DIE FURCHE · 20 20 Ausstellung 17. Mai 2023 Er wollte den Staat modernisieren, die Salzburger mochten ihn nicht. Eine Ausstellung im Dom- Quartier widmet sich Hieronymus Graf Colloredo. Reformer im Geist der Aufklärung Zu fortschrittlich Er hatte viele Pläne und große Ambitionen, aber seine aufklärerisch-fortschrittlichen Reformen stießen viele vor den Kopf: Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1732-1812), hier porträtiert von Franz Xaver König, Öl auf Leinwand, um 1773. Von Franz Mayrhofer Drei Jahrzehnte vor der französischen Invasion, vor mehr als 250 Jahren, suchte der Salzburger Fürsterzbischof Hieronymus Franz de Paula Joseph Colloredo (1732-1812) eine Modernisierung des Staates im Sinne der Aufklärung in Gang zu setzen. Es sollte das letzte Kapitel des geistlichen Fürstentums Salzburg werden. Die Ausstellung im DomQuartier Salzburg – in den nördlichen Domoratorien und drei Sälen der Resi- denzgalerie – beschäftigt sich mit der Persönlichkeit Colloredos, der als „Reformer in neuem Licht“ präsentiert wird. Der Anlass: Das 250-Jahr-Jubiläum der Wahl des Grafen zum Salzburger Erzbischof. Die Salzburger mochten Colloredo nicht, sie hassten ihn sogar, weil er als Reformer im Geist der „ Dass der stets kränkelnde Mann dennoch 80 Jahre alt wurde, lag daran, dass er stets die besten Mediziner seiner Zeit um sich hatte. “ Foto: Oskar Anrather Aufklärung – in seinem Arbeitszimmer standen Büsten von Voltaire und Rousseau – einen radikalen Kurs der Minimierung der übergroßen Zahl kirchlicher Feiertage und alter Handwerksbräuche, etwa des „Metzgersprunges“, betrieb. Als 1787 das traditionelle „Martinigansl“ abgeschafft wurde, kam es zu einem Aufruhr der Schustergesellen, der vom Militär beendet wurde. All das und die Beschneidung des barocken Überschwangs der römischen Liturgie brachten ihm den Verdacht des Luthertums ein. Mit seinem 111 Druckseiten umfassenden Reformhirtenbrief von 1782 anlässlich des 1200-Jahr-Jubiläums der Gründung des Erzstiftes rückte er allerdings als reformfreudiger Fürst der katholischen Aufklärung ins europäische Rampenlicht. Dem Dokument folgten Übersetzungen ins Französische und Italienische. Darin wollte er die bestehende Glaubenspraxis im Sinne der modernen Aufklärung erneuern. Ziel war die Prunkentfaltung einzudämmen und dafür die Notleidenden zu unterstützen. Zudem sollte die Verehrung der Gottesmutter und der Heiligen zu Gunsten intensiver Lektüre der Bibel zurückgeschnitten und Bildung und Ausbildung nicht nur der Seelsorger betrieben werden. Dazu kamen Reformen des Steuerwesens, der Schulen, der medizinischen und sozialen Fürsorge und eben der Glaubenspraxis, die ihm das Domkapitel übelnahm. Föderer der schönen Künste Die Beurteilung Colloredos als Persönlichkeit und seines Wirkens war und ist zwiespältig. Dies analysierend darzustellen und Vorurteile auszuräumen, war die Herausforderung an Reinhard Gratz, dem Direktor des Dommuseums Salzburg, der für Idee, Konzept und Durchführung der Schau verantwortlich zeichnet. Nicht zu übersehen sind in Salzburg als Sitz des Fürsterzbischofs und Landesfürsten die Bereiche von Kunst und Kultur: Etwa der Weiße Saal in der Residenz, ein Meisterwerk klassizistischer Handwerkskunst, die Stukkaturen im Rittersaal und als kostbares Stück eine französische Sitzgarnitur, die Colloredo in Paris bei Henri Jacob geordert hatte und die zu den wenigen originären Möbeln gehört, die in Salzburg erhalten geblieben sind. Zu erwähnen ist die Einrichtung eines enkaustischen Kabinetts 1789 mit Bildern von Andreas Nesselthaler, der 56 Gemälde anfertigte, wovon 52 verschollen sind; als 1806 Salzburg an Österreich fiel, sollten diese Arbeiten nach Wien gebracht werden, auf dem Weg „verlief sich die Spur der Gemälde“. Am 10. Dezember 1800 flüchtete Colloredo vor den Franzosen nach Wien, 1803 verzichtete er auf die weltliche Herrschaft. Der gebürtige Wiener starb 1812 in Wien an den Folgen eines Schlaganfalls. Dass der stets kränkelnde Mann dennoch 80 Jahre alt wurde, lag daran, dass er stets die besten Mediziner seiner Zeit um sich hatte, was auch der Bevölkerung zu Gute kam; so wurde z. B. eine Pockenimpfung eingeführt (Colloredo war selbst an Pocken erkrankt). Der Reformator wurde im Stephansdom bestattet, seine sterblichen Überreste wurden 2003 nach Salzburg überführt und in der Krypta des Doms bestattet. Im Jahr 1806 war es mit der Selbstständigkeit Salzburgs vorbei. Es kam zu Österreich. Colloredo. Reformer in neuem Licht DomQuartier Salzburg, bis 29. Mai www.domquartier.at Colloredo. Reformer in neuem Licht Katalog zur 44. Sonderausstellung Hg. von Reinhard Gratz und Thomas Mitterecker DomQuartier Salzburg, 2023 287 S., kart., € 34,90 IN KÜRZE MUSIK ■ Schweden gewinnt ESC MEDIEN ■ Hämmerle geht zur Kleinen WISSEN ■ Jubiläum für Tropenstation WISSEN ■ Zuckerfreie Süßstoffe Am Samstag ging der 69. Eurovision Song Contest in Liverpool über die Bühne. England fungierte stellvertretend für die Ukraine als Austragungsort, die letztes Jahr den Bewerb gewann. Österreich wurde dieses Jahr durch die Sängerinnen Teya & Salena vertreten, die Platz 15 belegten. Als Siegerin des heurigen Wettbewerbs konnte sich die schwedische Sängerin Loreen durchsetzen. Nach 2012 gewann sie den Song Contest zum zweiten Mal; für Schweden war es der siebente Sieg in der Geschichte des ESC. Der Austragungsort für den Wettbewerb 2024 ist somit jenes Land, aus dem auch die Gewinner-Band von 1974 stammt: ABBA. Walter Hämmerle wird neuer Leiter der Innenpolitik bei der Kleinen Zeitung. Der ehemalige Chefredakteur der Wiener Zeitung dockt mit September in der Wiener Redaktion der Tageszeitung an, wo nach mehreren Abgängen eine Neuaufstellung erfolgen soll. Die Gesamtverantwortung für den Standort in Wien bleibt beim stv. Chefredakteur Michael Jungwirth. Hämmerle legte die Chefredaktion der Wiener Zeitung Ende 2022 zurück. Die älteste Tageszeitung der Welt war damals bereits mit jenen Regierungsplänen konfrontiert, die ein Ende der täglichen gedruckten Ausgabe vorsahen und mittlerweile auch vom Bundesrat besiegelt wurden. Die österreichische Tropenstation La Gamba in Costa Rica feiert heuer ihr 30-jähriges Bestehen. Der von einem Uni Wien-nahen Verein getragene Stützpunkt bietet Forschenden und Studierenden in einem der artenreichsten Regenwälder der Erde besonders günstige Forschungsmöglichkeiten. Zudem bemühen sich die Wissenschafter um Naturschutz und die Bevölkerung in der Region. Zum Jubiläum wird ab 17. Mai im Botanischen Garten der Universität Wien eine Fotoausstellung gezeigt. Gezeigt werden auch Beispiele von Projekten zur Wiederbewaldung und der Verbesserung der sozioökonomischen Situation vor Ort. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät davon ab, zur Gewichtskontrolle auf zuckerfreie Süßstoffe zu setzen. Studien hätten gezeigt, dass dies zwar kurzfristig helfen könne, abzunehmen oder nicht weiter zuzunehmen. Bei langfristiger Verwendung steige aber das Risiko einer Gewichtszunahme und von starkem Übergewicht (Adipositas). Bei Erwachsenen sei langfristiger Konsum auch mit erhöhtem Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten assoziiert. Unabhängig davon empfiehlt die WHO, den Zuckerkonsum zu reduzieren. Weltweit sind Milliarden Menschen von Übergewicht und Adipositas betroffen.
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