DIE FURCHE · 4614 Diskurs16. November 2023ERKLÄRMIR DEINEWELTVerändernSie IhreGlaubenssätze?Den gesamten Briefwechselzwischen Johanna Hirzbergerund Hubert Gaisbauer könnenSie auf furche.at bzw. unterdiesem QR-Code nachlesen.Johanna Hirzbergerist Redakteurin von „RadioRadieschen“ und freieMitarbeiterin von Ö1.Den Briefwechsel gibt esjetzt auch zum Hören unterfurche.at/podcast„ Ganz unter demMotto ,Geht nichtgibt’s nicht‘ zwingeich mir selbst oftmehr auf, als mirguttut. Kennen Siedieses Phänomen? “Schon wieder erheitern Sie mich bereits zu Beginn.Also verraten Sie mir doch bitte: Waren Sie derBlues größe denn böse? Hoffentlich haben Sie genausoviel Freude an meinen Vokabeln wie ich an Ihren Geschichten.Ich gebe zu, manchmal verwende ich bewusstAll tags slang, um Sie und unsere Leser(innen) auf demLaufenden zu halten. Danke, dass Sie dann die passendeÜbersetzung ergänzen.Ich weiß, ich gehe schon wieder nicht auf das aktuelleWeltgeschehen ein, aber trotzdem möchte ich mit Ihnenteilen, dass ich mich wieder fit und gesund fühle. Sobin ich auch aus meinem Netflix-Kuscheldecken-Kokongeschlüpft. Zugegebenermaßenetwas benommenund übermütig habe ich mich vergangeneWoche in soziale Highlightsgestürzt. Vielleicht erinnern Sie sichnoch an meine Freundin, mit der ichim Musikhaus die Schnitzler-Auswahlkritisiert hatte? Nun, vergangeneWoche habe ich sie zum erstenMal seit diesem Event wiedergesehen.Um Missverständnisse auszuräumen:Wir haben uns lieb – nur leiderselten Zeit füreinander.Genau deswegen hatte ich also vor Monaten in einerNacht-und-Nebel-Aktion zwei Tickets für den Auftrittvon „Toxische Pommes“ gekauft. Heutzutage bin ich nurselten so spontan und gleichzeitig vorausschauend. Alswir den Aufführungssaal betraten, war ich sogar von derSitzauswahl meines Vergangenheits-Ichs (am Rand zumGang) begeistert und musste mich dafür lautstark selbstloben. Meine Freundin lachte und hatte volles Verständnisfür meine Euphorie. Wir waren uns einig, dass wirunseren Zukunfts-Ichs meistens zu viel zumuten. Ganzunter dem Motto „Geht nicht gibt’s nicht“ zwinge ich mirselbst oft mehr auf, als mir guttut. Kennen Sie diesesPhänomen? Aus dem Motto wurde für mich durch meineArbeit als Journalistin ein Glaubenssatz. Mittlerweileversuche ich mich allerdings von dem Zwang, etwas abzuliefern– koste es, was es wolle –, zu lösen. Ich sage mirmantraartig, dass ich mich dafür entscheiden darf, wannmir der Aufwand bzw. die Selbstausbeutung für das Gelingeneiner Sache wie viel wert ist. Welche Glaubenssätzehaben Sie im Laufe Ihres Lebens erkannt und vielleichtsogar verändert?Zurück zur Geschichte. Wir saßenalso gespannt im abgedunkeltenStadtsaal, als eine weiß gekleideteFrau mit langem dunklem Haarzum Tisch in der Bühnenmitte gingund sich auf den Stuhl dahinter setzte.„Toxische Pommes“ ist das Tik-Tok-Pseudonym von Irina. Im echtenLeben ist sie Juristin. Auf der chinesischenSocial-Media-Plattform veröffentlichtsie 15-sekündige Videos,in denen sie sich über Klischees rundum Österreich, Balkan, Bobos undBoomer lustig macht. Die erste Frage, die sie ans Publikumstellte, war: „Zeigt mal auf, wer hier hat keinen Migrationshintergrund?Deutschland zählt natürlich nicht.“Was für ein fantastischer move, denn mir war es wirklichunangenehm, aufzuzeigen. Gleichzeitig musste ichüber die (deutschen?) Hände vor mir schmunzeln, diesich langsam doch nach oben bewegten. Einfach herrlich!Ich kann das Programm nur empfehlen. Sie solltenes sich ansehen. Ich würde wirklich gerne wissen, wie esIhnen gefällt.Ich freue mich schon auf Ihren nächsten Brief.Von Erhard BusekEr war „der Fürst“ – und zugleich ein „Beweger“In FURCHE Nr. 49(Mittel-)Europas: Erhard Busek zum 70. Geburtstag38006. Dezember 2007 von Karl Schwarzenberg am 10. Dezember 2007.„Er vergegenwärtigt mit diesem Lebensbogenden Weg Europas in der Zeit“: Das schriebErhard Busek in seiner Würdigung seineslangjährigen Weggefährten Karl Schwarzenberg,der die Idee von „Mitteleuropa“ nichtnur vor Augen hatte, sondern wie kaumein anderer selbst verkörpert hat.Kníže Karel,der EuropäerAUSGABENDIGITALISIERTEs wird mir unvergesslich bleiben,wie ich mit dem Kanzler des tschechoslowakischenPräsidenten VáclavHavel Anfang der neunziger Jahredurch die Prager Szene ging und die jungeGeneration ihn liebevoll als „KnížeKarel“ („Fürst Karl“) ansprach. Eine gewisseDimension der Geschichte kamhier zum Vorschein: wenn ein Spross eineralten europäischen Familie auf dieseWeise in der Aktualität des damaligenTransformationsstaates sichtbar wurde –und das aus gutem Grund.Der langjährige Vorsitzende der InternationalenHelsinki-Föderation, Freundund Unterstützer mitteleuropäischer Dissidenten,politisches „Urvieh“ ist wohl einegelungene Mischung aus historischerErfahrung, europäischer Qualität undgroßem persönlichen Engagement. Langestilisierte er sich als „Gast- und Forstwirt“in Österreich, wurde von manchenFoto: APA/Fohringerunterschätzt und vielen geliebt und warstets ein Beweger. Sei es in der MedienszeneWien oder heute auch in Prag.Es darf darüber nachgedacht werden,was in unserer Zeit alles möglich ist,wenn er heute Außenminister des EU-Mitglieds Tschechische Republik ist. KarlSchwarzenberg war einer, der Mitteleuropa,ja Europa, verkörpert hat und es verstand,in seiner Kenntnis von Personen,Situationen und Geschichte dafür auchengagiert einzutreten. Er hatte auch vieleVorurteile zu überwinden, die ihm alsdem „Fürsten“ entgegengebracht wurden.Seine Dialogfähigkeit führte aberdazu, das alles zu überwinden – nur einesverträgt er nicht: Dummheit.Ihm zum 70. Geburtstag zu gratulieren,ist eine Freude. Er vergegenwärtigtmit diesem Lebensbogen den Weg Europasin der Zeit. In der damaligen Tschechoslowakei– der letzten Demokratie inder Mitte Europas – geboren, brachen insein Leben die Nazis, der Weltkrieg, dieKommunisten und schließlich die Vertreibunghe rein. Das alles positiv zu bewältigenund zu versuchen, über das eigeneLeben hinaus an der Gestaltungunseres Landes in der Mitte Europas –mit all den mög lichen Verbindungenund Verantwortungen – mitzuwirken,ist eine Leistung, die Respekt verdient.Natürlich wurden ihm auch in derTschechoslowakei, später in der TschechischenRepublik jede Menge Vorurteileentgegengebracht, als er sich politischengagierte. Seine Treue zu Václav Havelist symbolisch, weil es eine Treue zu Wertenund Inhalten ist. Seine Treue zu einemgeistigen Europa wird gerade in dieserZeit gebraucht. Karl Schwarzenberghat nicht das Leben eines Feudalherrn gelebt,sondern ist einer, der aus jeder Situation– und es waren auch sehr schwierigedarunter – das Beste zu machen imstandeist. Mag sein, dass eine reiche Familiengeschichteeine besondere Aufforderungzur Verantwortung vor der Geschichtedarstellt. – Ein herzliches Dankeschön,Kníže Karel, und weiter alles Gute!VON 1945BIS HEUTEÜBER 175.000ARTIKELSEMANTISCHVERLINKTDEN VOLLSTÄNDIGENTEXT LESEN SIE AUFfurche.atMedieninhaber, Herausgeberund Verlag:Die Furche – Zeitschriften-Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KGHainburger Straße 33, 1030 Wienwww.furche.atGeschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner,Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-FlecklChefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-FlecklRedaktion: Philipp Axmann, Dr. Otto Friedrich(Stv. Chefredakteur), MMaga. Astrid Göttche,Dipl.-Soz. (Univ.), Brigitte Quint (Chefinvom Dienst), Victoria Schwendenwein BA,Dr. Brigitte Schwens-Harrant, Dr. Martin Tauss,Mag. (FH) Manuela TomicArtdirector/Layout: Rainer MesserklingerAboservice: +43 1 512 52 61-52aboservice@furche.atJahresabo (inkl. Digital): € 298,–Digitalabo: € 180,–; Uniabo (inkl. 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DIE FURCHE · 4616. November 2023Diskurs15Die christliche Solidarität mit Israel stolpert dieser Tage zu oft. Warum es statt halbherzigerFriedensappelle und Versöhnungsaufrufen ein wehrhaftes Christentum braucht. Ein Gastkommentar.Barmherzigkeit alsKomplize von Gewalt?Dass Terror entschieden die Stirn zubieten sei, scheint unstrittig, solangedie Mittel dafür sich in Statementsund Fürbitten erschöpfen.Die pazifistische Grundhaltungim Christentum kommt in diesen Tagen allerdingsschnell an ihre Grenzen. ChristlicheSolidarität mit Israel stolpert zu oft. WeichenChristen auf halbherzige Friedensappelle aus,weil sie ein gestörtes Verhältnis im Umgangmit Gewalt überhaupt haben?Diese Störung zeigte sich auch bei PapstFranziskus während eines Telefonats am22. Oktober 2023 mit US-Präsident Joe Biden,in dem der Pontifex lediglich den Angriff aufZivilisten verurteilte, ohne die Hamas zu benennen.Diese fehlende Eindeutigkeit überträgtsich auf weitere kirchliche Strukturen –und das ist inakzeptabel.Ein Beispiel aus der Nachbarschaft: Hätten jüdischeVerbände nicht im Vorfeld heftig protestiert,hätte sich Klaus Peter Franzl, Dom pfarrerdes Münchner Liebfrauendoms, mit OberbürgermeisterDieter Reiter (SPD) am 6. Novemberzu einem interreligiösen „Friedensgebet“ aufden Marienplatz gestellt – Schulter an Schultermit Personen aus dem Muslimrat, die regelmäßiggegen Jüdinnen und Juden hetzen. EinigeStunden vor dem geplanten Beginn wurdedie Veranstaltung schließlich seitens der Stadtabgesagt – mit dem etwas beleidigten Hinweis,die Zeit für ein „Friedensgebet“ sei wohl „derzeit“nicht gegeben. Gewiss, ein friedliches Miteinanderwünscht sich jeder, doch die Kontextesind auf dem Münchner Marienplatz ebenandere als im Gazastreifen oder im Oblast Saporischschjaoder in der Sahelzone. Unter Umständenklingen Friedensgebete nicht nur wiefromme Wünsche, sondern wirken schnellselbstgefällig.Wenn #PeaceNotWar kriegerisch wirdDas arglose Kumbaya, das die christlicheNachkriegstheologie benebelt zu habenscheint, führt zu Gewalt und Fehleinschätzungen.Wie kann es sein, dass sich Katholikinnenund Katholiken dreißig Tage nach der massivstenSchändung von Jüdinnen und Judenseit der Schoa an die Seite jener gestellt hätten,die mit seichtem Whataboutism taktieren?Foto: Volker DerlathWo bleibt hier die absolute Solidarität mit Menschenin Israel und jüdischen Menschen weltweit?Es bräuchte hier die Einsicht, dass einFriedensgebet die augenblickliche Ohnmachtvon Jüdinnen und Juden, das Gefühl von Vulnerabilität,Wut, Schmerz und das Bedürfnisnach neuer Selbstbehauptung übergeht, wennes bereits eine Reaktion vorschreibt.Deutlich wird: Am Friedensbegriff wirdein zentrales Problem im christlichen Sprachgebrauch,an christlichen Kernbegriffen undmancher heutigen Auslegungen deutlich. Ist esetwa moralische Naivität oder moralischer Größenwahn,der „Pax Christi Österreich“ schonDIESSEITSVON GUTUND BÖSEVon Paul-HenriCampbell„ Unter Umständenklingen Friedensgebetenicht nur wie frommeWünsche, sondernwirken selbstgefällig.“am 9. Oktober dazu veranlasste, in einem Statementauf seiner Website zu formulieren, dassdie „Lebensbedingungen im Gazastreifen denaktuellen Gewaltausbruch mitverursacht haben“?Als sei „aktueller Gewaltausbruch“ nichtschon eine Minimierung, setzt das Statementmit einer Opfer-Täter-Umkehr, die ohnehin gutkatholisch zu sein scheint, dem Ganzen nochein i-Tüpfelchen auf: „Pax Christi Österreich“insinuiert hier, die hingemordeten Jüdinnenund Juden hätten ihre eigene menschenverachtendeHinrichtung „mitverursacht“. Oder kannman das irgendwie anders lesen?Auch Positionierungen aus dem Spektrumvon Caritas International in Deutschland, diesich in diesem „eskalierenden Konflikt“ mitseiner Hilfe in Gaza für „neutral“ hält, weil DirektorOliver Müller meint, man helfe, „gleichwelcher Religion, Nationalität oder Herkunft“,klingen löblich. Aber ist nicht jeder Einsatzvon Ressourcen eine Entscheidung, ein Urteilund eine Selektion und somit Parteinahme– oder zumindest Verstrickung? Hier zeigtsich die nicht reflektierte Machtasymmetriezwischen Nothelfenden und Notleidenden imBarmherzigkeitsbegriff in all ihrer kontextlosenVerklärung, die die Akte der Barmherzigkeitzu Komplizen von Gewalt machen.HoffnungsindustrieGewiss, es ist müßig, auf Statements ausBayern, Österreich oder anderen Winkelnder Christenheit herumzureiten, wenn dochschon Franziskus „hoffe“, der Konflikt mögesich nicht ausweiten. Unlängst bemerkte derPublizist und Philosoph Michel Friedman,dass Hoffnung eher eine höfliche, aber unverbindlicheForm der Verdrängung darstelle.Ein christlich-jüdischer Dialog, der den Namenverdient und sich nicht bloß mit dem Polierenvon Stolpersteinen begnügt, könnte solcheKritik, die z. B. die falsch verstandene Hoffnungals Ersatzhandlung identifiziert, produktivintegrieren. Auch der Dichter und DenkerMax Czollek stellt im Hinblick auf rechte Gewaltfest, dass unter dem Deckmantel des Versöhnungsbegriffseigentlich ein Ignorieren, jaeine Normalisierung von Gewalt stattfindet:„Ich schreibe das, damit deutlich wird, wie anmaßendder Anspruch auf Versöhnung, Normalisierungund Wiedergutwerdung auf viele jüdischeMenschen wirken muss. Der Glaubenssatzdes Versöhnungstheaters hingegen lautet:Gesellschaften können nur funktionieren,wenn Opfer vergeben, was man ihnen antat.“Es wäre also hier an der Stelle, ein wehrhaftesChristentum zu fordern, das seine Begriffeund Praxis dahingehend präzisiert,um ein verlässlicher Partner in einer Allianzsein zu können.Der Autor ist katholischer Theologe undSchriftsteller in Wien.QUINT-ESSENZVon Brigitte QuintStressfrei mit CameronAls ich hörte, dass David Cameron neuerbritischer Außenminister wird,stellte sich bei mir ein wohlig warmesGefühl ein. Ich spürte Erleichterung. Die Informationlandete offenbar direkt auf meinerunbewussten emotionalen Empfängerebene.Erst später dämmerte es mir. Cameron?Echt jetzt?!? Ohne ihn hätte es kein Brexitreferendumgegeben. Er war damals blind fürdie Stimmung im Land, ging fix von einemVerbleib aus. Alle Welt wurde Zeuge seinesmangelnden politischen Gespürs. Und auchseine diplomatischen Fähigkeiten warenzum Haareraufen. Nach dem gescheitertenschottischen Unabhängigkeitsreferendummeinte er (nicht ahnend, dass die Mikrofoneder Kameras angeschaltet waren): „DieQueen hat vor Freude gar nicht mehr aufgehörtzu schnurren.“ Auch nach demTod der Monarchin hatte er freizügig ausdem royalen Nähkästchen geplaudert.Es heißt, in den allermeisten Büros würdebis heute PowerPoint, Excel und Wordbevorzugt. Obwohl es zig innovativere Office-Programmegibt. Oder dieser Trend zuRetromarken. Während es Newcomer-Labelsauf dem Markt schwerhaben, greifenKonsumenten massig zu Levis, Fila, Birkenstock.Viele favorisieren es auch, jedes Jahran denselben Urlaubsort zu fahren. Weil esdort so herrlich unaufgeregt ist, einen nichtsüberfordert, der Stressfaktor sich minimiert.Wenn das Vertraute gegenüber dem Unvertrautembevorzugt wird – Freud hatte dafürden Begriff „Wiederholungszwang“ geprägt.Obwohl mir die ständigen weltpolitischenUmbrüche so zusetzen, dass ich mich unbewusstan jedes bekannte Gesicht auf der internationalenBühne klammere, verwehreich mich gegen diese Diagnose. Währendich Google nach Cameron befragte, stelltesich bei mir ein wohlig warmes Gefühlein. Am Modehimmel ist ein neuer Designersternaufgegangen: Samantha Cameron –die ehemalige First Lady. Cefinn heißt ihrLabel, und es soll vielbeschäftigte, urbaneFrauen ansprechen. Angeboten werden vorallem All-in-one-Outfits für den Alltag. AufCamerons Homepage, die mir gänzlich unvertrautwar, bedroht mich rein gar nichts.Dort bin ich tiefenentspannt, kann michfallenlassen, ruhe in mir. Ein herzlichesWillkommen zurück, Familie Cameron.NACHRUFWerner Vogt: Das Unrecht ans Licht gezerrtimmer man irgendwo hingeht, hört manim Bürokratendeutsch: Es gibt dieses und jenesProblem. Aber in Wirklichkeit wird es„Wannnie gelöst, sondern nur definiert und dann abgelegt. Manmuss die Probleme also mit aller Gewalt ans Licht zerren –und dazu brauche ich die Öffentlichkeit.“ Also sprachWerner Vogt Anfang 2004 in einem FURCHE-Interview,drei Monate nach seiner Kür zum Wiener Pflegeombudsmann.Angesichts boomender Sachwalterschaften undder langen Nachwehen des Lainz-Skandals, der in den1980er Jahren ganz Österreich erschüttert hatte, brauchteman jemanden, der die vielen Probleme endlich sichtbarmachte und anpackte. Und wer konnte das kämpferischerund wortmächtiger als der gebürtige Tiroler WernerVogt? Es war der Fall Heinrich Gross, der den Unfallchirurgenbekanntgemacht hatte. Friedrich Zawrel, ein Überlebenderder Euthanasieanstalt „Am Spiegelgrund“, inder rund 800 Kinder von den Nazis ermordet worden waren,kam 30 Jahre später wegen kleinkrimineller Deliktein Haft – und saß dort seinem ehemaligen Peiniger gegenüber,einem der meistbeschäftigten psychiatrischenGerichtsgutachter des Landes. Konfrontiert mit seinerVergangenheit, sorgte Gross per Gutachten dafür, dassZawrel eine lange Strafe ausfasste. Werner Vogt brachtediese unfassbare Geschichte 1979 ans Licht und halfZawrel, dem Strudel gesellschaftlicher Ächtung zu entkommen.In Elisabeth Scharangs Filmen „Mein Mörder“(2005) und „Meine liebe Republik“ (2007) ist dieses dunkleStück österreichischer Nachkriegsgeschichte zu sehen.Es war freilich nicht Vogts einziger Kampf gegen Unrecht.Er kämpfte als Oberarzt am Lorenz-Böhler-Krankenhausgegen fatale Verwechslungen und falsche Behandlungen,er kämpfte als Pflegeombudsmann in Wien und imGesundheits- und Sozialministerium für die Interessenpflegebedürftiger Menschen, er war Mitbegründer der„Arbeitsgemeinschaft Kritische Medizin“ sowie der „PlattformÄrzte und Wissenschafter gegen Euthanasie“ – under initiierte 2002 auch das Sozialstaats-Volksbegehrenmit. „Keiner soll allein gelassen werden, wenn es ernstwird und finster im Leben“, schrieb er 2002 unter demTitel „SOS Solidarität“ in der FURCHE. „Das sagt derChrist, der Marxist, das ist im System der sozialen SicherheitWirklichkeit geworden.“ 2019 wurde Werner Vogtvon der Österreichischen Liga für Menschenrechte fürsein Lebenswerk ausgezeichnet. Vergangenes Wochenendeist er 85-jährig gestorben. (Doris Helmberger)Foto: APA / Robert JaegerWerner Vogt ist85-jährig gestorben.„BeimWort ,Würde‘bekomme icheine Gänsehaut“,meinte er am8.1.2004 zurFURCHE.
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