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DIE FURCHE 17.08.2023

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DIE FURCHE · 33 14 Diskurs 17. August 2023 Den gesamten Briefwechsel zwischen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger können Sie auf furche.at bzw. unter diesem QR-Code nachlesen. ERKLÄR MIR DEINE WELT Nein, meine Haut ist keine Betonwand Hubert Gaisbauer ist Publizist. Er leitete die Abteilungen Gesellschaft- Jugend-Familie sowie Religion im ORF-Radio. Den Briefwechsel gibt es jetzt auch zum Hören unter furche.at/podcast Sie haben mich sanft darauf hingewiesen, dass ich meine Abneigung gegen Tattoos doch näher begründen möge. Das will ich jetzt tun. Es ist meine „bürgerliche Welt“, die – seit Kindestagen und gewiss nicht vorurteilsfrei – Tätowierungen mit Menschen verbindet, die damit versuchen, echte oder eingebildete Defizite auszugleichen. Selbstverständlich muss es jedem Menschen überlassen bleiben, was er seiner Haut als Botschaftsträgerin zumutet. Ich empfinde die Haut als ein unersetzbares Körperorgan. Um es einem Trend auszusetzen und es mit einer oft rätselhaften Heavy-Metal-Ornamentik zu überziehen, dafür wäre sie mir zu kostbar. Nein, meine Haut ist keine Betonwand. Meine Haut atme für mich, schützt mich, friert für mich, und sie lässt mich menschliche Berührung spüren, die lebensnotwendig ist wie die Luft. Nach jüdisch-christlicher Überlieferung ist der Mensch das Ebenbild Gottes, und sein Körper dürfe nicht entweiht werden – wie „ Nach jüdisch-christlicher Überlieferung ist der Mensch das Ebenbild Gottes, und sein Körper dürfe nicht entweiht werden mit ‚geätzter Schrift‘. “ es im Judentum heißt – mit „geätzter Schrift“. Und die unauslöschlich tätowierten Nummern wurden Symbol vollkommener Entmenschlichung. Liebe Frau Hirzberger, erlauben Sie, dass ich jetzt einen Gedankensprung mache, der gewagt, aber vielleicht doch nicht so groß ist. Wenn ich Aktivistinnen der „Last Generation“, gemeinhin „Klimakleber“ genannt, im TV sehe oder von ihnen lese, dann ist mein erster gefühlter Gedanke: Ich könnte das nicht! Vielleicht ist es einfach feige Angst um meine Handflächen. Es wäre für meine Hände wahrscheinlich – trotz aller Vorsicht – nur Selbstbeschädigung. Ich möchte jetzt nicht erörtern, wie sinnvoll diese Aktionen sind, denen ich ehrliche Gesinnung nicht pauschal absprechen möchte – nur: Ich könnte es nicht. Denn „Schäden bleiben immer“, sagte mir ein Hautarzt, „und gerade junge Menschen werden ihre Hände, ihre Tastkörperchen, die Nervenenden, ihr feinsinniges Greifen noch brauchen“. Auch die Handflächen von „Klimaklebern“ sind kostbar. Gesunde Hände und ein möglichst freier Kopf werden nötig sein, um Konstruktiveres für das Überleben unseres Planeten Erde zu tun. Ich weiß, die Assoziation ist heikel, wenn ich mich jetzt da ran erinnere, wie sich im Jänner 1969 – fünf Monate nach dem gewaltsamen Ende des Prager Frühlings – in Prag der zwanzigjährige Student Jan Palach mit Benzin übergossen und angezündet hat. Nach drei Tagen ist er gestorben, da seine Haut zu fünfundachtzig Prozent verbrannt war. Die Zukunft werde sie brauchen Jan Palach wäre vor wenigen Tagen fünfundsiebzig Jahre alt geworden. Er wollte ein unübersehbares Zeichen setzen gegen eine aufkommende Resignation in seinem Land. Einen Tag vor seinem Tod hat er allerdings noch die Freunde in seiner Protestgruppe aufgerufen, seinem Beispiel nicht zu folgen, sie sollten „ihre Leben schonen“, die Zukunft werde sie brauchen. Liebe Frau Hirzberger, für mich sind mögliche Gefährdung und Selbstbeschädigung schwarze Pädagogik und werden die Achtlosen und die Gleichgültigen nicht zur Vernunft bringen. Es muss der „Last Generation“ doch etwas Besseres einfallen! Was denken Sie? Von Eva Mayer 2001 wurden sie vertrieben, jetzt sind sie im Großteil In FURCHE Nr. 5 Afghanistans zurück an der Macht: die Taliban – sie 3800 4. Februar 2010 stehen für Widerstand gegen den Westen schlechthin. Als die Taliban vor zwei Jahren Kabul einnahmen, flohen Zehntausende aus Afghanistan. Die Bilder von Afghanen, die sich an ein US-Flugzeug klammern und wenig später beim Start vom Himmel fallen, sind um die Welt gegangen. In der FURCHE hat sich die Autorin Eva Mayer schon 2010 Gedanken über die Taliban gemacht. Dabei zeigt sich vor allem eines: Die Ideologie und der Terrorismus, mit denen die Taliban-Kämpfer ihre Macht durchsetzen, haben sich bis heute nicht geändert. Größter Feind Taliban Den US- und NATO-Streitkräften, die 2001 in Afghanistan die regierenden Taliban vertrieben und mangels Alternativen das korrupte Regime von Präsident Karzai stützen, läuft die Zeit davon: Trotz massiver Truppenaufstockung durch US-Präsident Obama kontrollieren die afghanischen Taliban wieder 80 Prozent des Landes. US-General Stanley McChrystal, Oberbefehlshaber in Afghanistan, signalisierte in einem Interview in der Financial Times Gesprächsbereitschaft mit den afghanischen Taliban, die er im Gegensatz zur früheren Haltung der USA als „Teil der politischen Landschaft“ wahrnimmt. Auf der letztwöchigen Afghanistan-Konferenz in London wurde den Taliban ebenfalls die Hand entgegengestreckt. [...] „Selbst für Einheimische ist es schwer, dieses Geflecht von wechselnden Allianzen zu begreifen“, sagt Kashif Hamid, der Leiter des „Center for Research, Communication and Dialogue“, einer NGO, die sich in den Stammesgebieten für Erziehung und Frauenbildung engagiert. Parallelstruktur zur Regierung „Wenn man die paschtunische Lebensweise nicht kennt, oder die alten feudalen Machtstrukturen, wird man kaum verstehen, wieso echte und sogenannte Taliban anfangs so erfolgreich waren.“ [...] Viele Großgrundbesitzer halten ihre Pächter in einer Art Leibeigenschaft, ärmere Familien sind froh, wenn sie ihre Kinder durchbringen. [...] Zu Beginn hießen die Paschtunen die Taliban willkommen und bauten Moscheen für die zunächst waffenlosen Prediger. Mit Waffen, Geld und Einfluss ausgestattet, zeigten dann viele Taliban – unter ihnen Kämpfer aus Usbekistan, Tad schikistan, Arabien, Afrika – ihr wahres Gesicht: Mitte 2009 verfügten sie im Nordwesten Pakistans über eine komplette Parallelstruktur zur Regierung, in ihrer Willkürherrschaft unterschieden sie sich nicht von Feudalherren. Schulen und Spitäler wurden gesprengt, Frauen außer Haus nur in Ganzkörper-Burka geduldet, Musik und Tanz verboten, Sufi-Schreine und Gräber entweiht. [...] Bakht Zamin Khan, studierter Jurist, ist Kommandant der Al Badr-Mudschahidin in der Nordwestprovinz, die sich neben Flüchtlings- oder Katastrophenhilfe im Freiheitskampf im indisch Foto: APA / AFP / Wakil Kohsar besetzten Teil Kaschmirs engagieren. Fragen über die pakistanischen Taliban sind ihm unangenehm, kämpfte er doch lange Jahre als Mudschahid gegen die Sowjets in Afghanistan. „Das Programm der Tehrik-i-Taliban in Pakistan ist inhuman und richtet sich gegen das Land“, ringt er sich ab. „Abschlachten von Menschen und Auftragsmorde gegen Bezahlung haben mit wahrem Dschihad nichts zu tun.“ AUSGABEN DIGITALISIERT VON 1945 BIS HEUTE ÜBER 175.000 ARTIKEL SEMANTISCH VERLINKT DEN VOLLSTÄNDIGEN TEXT LESEN SIE AUF furche.at Medieninhaber, Herausgeber und Verlag: Die Furche – Zeitschriften- Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KG Hainburger Straße 33, 1030 Wien www.furche.at Geschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner, Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Chefredakteurin: Mag. 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DIE FURCHE · 33 17. August 2023 Diskurs 15 Hannes Schopf, von 1984 bis 1994 FURCHE-Chefredakteur, war einer der ersten Coronatoten des Landes. Das Oberste Gericht sollte Behördenversagen prüfen – tat es aber nicht. Ein Gastkommentar. Ein Urteil, das Fragen aufwirft ZUGESPITZT Money, money, money Hannes Schopf reiste am 7. März 2020 nach Ischgl – und fuhr am 13. im überfüllten Bus vorzeitig zurück, nachdem Ex-Kanzler Sebastian Kurz die sofortige Quarantäne ausgerufen hatte. Vier Tage später, am 17. März, wurde bei ihm Covid nachgewiesen. Am 10. April starb Schopf im Alter von 72 Jahren. Seine schockierte Familie klagte mit Hilfe des Verbraucherschutzvereins (VSV) die Republik auf Amtshaftung. Witwe und Sohn hofften auf Gerechtigkeit – ganz im Sinne des so tragisch Verstorbenen, der zeitlebens für diesen Wert gekämpft hatte. Den erstrittenen Schadenersatz wollte man spenden. In dem Urteil, das Ende Juli 2023 publiziert wurde, lehnte der Oberste Gerichtshof einen Schadenersatz aus formalen Gründen ab. Das damals geltende Epidemiegesetz sollte die Ausbreitung ansteckender Krankheiten verhindern, es sei aber kein Schutzgesetz, aus dem individuell Schadenersatz abgeleitet werden könne. Weil die Amtshaftung aus rein formalen Gründen nicht infrage kam, hat der OGH inhaltlich gar nicht mehr überprüft, ob eine schuldhafte Pflichtverletzung seitens der Behörden vorlag. Damit ist dieses Urteil umgekehrt auch kein Persilschein für die involvierten Behörden und deren offensichtliche Pannen. Insbesondere Tirol kann daraus nicht den Schluss ziehen „wir haben alles richtig gemacht“. Wie könnte man auch etwas exkulpieren, was gar nicht untersucht wurde? Echte Falschinformationen Bei genauer Analyse dieser Causa stößt man freilich auf falsche Tatsachen und echte Falschinformationen, die Zweifel am Urteil aufkommen und auf eine abenteuerliche Bewertung behördlicher Medieninformationen schließen lassen. Zwei Tage vor Anreise von Hannes Schopf, am 5. März, gab es etwa laut OGH im Bezirk Landeck nur sieben Covid-Verdachtsfälle, von denen keiner bestätigt war. Das ist falsch! Wahr ist vielmehr, dass es an diesem Tag einen amtlich bestätigten Covid-Fall gegeben hat: einen norwegischen Studenten in Pettneu am Arlberg, das zum Bezirk Landeck gehört. Die Tiroler Landesregierung hatte da rüber zu Mittag via Pressemitteilung informiert. Foto: Jacqueline Godany Dabei ließ man unerwähnt, dass der Student in Ischgl gewesen war. Die Bezirkshauptmannschaft Landeck musste aber davon gewusst haben, da ihn der Amtsarzt von Landeck persönlich untersucht hatte. In der Pressemitteilung verwies man nur darauf, dass der Student aus Italien eingereist war. Es ist mehr als aufklärungsbedürftig, warum der OGH zur faktenwidrigen Annahme gelangte, es hätte im Bezirk Landeck an diesem Tag noch keinen bestätigten Covid-Fall gegeben! Denn außer dem Covid-Fall in Pettneu (mit weiteren drei Verdachtsfällen) wurde am 5. März auch noch amtlich bekannt, dass 14 isländische DIESSEITS VON GUT UND BÖSE Von Lydia Ninz „ Die Botschaft an die Behörden: Bleibt möglichst unpräzise, dann seid ihr nicht zu belangen, selbst wenn ihr lügt. “ Gäste, die in Ischgl logiert hatten, an Covid erkrankt waren. Dazu veröffentlichte die Tiroler Landesregierung am frühen Abend eine Pressemitteilung, die von Falschinformationen nur so strotzte. Darin war die Rede, dass „mehrere“ von 14 isländischen Gästen, die im Tiroler Oberland auf Urlaub waren, Covid hätten. Tatsächlich waren nachweislich alle 14 Isländer erkrankt und nicht „mehrere“ von ihnen. Zudem wurde die Vermutung aufgestellt, dass die Isländer auf dem Rückflug infiziert worden wären, weil ein erkrankter Italien-Urlauber an Bord gewesen war. Daher sei es aus medizinischer Sicht wenig wahrscheinlich, dass es zu Ansteckungen in Tirol gekommen ist. Tatsächlich waren die Isländer mit zwei verschiedenen Flugzeugen zu unterschiedlichen Zeiten geflogen und zwei von ihnen schon in Ischgl erkrankt. Die These von der Ansteckung auf dem Heimflug wurde medial verbreitet, obwohl alle Zuständigen in Tirol bereits vor Versenden der Pressemitteilung wussten, dass diese These falsch war. Faktenwidrig heruntergespieltes Risiko Dem OGH war das bekannt – und er stufte diese Mitteilung als inhaltlich falsch ein. Dennoch lehnte er eine Amtshaftung ab. Wieder aus formalen Gründen, sodass er auch in diesem Punkt gar nicht näher überprüfte, ob ein Fehlverhalten der Behörden vorlag. Weil diese Pressemitteilung vage und vorsichtig formuliert gewesen sei, sei kein „Vertrauenstatbestand“ gesetzt worden. Weder sei behauptet worden, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen sei – noch das Gegenteil. Die Tatsache, dass man in dieser Pressemitteilung Ischgl aus dem „Schussfeld“ bekommen wollte und das Urlaubsgebiet der erkrankten Isländer auf das Tiroler Oberland ausdehnte, wertete der OGH sogar als entlastend. Echt jetzt? Gerade in einer akuten Krisensituation, bei der die Ausbreitung eines todbringenden Virus rasch gestoppt und die Menschen entsprechend informiert werden müssten, soll eine Behörde das Ausmaß der Risikosituation faktenwidrig herunterspielen dürfen? Medien, die dermaßen die Fakten verdrehen, würden zu Recht sanktioniert! Folgt man der Logik des OGH, dürfen in Österreich Behörden in Krisen falsch und irreführend informieren – solange sie Unsicherheiten produzieren. Die Botschaft an die Behörden: Bleibt möglichst unpräzise, dann seid ihr rechtlich nicht zu belangen, selbst wenn ihr nachweislich lügt. Die Botschaft an Bevölkerung und Gäste: Traut keiner Behörde, schon gar nicht in Krisen. Auf der Strecke bleiben Opfer und Angehörige. Aber auch die Glaubwürdigkeit der Behörden. Die Autorin ist Journalistin und Geschäftsführerin von „AJOUR – Arbeit für JournalistInnen“. Weitere Hintergründe zur Causa auf lydianinz.at. „Beim Bäcker, beim Friseur oder im Kaffeehaus. Bezahlt du bar oder mit Karte?“, fragt Karl Nehammer neuerdings in einem Video. „Ich will, dass du genau das auch in Zukunft selbst entscheiden kannst.“ Das ist voll nett vom Kanzler, der neuerdings auch unser aller Duzfreund ist. Denn wer will das bitte nicht selbst entscheiden? Wer will schon weiterhin am Würstelstand im Bronze-Schotter kramen, wenn er schnell und bequem auch mit der Karte zahlen kann? Eben. Und so eine kleine blaue Nationalrats- Sondersitzung zum Thema „Mehr Speck in die Verfassung!“ kann mitten im Sommerloch durchaus erfrischend sein. Überhaupt ist es fein, dass sich die Parteien nach der ein wenig ins Abnorme abgeglittenen Normalitätsdebatte jetzt endlich mit dem wirklich wesentlichen Thema beschäftigen: Geld. Die einen fordern Bankomaten in jedem Ort, die anderen einen staatlichen Rettungsschirm, wenn Häuslbauer bei ihren flexiblen Krediten nicht damit gerechnet haben, dass die Zinsen womöglich irgendwann auch steigen könnten – und die Dritten ein „Dreinfahren“ bei den Banken. Nicht nur geredet, sondern konkret gehandelt hat einstweilen der Verein für Konsumenteninformation mit einer Banken-Verbandsklage angesichts inexistenter Haben- und exorbitanter Sollzinsen. Aber das ist sicher nur eine Fata Morgana. Doris Helmberger Die Quint-Essenz macht bis 16. August Sommerpause. Eine Auswahl an Kolumnen von Brigitte Quint finden Sie anhand dieses QR-Codes auf der FURCHE-Homepage. PORTRÄTIERT Vom Journalisten zum Präsidentschaftskandidaten Fernando gibt es keinen Diskurs“, sagte kürzlich niemand Geringeres als Christian „Ohne Zurita, der neue Nachfolger des ermordeten ecuadorianischen Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio. Dieser war am vergangenen Mittwoch nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito erschossen worden. Bei dem anschließenden Schusswechsel mit Sicherheitskräften erlag einer der Verdächtigen seinen Verletzungen. Sechs weitere, allesamt Männer aus dem Nachbarland Kolumbien, befinden sich in Untersuchungshaft. Der 53-jährige Zurita ist wie Villavicencio Investigativjournalist und war ein enger Vertrauter und Kollege des verstorbenen Kandidaten. Medienberichten zufolge hatten die beiden bereits mehrfach zusammengearbeitet, unter anderem bei der Aufdeckung von Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung von Ex-Präsident Rafael Correa. Ein politisches Amt hatte Zurita bisher noch nicht inne. Zunächst war Villa vicencios Vizekandidatin Andrea González Náder als Nachfolgerin im Gespräch. Nun gab die Partei Construye (dt. „baue“) bekannt, dass doch Zurita ins Rennen geschickt wird. Grund für den Rückzug von Náder ist die Entscheidung der Wahlbehörde CNE. Die Politikerin und Umweltaktivistin ist bereits als Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin registriert. Náder kandidiert nun weiterhin für dieses Amt. „Mangels klarer Antworten des CNE und angesichts der wütenden Reaktion einiger politischer Kreise werden wir kein Risiko eingehen“, teilte die Mitte-links-Partei mit. Obwohl Zurita offiziell als Kandidat nominiert ist, darf er nicht an der einzigen Debatte vor der Wahl am kommenden Sonntag teilnehmen, weil die Papiere nicht rechtzeitig eingereicht wurden. Die letzten Jahre waren keine leichten für das Land mit seinen 18 Millionen Einwohnern. Die Mordrate hat sich seit 2016 verfünffacht und ist damit eine der höchsten in der Region. Während alle acht Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen am 20. August ver sprochen hatten, die steigende Kriminalität in den Griff zu bekommen, war es vor allem Villavicencios Anliegen, gegen Mafia und Drogenhändler vorzugehen. Ein ähnlicher Kurs wird nun auch von Zurita erwartet. Einen Unterschied gibt es jedoch: Zurita trägt über seinem weißen Hemd immer eine Schutzweste. Sein Vorgänger hatte sich trotz Morddrohungen ge weigert, die Weste zu tragen, und stets beteuert: „Ich fürchte mich nicht.“ (Helena Pichler) Foto: APA / AFP / Martin Bernetti Der 53-jährige Christian Zurita ist der neue Präsidentschaftskandidat der Partei Construye in Ecuador. Er folgt dem ermordeten Fernando Villavicencio nach.

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