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DIE FURCHE 17.08.2023

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DIE FURCHE · 33 20 Ausstellung & Literatur 17. August 2023 Gartenstar im Biedermeier Der Rosenbaumʼsche Garten im heutigen vierten Wiener Bezirk gehörte im Biedermeier zu den bekanntesten bürgerlichen Privatgärten, festgehalten von: Joseph und Eduard Gurk, Aussichtsturm im Rosenbaumʼschen Garten, kolorierter Kupferstich, 1824. Von Astrid Göttche Vom Pop-up-Garten für den Kaiser bis zum Spielplatz mit Tennisvergangenheit: 400 Jahre Gartenkunst in der Nationalbibliothek. Grüne Kunst für alle Sinne Was ist ein Garten? Die Formel scheint einfach: Natur + Mensch = Garten, immerhin gibt es keinen Garten ohne die Gestaltungskraft des Menschen. Aber ein Garten ist mehr. Er ist eine „Kunstnatur“, stellte Robert Musil in einem Tagebucheintrag um 1920 fest. Damit folgte er einem Gedanken, der schon in der Renaissance mit der Idee der „dritten Natur“ formuliert worden war. Nach der wilden, vom Menschen unberührten Natur als „erster“ und der agrarisch kultivierten Natur als „zweiter“ wurde die Gartenkunst als „dritte Natur“ definiert. Als solche ist sie eine Kunstform, die alle fünf Sinne anspricht. In welch vielfältigen Ausprägungen sich der Gestaltungswille des Menschen in der Gartenkunst im Laufe der letzten 400 Jahre manifestierte, zeigt die aktuelle Ausstellung „Von Menschen und Gärten“ im Prunksaal der Nationalbibliothek. Anhand von Plandarstellungen, Druckgrafiken, Originalzeichnungen, Fotografien, Plakaten, Ansichtskarten und reich bebilderten Publikationen zur Gartenkunst lädt sie zu einer Bilderreise durch teils noch nie gezeigte Exponate ein und schärft damit den Blick für grüne Kunstwerke. „ Manche der ausgestellten Objekte sind aus Druckwerken zur Gartengeschichte bekannt, erstaunen jedoch im Original durch ihr Format. “ In einer chronologischen Abfolge zeigt die Schau, wie sich die Gartenkunst im Laufe der Jahrhunderte veränderte, wie sich wechselnde Ideen und Moden in der Gartengestaltung ablösten und sich das Verhältnis zur Natur immer wieder änderte. Dem Renaissancegarten, in dem antike Ideen aufgreifend der Garten als Kunstwerk neu erfunden wurde, folgte der Barockgarten mit einer Präferenz für Fontänen, Kaskaden, Alleen, Irrgärten und Orangerien. Diese Gartenmode wiederum wurde vom englischen Foto: © Österreichische Nationalbibliothek Landschaftsgarten abgelöst, in dem man nach einer idealisierten arkadischen Landschaft strebte. Mit einem Blick in die Zukunft endet der historische Abriss in der Gegenwart, in der Gartengestaltungen stark von Aspekten des ökologischen und sozialen Nutzens geprägt sind. In die zeitlich geordnete Erzählung eingebettet, behandelt die Ausstellung Themen, die mit der Gartenkunst in enger Verbindung stehen, etwa die Gartentechnik. Den bedeutendsten Stellenwert nehmen jedoch – darauf verweist auch der Ausstellungstitel – die Menschen ein, die Gärten stets prägten: Auftraggeber, Gärtner, Gartenkünstler, Landschaftsarchitekten, Gartentheoretiker und Gartennutzer. Dabei unterstreicht die Schau, dass der Beruf des Planers lange Zeit von Männern dominiert war und erst im 20. Jahrhundert für Frauen zugänglich wurde. Zauber des Originals Den Ankerpunkt für die reichhaltige Bilderschau stellt der Bestand der Nationalbibliothek dar, bereichert durch das Archiv Österreichischer Landschaftsarchitektur. Die ältesten ausgestellten Exponate stammen aus der Renaissance, stark vertreten ist auch die Barockzeit. Manche der ausgestellten Objekte sind aus Druckwerken zur Gartengeschichte bekannt, erstaunen jedoch im Original durch ihr Format, da sie in Büchern oft in verändertem Maßstab abgebildet werden. In manchen Fällen ist bei der Beschäftigung mit den originalen Bildquellen sodann der Griff zur Lupe zu empfehlen, jedenfalls ein genauer Blick, etwa bei der Betrachtung von Stichen Salomon Kleiners, der in seinen Ansichten von Wiener Barockgärten gerne Gärtner mit ihren Gerätschaften als Staffagefiguren abbildete. Auch zwei Kupferstichansichten eines temporär inszenierten, aufwendig gestalteten Indoor-Pop-up-Gartens für Kaiser Franz I. überraschen. Anlässlich seines Besuches im Dezember 1815 in Padua wurde ihm zu Ehren im Rahmen einer Abendveranstaltung im Palazzo della Ragione eine Kunstlandschaft mit antikem Pavillon geschaffen. Weitgehend vergessen ist auch, dass der heute im vierten Bezirk so beliebte Spielplatz im Anton-Benya-Park einst die weitläufige Gartenanlage des Palais Rothschild in der Theresianumgasse bildete – Tennisplatz inklusive. Insgesamt ist es der Mix der dargebotenen Gesamtschau auf das Thema, kombiniert mit dem Blick auf Details sowie der Zauber der ausgestellten Originale, die die Ausstellung zu einem gelungenen Ritt durch die Geschichte der Gartenkunst machen. Von Gärten und Menschen. Gestaltete Natur, Kunst und Landschaftsarchitektur Prunksaal der Nationalbibliothek Bis 5. November www.onb.ac.at/museen/prunksaal Ich sage Hallo und dann NICHTS Von Lilly Axster Tyrolia 2023 200 S., geb., € 18,– LEKTORIX DES MONATS Ein Buchstabe genügt Von Claudia Sackl identifiziert sich immer abwechselnd mit denen, die sich vor „Zineb lauter Tragik von allen Brücken dieser Welt stürzen wollen, und mit jenen, die so verliebt und glücklich sind, dass sie vergessen, zu frühstücken und aufs Klo zu gehen. Ich zähle mich weder da noch dort dazu.“ Mit den für die Phase der Adoleszenz typischen identitätssuchenden Bewegungen, den damit einhergehenden Verortungen und oft spielerisch erprobten Inszenierungen hat Jecinta wenig am Hut. Das ewige Dazwischensein – sowohl in Bezug auf ihr Alter (kein Kind mehr und doch noch nicht erwachsen) und ihre Familie (das mittlere von drei Geschwistern) als auch mit Blick auf ihre sozialen Beziehungen (in Konfliktsituationen kann sie sich nur schwer positionieren) und kulturellen Bezugspunkte (die sich zwischen Afrobeats und Deutschrap, Kinderfilmen und Horrormovies bewegen) – hat sie satt. Daher fasst sie einen Entschluss: „Ab heute bin ich NICHTS. Ich will nirgends mehr dazugehören. Ich tu nichts mehr von dem, was alle tun […]. Ich brauche das alles nicht. Ich spiele nicht mehr mit.“ Nicht nur das Gewand wandert daraufhin kurzerhand in die Altkleidersammlung – und wird durch willkürlich Herausgefischtes ersetzt –, auch der Name wird auf einen Buchstaben reduziert: J. Wie Jay. Mit präziser und feinfühliger Erzählkunst entwirft die österreichische Buchund Theaterautorin Lilly Axster, die für ihr literarisches Schaffen dieses Jahr mit dem Christine-Nöstlinger-Preis ausgezeichnet wurde, in „Ich sage Hallo und dann NICHTS“ eine Figur, die sich gesellschaftlichen Zuschreibungen und Erwartungen von außen zu entziehen versucht. Wie ein Navigieren zwischen Illu: Rainer Messerkilnger Buchpreis von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur gesellschaftspolitischen Positionierungen, inneren Vielheiten und selbstbestimmtem Ich-Sagen bzw. -Sein im Spannungsfeld unserer heutigen Gesellschaft gelingen kann, wird in dem Text nicht nur auf inhaltlicher, sondern auch auf metareferenzieller Ebene verhandelt. Das Gesagte wird dabei von polyphonen Zwischentönen ergänzt, die unter anderem von jener vielschichtigen Figur stammen, die Jay zur Seite gestellt wird: Leo ist neu an der Schule und in Jays Klasse. Ihr Markenzeichen: eine gelbe Jacke. Diese ist aber auch schon wieder das Einzige, das die vielen Stimmen Leos (ver-)eint. Wie sich die besondere Freundinnenschaft zwischen Jay und Leo entspinnt und entwickelt, erzählt der poetische und doch nahbare Jugendroman auf differenzierte und berührende Weise.

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