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DIE FURCHE 16.11.2023

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DIE FURCHE · 4610

DIE FURCHE · 4610 Gesellschaft/Religion16. November 2023Bei Gewalt, Hass, Propaganda und schlichten Narrativen ist es schwierig, zu einer fairen und ausgewogenen Einschätzung zu kommen.Auch wenn es schwierig scheint: Differenziertes Urteilen über den Nahostkonflikt ist ein Gebot der Stunde. Ein Gastkommentar.Mitten im Meer der VerkürzungenVon Georg CavallarAuf einer propalästinensischenKundgebung auf dem WienerStephansplatz skandieren Menschendie Parolen „Tod Israel“(„Marg bar Israel“) und „Fromthe River to the Sea – Palestine will be free“ –was die Auslöschung des Staates Israel impliziert.Am selben Abend wird den Teilnehmendeneiner Solidaritätskundgebungfür die Opfer und Vermissten des Überfallsder Hamas geraten, unauffällig den Heimweganzutreten und die israelischen Fahnensicherheitshalber zu verstecken.Hass, Rache und radikale Sprache sindauch auf israelischer Seite zu beobachten.Autorin und Mitglied des Knesset für dieLikud-Partei Galit Distal Atbaryan schriebauf X (früher Twitter): „Gaza should bewiped off the map, and fire and brimstoneon the heads of the Nazis in Judea and Samaria.[…] We need a cruel, vengeful IDF(Abkürzung für die israelische Armee, Anm.d. Red.) here. Anything less is immoral.“„Hall of Shame“GLAUBENSFRAGELesen Sie zumThema auch: „Istder Islam antisemitisch?“vonMichael Blumeam 31.10.2023,siehe furche.at.Neuer Himmel, neue Erdean deine lippen heft / ich sonnen / und bewundresie / die morde in meinem herzen/ schweigen. Das sind Wunderworte füreinen Traum vom Frieden. Peter Härtling, imNovember 1933 geboren, konnte so träumen gegendas Trauma des Krieges. Das Leben sei einenVersuch wert, wusste er auf dem Grund einesihm eingebrannten Schmerzgefüges vonFlucht und Entstellung durch die Gewalt derWaffen, die Menschen in sich tragen oder sichanlegen und die sie benutzen mit einer ins Gehirnimplantierten Sehnsucht nach der totalenZerstörung. Die Moderne, so der Soziologe HartmutRosa, stünde in der Gefahr, die Welt nichtmehr zu hören und sich darum auch selbst nichtmehr spüren. Darum auch kommen neue Leiden,welche die Haut der Welt aufritzen und dieuns die Sprache verschlagen. So viel Morden inden Herzen der Menschen!Im Rahmen einer „traumasensiblen Theologie“,hat der Theologe Andreas Stahl u. a. vonder Theologie gefordert, dass sie Ambivalenzenvon Sinnzuschreibungen im Leid anerkennePeinlich ist der linke Antisemitismus,der die Hamas als Befreiungsbewegungdeutet, die sich im Kampf gegen Imperialismusund Kolonialismus auf die Seite derUnterdrückten stelle. Nicht mehr nachvollziehbarsind die Parolen und die Demonstrationender „Queers for Palestine!“. Siehätten in dem von der islamistischen Hamaskontrollierten Gazastreifen eine verkürzteLebenserwartung. Beschämend,wie viele nützliche Idioten der Hamas sichderzeit finden lassen.„Fridays for Future“-Aktivisten platzierenmit Greta Thunberg eine Krake insBild, als sie gegen Israel Partei ergreifen– die Krake gilt seit dem „Stürmer“ alsanti semitischer Code für eine angeblichejüdische Weltverschwörung. Die rechte Regierungvon Benjamin Netanjahu, der eineRäumung israelischer Siedlungen aus demWestjordanland ausschließt, ist offensichtlichnicht an einer politischen Lösung desKonflikts interessiert. Unterdessen eskaliertdie Gewalt jüdischer Siedler – die nochmehr bewaffnet werden – gegen Palästinenserim Westjordanland. Bis zum 7. Oktoberwaren 2023 etwa 180 Palästinenserim Westjordanland getötet worden.Der türkische Präsident Recep TayyipErdoğan zeigt sich solidarisch und bestreitet,dass die Hamas eine Terrororganisationsei (diese Skepsis lässt er bezüglich derPKK nicht walten).Vielen Akteuren im Konflikt – auf beidenbzw. auf allen möglichen Seiten – könnenMenschenrechtsverletzungen, ideologischeVerblendung oder Fanatismus vorgeworfenwerden. Das bedeutet aber aus mehrerenGründen keine Äquidistanz gegenüberIsrael und der Hamas. Auch wenn geradein Österreich gerne Neutralität mit moralischenNihilismus verwechselt wird, wieTimothy D. Snyder einmal angemerkt hat.Von Ines Charlotte Knollund entsprechend damitumgehe. Ich glaube, wahreTheologie wird immerdie auf eine Antwort wartendesein. Dazu rät Härtling,Du wirst die Flut abwarten müssen … jenseits/ der Gezeiten / bricht ein Licht auf. Nichtaus uns, nie kam das Licht aus uns Menschen.Das sah auch der Prophet Jesaja: Siehe, ich willeinen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen,dass man der vorigen nicht mehr gedenkenund sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. DiesHerzzerreißende wird einmal aufhören!Wir Menschen leben im Vorbehalt als im Vorletzten.Wir gehen einem ganz Anderen entgegen.In dieser Weltfreude heften wir lichtmutig,friedfertig Sonnen an die Münder unserer Feindeund bitten Gott, dass die Morde im Herzendieser Welt schweigen. Und wir einander wiederfindenunter einem neuen Himmel und einerneuen Erde!Die Autorin ist evangelische Pfarrerin i. R.• Erstens: Es ist ein Beispiel für mangelndespolitisches Urteilsvermögen und vonfehlender Differenzierung, wenn das Mordender Hamas mit den militärischen Aktionender israelischen Armee gleichgesetztwird. Die Hamas ist eine Terrororganisation,die sich die Vernichtung Israels undder Jüdinnen und Juden zum Ziel gesetzthat, den Dschihad predigt und Friedensabkommenoder Kompromisse ablehnt (siehederen Charta). Die Hamas ist eine Mörderbande,die am 7. Oktober 2023 bestialischgefoltert, vergewaltigt, gemordet und geschändethat – das ist ausreichend durchVideos der Täter dokumentiert. Dafür darfes kein Verständnis, keine Verharmlosungenoder Unterstützungen geben. Dieermordeten Israelis sind nicht mit zivilenKriegs opfern des israelischen Angriffs zuvergleichen. Auch diese Opfer und das Leidder Zivil bevölkerung im Gazastreifen sindeine Katastrophe. Aber sie haben einen anderen(völker)rechtlichen Status als dieMassaker der Hamas. Es ist schade, wennweder die UNO noch Künstlerinnen oderKünstler wie Martin Kušej bereit sind, diesenUnterschied anzuerkennen.„ Peinlich ist der linke Antisemitismus,der die Hamasals Befreiungsbewegungdeutet, die sich im Kampfgegen Imperialismus undKolonialismus auf die Seiteder Unterdrückten stelle. “• Zweitens: Moralisch bewerten ist nichtdasselbe wie historisch verstehen odererklären. Manchmal wird der Terror derHamas damit erklärt, dass Israel den Gazastreifenin ein „Freiluftgefängnis“ verwandelthabe (was schon allein deswegennicht ganz stimmen kann, weil Ägyptenjederzeit seine Grenzen im Süden öffnenkönnte). Oder man führt die tatsächlichsehr fragwürdige Politik der teilweiserechtsextremen israelischen Regierungim Westjordanland an. Diese Erklärungenoder Kontextualisierungen rechtfertigenFoto: Getty Images / Andy Soloman / UCG / Universal Images GroupNützliche IdiotenNicht mehr nachvollziehbarsind die Parolen und die Demonstrationender „Queers forPalestine!“. Sie hätten im vonder islamistischen Hamas kontrolliertenGazastreifen eineverkürzte Lebenserwartung ...jedoch nicht den barbarischen Terror derHamas. Dieser ist moralisch zu verurteilen– bei allem Verständnis für die Lageder palästinensischen Bevölkerung. Historischeoder politische Kontextualisierungbedeutet nicht moralische Relativierung,wie der deutsche Wirtschaftsminister undVizekanzler Robert Habeck in einer ausgezeichnetenRede ausgeführt hat.• Drittens: Willkürliche und ideologischgefärbte kausale Vermutungen oder Behauptungensind bestenfalls ein Beitragzur verbalen Eskalation. Ein Beispiel istdie Erklärung der „Democratic Socialistsof Amer i ca“ am Tag der Überfälle: „Today’sevents are a direct result of Israel’s apartheidregime.“ Hier verschwinden auf sonderbareArt und Weise die eigentlichenAkteure (und Mörder) von der Bildfläche.Komplexe Zusammenhänge werden in bekannterSchwarz-Weiß-Manier auf ein simples„Israel ist schuld“ reduziert.„Free Gaza from Hamas“ sollte daher dasMotto vor allem für (noch) mehr Palästinenserinnenund Palästinensern lauten.Mit einer islamistischen Terrororganisationwie der Hamas lässt sich buchstäblichkein Staat machen, und wenn, dann eineEin-Parteien-Diktatur. Es kann mit der Hamaskeine politische Lösung geben, keinenKompromiss, keinen Frieden und keinedurchaus sinnvolle Zwei-Staaten-Lösung.Was macht Hoffnung?Ablehnung und moralische Verurteilungder Hamas schließen allerdings keineswegsKritik an Israel aus. Oder besser:Kritik an der derzeitigen israelischen Regierung,an ihrer Unterstützung der ultraorthodoxenSiedlerbewegung, an Siedlergewalt,an der geplanten Justizreform.Was macht Hoffnung? Nicht die weltweitenDemonstrationen, die sich antikolonialistischgeben, aber verabsäumen, Antisemitismusund Terror mit klaren Wortenzu verurteilen – und damit zur Radikalisierungbeitragen. Nicht die Versuche, ausgegebenem Anlass „den Islam“ als totalitäre,faschistische Ideologie pauschal zuverdammen.Was Hoffnung macht: die Tatsache, dassIsrael immer noch ein demokratischerRechtsstaat ist, dass das israelische Militärbemüht ist, sich an das Völkerrechtzu halten, dass NGOs wie die israelische„Breaking the Silence“ Menschenrechtsverletzungender eigenen Sicherheitskräftedokumentieren und kritisieren. Hoffnungmachen Proteste gegen die Regierung Netanjahuund die Bereitschaft von Reformmuslimenund -muslimas, festgefahreneNarrative in der eigenen Glaubensgemeinschaftaufzubrechen, etwa das beliebteOpfernarrativ (siehe etwa „Wie der Nahostkonfliktunsere Gesellschaft spaltet“ –Kommentare der anderen – derStandard.at,Diskurs, 9. 11. 2023).Der Autor ist Dozent für Neuere Geschichteund Lehrbeauftragter an der UniversitätWien. Zu seinen Publikationen gehört„Islam, Aufklärung und Moderne. EinPlädoyer“ (Stuttgart, Kohlhammer 2017).

DIE FURCHE · 4616. November 2023Gesellschaft11Von Sandra LobnigBianca Hermann hat sich entschieden,es anders zu machen.Anders als die vielen, die fremdeWohnungen und Häuser putzenund ihr Geld dafür bar aufdie Hand bekommen, ohne dafür Steuernoder Sozialabgaben zu zahlen. „Ich möchtepensions- und unfallversichert sein“,sagt die Niederösterreicherin mit rumänischenWurzeln. Zusammen mit ihremVater gründete sie ein Unternehmen, dasReinigungsarbeiten in Privathaushalten,Ordinationen und Hotels übernimmt. „Wirübernehmen Aufträge zwischen Amstettenund Krems“, sagt sie, „die Leute sindimmer sehr zufrieden.“ Das Geschäft laufegut, auch wenn sie manchen Kunden mitNachdruck erklären müsse, dass sie auchausnahmsweise nicht schwarz putzt. „Dasmöchte ich nicht“, sagt Hermann. Die Unternehmerinist damit eine von wenigen,die Reinigungsarbeiten in Privathaushalteninnerhalb eines legalen Arbeitsverhältnissesanbieten. Die allermeisten Putzkräftearbeiten, ohne angemeldet zu sein.Wie zum Beispiel Liliana, weil sie Angstvor einer Steuernachzahlung hat, wenn siesich zu ihrem regulären Angestelltenverhältnisetwas dazuverdient. Oder Artem,der als Kriegsvertriebener aus der Ukraineauf die Zuverdienstgrenze von 110 Euro beider Grundversorgung achten muss. Magdalenaist es schlicht zu aufwendig, sichfür ihre gelegentlichen Putzjobs um ein legalesArbeitsverhältnis zu bemühen. DerGroßteil der Auftraggeber hat damit keinProblem. Im Gegenteil: Auf den zusätzlichenbürokratischen Aufwand bei einerAnmeldung und zusätzliche Kosten aufgrundvon Lohnnebenkosten verzichtensie gern. Wer aber eine Putzkraft legal beschäftigenmöchte, muss oft lange suchenoder auf eine Reinigungsfirma zurückgreifen.Wie hoch der Anteil an Schwarz arbeitbei Haushaltstätigkeiten ist, lässt sichnicht genau feststellen. „Wir gehen davonaus, dass in rund 80 Prozent der Haushaltemit Putzkräften schwarz geputzt wird“,sagt Friedrich Schneider, Ökonom und Expertefür Schwarzarbeit.Motiv: Der stark regulierte ArbeitsmarktFoto: iStock / Paul BradburyIn absoluten Zahlen heißt das: Zwischen700.000 und 900.000 Personen übernehmenPutztätigkeiten ohne Anmeldung. Aufden ersten Blick sei das zwar eine sehr großeAnzahl, sagt Schneider. Was man dabeiaber bedenken müsse: „Es wird nichtunterschieden, ob diese Personen nur gelegentlich,zum Beispiel bei der Nachbarin,aushelfen oder regelmäßig und in hoherStundenanzahl im Pfusch arbeiten.“Außerdem gibt es einen großen Graubereich:Wenn etwa Angestellte einer Putzfirmavon dieser dazu angehalten werden,einen Putzjob zusätzlich schwarz zu übernehmen.Diese sind zwar über die Firmaangestellt und versichert, das Geld fließtaber unter der Hand. Dass es hauptsächlichFrauen mit Migrationshintergrundseien, die putzten, sei eine weitverbreitete,aber falsche Annahme. „Nur die putzendeTürkin oder Kroatin ist ein Klischee“, sagtSchneider. Das es in der Realität zwar gebe,aber das nicht das Gros der Fälle ausmache.„Es sind genauso oft Frauen aus einkommensschwachenHaushalten, Alleinerziehendeoder Studentinnen ohne Migrationshintergrund,die putzen gehen.“ Aber auchhier muss Schneider einräumen: ExakteZahlen gibt es dazu keine.Motive auf Arbeitnehmerseite, schwarzzu putzen, gebe es vor allem zwei, weißSchneider aus seinen Forschungen und seinemUmfeld. Die hohe Abgabenquote ist einGrund, der immer wieder angeführt wird.„Viele haben einen Hauptjob, bei dem sie angestelltsind, und spüren dort sehr stark,Der Ökonom Friedrich Schneider ist Experte für das Thema Schwarzarbeit. In seiner Forschung ergründeter, wieso gerade Reinigungsarbeiten immer noch oft „unter der Hand“ bezahlt werden.Die allermeisten Putzkräfte in privaten Haushalten arbeiten ohne Anmeldung. Auf den ersten Blickscheint das eine Win-win-Situation für sie und ihre Auftraggeber zu sein. Die Nachteile wie etwafehlende Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung werden dabei nach wie vor gerne übersehen.Saubermachen unterschwarzen BedingungenFoto: PrivatDurch dieLappenSchätzungsweiserund 80 Prozentaller Haushaltemit Putzkräftenentscheiden sichfür ein illegalesBeschäftigungsverhältnis,umder Rigidität desArbeitsmarktes zuentkommen.Lesen Siedazu auch dasInterview „DieunsichtbarenReinigungskräfte“(2.11.22) mitder SoziologinKarin Sardavarauf furche.at.„ Flexibilität ist für den Arbeitgeberoft ausschlaggebend dafür, sichfür eine Putzkraft ,im Pfusch‘ zuentscheiden. Die wird in vielenFällen auch angemessen entlohnt. “wie hoch die Lohnnebenkosten sind. Wenigstensdas Zusatzgeld, das sie beim Pfuschenverdienen, möchten sie brutto fürnetto haben.“ Die Problematik der fehlendenPensionsvorsorge sei zwar real, abernicht in allen Fällen gegeben. „Natürlichhat es für die Pension gravierende Nachteile,wenn sich jemand über zwanzig oder dreißigJahre primär übers Pfuschen versorgt.Das tun aber die wenigsten.“ Flexibilität seineben der hohen Abgabenquote ein weitererwesentlicher Faktor für die Entscheidung,einen nicht legalen Putzjob zu übernehmen.Ein paar Stunden Putzen pro Woche könntensich eine Studentin oder eine Alleinerziehendeeher einteilen als eine Anstellung,etwa in einem Fast-Food-Restaurant oderin einer Putzfirma. In Putzfirmen sind dieArbeitszeiten darüber hinaus nicht sehrarbeitnehmerfreundlich. Sie putzen dann,wenn in den Büros der Arbeitstag für die übrigenAngestellten noch nicht begonnen hatoder bereits beendet ist, also etwa morgenszwischen vier und neun oder abends zwischenachtzehn und einundzwanzig Uhr.Flexibilität ist auch für Arbeitgeber oftausschlaggebend dafür, sich für eine Putzkraft„im Pfusch“ zu entscheiden. Die wirdin vielen Fällen auch angemessen entlohnt.Friedrich Schneider: „Gute Putzkräfte, denenman vertrauen kann, werden vielerortshänderingend gesucht und dann auchgut bezahlt. Denn man weiß: Mit einemniedrigen Stundenlohn kommt die Putzhilfenicht mehr wieder, wenn sie woandersviel mehr bekommt.“ Wie prekär dieArbeitsbedingungen illegal beschäftigterPutzkräfte in Privathaushalten sind,hängt von mehreren Faktoren ab. Fakt ist:Fehlende Pensionsansprüche und Unfallversicherungsowie Steuereinnahmen, diedem Staat aufgrund von illegal Beschäftigtenentgehen, sind gravierende Nachteilevon Schwarzarbeit. Schneider erklärt: „Wobeiman hier sagen muss, dass die Steuerverlustezum Teil über die Mehrwertsteuerwieder reinkommen. Weil das zuverdienteGeld Umfragen zufolge meistens sofort inden Konsum fließt.“ Insgesamt sieht FriedrichSchneider die Rigidität des österreichischenArbeitsmarktes als einen wesentlichenFaktor dafür, dass Schwarzarbeitderart verbreitet ist. „In dieser stark reguliertenArbeitswelt ist es sinnvoll, darübernachzudenken, wie man es solchen Arbeitnehmernleichter machen kann.“Der DienstleistungsscheckEin Tool, das es erleichtern möchte,Dienstleistungen in privaten Haushaltenwie zum Beispiel Putztätigkeiten legal zumachen, ist der Dienstleistungsscheck. Dabeigehen Arbeitnehmer und Arbeitgeberein befristetes Arbeitsverhältnis ein, daseine einmalige Dienstleistung umfassenkann oder auch mehrere. Die Vorteile: DieArbeitnehmer sind unfallversichert undhaben die freiwillige Möglichkeit, sich umrund 70 Euro in die Pensions- und Krankenversicherungaufnehmen zu lassen. SowohlArbeitnehmer als auch Arbeitgeber müssensich nicht vor möglichen Strafen fürchten,die aufgrund von Schwarzarbeit drohen.Der Erwerb der Schecks ist über Trafiken,die Post, online oder eine Handy-App möglich.Auch wenn der Dienstleistungsscheckrelativ einfach abgewickelt werden kann:2022 waren es 12.734 Arbeitgeber und 8976Arbeitnehmer, die ihn in Anspruch genommenhaben. Stellt man ihnen die geschätzten700.000 bis 900.000 Personen gegenüber,die nicht angemeldet putzen, wirddeutlich: Es ist noch Luft nach oben.

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