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DIE FURCHE 17.08.2023

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DIE FURCHE · 33 18 Musik & Theater 17. August 2023 Mit Verdis „Falstaff“ und Martinůs hier erstmals gezeigter „The Greek Passion“ boten die Salzburger Festspiele erneut ein Wechselbad der Gefühle. Verirrter Klassiker und aufrüttelnde Rarität Von Walter Dobner „In der Geschichte gibt es unglaublich viel Verwirrung, es greift alles ineinander“, eröffnete Christoph Marthaler im Vorfeld seines Salzburger „Falstaff“ seine grundlegende Sicht zu Verdis Alterswerk. Anstelle aber die Fäden zu entflechten, versucht er in seiner Inszenierung im Großen Festspielhaus alles, um die Handlung noch weiter zu verkomplizieren. Anknüpfungspunkt für seine Arbeit ist im Wesentlichen Orson Wellesʼ „Falstaff“-Verfilmung, worin dieser auch als Darsteller mitwirkt. Deswegen verlegt Marthaler seine „Falstaff“-Erzählung ‒ begleitet von der fantasievoll überbordenden Dekoration seiner Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock ‒ in ein amerikanisches Filmstudio, erweitert Verdis Personal durch einen Regisseur, der sich unschwer als Falstaffs Alter Ego ausmachen lässt. Mit dem Unterschied, dass dieser mit der für diese Figur gewohnten Korpulenz aufwartet, die man beim eigentlichen Falstaff Bravourös Hochkarätig präsentiert sich die Inszenierung von „The Greek Passion“ unter der Regie von Simon Stone, mit: Sebastian Kohlhepp (Manolios), Gábor Bretz (Priester Grigoris), Scott Wilde (Ein alter Mann), Sara Jakubiak (Katerina) und der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. vermisst. Er ist in dieser Inszene schlank, wirft stetig Pillen ein, gibt sich in dem mit einem Pool bestückten Ambiente anzüglich. Überhaupt scheint es, als dürfen die Darsteller in diesem skurrilen, Slapstick-artigen Verwirrspiel ihre Rollenvorstellungen selbst verwirklichen. Zu einem tieferen Verständnis des originalen Plots trägt diese von Hollywoods Filmwelt inspirierte, zuweilen fast improvisatorisch wirkende Lesart nichts bei. Hätte man diese Aufführung nicht als „Verdis ‚Falstaff‘, frei nach Christoph Marthaler“ ankündigen sollen? Offensichtlich will er mit dieser, mit zahlreichen, zweifellos virtuos verschobenen Versatzstücken arbeitenden Produktion aufzeigen, welche ungebändigte Bilderflut zu erwarten wäre, würde die Zeit aus den Fugen ge- „ Vor allem ist es Simon Stones bis ins Detail sorgfältig durchdachte Personenführung, die diese Inszenierung prägt. Er begreift das Geschehen als Botschaft. “ raten. So gesehen ist dieser „Falstaff“ eine das gleichnamige Motto der diesjährigen Festspiele an der Salzach pointiert reflektierende, zeitkritische Verdi-Auseinandersetzung. Sie hätte allerdings mehr Tiefenschärfe vertragen. Wie der mit kurzem Applaus und zahlreichen Buh-Rufen quittierte Premierenabend zeigte, konnte das Publikum mit diesen eigenwilligen Verdi- Metamorphosen nur wenig anfangen. Jedenfalls problematischer erwies sich die musikalische Seite. Gerald Finleys als indisponiert angesagtem Falstaff fehlte es an Kontur und Prägnanz. Ebenso angestrengt agierte Simon Keenlyside als Ford. Elena Stikhinas Mrs. Ford mangelte es an Strahlkraft. Blass Bogdan Volkovs Fenton, kleinstimmig Giulia Semenzatos Nannetta, wenig profund Tanja Ariane Baumgartners Mrs. Quickly, untadelig Thomas Ebensteins Dr. Cajus. Ingo Metzmacher am Pult der Wiener Philharmoniker ließ jegliches stilistische Verständnis und klangliche Gefühl für diesen Verdi vermissen, der größte Fehlgriff dieses spannungsarmen Abends. Foto: © SF/Monika Rittershaus Idealfall Martinů Wer sich für Hilfsbedürftige aktiv einsetzt, muss notfalls mit seiner Ermordung rechnen. Auch das führt Bohuslav Martinůs Vierakter „The Greek Passion“ klar vor Augen. Jenes erschütternde Flüchtlingsdrama nach einem Text von Nikos Kazantzakis, das in zwei Versionen vorliegt. In Salzburg entschied man sich für die spätere, die einst unter Paul Sacher in Zürich uraufgeführt wurde, und erntete dafür frenetischen Beifall, für die Musik wie die Inszenierung. Regisseur Simon Stone widersetzt sich der Versuchung, diesen vor dem Hintergrund des griechisch-türkischen Kriegs spielenden Stoff zu aktualisieren. Er konzentriert sich auf eine subtile wie eindringliche Darstellung der Handlung, die er in einer Art Niemandsland ablaufen lässt. Seine Bühnenbildnerin Lizzie Clachan hat die mit wenig Requisiten auskommende Felsenreitschule mit einem blauen Tuch verhüllt, mit kleinen Eingängen links und rechts. Nur die oberste Arkadenreihe bleibt sichtbar. Wiederholt werden Luken geöffnet, um einzelne Szenen noch eindringlicher nachzeichnen zu können. Wasserstrahlen sorgen für zusätzliche Effekte. Vor allem ist es Stones bis ins Detail sorgfältig durchdachte Personencharakteristik wie Personenführung, die diese Inszenierung prägt. Er begreift das Geschehen als Botschaft, aus der jeder für sich seine Folgerungen ziehen kann. Da bedarf es keiner weiteren, manchmal allzu weit hergeholten Regieeinfälle. Es genügt ein „Refugees out“, wie es Stone gegen Ende auf die Bühnenleinwand malen lässt, um aufzurütteln, innere Bewegtheit herbeizurufen. Damit lässt sich auch souverän die Brücke zur komplexen Flüchtlingsgegenwart schlagen. Hochkarätig die musikalische Besetzung, angeführt von Sebastian Kohlhepps bewegendem, seinen Einsatz schließlich mit seinem Leben büßenden Manolios und Gábor Bretz als seinem starren, kompromisslosen Widersacher Grigoris sowie Sara Jaku biak als ebenso emphatisch ihre Rolle gestaltender Katerina an der Spitze eines glänzenden Ensembles. Wie schon bei „Falstaff“ zeigte sich auch diesmal die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor (Einstudierung: Huw Rhys James) von ihrer besten Seite. Und Maxime Pascal feierte mit seiner ideal ausbalancierten, die stilistische Vielfalt der Oper klar herausarbeitenden Interpretation einen fulminanten Einstand am Pult der diesmal mit all ihren Stärken brillierenden Wiener Philharmoniker. Falstaff Großes Festspielhaus, 20., 23., 25., 30.8. The Greek Passion Felsenreitschule, 18., 22., 27.8. THEATER Was alles Familie sein kann Von Anton Thuswaldner Bertolt Brecht, ein politischer Autor? Nicht in Salzburg, wo sein Stück „Der kaukasische Kreidekreis“ vom Team der Theater-Experimentierer Rimini Protokoll im Rahmen der Salzburger Festspiele zusammen mit dem Theater HORA auf die Bühne gestellt wird. Das Besondere daran ist, dass die Last der Aufführung Schauspieler mit kognitiver Beeinträchtigung tragen. Und weil sie nicht nur als Darsteller fungieren, die ausführen, was ihnen die Regisseurin Helgard Haug aufträgt, sondern an der Entwicklung der Stückidee selbst ihren Anteil nehmen, kommt der Hauptszene jede Aufmerksamkeit zu. Sie wird gleich in acht Variationen durchgespielt, um divergierende Foto: © SF/Monika Rittershaus Simone Gisler in der beeindruckenden Inszenierung von „Der kaukasische Kreidekreis“. Möglichkeiten eines Endes zu erproben. Gefühlsangelegenheiten stehen im Vordergrund, nicht die Verhältnisse – so wird Brecht gegen den Strich gebürstet. Welche Mutter ist die wahre, ist jene Frage, die dem Ensemble unter den Nägeln brennt. Die Fürstin, die ihr leibliches Kind im Stich gelassen hat, um sich und ihren Besitz zu retten, oder die Magd Grusche, die für das Kind sorgt und ihm Liebe zuteilwerden lässt. Bei Brecht ist das eine klare Sache. Anspruch auf das Kind hat, wem es tatsächlich ans Herz gewachsen ist. Um das festzustellen, bedarf es der List des Richters Azdak, eines Mannes aus dem Volke. Wer zieht das Kind aus dem von ihm gezogenen Kreidekreis? Die herzlose Gräfin natürlich, die in Kategorien von Eigentum und Macht denkt. Also wird es Grusche, der Schmerzvermeiderin, zugesprochen. So einfach verhält es sich nicht, kommt in dieser Inszenierung heraus, wenn man dem Kind selbst eine Entscheidung zutraut. Ist es durch Be- stechungsversuche verführbar? Die Fürstin verspricht ihm immerhin ein iPad, dagegen hat das Argument der Geborgenheit einen schweren Stand. Das allgemein Menschliche wird favorisiert. Das Schicksal eines Kindes steht zur Disposition, das bewegt. Etwa in der Mitte der Aufführung bekommt das Publikum ein Büchlein gereicht, in dem die selbsterzählten Lebensläufe der Akteure verzeichnet sind. Sogleich sieht man, dass sich alle über ihre Familie definieren und welchen Platz sie in diesem System einnehmen. Selbstbewusst rücken sie sich ins Bild, einer bekennt, der Lustigste in der Familie zu sein. Diese innere Stärke trägt die Darsteller auf der Bühne. Sie leisten tatsächlich Beachtliches, wenn sie fremde Charakte- re zu ihrer eigenen Sache machen und ganz in dieser Rolle aufgehen. Erstaunlich Remo Beuggert, wie sicher er als Sprecher durch das Stück führt und auch noch die Rolle des Richters übernimmt. Entscheidend für die Dramaturgie die Perkussionistin Minhye Ko, die die rhythmische Vorgabe liefert, an der sich die Darsteller festhalten dürfen. Sie ist sicherer Rückhalt und die dynamische, den Ablauf strukturierende Instanz. Es geht in Ordnung, Brecht nicht alles abzukaufen. Hier werden Fragen gestellt, eine endgültige Antwort gibt es nicht. So ist es nun einmal, unser Leben, eine Reise ins Unwägbare. Dieses Theater macht es uns vor. Der kaukasische Kreidekreis Szene Salzburg, 19., 20., 22. August

DIE FURCHE · 33 17. August 2023 Film & Medien 19 SPIELFILM SPIELFILM Die Liebenden von diesem Paris Nachdem „Forever Young“ bereits bei der Viennale reüssieren konnte, kommt Valeria Bruni Tedeschis autobiografische Hommage ans Paris der 1980er Jahre regulär ins Kino. Die französischitalienische Schauspielerin und Regisseurin lässt darin das Lebensgefühl jener Jahre auf der Leinwand pulsieren: Eine Gruppe junger Leute kommt Ende der 1980er in der renommierten Schauspielschule „Théâtre des Amandiers“ unter – und beginnt dort unter Leitung des charismatischen Theatermachers Patrice Chereau Anton Tschechows „Platonow“ einzustudieren. Rauschende Partys, exzessive Beziehungswirren und die Arbeit am Stück: All das komponiert Bruni Tedeschi zu einem kunterbunten Reigen einer jungen Gesellschaft, die einerseits nichts vom Leben versäumen will, aber andererseits von dessen Brüchen und Unwägbarkeiten stark herausgefordert ist. Das Ensemble dieser „Amandiers“ ist durch und durch stimmig, mit Luis Garrel als Cherau ist der patriarchale Kulminationspunkt des Ganzen ebenso atemberaubend besetzt wie Nadia Tereszkiewicz als Stella, das Alter Ego der Regisseurin, die mit diesem Film einmal mehr einen Talentbeweis auch hinter der Kamera vorlegt. (Otto Friedrich) Forever Young (Les Amandiers) F 2022. Regie: Valeria Bruni Tedeschi Mit Nadia Tereszkiewicz, Louis Garrel, Sofiane Bennacer. Panda. 126 Min. Sofiane Bennacer und Nadia Tereszkiewicz als junge Erwachsene Ende der 1980er. Ellis und Rosales Schwarzer Rekrut und Latino-Sergeant bei den Marines im Bootcamp. Jeremy Pope brilliert als angehender US-Marine in Elegance Brattons autobiografischem Filmdrama „The Inspection“. Doppelt verdammt Von Otto Friedrich Schwarz und schwul – eine doppelte Verdammnis in der, ach, so rechtschaffenen US-Gesellschaft. Regisseur und Autor Elegance Bratton reflektiert dies meisterlich in seinem autobiografisch gefärbten Film „The Inspection“: Ellis French (groß artig: Jeremy Pope) sucht die Liebe seiner alleinerziehenden Mutter Inez zu erringen. Doch die tiefreligiöse Frau hat ihn ob seiner Homosexualität längst verstoßen. Und so ist Ellis buchstäblich in der Gosse gelandet. Aber er versucht, sich aus der Obdachlosigkeit hochzuarbeiten und die Achtung der Mutter wiederzuerlangen. Und zwar ausgerechnet bei den US- Marines, bei denen schon beim Einstellungs- „Gespräch“ (eigentlich: -Gebrüll) gefragt wird, ob er homosexuell oder ein Kommunist sei. Pflichtschuldigst verneint Ellis beides. Als Ellis dann ins Bootcamp einrückt, an dessen Ende er entweder ein Marine sein oder wieder auf der Straße landen wird, sieht er sich der härtesten Belastungsprobe seines Lebens gegenüber. Denn sein Schwulsein bleibt nicht verborgen – und wird von den Kameraden mit Ausgrenzung und Gewalt quittiert. Nur dem muslimischen „ Denn Ellis’ Schwulsein bleibt nicht verborgen – und wird von den Kameraden mit Ausgrenzung und Gewalt quittiert. “ Mitrekruten Ismael geht es ähnlich – nur dass der nicht ob seiner sexuellen, sondern der religiösen Orientierung wegen leiden muss. Allein der hispanischstämmige Drill Sergeant Rosales scheint ein Herz (und auch knisternde körperliche Anziehung) für Ellis zu haben. In düsteren, beklemmenden Bildern und mit Musik der Experimental-Pop-Band Animal Collective zeichnet Regisseur Bratton diesen Weg in eine raue Gesellschaft nach. Am Ende bleibt aber immer noch die Frage, ob Mutter Inez ihren Sprössling, der durch die Hölle der Marines-Ausbildung gegangen ist, als den ihren annehmen kann, genauer: so akzeptieren kann, wie er ist. Kann es aber sein, dass eine rassismus- und homophobieverdächtige Institution wie die Marines mit ihrer menschenbrechenden Ausbildung toleranter ist als eine Mutter, der die Religion die Liebe zum Sohn nicht zu erlauben scheint? Man muss „The Inspection“ gesehen haben, um einer Antwort darauf näherzukommen. The Inspection USA 2022. Regie: Elegance Bratton. Mit Jeremy Pope, Gabrielle Union, Bokeem Woodbine. Filmladen. 100 Min. Toni Servillo in Paolo Genoveses Film „Der erste Tag meines Lebens“. Manipulativ inszeniert Zwei Kardinalfehler, die das Kino nicht begehen sollte: mehr Fragen zu beantworten, als es stellt, und darauf zu bauen, dass das Publikum Logiklöcher schon hinnehmen wird. Zu beidem finden sich anschauliche Negativbeispiele in Paolo Genoveses neuem Film „Il primo giorno della mia vita“. Charakteristisch setzt Genovese auch hier auf ein respektables Ensemble, das in einem begrenzten Setting (metaphysische) Fragen bearbeitet, aber dennoch keinen Mut zur Unwissenheit zeigt. Toni Servillo fungiert als Engel ohne Flügel, der im modernen Rom ausschließlich nachts und offenbar nur bei strömendem Regen diversen Selbstmörder(inne)n erscheint und sie dazu bewegen möchte, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Willigen sie ein, verfrachtet er sie in ein Hotel und zwangsbeglückt sie sieben Tage lang mit Exkursionen, die ihnen zum Beispiel die Zukunft zeigen oder die Reaktionen der Hinterbliebenen. Wo oder was dieses Hotel ist und in welchem Zwischenzustand sie sich dabei befinden, darauf legt Genovese sich nicht fest. Das Resultat ist nicht mehr als ein aufwendig kitschig und manipulativ inszenierter, theoretischer Sketch. (Alexandra Zawia) Der erste Tag meines Lebens (Il primo giorno della mia vita) I 2023. Regie: Paolo Genovese Mit Toni Servillo. Polyfilm. 121 Min. DRACULA-ABLEGER Hundertmal durchgedacht FEDERSPIEL Inhalt sticht Absender Von Peter Plaikner Auf der Suche nach einem frischen Ansatz für einen vielbenutzten Stoff probiert der „Dracula“-Ableger „Die letzte Fahrt der Demeter“ sein Glück in einem Nebenaspekt: Ein Kapitel von Bram Stokers Roman aus dem Jahre 1897 widmet sich dem Logbuch des Schiffs, auf dem der transsilvanische Graf seine Überfahrt nach England machte – ein grausiges Zeugnis in einem menschenleeren Wrack, das an die Küste gespült wird. Was sich in der Fracht verbirgt, die Wochen zuvor an Bord genommen wird, weiß die Besatzung der Demeter nicht, aber schon im Ausgangshafen bekommt sie es mit bösen Vorzeichen zu tun. Diese mehren sich auf See, bis Clemens, der Neue in der Crew, in einer der Kisten eine junge Frau findet, die kaum noch am Leben ist. Als kurz darauf alle Tiere tot in ihren Verschlägen liegen und sogar die Ratten verschwunden sind, beginnt das unheimliche Wesen im Bauch des Schiffs, sich auch die Menschen zu holen. 20 Jahre herumentwickelt Mit seinem Ansatz ist der Film nicht allein: Erst im Frühjahr versuchte sich „Renfield“ an einer Horrorkomödie rund um den geplagten Gehilfen des Blutsaugers. An „Die letzte Fahrt der Demeter“ wurde vor seiner Verfilmung allerdings 20 Jahre herumentwickelt – Stefan Ruzowitzky war nur einer von vielen Regisseuren, Autoren und Stars, die das Projekt in Gang bringen sollten. Letztlich übernahm der Norweger André Øvredal, der mit „Troll Hunter“ oder „Scary Stories to Tell in the Dark“ im Genre auf sich aufmerksam machte. Trotzdem ist dabei nichts Epochales herausgekommen, im Gegenteil: Statt eines dichten, paranoiden Kammerspiels bekommen wir berechnenden, vorhersehbaren Grusel, der die schlanke Vorlage mit markttauglich ausgelegten Figuren aufbläht und sich lieber mit pseudophilosophischen Gemeinplätzen und Diskursen aufhält, die in die Gegenwart passen, als damit, Stimmung zu erzeugen – von anderen Ungereimtheiten ganz abgesehen. Nicht einmal das Schiff will als hermetischer Schauplatz viel Freude machen bei diesem Werk, das in allen Punkten hundertmal durchdacht, aber mindestens ebenso blutleer ist. (Thomas Taborsky) Die letzte Fahrt der Demeter (The Last Voyage of the Demeter) USA 2023. Regie: André Øvredal Mit Corey Hawkins, Aisling Franciosi. Universal. 118 Min. Roland Weißmann versucht jeden Eindruck zu zerstreuen, der ORF sei der große Gewinner durch das für ihn ab 2024 geltende neue Gesetz. Dazu reduziert der Generaldirektor seine persönliche externe Kommunikation auf das taktisch Notwendigste. Interviews wie zuletzt für die Salzburger Nachrichten und das profil sind eine sorgsam ausgewählte Seltenheit. Motto: einerseits keine schlafenden Hunde wecken, andererseits sich nicht Gesprächsverweigerung vorwerfen lassen. Dadurch gelingt es ihm, den gesellschaftlichen Grundsatzdiskurs über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Sparflamme zu halten. Die Konkurrenz läuft dennoch Sturm gegen das ORF-Gesetz und seine Bestimmungen zu Finanzierung und Digitalisierung. Bis die EU-Kommission sich zur Beschwerde des Zeitungsverbands äußert, wird es aber noch lange dauern. Eher bringt ein Blick zu den Nachbarn das Thema wieder auf die öffentliche Agenda: In der Schweiz will eine Initiative die Haushaltsabgabe von 348 auf höchstens 208 Euro senken. In Österreich wird spätestens zur Nationalratswahl die FPÖ das Thema ins Spiel bringen. Um dafür gewappnet zu sein, benötigt der ab 2024 durch 184 Euro Haushaltsabgabe finanzierte ORF eine Info-Offensive über seine Leistungen. Der Beitragsvergleich mit der Schweiz böte einen guten Anlass dazu. Doch die Diskussion ist dann auch darüber zu führen, ob mit der Abgabe durchwegs Public Value, also gesellschaftlicher Nutzen, produziert wird. Ihn erzeugen auch private Medien mit vielen Angeboten – ohne Abgabenfinanzierung. „Klimaheldinnen – das Nachhaltigkeitsmagazin“ auf Puls 4 war ein solches Beispiel. Es wird infolge Sparzwangs eingestellt. Im ORF läuft unterdessen einiges ohne erkennbaren Pub lic Value auf Gemeinschaftskosten. Die Diskussion, ob Medienförderung statt absenderbezogen wesentlich stärker inhaltsabhängig zu finanzieren ist, beginnt erst. Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst.

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