19 · 11. Mai 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– seine Lieblingsthemen und Narrative übernimmt – um ihn gleichzeitig zu verteufeln. Natürlich: Moralisierendes Reden allein wird den Zulauf zur FPÖ schwerlich stoppen. Zu gekonnt inszeniert sie sich als Zufluchtsort aller vom „System“ Enttäuschten. Nötig ist vielmehr eine tatkräftige Politik – konkret Regierungsparteien, die sich nicht nur Von Doris Helmberger in vorauseilendem Wahlkampf um Selbstprofilierung kümmern, sondern neben der s waren die Tage des Erinnerns – eigenen Familiengeschichte wegen. Dazu Abarbeitung des Regierungsprogramms und der mahnenden Worte: Beim eingeladen hatte ihn übrigens Wolfgang Sobotka – jener Nationalratspräsident, der zur sehr hier Luft nach oben ist, hat der jüngs- auch gemeinsam akute Probleme lösen. Wie „Fest der Freude“ zum 78. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus rief der Bundesprä- um die Festrede gebeten hatte. Ein Freund der grüne Sozialminister dabei von den gro- Parlamentseröffnung Wolfgang Schäuble te „Lebensmittelgipfel“ gezeigt. Dass sich sident am Wiener Heldenplatz zu Zivilcourage auf. „Sprachliche Attacken sind der wenn ihm Friedmans Rede kaum behagte. ring durch die Manege ziehen ließ und sich klarer Worte ist Sobotka jedenfalls. Auch ßen Konzernen gleichsam mit dem Nasen- Vorschlaghammer, mit dem die Mauer des erst nach bösen Boulevard-Schlagzeilen an Humanismus mürbe geschlagen wird“, Unglaubwürdiger Schrecken die eigene Gestaltungsmacht erinnerte, ist warnte Alexander Van der Bellen. Wen er Jedes Gedenken, jedes „Nie wieder!“ müsse bezeichnend (vgl. S. 14). damit meinte – wohl FPÖ-Chef Herbert glaubwürdig sein, lautete Friedmans zentrale Forderung. Doch was heißt das für die ak- übrigens nur zu berichten – und nicht Re- Die Aufgabe der Medien bei alledem ist Kickl, der ihn selbst als „senile Mumie“ verunglimpft hatte –, war klar. Er musste ihn tuelle Politik? Geht es darum, einen Cordon gierungspropaganda zu betreiben, wie dies nicht extra beim Namen nennen. Sanitaire um die radikalisierte Kickl-FPÖ Karoline Edtstadler zuletzt offenbar vorschwebte. Aber vielleicht hilft auch hier ei- Deutlich expliziter waren ein paar Tage einzurichten, so hat sich die Volkspartei zuvor die Worte von Michel Friedman ausgefallen. Bei einer Gedenkveranstaltung Nach Niederösterreich schickt man sich nun Kreisky, der vor genau 40 Jahren zurückge- von diesem Ansinnen längst verabschiedet. ne kurze Erinnerung – konkret an Bruno zur Befreiung des KZ Mauthausen im Parlament sprach der streitbare deutsche Phi- Sache zu machen. Vergessen Wilfried Hasry“ umriss Kreiskys Biograf, Christoph Ko- auch in Salzburg an, mit ihr gemeinsame treten ist. In der sehenswerten „ZIB 2 Histolosoph mit Blick auf die FPÖ von „Antidemokraten“, von einer „Partei des Hasses“, „Kickl im Gepäck“ (vgl. FURCHE Ausgabe 15) von klugen Leuten beraten lassen, sich nicht lauers Warnung, dass auch Marlene Svazek tanko, dessen Politikverständnis so: sich die nicht allen Menschen Würde zubillige – habe. Und nur mehr mäßig glaubwürdig jenes große „Erschrecken“, das Verfassungs- Umsetzung der eigenen Konzepte arbeiten. irritieren lassen – und nachhaltig an der und von einer ÖVP, die diese Partei durch zweimalige Regierungsbeteiligung „gekoschert“ habe. Die Aufregung über diese sichts eines Bundeskanzlers Herbert Kickl notwendigem Gedenken – eine gute Alterministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ange- Kurz: politisch handeln. Das wäre – neben Worte, die den Rahmen der sonst üblichen in der Kleinen Zeitung bekundet. Zu sehr native zum blauen Schreckgespenst. Erinnerungsrhetorik sprengten, war groß. hat man diesem personifizierten Schreckgespenst längst den Boden bereitet, indem doris.helmberger@furche.at Durfte man so sprechen? Friedman durfte, ja er musste Tacheles reden, auch seiner man in einer verqueren Doppelstrategie @DorisHelmberger Hebammen unterstützen Frauen am Weg zur Mutterschaft, fühlen sich vom System aber zurückgereiht. Andrea Burchhart mit einer Bestandsaufnahme. Seite 10 Putins Weltsicht und die Ideologie der „White Supremacists“ in den USA haben viel gemeinsam. Ob des Ukrainekriegs muss die religiöse Rechte dort aber lavieren. Seite 13 In ihrer Rubrik „Lass uns streiten“ diskutieren Manuela Tomic und Brigitte Quint über die Macht der Supermärkte und die Verantwortung der Konsumenten. Seite 14 Am Sonntag werden den „lieben Mamas“ wieder Blumen geschenkt. Aber wie geht es den Frauen wirklich? Ein „Diesseits von Gut und Böse“ von Katharina Renner. Seite 15 Was macht Julia Schochs Roman „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ so erfolgreich? Das fragt Brigitte Schwens-Harrant und meint: die Einladung zur Identifikation. Seite 18 Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0 DIE FURCHE · 20 12 Diskurs 17. Mai 2023 IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Erweiterung des Horizonts Gedanken. Und handeln Von Doris Helmberger Nr. 19, Seite 1 Als FURCHE-Abonnent möcht ich mich herzlich für die hohe Qualität Ihrer Leitartikel bedanken: mit Tiefgang, informativ, gut recherchiert und doch leicht zu lesen. Eine Erweiterung des (meines) Horizonts. Guntbert Bodmann 1150 Wien Was sind Ihre Interessen? Ein offener Brief zu oben sowie „Marlene Svazek hat Kickl im Gepäck“ Interview mit Wilfried Haslauer Nr. 15, Seiten 6–7 Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, die Erzählung, mit der Sie und Ihre Partei die Koalitionsentscheidung mit der FPÖ rechtfertigen, scheint wenig haltbar. Die Strategie, der SPÖ die Schuld zu geben am angeblich unvermeidbaren Deal mit der FPÖ, kennen wir schon aus Niederösterreich, sie hat auch dort schon keine besonders schöne Optik für die ÖVP ergeben. Noch mehr allerdings irritiert der Verweis auf die Notwendigkeit einer „stabile(n), tragfähige(n) Landesregierung“, die „ausschließlich mit der FPÖ gegeben“ sei. Mit Verlaub – diese Aussage beleidigt meine Intelligenz. Ich muss nicht Höhere Mathematik studiert haben, um festzustellen, dass es drei Optionen gibt, die eine Mehrheit ergeben. Mit SPÖ und Grünen zudem eine, die jener Stabilität entspricht, mit der Sie argumentieren. Das Wort „stabil“ im Zusammenhang mit der FPÖ ins Treffen zu führen, halte ich dagegen für reichlich realitätsund auch geschichtsvergessen. Dass diese Partei Destabilisierung bedeutet, wissen Sie ebenso gut wie ich. Ich empfehle, die 1. Mai-Rede von Herrn Kickl nachzuhören. Schwer ertragbar, aber aussagekräftig. Und ein weiterer Beweis – so es denn noch Beweise brauchen würde – dafür, dass die FPÖ nicht zu verharmlosen ist und nicht zu normalisieren. Die Kontakte Ihrer künftigen Koalitionspartnerin zu Identitären und sonstigen Rechtsextremen in Europa sind hinlänglich bekannt. Und während Sie mit der FPÖ verhandeln, hat sich in Budapest die „Rechte Internationale“ versammelt. Mit im Boot ist Herbert Kickl. Mit dem auch Frau Svazek vor kurzem zu Besuch bei Viktor Orbán war, stolz posierend für Facebook. Schauen Sie da nicht hin? Oder schauen Sie bewusst weg? Sie schreiben: Politik sei „kein Wunschkonzert“. Darauf können wir uns gerne einigen, ich bin weit davon entfernt, Politik und Wunschkonzert miteinander in Verbindung bringen zu wollen. Vielleicht können wir uns aber auch darauf einigen: Politik bedeutet Verantwortung. Und Politik hat die Aufgabe, die Verfassung zu schützen, die Demokratie (und ihre wesentlichsten Institutionen wie Medien und Justiz) zu schützen, den sozialen Frieden zu schützen, die Bürger(innen) und Bewohner(innen) eines Landes – und das meint alle gleichermaßen! – zu schützen. Ziel der FPÖ - und zwar gar kein geheimes – ist die Destabilisierung, der Umbau der demokratischen Verfasstheit dieses Landes. Auch das wissen Sie so gut wie ich. Mit dieser Partei zu koalieren, bedeutet, Österreichs Geschichte zu vergessen. Bedeutet die drängendsten Probleme der Gegenwart zu negieren – weil sie mit der FPÖ nicht lösbar sind, sondern sich verschärfen werden, begonnen bei der Klimakatastrophe bis hin zur gesellschaftlichen Spaltung. Und es bedeutet, die Zukunft des gesamten Landes parteiinternen Interessen zu opfern. Welche Interessen das sind, welche Parteiräson Sie dazu bringt, eine freiwillige und offenbar gewünschte Koalition mit der FPÖ einzugehen und damit von drei Optionen jene zu wählen, die keine sein dürfte! – weiß ich nicht. Dass aber jede wie immer geartete Parteiräson hinter dem Wohl des Landes zurückzustehen hat, darauf möchte ich dann doch bestehen wollen. Nennen wir es: politisches Ethos. Die Verantwortung für eine weitere Koalition mit der FPÖ wird Ihre Partei und werden Sie zu tragen haben. Die Verantwortung dafür, Herrn Kickl und seinen wackeren Erfüllungsgehilf(inn) en Tür und Tor in die Bundesregierung zu öffnen, wird Ihre Partei und werden Sie zu tragen haben. Die Kosten aber tragen – mit Ausnahme einiger Profiteure – alle: die Bewohner(innen) dieses Landes, Umwelt und Natur, der soziale Friede, die Position Österreichs innerhalb Europas. Sie haben immer noch die Möglichkeit, die Koalitionsverhandlungen zu stoppen. Petra Nagenkögel via Mail Bitte ohne Verschwendung Lebensmittelkonzerne als Bösewichte? Lass uns streiten! Von Brigitte Quint und Manuela Tomic. Nr. 19, Seite 14 Den Argumenten beider Diskutantinnen ist zuzustimmen. Doch warum leeren sich die Sozialmärkte und leiden Österreicher(innen) Hunger? Dass es schwierig geworden sei, Lebensmittel in ausreichender Menge und Qualität auf dem Weltmarkt zu finden, wie vom Handel verlautet, ist angesichts von weltweit 800 Millionen Hungernden (30 Millionen davon im MERCOSUR-Raum!) glaubwürdig. Österreich ist nicht mehr autark, und die Zuwanderung betrug im letzten Jahr um die 100.000 Menschen. Lebensmittel müssen vorerst teuer bleiben, auch wenn man eine nachhaltigere Landwirtschaft als Gewinner sehen möchte und nicht den Handel. Es gilt, Verschwendung hintanzuhalten. Die Alternative wäre Rationierung. Zusätzlich gilt es, die Sozialmärkte wieder zu füllen. Dafür hat nun Minister Totschnig Verantwortung übernommen. Wir müssen ein Tabu brechen: die österreichische Landwirtschaft muss produktiver werden. In diesem Sinn sind die zu hohen Nutztierzahlen ebenso in Frage zu stellen wie der Flächenfraß durch Straßen, Gebäude und Photovoltaik – aber auch das Landschaftsideal Wildnis! Elisabeth Ertl via Mail 75 Jahre Staat Israel: Ein Experiment Die Matura als Schein Klimakrise mythologisch befeuert Ben Segenreich über eine „Start-up-Nation“, die Stefan Hopmann ordnet in Woche zwei der Zentralmatura ein, ob die Reifeprüfung als Abschlussritual der Welt zu löschen, fordert Peter Sloterdijk in „Die Man müsste gemeinsam alles dafür tun, die Brände Richter-Clique im Obersten Gerichtshof und eine belastbare Demokratie. · Seiten 6 und 7 überbewertet wird. · Seite 9 Reue des Prometheus“. · Seite 19 Das Thema der Woche Seiten 2–4 E Türkisches Trugbild Rund um den 8. Mai wurde vielfach vor einem Erstarken autoritärer Kräfte gewarnt. Erinnerung ist wesentlich, noch mehr hilft eine tatkräftige, konstruktive Politik. Gedenken. Und handeln „ Von einem ‚Cordon Sanitaire‘ rund um Herbert Kickls FPÖ hat sich die ÖVP offenbar längst verabschiedet. “ Recep Tayyip Erdoğan setzte auf Religion und Nationalstolz und manifestierte seine Macht. Die Wirtschaftskrise könnte sein Ende einläuten. Eine Schicksalswahl. Bild: Rainer Messerklingerr (Unter Verwendung eines Fotos von APA / AFP / Adem Altan) Was heißt Dialog? Am Anderen wachsen Die Regierung startet die Aufarbeitung der Coronakrise. Was es braucht, um ins Gespräch zu kommen. · Seite 23 „Die FPÖ kopieren, hilft nicht“ Die SPÖ-Mitgliederbefragung ist vorbei, ihre Ergebnisse werden am 22. Mai präsentiert. Wiens Bürgermeister, Michael Ludwig, im FURCHE-Gespräch über den roten Richtungsentscheid, das Phänomen Kickl, die KPÖ- Renaissance und Corona-Lehren. Seiten 7–8 AUS DEM INHALT Zum Helfen da Russlands Krieg und US-Evangelikale Sind Lebensmittelkonzerne böse? Schwieriger Muttertag 30 Jahre, gerafft und geschafft furche.at DIE FURCHE EMPFIEHLT Qualitätsmedien? Zum weißen Titelblatt der FURCHE Nr. 18, Seite 1 Natürlich ist die Pressefreiheit ein wichtiges Gut, an dem nicht gerüttelt werden darf; besonders in Diktaturen (politischer oder religiöser Art) leben Journalistinnen und Journalisten oft gefährlich. Leider auch manchmal in Demokratien, wie einige Beispiele aus jüngster Vergangenheit gezeigt haben. Andererseits hat sich in den letzten Jahren meiner Ansicht nach leider auch die Qualität von Printmedien teilweise negativ entwickelt: Rudolf Augstein wird ja der Satz zugeschrieben „Schreiben, was Sache ist“. Leider haben sich viele Medien davon entfernt und die Trennung in Bericht und Meinung existiert vielfach nicht (mehr). In vielen Artikeln, die eigentlich nur über eine Situation berichten sollen, fließt mehr oder weniger die (private?) Meinung des/ der Schreibers/in ein. Und das ist im Endeffekt auch für die Pressefreiheit schädlich, denn Leser können dadurch zur Ansicht gelangen, dass hier die Objektivität fehlt und Manipulationsversuche – mehr oder weniger erkennbar – vorliegen. Dass dann eigentlich abzulehnende Begriffe wie „Lügenpresse“ herumgeistern ist zwar traurig, aber offenbar nicht zu verhindern. Dr. Franz John via Mail Erratum Herr Leopold ist der neue Abt von Wilten Nr. 19, Seite 15 Im „Porträtiert“ des neuen Abtes von Wilten war der Vorname seines Vorgängers falsch: Der Abt em. von Wilten heißt Raimund Schreier (und nicht Norbert). Wir bedauern den Fehler. (ofri) Wie spenden, schenken, vererben Im Rahmen einer Veranstaltung informiert die Caritas der Erzdiözese Wien über die Themen Vorsorge, Testamentsspenden und Schenkungen. Caritasdirektor Klaus Schwertner gibt einen Überblick über aktuelle Caritas-Spendenprojekte, Geschäftsführer Eduard Schreiner informiert über die Caritas Österreich Stiftung und Notarsubstitutin Alice Mondel erklärt, was man bei Schenkungen und beim Vererben beachten muss. Vorsorge, Testamentsspenden und Schenkungen Mittwoch, 31. Mai 2023, 17 Uhr, Curhaus, Stephansplatz 3, 1010 Wien 25 Jahre ÖPC – 25 Jahre Partnerschaft Die Österreichischen Lotterien gratulieren dem Österreichischen Paralympischen Committee (ÖPC) zum 25- Jahr-Jubiläum sehr herzlich. 25 Jahre ÖPC heißt 25 Jahre sportliche Höchstleistungen, 25 Jahre Begeisterung, 25 Jahre Inklusion und 25 Jahre Partnerschaft mit den Österreichischen Lotterien. Als diese Kooperation eingegangen wurde war klar, dass es hier um viel mehr als ein klassisches Sponsoring geht: Es muss selbstverständlich sein, dass Sportler:innen mit körperlichen Behinderungen einen unkomplizierten Zugang zum Leistungssport haben und perfekte Trainingsbedingungen vorfinden. Gleichzeitig geht es um die Anerkennung der Leistungen im Behindertensport durch die Öffentlichkeit und um die dazu nötige Bewusstseinsbildung. In den 25 Jahren wurde gemeinsam viel erreicht: Seit 2001 finden die Paralympischen Spiele immer zwei Wochen nach Abschluss der Olympischen Spiele am selben Veranstaltungsort statt. Ebenfalls seit 2001 werden die Behindertensportler:innen des Jahres im Rahmen der Lotterien Sporthilfe-Gala geehrt. Seit 2004 tragen das Olympic und Paralympic Team Austria die gleiche Bekleidung. Seit 2012 werden Sportler:innen mit Behinderungen gleichwertig von der Österreichischen Sporthilfe, ebenfalls ein Partner der Österreichischen Lotterien, gefördert. Das Ergebnis dieser Bemühungen kann sich sehen lassen: Seit den ersten Paralympischen Spielen 1960 in Rom haben Österreichs Athlet:innen bei Sommer- und Winterspielen unglaubliche 716-mal Edelmetall gewonnen. Die 345 Medaillen bei Winterspielen bedeuten paralympischen Rekord. Die Österreichischen Lotterien gratulieren herzlich zu allem, was in diesen 25 Jahren erreicht wurde und wünschen dem Paralympischen Team als stolzer Partner bereits jetzt alles Gute für die die Spiele 2024 in Paris. IN KÜRZE GESELLSCHAFT ■ Antisemitismusbericht 2023 RELIGION ■ KAÖ zum Pfingstfest BILDUNG ■ Kinder lesen besser als gedacht Die Zahl der antisemitischen Vorfälle ist nach den Coronajahren nicht in dem Ausmaß zurückgegangen, wie erhofft. So wurden der von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) betriebenen Antisemitismus-Meldestelle im vergangenen Jahr insgesamt 719 Vorfälle gemeldet, ein Rückgang von 25,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei handle es sich noch immer um den zweithöchsten Wert seit Beginn der Dokumentation 2008, betonte IKG-Präsident Oskar Deutsch. Die Statistik sei nur eine „kleine Bilanz“ und mache nur einen Teil des Antisemitismus in Österreich sichtbar, betonte Deutsch bei der Präsentation des Berichts. Pfingsten ist ein „unterschätztes Fest“ – dabei birgt dieses mit dem Aussenden des Heiligen Geistes, mit Gemeinschaftsbildung und Mut in der Urkirche verbundene Fest viel Potenzial für Erneuerung. Darauf wiesen der Präsident der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), Ferdinand Kaineder, und die KAÖ-Vizepräsidentinnen Katharina Renner und Brigitte Knell bei einem Pressegespräch in Wien hin. Als Anliegen formulierten sie dabei u. a. eine Neuausrichtung der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit, eine auf Schwächere ausgerichtete, durch Vermögensbesteuerung finanzierte Politik und eine synodalere Kirche, die Frauen mehr Verantwortung einräumt. Die erste PIRLS-Studie (Progress in International Reading Literacy Study) zur Leseleistung von Volksschülern in der Pandemie liegt vor. Das Ergebnis: rund 20 Prozent der teilnehmenden Kinder der vierten Klasse aus 150 Volksschulen sind „schwache Leserinnen und Leser“. Das sind weniger als im internationalen Schnitt (25 Prozent). Sieben Prozent gehören zur Spitzengruppe der besten, das liegt genau im internationalen Schnitt. Die Ergebnisse haben sich in den meisten Ländern geringfügig verschlechtert. Die Studie fiel aber besser aus als von vielen erwartet. Österreichs Kinder erreichten 530 Punkte, das entspricht dem Niveau von 2011. In Tokyo gab es neunmal Edelmetall. Hier Handbiker Walter Ablinger (Gold und Bronze). Foto: ÖPC/GEPA Pictures
DIE FURCHE · 20 17. Mai 2023 Literatur 13 Von Anton Thuswaldner Literaturfestivals bieten die einmalige Chance, über einige Tage hinweg intensiver mit Autorinnen und Autoren in Kontakt zu treten, als es sonst der Fall ist. Wer sich zu einem solchen auf den Weg macht, wird im besten Fall auch einigen Literaten begegnen, die er oder sie vorher nicht kannte. Es ist der Kunst der Kuratorinnen und Kuratoren zu verdanken, wenn man nach einem Festival zudem einen Begriff davon bekommt, wie Literatur unsere Gegenwart zu verstehen und unserem Denken auf die Sprünge hilft. Ein ästhetischer Mehrwert springt vielleicht auch noch heraus. Manche Veranstaltungen sind nach der Art eines Konzeptalbums gestaltet, wonach Zusammenhänge zwischen den einzelnen Programmpunkten bestehen. Andere sind wie ein Medley gestaltet, wonach jeder Auftritt für sich besteht und eine sinnstiftende übergreifende Idee zu suchen vergeblich bliebe. Es gibt Festivals, denen entschieden daran gelegen ist, brennenden Problemen reflexiv entgegenzutreten, wenn in Diskussionen der Stand der Verhältnisse erörtert werden soll oder ästhetische Programme unserer Zeit auf die Probe gestellt werden. Jedes Literaturfestival verfolgt seine eigenen Ziele, und das ist gut so. Dass das zur Verfügung stehende Budget wesentlich zum Erfolg beiträgt, ist leicht zu verstehen. Abseits des Gängigen Am 14. Mai ging das fünftägige Literaturfestival Salzburg zu Ende, das zum 15. Mal stattgefunden hat. Es wird kuratiert von Josef Kirchner, der sich jeweils Unterstützung aus der jüngeren österreichischen Literatur holt. Nach Robert Prosser und Teresa Präauer war in diesem Jahr Anna Weidenholzer an der Programmgestaltung beteiligt. Schön, dass es nicht auf eine Promi-Versammlung hinauslief, sondern dass ein anspruchsvolles Programm zustande kam, das mit Namen aufwartete, die nicht ohnehin in aller Munde sind. Es ist wichtig, ins Bewusstsein zu rufen, dass es abseits des Gängigen eine Menge bedeutsamer Entdeckungen zu machen gibt und dass Österreich nicht das Maß aller literarischen Dinge ist. Deshalb war der Auftritt von Leila Aboulela so besonders, weil sie, von Ägypten kommend, ihre väterlichen Wurzeln im Sudan hat und inzwischen nach Stationen in Indonesien und im arabischen Raum in Schottland lebt. Sie ist die perfekte Auskunftgeberin in Sachen Emigration, kennt die Hoffnungen der Flüchtlinge, die an der harten Realität gnadenlos zerschellen. Stadtspaziergänge gehören zur Eigenart des Festivals. Bodo Hell, der Polyhistor des Randständigen, weiß alles über Bäume. Mit dem Schlagwerker Peter Angerer führte er vom Mirabellpark in Vergangenes Wochenende fand das Literaturfest Salzburg statt. Ein Anlass, um diverse österreichische Literaturfestivals in den Blick zu nehmen und zu fragen: Was machen sie? Was können sie? Wie Literatur gefeiert wird die Rupertus Buchhandlung und holte aus seinen mit Informationen prall gefüllten Texten rhythmisch-musikalische Qualitäten heraus. Ein anderer Spaziergang erinnerte an Ferdinand Hanusch, dessen Todestag sich heuer zum 100. Mal jährt. Als Politiker war er maßgeblich an einer fortschrittlichen Sozialgesetzgebung beteiligt. Als Schriftsteller ist er zu Recht vergessen, was deutlich wurde, als man im Verlauf der Wanderung vom Ferdinand-Hanusch-Platz in die Arbeiterkammer Proben seiner naturalistisch imprägnierten Prosa und Dramatik zu hören bekam. Die Rauriser Literaturtage wiederum, geleitet von Ines Schütz und Manfred Mittermayer, stellen ihr Programm jedes Jahr Ende März jeweils unter ein Motto. Sie gehen ein geringes Risiko ein, wenn sie sich auf weitgehend bekannte Namen verlassen. Bei einem Motto wie „Aus dem Rahmen“ findet nahezu alles Platz, was Literatur wird, zumal Abweichungen und Regelverstöße Autoren sowieso mehr anziehen als die Norm. Gespräche bekommen einen größeren Stellenwert als anderswo. Das liegt nicht nur an Schütz und Mittermayer, die eng am Text bleiben, wenn sie ihre Fragen an die Vortragenden stellen, sondern auch an den Studierenden von fünf österreichischen Universitäten. Jeweils ein Team bereitet sich auf einen Autor oder Autorin vor, die Diskussionen entwickeln sich lebendig. Ein Termin ist zudem einem ausführlichen Gespräch Manfred Mittermayers mit einem ausgewählten Repräsentanten der Gegenwartsliteratur vorbehalten. In diesem Jahr kam Bodo Hell aus Anlass seines 80. Geburtstags zu Wort. Als Zuhörer kann man sich gut vorstellen, was Peter Angerer meinte, als er vor Kurzem bekannte, wie anstrengend es sei, mit Hell eine Fahrt im Auto zu unternehmen. Foto: Erika Mayer Mehr als ein Spaziergang Mit Bodo Hell und Peter Angerer in Salzburg unterwegs sein: Das bedeutet viel Information, Rhythmus, Musikalität. „Es ist wichtig, ins Bewusstsein zu rufen, dass Österreich nicht das Maß aller literarischen Dinge ist. “ Bei jedem Straßenschild fielen ihm Episoden über verschwundene mittelalterliche Gebäude oder obskure Heilige ein. Ganz anders zeigt sich das Festival „Sprachsalz“ in Hall in Tirol. Ein Team um Heinz D. Heisl gestaltet im Spätsommer ein literarisches Wochenende, das ganz von eigenen Vorlieben bestimmt ist. Das kann Unerwartetes zur Folge haben, zumal das Festival international ausgerichtet ist. Der Amerikaner Michael Chabon und der Norweger Jon Fosse, die Schottin A. L. Kennedy und die Japanerin Yoko Ogawa, wann hat man Gelegenheit, ihnen sonst zu begegnen? Es bedarf schon eigensinniger Köpfe, um Leute aus dem Umkreis der Beat-Generation nach Tirol zu holen, zu denken ist an Lawrence Ferlinghetti oder Ruth Weiss. Sie traten wie Zeugen aus einer anderen Zeit in Erscheinung, störrisch, unbeugsam, kritische Köpfe aus dem Geist der Poesie, die auf die Kraft des Wortes vertrauten. So sieht erlebte Literaturgeschichte aus. Neues und Klassiker Das Wiener MuseumsQuartier wiederum bietet im Sommer den Ort für die o-töne. Die Veranstaltung ergibt eine Leistungsschau der österreichischen Literatur, wenn im Wochenrhythmus die Bühne einem Debüt und der Neuerscheinung einer renommierten Persönlichkeit gehört. Constantin Schwab im Doppelpack mit Marie Gamillscheg, so sah eine Kombination im Vorjahr aus. Und wenn man Glück hat, darf man einer brauchbaren Einführung zuhören, die, wenn man noch mehr Glück hat, auch noch zu einem vernünftigen Gespräch führt. In diesem Jahr wird vom 13. zum 16. Juli zum dritten Mal das Literaricum Lech durchgeführt werden, kuratiert von Nicola Steiner. Im Mittelpunkt steht jeweils ein Klassiker, von dem ausgehend Probleme, die uns heute angehen, in Form von Lesungen und Diskussionen erörtert werden. Im vorigen Jahr drehte sich alles um die Erzählung „Bartleby, der Schreiber“. Diesmal soll Jane Austens Roman „Stolz und Vorurteil“ den Ausgangspunkt bilden. Denis Scheck wird sich den Roman in seiner Eröffnungsrede vornehmen, ein Gespräch über Frauenbilder „zwischen Mutterideal und Hexe“ ist ebenso vorgesehen wie ein Gespräch aus der Werkstatt der Übersetzerin Andrea Ott. Das Festival will „Themen wie Gesellschaft, Klasse, Geld und die Rolle der Frau in der zeitgenössischen Literatur“ beleuchten, wie der Vorankündigung zu entnehmen ist. Das Festival „Literatur im Nebel“ wiederum geht in Heidenreichstein im Waldviertel jeweils im Oktober eigene Wege. Ein Ehrengast steht im Mittelpunkt, im vorigen Jahr war es der russische systemkritische Schriftsteller Vladimir Sorokin. Lesungen, Vorträge, Gespräche – keine schlechte Basis, einer prägenden literarischen Gestalt der Gegenwartsliteratur nahe zu kommen.
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