheitstraums“ nachlesen, konzipiert von Brigitte Quint und illustriert von Rainer Messerklinger. Einen ergänzenden, literarischen „Einblick in die Hölle“ der Bolschewiki finden Sie auf Seite 19. Den aktuellen politischen Umbrüchen widmet sich das Journal: Sieglinde Rosenberger beschreibt die depolarisierende US-Initiative „Braver Angels“, und Jan Opielka berichtet aus Polen, wo gerade ein ideologisches Erdbeben stattfindet. Um den katholischen Umgang mit dem Reizthema „Gender“ und den „Ketzer“ Adolf Holl geht es im Kompass, ebenso um die hartnäckige Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt und den Mangel an Logopädie- und Ergotherapieplätzen. Mangel an Reibung gibt es im Feuilleton nicht – weder im Salzkammergut, wo das diesjährige Kulturhauptstadtjahr eröffnet wird, noch bei Hans Hollein. Er war ein architektonischer Titan. Und zwar ein guter. (dh) Von Verena Moritz und Hannes Leidinger Wer war Lenin, wie wurde er sozialisiert? Erklärt seine Biographie sein späteres Wirken? So wurde Wladimir Iljitsch Uljanow 1870 in eine gutsituierte Familie hinein geboren. Die Uljanows hatten sich in Simbirsk angesiedelt. Ilja Uljanow, der Vater, war Volksschulinspektor. Die Kinder, die das Säuglingsalter überlebten – drei Söhne und drei Töchter –, wurden streng erzogen, das Leistungsprinzip wurde hochgehalten. Die Eltern achteten auf eine gute Ausbildung des Nachwuchses. Die Uljanow-Geschwister waren mustergültige Schüler bzw. Schülerinnen, gehorsam und unauffällig. Rückblickend knüpften sich an „Lenins“ (ab 1900 verwendete er dieses Pseudonym)-Kindheit verschiedene Beschreibungen seines Charakters. Als eher zurückgezogen beschrieben ihn die einen, als durchaus gesellig die anderen. Abseits davon taten sich aber bereits negative Eigenschaften hervor, die sogar den älteren Bruder, Sascha, auf Distanz gehen ließen: Uneinsichtigkeit, Jähzorn und der Hang, Überlegenheit zu demonstrieren, machten sich früh bemerkbar. Wirklich einschneidend für die Charakterbildung aber war der frühe Tod des Vaters, der nicht zuletzt mit der bitteren Enttäuschung Ilja Uljanows über die Missachtung seiner Leistungen durch vorgesetzte Stellen in Verbindung gebracht wird. Als noch prägender erwies sich das Schicksal des Bruders Sascha. Dieser hatte sich während seines Studiums in St. Petersburg zu einem Gegner des Zarenregimes entwickelt. 1887 wirkte er an den Vorbereitungen für ein Attentat auf Alexander III. mit und wurde, nachdem ein Gnadengesuch abgelehnt worden war, hingerichtet. Lenin, der sich bis dahin kaum mit den Schriften und Botschaften jener befasst hatte, die sich als Gegner der autokratischen Zarenherrschaft positionierten, trat von nun an in die Fußstapfen seines Bruders. Dem Ziel, die Zarenherrschaft zu stürzen und damit auch den Tod des Bruders zu rächen, ordnete er von nun an alles unter. In Nadeschda Krupskaja fand er Jahre später eine Partnerin, die bereit war, diese Ausrichtung seines Lebens mitzutragen. Die Beziehung blieb kinderlos. Das rückständige Vaterland Lenins Hinwendung zum Marxismus vollzog sich auf Grundlage der Perspektive, sein rückständiges Vaterland in eine neue Zukunft zu führen. Nur die Lehren von Marx und Engels schienen hierfür die geeignete Grundlage zu liefern. Auf das Aufbegehren einer gewissermaßen dumpfen Bauernschaft konnte man, so war er gemeinsam Bild: Getty Images / Universal Images Group / Sovfoto (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) Mustergültig und gehorsam Die Familie Uljanow in Simbirsk im Jahre 1879: Abgebildet sind der damals neunjährige Lenin (sitzend, unten rechts), seine Eltern Maria Alexandrowna und Ilja Nikolajewitsch sowie die Geschwister Olga, Alexander, Anna, Maria und Dmitri. Lesen Sie die Besprechung von Leo Trotzkis Manuskript: „Der junge Lenin“ (22.1.1970; Viktor Reimann), furche.at. Die Hinrichtung seines Bruders Sascha durch das Zarenregime prägte Wladimir Iljitsch Lenins Haltung und sein Wirken. Die Verfasser der aktuellsten Biographie über einen, der auszog, um Rache zu üben. Der fanatische Träumer „ Die Selbstgewissheit, als Einziger jenen Kurs zu vertreten, der Russland aus der Knechtschaft herausführen werde, paarte sich mit Kompromisslosigkeit. “ mit den anderen russischen Marxisten überzeugt, nicht bauen. Hoffnungsträger war demgemäß die als fortschrittlich punzierte Arbeiterschaft – obwohl sie gerade in Russland einen im Vergleich zur Bauernschaft verschwindend geringen Anteil an der Bevölkerung stellte. Umso mehr rückte die Verbindung mit dem Westen, und hier vor allem mit der starken Sozialdemokratie in Deutschland, in den Mittelpunkt von Lenins Konzepten. Gemeinsam mit einem wirtschaftlich potenten wilhelminischen Kaiserreich und einem „reifen“ Proletariat erschien ihm der Sozialismus nicht als Utopie, sondern als erreichbares Ziel. Dieser fanatische, unbedingte Glaube an die Umsetzung seiner Ziele hob ihn zweifellos von anderen Revolutionären ab. Viele sahen ihn als Träumer, als jemanden, der völlig unrealistischen Zielen nachjagte. Kein Preis war ihm zu hoch Schließlich waren es die Entwicklungen in Russland selbst, die Revolution von 1905, die seine Überzeugungen stärkten, seinen Fanatismus anheizten. Natürlich konnte er nicht wissen, dass eine zweite Revolution im Februar 1917 ausbrechen und ihm die Möglichkeit geben würde, diese zur Grundlage für „seine“ Revolution im Oktober zu machen. Doch er strebte auch so immer das scheinbar Unmögliche an, und er stellte klar, dass ihm für das Erreichen seiner Ziele kein Preis zu hoch war. Das bedeutete auch, dass er von Anfang an einen blutigen Weltbürgerkrieg als Voraussetzung für die Überwindung der gegebenen Herrschaftsverhältnisse betrachtete. Er blickte von Anfang an über Russland hinaus. Solche Szenarien eines grausamen Ringens zugunsten der „Geburt“ einer neuen Gesellschaft breitete er völlig unverhohlen schon lange vor dem Jahr 1917 aus. Sein offenes Bekenntnis zur Gewalt als gestaltende Kraft berief sich auf den Gang der Geschichte – diese werde eben mit „Blut und Eisen“ geschrieben. Sein Streben nach Macht, um eine sozialistische Gesellschaft zu schaffen, verband er stets mit der Gewissheit, dies nur mit den Mitteln der Unterdrückung und Vernichtung der Bourgeoisie, der Aristokratie bzw. überhaupt aller, die seine Ideen ablehnten, verwirklichen zu können. Schon früh machte Lenin einen einheitlichen Willen zur Grundbedingung für jene Gesellschaft, die er vor Augen hatte. Demgemäß sollten ausnahmslos alle Sozialdemokraten werden. Umso unnachgiebiger agierte er angesichts einer kleinen, aber nichtsdestoweniger überaus heterogenen russischen Sozialdemokratie. Viele Genossen stellten sich ihm entgegen, entwarfen alternative Konzepte. Die Spaltung der Partei, die ab 1903 erfolgte, enttäuschte ihn, der davon träumte, dass alle sich willig um ihn und seine Vorstellungen von der Zukunft scharen würden, maßlos. Meinungsvielfalt stellte sich unter diesen Vorzeichen für Lenin vor allem als Bedrohung dar, als Hindernis für eine konsequente Politik, mit der er bereits seit der Ersten Russischen Revolution von 1905 die Diktatur des Proletariats anstrebte. Die Selbstgewissheit, als Einziger jenen Kurs zu vertreten, der Russland aus der „Knechtschaft“ heraus und in den Sozialismus hineinführen werde, paarte sich mit einer umfassenden Kompromisslosigkeit. Wenn Lenin bereit war, Allianzen einzugehen, dann immer nur, um auf diesem Wege seine scheinbaren „Partner“, wie er selbst schrieb, zu „utilisieren“, also auszunützen. Diese Haltung nahm er schon lange vor der Machtergreifung von 1917 ein. Das bedeutete in der Folge schließlich, alle, die sich nicht den Bolschewiki zurechneten, als Gegner zu bezeichnen, sie zu unterdrücken und schließlich auch zu vernichten (vgl. Seiten 3–4 und 19). Die internen „Parteikriege“, die er vor dem Umsturz beklagt hatte, wollte er nun verhindert wissen. Ein Verächter der Demokratie Niemals einen Zweifel hatte Lenin an seiner Ablehnung eines westlichen Parlamentarismus gelassen, den selbst einige Bolschewiki 1917 als Symbol eines Neubeginns Russlands nach dem Sturz des Zaren angestrebt hatten. Lenins Verachtung demokratischer Prinzipien mündete schließlich in der Demontage der Konstituierenden Versammlung im Jänner 1918. Sie rüttelte auch jene Sozialdemokraten im Westen auf, die die „Oktoberrevolution“ von 1917 als hoffnungsvolles Zeichen für ein Ende des Weltkriegs ebenso betrachtet hatten wie als Versprechen für kommende Umwälzungen auch außerhalb Russlands. Verena Moritz ist Militärhistorikerin am Institut für Osteuropäische Geschichte an der Uni Wien. Historiker Hannes Leidinger leitet das Wiener Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung. Lenin Die Biografie Von Verena Moritz und Hannes Leidinger Residenz 2023 656 S., geb., € 38,–
DIE FURCHE · 3 18. Jänner 2024 Das Thema der Woche Mörder eines Menschheitstraums 3 Vor Gericht würde Lenin als Massenmörder durchgehen, sagt der Historiker Nikolas Dörr. Ein Interview über gefährliche kommunistische Träumereien in der Realpolitik, Andreas Bablers Lenin-Büste und das enorme Wählerpotenzial von sozialen „Kümmerparteien“. „Marx hätte ihn ausgelacht“ Das Gespräch führte Brigitte Quint Wo liegt im Hinblick auf die politische Linke die Grenze zwischen Demokratie und Diktatur – eine Frage, die der deutsche Historiker Nikolas Dörr in seinen Forschungen umtreibt. Im Interview erklärt er, warum es gar keine kommunistische Regierung geben kann, Lenin den Marxismus fehlinterpretierte und der Sozialismus als Vorstufe zum „Himmelreich“ beschrieben wurde. DIE FURCHE: Welche zentralen historischen Eckpfeiler werden mit Lenin verknüpft? Nikolas Dörr: Er ist neben Marx einer der ganz zentralen Theoretiker des Kommunismus. Man sagt ja nicht umsonst Marxismus-Leninismus. Historisch geht die Gründung der Sowjetunion auf ihn zurück. Und auch wenn er 20 Jahre vor Beginn des Kalten Krieges gestorben ist: So eine Epoche hätte es wahrscheinlich nicht gegeben, wenn es Lenin nicht gegeben hätte. DIE FURCHE: Lenin hat versucht, Marx in die Praxis umzusetzen. Ist es ihm gelungen? Ist Marx schuld daran, wofür Lenin verantwortlich gemacht wird? Dörr: Grundsätzlich würde ich sagen, dass Marx unschuldig ist an diesen Verbrechen, die geschehen sind. Denn der Unterschied zwischen Marx und Lenin ist, dass Marx Wissenschafter war. Er hat in der Bibliothek gesessen, viel geschrieben, viel gelesen, ein bisschen versucht, sich politisch zu engagieren. Aber eigentlich war er jemand, der in der Theorie geblieben ist, beschrieben hat, wie sich die Menschheit entwickelt hat. Ganz deterministisch: Er ist davon ausgegangen, dass es zunächst zu einer bürgerlichen Revolution kommt und am Ende in jedem Fall zu einer sozialistischen Revolution kommen muss. Lenin wiederum ist jemand, der Marx’ Theorie umgemodelt hat auf die Situation im zaristischen Russland. Was eine Absurdität der Geschichte ist: Wenn Sie Marx gesagt hätten, der ja vor der Revolution gestorben ist, dass Russland das erste Land ist, in dem die sozialistische Revolution stattfindet, dann hätte er Sie bzw. Lenin wahrscheinlich ausgelacht, es für einen Scherz gehalten. DIE FURCHE: Warum? Dörr: Marx’ Theorie braucht ein Industrieproletariat, viele Arbeiterinnen und Arbeiter, sonst funktioniert die Revolution nicht. Das damalige Russland war aber zu 95 Prozent ein Agrarstaat, war eine oder sogar zwei Revolutionsstufen entfernt. Lenin hat mit Marx argumentiert, um in Russland an die Macht zu kommen, und war im Prinzip mehr Militär- und Revolutionstheoretiker als kommunistischer Theoretiker. DIE FURCHE: Hat Lenin die Marx’sche Theorie missbraucht für seine Machtbegierden? Dörr: Das könnte man so sagen. Zwar sagt die Forschung, dass auch Lenin von Marx’ Theorie überzeugt war, sich gegen die Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeiter, von Bäuerinnen und Bauern aussprach. Aber er hat die marxistische Theorie für seine Belange zurechtgezimmert. So hat er etwa eine Imperalismustheorie aufgestellt, gesagt, dass es letztendlich irgendwo anfangen muss, auch in unterentwickelten Staaten, weil es sonst nie losginge. Dennoch: Marx hätte vermutlich gesagt, dass Lenin seine Theorie fehlinterpretiert hat. DIE FURCHE: Welches Land hätte Marx für seine Revolution gewählt? Bild: iStock/rootstocks (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) Dörr: Nach der Logik von Marx: Je entwickelter und industrialisierter ein Land, desto eher die Revolution. Dementsprechend setzte er auf Großbritannien oder Deutschland. Vermutlich auf Großbritannien zuerst, weil Friedrich Engels, der ihm damals sehr zugearbeitet hat und große Anteile am Marxismus hat, dessen Vater Fabriken in England besaß, sich dort gut auskannte. Diese besagten Länder sind ja auch die ersten, in denen sich sozialdemokratische Gewerkschaften und Parteien herausgebildet hatten. DIE FURCHE: Zurück zu Lenin. Viele Ihrer Kollegen bezeichnen ihn als Diktator und Massenmörder. Stimmen Sie dem zu? Dörr: Ja, ich würde das vollkommen unterschreiben. Natürlich gilt es, sich die Frage zu stellen, wie man Massenmord definiert. Beginnt es bei zehn Menschen, die man umbringt? War „9/11“ ein Massenmord? Oder beginnt dieser erst, wenn sechs Millionen Juden vergast werden? Man kann hier quantitative Grenzen setzen, einige tun das auch qualitativ. Aber ich denke, Lenin hat in jedem Fall die Grenzen überschritten. Ich beziehe mich nicht nur darauf, was nach ihm, also durchs Stalins Herrschaft, gekommen ist – Lenin war ja ab 1922 weg vom Fenster, starb 1924. Auch zu Lenins aktiver Zeit gab es Massenmord. Das wird häufig vergessen. Etwa die Tatsache, dass Lenin nach der Revolution 1918/1919 die Tscheka als Geheimdienst gegründet hatte, der kein klassischer Nachrichtendienst war, wie wir das heute haben. Die Tscheka ging mit absoluter Gewalt gegen Oppositionelle und Minderheiten, die aufbegehrten, vor. Weiter der Krieg gegen Polen von 1919 bis 1921. Der sow je tisch-polnische Krieg, das war auch ein Eroberungskrieg, und Lenin als Staatsführer befahl ihn. Man geht bei diesem Krieg von mindestens 150.000 Toten aus. „ Die KPÖ Graz setzt in ihrer Öffentlichkeitsarbeit Revolutionsrhetorik ein, aber sie bereitet mitnichten eine Revolution vor. Das wäre ja auch lächerlich. “ Und natürlich gilt es hier auch, den russischen Bürgerkrieg anzumerken, der zwar von außen hereingetragen wurde, aber dennoch von Lenin mehr als vier, fünf Jahre geführt wurde. Man geht hier von mindestens acht Millionen Toten aus. Darunter sind viele Oppositionelle, die Lenin hat hinrichten lassen. Was auch oft untergeht: Die Ursprünge des Gulag systems gehen auf Lenin zurück. Er war der, und er war damals noch in vollkommenem Besitz seiner geistigen Kräfte, der den ersten Gulag auf den Solowezki-Inseln im Norden von Russland bauen ließ. Dahin wurden Oppositionelle verschleppt. Lenin benutzte auch den Begriff „Konzentrationslager“. Zwar nicht mit dieser Naziterminologie; aber es ging ihm darum, Oppositionelle dort zu konzentrieren, zu inhaftieren. Stalin baute dieses System dann aus. Fest steht also: Vor Gericht würde Lenin als Massenmörder durchgehen. Lesen Sie hierzu auch den Text „Lenins Verbrechen“ von Wolfgang Kraus (27.2.1997) auf furche.at. Auf der Müllhalde landete einst diese Lenin- Statue in der Ukraine im Zuge der Ent kom munisierung. DIE FURCHE: Die Praxis, Oppositionelle wegzusperren: Kommt das so im Marxismus vor? Dörr: Nein. Marx hat generell wenig über die Machterreichung geschrieben, sah dies als Automatismus. In seinen Augen ereignen sich Revolutionen alle paar hundert, tausend Jahre automatisch. Wie es passiert, bleibt unklar. Es ist schon so, dass auch Marx davon ausging, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter aufbegehren, den Kapitalismus stürzen, den Staat sozusagen an sich reißen. Doch welche Taktiken und Strategien es dafür braucht, wie das praktisch passieren muss, darüber schrieb nur Lenin. Marx hätte wahrscheinlich in seinem Denken gesagt, dass es nicht richtig sei, Oppositionelle umzubringen oder einzusperren. DIE FURCHE: In Österreich ist der Kommunismus durchaus ein Thema. Neben dem Rechtsruck bündeln sich auch linke Kräfte. Graz hat eine KPÖ-Bürgermeisterin, in Salzburg werden dem KPÖ-plus-Spitzenkandidaten Kay-Michael Dankl für die kommenden Bürgermeisterwahlen gute Chancen eingeräumt. Wie bewerten Sie es, wenn sich eine Partei „Kommunistische Partei Österreichs“ nennt? Dörr: Das ist ein Versprechen, das dann eingelöst werden müsste. Denn: Für Marx war der Kommunismus eine Art paradiesisches Ende, vergleichbar mit der Vorstellung vom Himmelreich der katholischen Kirche. Und deswegen ist der Kommunismus eigentlich eine schlechte Beschreibung von Parteien. Wäre die KPÖ der Theorie nach wirklich kommunistisch, dann müsste sie auf die FORTSETZUNG AUF DER NÄCHSTEN SEITE
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