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DIE FURCHE 16.02.2023

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DIE FURCHE · 7 24 Ausstellung 16. Februar 2023 Täter, Opfer, Zeugen Wie wichtig der Beitrag von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ist, vermittelt die aktuelle Schau im Haus der Geschichte Österreich. Von Christian Jostmann Von den sechs Überlebenden der Schoa, die 2013/14 als „Die letzten Zeugen“ dieses Menschheitsverbrechens auf die Bühne des Burgtheaters gerufen wurden, lebt heute nur noch eine: Lucia Heilman. Sie überlebte den Krieg als sogenanntes „U-Boot“ in Wien, von einem Freund ihres Vaters versteckt. Inzwischen 93 Jahre alt, gibt Lucia Heilman noch immer Interviews wie kürzlich dem Internetmagazin buzzfeed aus Anlass des 27. Jänner. Sie erzählt ihre Geschichte und spricht „über diese schreckliche Zeit“, auch wenn sie nach eigenem Bekunden „schon keine Kraft mehr“ hat. „Aber ich nehme mich zusammen und tue alles, um meinen Beitrag zu leisten.“ Wie wichtig der Beitrag ist, den Lucia Heilman und andere Zeuginnen und Zeugen des Holocaust leisten, zeigt die Ausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft?“. Vom Jüdischen Museum Hohenems und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg erarbeitet, ist sie nun im Haus der Geschichte Österreich in der Wiener Neuen Burg zu sehen. Tausende Interviewstunden Gestützt vor allem auf audiovisuelle Dokumente, auf Tonund Filmaufnahmen, erzählt die Ausstellung, wie aus ersten Augenzeugenberichten von Schoa-Überlebenden mit der Zeit die öffentliche Figur des „Zeitzeugen“ entstand. Sie reflektiert, welche Rolle die Menschen, die diese Figur verkörpern, für die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen spielen. Und sie fragt, wer ihre Rolle in Zukunft übernehmen wird. Denn was eine Beteiligte am „Holocaust Survivors Film Project“, das die Yale Foto: Lorenz Paulus / hdgö Die Ausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft?“ im Haus der Geschichte Österreich widmet sich der Frage, wie nach dem Tod der letzten Zeitzeugen der Schoa mit der Vergangenheit und ihrem Erbe umgegangen werden soll. Wenn eine Zeit zu Ende geht „ Wie ist mit diesem dokumentarischen Vermächtnis umzugehen, in Zeiten einer immer professioneller inszenierten Erinnerungskultur? “ University Ende der 1970er Jahre startete, seinerzeit prophezeite: „Even survivors don’t survive forever“, hat sich inzwischen weitgehend erfüllt. Ein Menschenalter nach dem Zweiten Weltkrieg geht die Zeit der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu Ende. Das Haus der Geschichte Österreich präsentiert die Ausstellung auf dem Plateau des Prunkstiegenhauses, das nach der in Auschwitz ermordeten Geigerin Alma Rosé benannt ist. Auch wenn die Akustik in dem ausladenden Marmorbau zum Anhören der Dokumente (per bereitgestelltem Kopfhörer) nicht ideal ist, so ist es ein sinnfälliger Ort: Löst man den Blick von den im Halbrund aufgestellten Bildschirmen mit Video-Interviews, so fällt er durch Fenster und Baustellengitter auf den leeren Balkon, von dem Hitler am 15. März 1938 den „Anschluss“ verkündigte, und weiter auf den „Heldenplatz“ mit den verwaisten Pavillons des Parlaments. In diese Anhäufung von monumental gerahmten Provisorien fügt sich die Ausstellung gut ein, indem sie die Geschichte der Zeitzeugenschaft als die einer Art (Dauer-) Baustelle erzählt. Sofern die Nachkriegsgesellschaften überhaupt etwas von den Überlebenden der Schoa wissen wollten, dann meistens, um sie an den ideologischen Fronten des Kalten Krieges in Stellung zu bringen. In den 1960er Jahren betraten sie erstmals in größerer Zahl die öffentliche Bühne als Zeugen der Anklage während der aufsehenerregenden Prozesse gegen Eichmann in Israel und gegen Auschwitz-Personal vor dem Landgericht Frankfurt. Damals hatten die Opfer einen schweren Stand, mit ihren Aussagen gegen die Erzählungen der Täter durchzudringen. Ihre Stunde schlug erst um 1980, als eine nach dem Krieg aufgewachsene Generation neue Fragen stellte – und eine neue „remarkable technology, hitherto unavailable“ nutzen konnte: die Videokassette, in der Ausstellung repräsentiert durch ein Betacam-Band des „Holocaust Survivors Film Project“. Dieses Pionierprojekt und Nachfolge-Initiativen wie die von Stephen Spielberg nach seinem Film „Schindlers Liste“ 1994 gegründete „USC Shoah Foundation“ haben seither hunderttausende Stunden Videointerviews mit Überlebenden des Holocaust archiviert. Wie ist mit diesem dokumentarischen Vermächtnis umzugehen, in Zeiten einer immer professioneller inszenierten Erinnerungskultur und immer neuer technologischer Innovationen? Die Ausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft?“ wirft diese Frage auf und gibt zugleich eine exemplarische Antwort, indem sie dazu einlädt, die Geschichte(n) der Zeitzeuginnen und Zeugen anzuhören – und über ihre Weitererzählung in die Zukunft nachzudenken. Ende der Zeitzeugenschaft? Haus der Geschichte Österreich Bis 3.9.2023. www.hdgoe.at IN KÜRZE FILM ■ Carlos Saura (1932–2023) KULTUR ■ Ballettdirektor suspendiert WISSEN ■ Neuer ISTA-Chef WISSEN ■ Arktisforscher in Wien Der Altmeister des spanischen Films verstarb 91-jährig. Der von Luis Buñuel beeinflusste Filmemacher hatte seit 1955 mehr als 50 Spielfilme gedreht, viele davon mit sozialkritischen Botschaften, denn Saura war ein engagierter Kritiker des Franco-Regimes. Im deutschen Sprachraum wurde Saura vor allem durch den Tanzfilm „Carmen“ (1983) bekannt. Musik- und Tanzfilme waren die großen Leidenschaften des Ausnahmeregisseurs: Er würdigte neben dem Flamenco, dem er mehrere Filme widmete, auch den Jota-Tanz seiner Heimat Aragonien, den argentinischen Tango oder auch den Fado aus Portugal. Der Ballettdirektor des Staatstheaters Hannover, Marco Goecke, wurde nach seiner „Hundekotattacke“ mit sofortiger Wirkung suspendiert. Bei der Premiere des Ballettabends „Glaube – Liebe – Hoffnung“ hatte er die Kritikerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Wiebke Hüster, im Foyer des Hauses mit Hundekot beschmiert. Zuvor hatte er ihr vorgeworfen, dass wegen ihrer negativen Kritiken Ballettabonnements gekündigt worden wären. Goecke habe der Staatsoper und dem Staatsballett schwer geschadet, teilte nun das Staatstheater in Hannover mit. Die Theaterleitung erteilte ihm bis auf Weiteres ein Hausverbot. Der neue Präsident des Institute of Science and Technology Austria (ISTA), Martin Hetzer, will die Einrichtung in Klosterneuburg durch den „Aufbau eines interdisziplinären Forschungsnetzwerks“ prägen, sagte er bei seiner Antrittspressekonferenz. Der 56-jährige Molekularbiologe war zuvor am „The Salk Institute for Biological Studies“ in La Jolla, Kalifornien, tätig. Mit Jahreswechsel hat er die ISTA-Leitung von Gründungspräsident Thomas Henzinger übernommen. Hetzer betonte die Verbindung von „Science“ und „Technology“ und hielt ein Plädoyer für eine „neugiergetriebene Wissenschaft, die keine Grenzen kennt“. Wien wird zum Zentrum der internationalen Arktisforschung: Rund 700 Wissenschafter(innen), die sich mit dieser vom Klimawandel so stark beeinflussten Region der Erde auseinandersetzen, treffen sich ab 17. Februar im Rahmen der „Arctic Science Summit Week 2023“. Dort wird unter anderem auch die heimische Polarforschung präsent sein: Die Eröffnung der österreichischen Polarstation „Sermilik“ erfolgt im August, entstanden aus der Kooperation zwischen dem „Austrian Polar Research Institute“ sowie den Universitäten Graz und Kopenhagen. Die Wissenschafter werden dort vor allem Klimadaten erheben.

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