DIE FURCHE · 11 24 Ausstellung 16. März 2023 Jean Egger, einem österreichischen Ausnahmekünstler und Revolutionär der modernen Malerei, ist eine Ausstellung im Lentos gewidmet. Virtuos dem Pinsel freien Lauf gelassen Von Ursula Philadelphy Jean Egger (1897‒1934) zählt zu jenen revolutionären Vertretern der Malerei, die mit der Befreiung der Farbe und der Radikalität der Formauflösung in der Zwischenkriegszeit Kunstgeschichte schrieben. Bis heute gilt er als österreichischer Ausnahmekünstler, hat er es doch geschafft, in nur zehn Jahren seine eigene künstlerische Sprache zu entwickeln und in den Genres Porträt, Landschaft und Akt, ausgehend vom Spätimpressionismus, ein wirklich außergewöhnliches Werk zu schaffen. Jean Egger Das Porträt eines Jünglings (Selbstporträt) von 1927 folgt noch formalen Kriterien. Spätere Arbeiten sind von einer Radikalität der Formauflösung geprägt. „ ... alles zeigt eine sehr individuelle Entwicklung mit einem hohen Maß an Sensibilität, aber auch einer oft kühnen Gestik. “ Foto: Sammlung Museum der Moderne Salzburg 30 Jahre hat es, nach der von Matthias Boeckl und Peter Weiermair ausgerichteten Retrospektive, die 1995 in der Österreichischen Galerie in Wien, im Frankfurter Kunstverein und in der Städtischen Galerie in Klagenfurt gezeigt wurde, gedauert, bis nun 200 Werke des Künstlers zu einer Neubewertung einladen. Eine Reihe bislang verschollen geglaubter Bilder und Zeichnungen sind in der Zwischenzeit aufgetaucht und das Gesamtkonvolut unterstreicht nun Eggers Verortung in der global agierenden Kunstszene der Zwischenkriegszeit. Für die Schau im Lentos, die in Kooperation mit dem Museum Moderner Kunst Kärnten entstanden ist, hat Kuratorin Brigitte Reutner-Doneus die Entwicklung des Œuvres von Jean Egger in seine wichtigsten Lebensstationen gegliedert. Eggers Entwicklung als Maler, unter anderem im Kontext der französischen Kunstszene der 1920er und 1930er Jahre, wird en passant auch mit einer Fülle an Fotografien und Zeitungsausschnitten sowie Kommentaren zu seiner Arbeit dokumentiert. Paris, Kärnten, Schweden und Mallorca waren die großen Stationen. Seine frühen Landschaften aus seiner Heimat Kärnten, der große malerische Durchbruch in Sizilien, Reisen nach Holland, die Porträtaufträge, die er während seiner Zeit in Paris erhält – alles zeigt eine sehr individuelle Entwicklung mit einem hohen Maß an Sensibilität, aber auch einer oft kühnen Gestik. Man erkennt zwar immer wieder Einflüsse anderer Künstler, etwa der klassischen Expressionisten oder eines Félix Vallotton, aber es ist und bleibt Eggers persönliche Formulierung. Künstlerischer Zenit in Paris Ab 1926 stellt er in renommierten Pariser Salons aus und begeistert unter anderem mit einer Porträtserie seiner schwedischen Lebensgefährtin Signe Wallin, die von einem gewissen expressiven Duktus bis zur Annäherung an das Informel alles beinhaltet. 1930 folgt eine Einzelausstellung in der Pariser Galerie Sloden: Jean Egger ist mit seinen außergewöhnlichen Arbeiten am künstlerischen Zenit. Während einer Reise 1930 nach Schweden entstehen eigenwillige Landschaftsbilder: Ölgemälde, die sich impulsiv, fast wie mit dem Pinsel gezeichnet, darstellen. Egger malt feucht auf feucht, wodurch die Ölfarben auf der Leinwand zu ganz neuen Farbtönen zusammenfinden und sich dabei die Konturen auflösen; dazu kratzt er einerseits noch mit dem Pinselstiel in die Farbschichten und lässt dafür an anderen Stellen die bloße Leinwand durchschimmern. In der Bretagne und in der Normandie entstehen pastose Landschaftsbilder, Aquarelle geraten, beeinflusst von Joan Miró, André Masson und Yves Tanguy, fast abstrakt und Egger entwickelt seinen mit Chiffren verdichteten Malstil kontinuierlich weiter. Heute erscheint dies wie eine Vorwegnahme jener Kunst, die erst in den späten 1940er Jahren in der Art Brut und bei der CO- BRA-Gruppe zu sehen war. 1932 übersiedeln Jean Egger und Signe Wallin nach Mallorca, in der Hoffnung, dort sein in Wien diagnostiziertes Lungenleiden ausheilen zu können. Die letzten großen Arbeiten entstehen in der nahen Umgebung seines Hauses: immer wieder blühende Mandelbäume und wunderbare Bilder von Signe, etwa „Halbakt in Bewegung“ (1932), eine Pastellzeichnung in der die menschliche Gestalt maximal dynamisiert ist, sich quasi nur mehr in Chiffren formuliert. Ein anderes Porträt, ein Jahr später entstanden, hat er mit bloßen Fingern auf die Leinwand gezeichnet; es zeigen sich informelle Tendenzen ebenso wie eine gewisse Nähe zur sogenannten „Écriture automatique“, der leicht verzerrt wirkende Kopf bekommt dadurch eine besondere Haptik und signalisiert jenes Höchstmaß an malerischer Freiheit, das heute beim Œuvre von Jean Egger so begeistert. Jean Egger Revo lu tio när der moder nen Malerei Lentos Kunstmuseum Linz Bis 7. Mai 2023, www.lentos.at IN KÜRZE LITERATUR ■ Richard Wagner (1952-2023) LITERATUR ■ Kenzaburō Ōe (1935-2023) MEDIEN ■ Gary Lineker kommt zurück „Richard Wagner wurde 1952 im rumänischen Banat geboren, seit den frühen 1970er-Jahren hat der heute in Berlin lebende Autor drei Dutzend Bücher veröffentlicht. Galt der Mitgründer der ‚Aktionsgruppe Banat‘ bei deutschsprachigen Lesern bis zu seiner Ausreise aus Ceaușescus Diktatur im Jahre 1987 als Geheimtipp, zählen seine Bücher ‚Ausreiseantrag‘ (1988) und ‚Begrüßungsgeld‘ (1989) mittlerweile zu den Klassikern der Wendeliteratur über das Ende des Kommunismus. Die Analyse der Jugoslawienkriege in ‚Der leere Himmel. Reise in das Innere des Balkan‘ (2003) gehört noch immer zum Besten, was über Südosteuropa auf Deutsch zu lesen ist. Mit ‚Habseligkeiten‘ (2004) verabschiedete sich der Kulturkritiker Wagner in Romanform von seiner ‚alten Heimat‘, dem Banat, der Roman ‚Belüge mich‘ (2011) handelte später noch einmal ein ganzes Jahrhundert rumänischer Geschichte ab.“ So erinnerte Erich Klein in seinem Beitrag über Richard Wagners Werk „Herr Parkinson“ 2016 an das Schaffen jenes Autors, der nun, am 14. März, in Berlin verstorben ist. Sie finden diesen Beitrag auf furche.at (siehe QR-Code). Wagners letztes Buch war ein literarischer Kraftakt von schier unerträglicher Leichtigkeit über die letzten Fragen. Der 1935 auf der Insel Shikoku geborene Schriftsteller war so etwas wie das soziale Gewissen Japans, ein überzeugter Pazifist und bis zuletzt ein Mahner und Warner. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima forderte er vergeblich zum Ausstieg aus der Atomkraft auf. Seinen Erzählstil bezeichnete Kenzaburō Ōe, der zu den wichtigsten Autoren Japans zählt, selbst als „grotesken Realismus“, der studierte Romanist berief sich auf den französischen Dichter François Rabelais. 1994 erhielt Ōe den Nobelpreis für Literatur. Wie nun bekannt wurde, ist er bereits am 3. März 88-jährig in Tokio verstorben. Der Streit zwischen der BBC und dem prominenten Fußball-Moderator Gary Lineker ist beendet. Wie der öffentlich-rechtliche Sender mitteilte, kehrt der englische Ex-Nationalspieler auf den Bildschirm zurück. Lineker hatte sich auf Geheiß der BBC-Oberen als Moderator zurückgezogen, weil er in einem Tweet die Flüchtlingspolitik der konservativen Regierung unter Premier Rishi Sunak kritisiert hatte. Der populäre Ex-Fußballer habe damit das Neutralitätsgebot, dem die BBC verpflichtet sei, verletzt. Allerdings gab es eine britannienweiten Proteststurm gegen die Abberufung Linekers, der nun zu seiner Rückkehr führte.
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