DIE FURCHE · 3 10 Religion 18. Jänner 2024 Das Gespräch führte Wolfgang Machreich Am 23. Jänner 2020 ist Adolf Holl verstorben . Zwei Jahre zuvor war es ihm gelungen, einen Lehrstuhl zu stiften, auf dem der Religionswissenschafter Horst Junginger die Religionskritik Holls im universitären Rahmen fortgesetzt hat. DIE FURCHE: Herr Professor Junginger, Sie haben seit 2018 und bis vor zwei Wochen den Adolf Holl-Lehrstuhl für Religionskritik geleitet. Hat Holl mit Leipzig den richtigen Ort für seine Stiftung gewählt? Horst Junginger: Es war zum beiderseitigen Vorteil. Leipzig hat sich Holl erwählt und umgekehrt, aber nicht ganz freiwillig. Bis Leipzig an die Reihe kam, gab es fünf Ablehnungen. Die Universitäten Wien, München, Tübingen und andere wollten das liebe Geld des Adolf Holl nicht haben. DIE FURCHE: Warum? Junginger: Wegen des Begriffs Religionskritik und irrationaler Vorbehalte dagegen. Weil sie nicht verstanden haben, was sich mit einer Professur dieses Titels verbindet. Ausschlaggebend für die Absagen waren aber versteckt konfessionelle Gründe, die Angst, als religionsfeindlich zu gelten und dadurch in die Schusslinie kirchlicher Kritik zu geraten. Das ist insofern erstaunlich, als dass im Zuge des neoliberalen Rückbaus der Grundfinanzierung der Universitäten ansonsten sehr viel Wert auf Dritt- oder Fremdmittel gelegt wird. Und auf einmal kommt da jemand, möchte Geld spenden und wird behandelt, als würde er saures Bier anbieten. DIE FURCHE: In Leipzig hat es geschmeckt. Junginger: Im Unterschied zu Bayern spielt in Sachsen eine Million Euro eine Rolle. Insofern konnten die „armen Sachsen“ diese Professur nicht ablehnen. Obwohl es am Anfang auch Schwierigkeiten, Missverständnisse gab. Josef Haslinger spielte da eine sehr positive Rolle und hat uns unterstützt. Der Schriftsteller lehrte damals noch am Deutschen Literaturinstitut Leipzig; er legte uns den Kontakt ins Rektorat, und wir konnten dort die Angst nehmen, da kommt einer, der Kirchenfenster einschlagen möchte. Adolf und ich haben immer betont, dass es uns um eine wissenschaftliche Form von Religionskritik geht, so wie jede Wissenschaft mit ihrem Fach kritisch sein muss. DIE FURCHE: Kaum war der Lehrstuhl eingerichtet, wurde er von atheistischer wie kirchlicher Seite kritisiert. GLAUBENSFRAGE Ein Credo wartet aufs Leben nicht, woher ich gekommen bin / frag nicht, wohin ich morgen geh. / „Frag Nimm mich hin wie im Frühling die Blumen, / wie im Winter den Schnee“, so beginnt ein Lied von Mario Hené aus dem vergangenen Jahrtausend. Das könnte ein Anfang sein zwischen uns allen. Die Frage, was wir voneinander halten – im Sinne des zweifelnden Hinterfragens der anderen Existenz –, muss aufhören, und anfangen muss einzig das Menschsein in den Institutionen aller Art und in den Religionen. Nimm mich hin, wie ich bin! Das ist doch die eigentliche Bitte, die uns treibt, welchen Glaubens, wessen Denkungsart auch immer. Wenn uns das Wunder der Annahme geschieht, werden wir vom bewegten Beweger oder von der bewegten Bewegerin beWEGt: zum DU. Ich will dich annehmen, wie du bist. Ein Credo wartet auf sein Leben. Am 17. Jänner wurde der Tag des Judentums begangen, am 18. Jänner begann die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ und Christinnen. Als ein gemeinsames Bedenken unse- Schelm Gottes Adolf Holl gefiel die Rolle des kreativen Unruhestifters in geistiger Erstarrung. Adolf Holls Stiftungsprofessur für Religionskritik an der Universität Leipzig ist zum Jahreswechsel ausgelaufen. Lehrstuhlinhaber Horst Junginger über Holl als begnadeten Religionszauberer. „Mit dem Auge des lachenden Christus“ Junginger: Mit der Kritik von frommer, religiöser Seite habe ich gerechnet. Überrascht war ich, von säkularer Seite dafür kritisiert zu werden, dass wir Religion ernst nehmen und nicht prinzipiell verteufeln. Das ist die Gefahr bei den stark Säkularen, dass sie diese Dimension ausblenden oder gar nicht wahrhaben wollen. Für die Von Ines Charlotte Knoll rer Möglichkeiten füreinander. Neben den offiziellen Headlines für die Gedenkund Gebetstage unter dem Motto „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben ... und deinen Nächsten wie dich selbst“ gelten mir Gedanken des pünktlich vor dem Ersten Weltkrieg am 18. Jänner 1914 geborenen Schriftstellers Arno Schmidt: „Jeder vergleiche sein eigenes beschädigtes Tagesmosaik!“ Das Leben finde auf einem „Bindfaden der Bedeutungslosigkeit“ statt und sei nicht mehr als ein „löchriges Dasein“. Und so zerschneidet er die Sprache und kommt der Lebenslüge auf die Schliche und sagt da rum: „Ich lüg’ gans gern, wenn ich Zeit hab.“ Das tun so viele jetzt auch; wir haben nur keine Zeit MEER. Aber ein Credo von der Liebe zum Du in unserem Herzen: Ich will dich annehmen, wie du bist, Du Mensch und Du Welt, und bitte: Nimm Du mich hin, wie ich bin! Die Autorin ist evangelische Pfarrerin i. R. sind Menschen mit religiösen Gefühlen defizitär. Damit argumentieren sie genau umgekehrt wie die Religiösen den Säkularen gegenüber. Der Adolf Holl war so frei, wie er eben war, seinen eigenen Weg dazwischen zu gehen. Das in-between war seine Position im Leben. DIE FURCHE: Im Nachruf auf Adolf Holl schreiben Sie, dass er „zunehmend Gefallen an der Figur des Trickster“ fand – was meinen Sie damit? Junginger: Der Trickster oder Schelm ist eine Gestalt der Mythologie, die Ordnungen aufbricht, ohne die Notwendigkeit von Ordnungsregeln grundsätzlich zu verwerfen. Aufgabe des Schelms ist, in Situationen geistiger und institutioneller Erstarrung kreative Unruhe zu stiften. „Adolf Holl: Auf Gottes krummen Zeilen“ betitelte am 29.1.2020 Otto Friedrich den Nachruf auf den „kecken Ketzer“; nachzulesen auf furche.at. DIE FURCHE: Eine Art kirchlicher Hofnarr? Junginger: Der Adolf ist ein Schelm, der sich mit seiner Rolle identifiziert hat. Er spielt sie nicht nur, er ist diese Rolle. Da sehe ich beides bei ihm: Auf der einen Seite „ Am meisten mit Adolf verbunden hat mich sein Humor. Das hat ihn davor bewahrt, ein verbiesterter Kirchenkritiker zu werden, von denen es bereits genug gibt. “ Foto: Wolfgang Machreich Foto: APA / Barbara Gindl Dass Horst Junginger auch ein geübter Kampfsportler ist, nahm Adolf Holl noch mehr für ihn ein. das Instrumentelle, zum Beispiel sein perfekter Umgang mit den Medien; auf der anderen Seite, und das macht einen großen Teil seiner Wirksamkeit aus, dieses Authentische. Dass sein Auftreten nicht gespielt oder gar gelogen war, sondern aus der Tiefe seiner Seele kam. Ein großes Wort von ihm, auf Wienerisch ausgesprochen, klingt es noch grandioser, heißt: „Ich bin Priester geworden, um zaubern zu können.“ Ein Indiz dafür, wie ernst er das doch meinte, war, dass er im Weggehen vom Lateinischen als Liturgiesprache den größten Fehler des Zweiten Vatikanums sah. Das scheint etwas gewesen zu sein, was seine Seele angesprochen hat, an dem er festhalten wollte. DIE FURCHE: „Im Sprung gehemmt“ heißt ein Buch des im Vorjahr verstorbenen Wiener Weihbischofs Helmut Krätzl über die Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Hat Adolf Holl diesen Sprung durchgezogen? Junginger: Mit seinem Buch „Jesus in schlechter Gesellschaft“ (erschienen 1971, Anm.) hat Adolf die Binnensicht der katholischen Kirche verlassen. Das war quasi sein Coming-out. Wobei ich hinzufügen möchte, dass seine Partnerin erheblichen Anteil an diesem Buch hatte. Adolf sagt das ja auch in einem anderen Text: „Wenn Frauen in Führung gehen, hat die Religion ausgespielt.“ Heißt, wenn die Frauen in der Religion das Ruder übernehmen, dann wird es eng … DIE FURCHE: … oder weit? Junginger: Ja, aber nur wenn dieses feministische Element entweder integriert oder toleriert wird. Wenn nicht, dann gibt es im Prinzip nur den Bruch und eine Lösung außerhalb der Kirche. DIE FURCHE: Hat Adolf Holl unter dem Ausschluss vom kirchlichen Amt gelitten? Junginger: Am Anfang sicher, das ist auch mit ökonomischen Ängsten einhergegangen. Als er aber gesehen hat, es geht weiter, und sogar noch besser als vorher, auch da hat seine Partnerin eine sehr positive Rolle gespielt, dann ist er aufgeblüht und hat diese Lockerheit und seinen Humor im Umgang mit Gott und Menschen entwickelt. Da spielte es für sein Seelenheil keine Rolle mehr, dass er so behandelt wurde. Was mich mit Adolf am meisten verbunden hat, war sein Humor, seine Art, sich über Religion hinwegzusetzen, er würde sagen, sie mit dem Auge des lachenden Christus anzuschauen. Das hat ihn davor bewahrt, ein verbiesterter Kirchenkritiker zu werden, von denen es bereits genug gibt. Ich würde sagen, die katholische Kirche hat mit Adolf Holl mehr verloren als Adolf Holl mit der Kirche. DIE FURCHE: Im vorigen Jahr wurde die Neuauflage von Holls Buch „Der letzte Christ“ im Wiener Erzbischöflichen Palais unter anderem von Kardinal Christoph Schönborn präsentiert. Sind Sie überrascht über Holls Quasi-Rückkehr in die Kirche? Junginger: Nein, denn die katholische Kirche steht extrem unter Druck, und man ist auf der Suche nach Antworten auf die säkulare Moderne. Deswegen wäre Adolf Holl aus Sicht der Kirche ein wunderbarer Brückenbauer zur Welt hin. Das erklärt für mich diese neue Offenheit von katholischer Seite gegenüber Holl. Sein Nachlassverwalter Walter Famler und ich haben daran anschließend schon gescherzt, wir sollten an einer Seligsprechung von Adolf arbeiten. Wir sind aber noch auf der Suche nach einem Wunder, das man mit ihm assoziieren könnte … DIE FURCHE: War diese Stiftungsprofessur kein Wunder? Junginger: (lacht) Stimmt! Das ist eine gute Idee!
DIE FURCHE · 3 18. Jänner 2024 Chancen 11 Von Manuela Tomic „In diesem Buch spreche ich als weiße, privilegierte Cis-Frau über die Arbeitswelt – das ist mir bewusst“, schreibt die Journalistin Verena Bogner in ihrem neuen Buch „Not Your Business, Babe!“ (Kiepenheuer & Witsch) – und verrät gleich einiges über ihre Sicht auf die Welt. Bogner schreibt über die strukturelle Benachteiligung von Frauen, aber eben nicht nur. Auch intergeschlechtliche, nicht binäre oder Transgender-Personen, die von der Gesellschaft weiblich gelesen und somit im Patriarchat diskriminiert werden, sollen sich angesprochen fühlen. Mit vielen popkulturellen Referenzen und im betont lässigen Schreibstil zeichnet Bogner ein Bild der strukturellen Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt. Aber sie weist auch den Weg in eine neue, bessere und gerechtere Zusammenarbeit. Sich selbst bezeichnet Bogner als klassischen verhätschelten „Snowflake-Corporate-Millennial“. Dieser abwertende Begriff, mit dem die Autorin spielt, wird häufig für ihre Generation – sie ist 1992 geboren und gehört somit zur Generation Y – verwendet. Diese Generation, so heißt es oft, gilt als weniger resilient, emotional hochverletzlich und zu sensibel. Doch auch mit diesem Vorurteil räumt Bogner in ihrem Buch auf. Aber zuerst zu den Fakten: Laut einer Studie der Arbeiterkammer aus dem Jahr 2020 erleben Frauen folgende Formen der Diskriminierung am Arbeitsplatz: unsachgemäße Kritik an ihrer Arbeit, Gerüchte, das bewusste Zurückhalten von Informationen sowie niedrigeres Einkommen trotz gleicher Position und Tätigkeit. Selbstbewusstsein reicht nicht Da müsste man doch nur selbstbewusst auftreten, sich nichts gefallen lassen und sein Gehalt ordentlich verhandeln, oder? Stimmt nicht ganz, wie die Autorin herausgefunden hat. Laut einer Studie des britischen Warwick-Instituts (2016) stehen Frauen Männern in Sachen Verhandlungen um nichts nach. Auch sie verhandeln ebenso häufig wie ihre männlichen Kollegen, bekommen aber dennoch weniger oft eine Gehaltserhöhung. Mit Selbstbewusstsein lasse sich also nicht alles lösen, so Bogner. Der Aufruf zum überbordenden Selbstbewusstsein könne sogar toxisch sein. Denn dann bleibe der Beigeschmack, dass der Erfolg vom individuellen Handeln der Frau abhängt. Confidence Culture heißt dieser Begriff, den die beiden Soziologinnen Shani Orgad und Rosalind Gill geprägt haben. Dahinter steht das Credo: „Mit der richtigen Portion Selbstbewusstsein schaffst du alles.“ Doch das löse auch nicht die sexistische Benachteiligung im Job, sagt Bogner. Dieses Credo sei gefährlich, denn es habe wieder den bitteren Beigeschmack, dass das eigentliche Problem bei uns selbst liege. Selbstbewusstsein allein reicht also nicht aus. Und dann gibt es da noch das sogenannte Peter-Prinzip. Dieses wurde von dem kanadisch-US-amerikanischen Professor Laurence J. Peter als These aufgestellt. Sie besagt, dass Beschäftigte in großen Unternehmen so lange befördert werden, bis sie die potenziellen Aufgaben, die mit ihrer neuen Position einhergehen, nicht mehr erfüllen können. Peter konstatiert: „Nach einer gewissen Zeit wird jede Position von einem Mitarbeiter besetzt, der unfähig ist, seine Aufgabe zu erfüllen.“ Forscherinnen und Forscher hielten jedoch fest, dass dies nur für Männer gilt – und stellten zusätzlich das „Paula-Prinzip“ auf. Es besagt, dass Frauen seltener befördert werden – Illustration: iStock/sesame (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) und wenn, dann im Gegensatz zu den Peters dieser Welt lediglich in Positionen, deren Aufgaben sie auch ganz sicher erfüllen können. Paula erhält also nicht denselben Vertrauensvorschuss wie Peter und verbleibt somit tendenziell eher in Positionen, für die sie überqualifiziert ist. Und das lässt sich auch in Zahlen zeigen: Arbeiten mehr Frauen in typischen Männerberufen, sinken die Löhne in diesen Jobs. Ab einem Frauenanteil von 60 Prozent kommt es bereits zu Einbußen. Umgekehrt gibt es auch den Effekt, dass Jobs besser bezahlt werden, wenn mehr Männer eine Branche fluten, die zuvor eher Frauen vorbehalten war. Laut Gleichstellungsbericht des Weltwirtschaftsforums aus dem Jahr 2022 wird es deshalb noch 132 Jahre dauern, bis Frauen ökonomisch gleichberechtigt sind. Frauen verdienen weniger Geld als Männer, sind im Beruf häufiger gestresst und meist überqualifiziert. In ihrem neuen Buch zeigt die Journalistin Verena Bogner, dass es auch anders gehen kann. „Auch Frauen verhandeln, aber erfolglos“ Die Arbeitsplatz-Mami Bogner nimmt aber nicht nur die Benachteiligung von Frauen in Sachen Position und Gehalt ins Visier. Sie widmet auch der psychischen Gesundheit die nötige Aufmerksamkeit. In Männer und Frauen würden diesbezüglich unterschiedliche Erwartungen gesetzt, ist sie überzeugt. Frauen sollen in ihrer Arbeit nicht nur ihre eigentlichen Aufgaben erledigen, sondern sich zusätzlich zu Kollegen fürsorglich und sensibel verhalten. Sie sollen für jeden und jede ein offenes Ohr haben, während Männer einfach ihre Arbeitsaufträge erledigen. Kein Wunder also, dass sich Frauen laut einer Deloitte-Umfrage aus dem Jahr 2022 in ihrer Arbeit deutlich gestresster fühlen als ihre männlichen Kollegen. Ungleiche Bezahlung, Sexismus und die Doppelbelastung bei der Arbeit und im Privatleben: All das sind Gründe für einen zweiten Gender Gap, nämlich den mentalen. Grundsätzlich sind Frauen im Gegensatz zu Männern eher gefährdet, eine Depression zu entwickeln. Auch das Risiko einer generalisierten Angststörung liegt bei Frauen höher. Aber muss der Job uns tatsächlich erfüllen? Bogner überlässt diese Frage ihren Leserinnen und Lesern. Jeder und jede müsse natürlich selbst wissen, ob er oder sie eine große Karriere anstreben oder Hausfrau bzw. Hausmann sein wolle. Die Autorin will lediglich die Mechanismen der Arbeitswelt sichtbar machen, damit Entscheidungen und Handlungen auf dieser Grundlage besser und reflektierter getroffen werden können. Dabei analysiert sie auch die Generationenunterschiede: Während die Generation Y sich nach der Erfüllung im Beruf sehnt und diese Erfüllung für die Generation Z gar unabdingbar ist, stellen ältere Semester eher die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber in den Vordergrund. „ Das, was wir aktuell als Gesellschaft für erstrebenswert halten, gilt in einer kollektivistischen Arbeitskultur als egoistisch. “ Verena Bogner, Autorin und Journalistin Hören Sie dazu den Podcast „Utopien für eine geschlechtergerechte Arbeitswelt“ von Manuela Tomic (13. März 2023) auf furche.at. Gegen den Strom Erst wenn man die Strukturen der Ungleichbehandlung erkennt, kann man dagegen vorgehen. Bogner spricht sich für eine kollektive Arbeitswelt aus, in der Zusammenhalt ein zentraler Wert ist. Nicht jeder, so Bogner, könne sich schließlich einen erfüllenden und kreativen Beruf „leisten“. Denn viele dieser Berufe sind prekär oder unsicher. Daher spricht für sie nichts gegen einen „Brotberuf“. Zudem gibt sie jenen, die sich den Druck machen, einen erfüllten Job haben zu müssen, einen guten Gedanken mit: Der Psychologie-Professor Jeffrey Jensen Arnett, der an der Clark University zum Leben von jungen Erwachsenen forscht, erklärte in einem Statement für das Magazin Cnet: „Ein Job wird nicht geschaffen, um Menschen zu erfüllen, sondern weil Dinge für andere Menschen erledigt werden müssen.“ Daher müsse man sich bewusst sein, dass es sehr schwer sei, eine erfüllende Arbeit zu finden – und keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Die Lösung: Kollektiv statt individuell Um all diesen Schwierigkeiten und Benachteiligungen von Frauen in der Arbeitswelt zu entgehen, brauche es laut Bogner eine kollektive Arbeitskultur. Diese beruhe auf Zusammenhalt, gemeinsamen Leistungen und Zusammenarbeit. Weibliche Einzelkämpferinnen, die sich der männerdominierten Arbeitswelt anpassen und nur für sich die Vorteile erstreiten, während sie andere Frauen kleinhalten, seien gerade nicht die Lösung. Das, was wir aktuell als Gesellschaft für erstrebenswert halten, gelte in einer kollektivistischen Arbeitskultur als egoistisch, so Bogner. Wahrscheinlich liege die Wahrheit hier irgendwo in der Mitte. Die kollektivistische Arbeitsweise sollte, wenn es nach der Autorin geht, jedenfalls viel mehr Einzug in unsere Lebensrealität finden: „Denn ich glaube, dass nur so ein solidarisches Arbeiten funktionieren kann. Nämlich dann, wenn unsere Arbeitgeber:innen uns den richtigen Nährboden dafür bieten.“ Not Your Business, Babe! Alles, was du als Frau über die Arbeitswelt wissen musst Von Verena Bogner KiWi 2023 215 S., kart., € 14,95
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