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DIE FURCHE 15.06.2023

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DIE FURCHE · 24 8 Gesellschaft 15. Juni 2023 Von Jana Reininger wollte immer etwas werden, bei dem ich lernen und helfen kann“, sagt Rosa Maria Ernst. Denn das Lernen „Ich sei ihr stets leicht gefallen und das Helfen habe sie schlichtweg als ihre Aufgabe erkannt – schon mit 14 Jahren, als sie fernab vom Bauernhof ihrer Eltern in einem Internat in der Stadt gewohnt hat. Dort habe sie die Berge ihrer Kindheit vermisst, also wollte sie ihren künftigen Job am Land ansiedeln. „Da sind eigentlich nur die Berufe Priester oder Arzt übrig geblieben. Und Priester war ausgeschlossen“, sagt die heute 63-Jährige lachend. Seit 18 Jahren arbeitet Rosa Maria Ernst als praktische Ärztin in ihrer eigenen Praxis in Ottendorf, in der Steiermark. Zuvor war sie Amtsärztin. Dass sie sich diesen Job ganz ohne Unterstützung aus dem Elternhaus erarbeitet hat, ist ihr ganzer Stolz. Doch Ernst arbeitet in einem Beruf, der auszusterben scheint. „In Österreich gibt es kein quantitatives, sehr wohl aber ein qualitatives Problem“, sagt Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien, im April dieses Jahres bei einem Pressegespräch zum aktuellen Ärztemangel. Mit einem Schnitt von 5,5 Ärzten pro tausend Einwohnern belegt Österreich zwar einen Spitzenwert unter den OECD-Ländern, jedoch kommen die Zahlen mit Verzerrungen: Zum einen werden Turnusärzte, also Mediziner, die noch in Ausbildung sind, mitgezählt, zum anderen wird missachtet, dass viele der gezählten Ärzte nur in Teilzeit arbeiten. Unleistbare Untersuchungen Über Arbeitsvorstellungen der Gen Z schreibt Victoria Schwendenwein in „Wie werte Jobs wandeln“ am 31. Mai 2023 auf furche.at. Spitäler sind überlastet, die Ärztekammer droht mit Streiks noch vor dem Sommer. Zwischen Debatten um Wertewandel und die Work-Life-Balance sind Mediziner(innen) von einem erhöhten Suizidrisiko betroffen. Die Ärztinnen sind krank Immer weniger Allgemeinmediziner arbeiten am Land, doch auch im urbanen Raum besteht Sorge um die gesundheitliche Versorgung. 48 Prozent der Ärztinnen und Ärzte erreichen innerhalb der nächsten zehn Jahre das Pensionsalter und immer mehr Mediziner(innen) arbeiten heute als Wahlärzte. Heute gibt es rund 200 Kassenärzte weniger als noch im Jahr 1999. Doch private Honorare können sich viele nicht leisten. 700 Arztstellen sind heute unbesetzt. Durch diesen Personalmangel sind aktuell 2775 Spitalsbetten – also mehr als die halbe Kapazität des Wiener AKH – gesperrt, das zeigen die Zahlen der Gewerkschaften. Die Ärztekammer droht mit einem Streik noch vor dem Sommer. „Ich habe heute schon drei Hausbesuche gemacht“, sagt die Kassenärztin Rosa Maria Ernst, als sie beginnt, der FURCHE ihre Geschichte zu erzählen. Es ist neun Uhr morgens, mit 30 Minuten Fahrtzeit jeweils hin und retour müsse man bei solchen Besuchen schon rechnen. Mehr als 30 Euro gibt es pro Hausbesuch aber nicht, Fahrtzeit inkludiert. Natürlich laufe sie nicht Gefahr, arm zu werden, sagt Ernst. Reich werde sie mit diesem Job aber auch nicht. Dabei arbeitet sie 80 Stunden und mehr pro Woche. „Wenn Patienten das brauchen, nehme ich mir eben länger Zeit für sie.“ Mehr als 20 Euro bekommt sie für eine Erstuntersuchung aber nicht, für darauffolgende Arztbesuche umso weniger. Auf Kosten des Privatlebens „ 700 Medizinerstellen sind unbesetzt, 2775 Betten bleiben wegen Personalmangels gesperrt. “ In ihrer Ordination behandelt die Landärztin ganze Familien. Sie kennt Mütter und Schwiegerväter, Kinder und Enkel und weiß um deren gesundheitlichen Vorgeschichten. Das hilft der Diagnosestellung – und das ist auch das, was Ernst an ihrem Job gefällt. „Allgemeinmedizinerinnen sind die Einzigen, die ganzheitlich arbeiten dürfen“, sagt sie. Dazu gehöre mehr als Blutdruckmessen und Medikamente verschreiben, auch wenn ihr Berufsbild von so manchen Fachkollegen belächelt werde. Ernst behandelt Kinder mit Scharlach, wie auch Frauen mit gebrochenen Beinen oder Männer mit Schlaganfällen. Fragt man sie nach ihrem Privatleben, zögert sie. Die erwachsenen Söhne seien außer Haus, ihr Mann und sie arbeiten beide viel. „Mein Privatleben ist kein Vorbild für andere.“ Starke Arbeitsbelastungen, wenig Kontrolle über Arbeitszeiten und daraus resultierende Einschränkungen im Sozialleben beeinträchtigen die psychische Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten. Und tatsächlich: Die Suizidrate ist unter Gesundheitspersonal höher als in den meisten anderen hochqualifizierten Berufsgruppen, vor allem Frauen sind betroffen, wie aus einer Untersuchung der Medizinischen Universität unter Studienleiterin Claudia Zimmermann hervorgeht. Das liegt nicht zuletzt am vereinfachten Zugang zu potenziell tödlichen Pharmazeutika unter Mediziner(inne)n. Aber auch mentale Erkrankungen wie etwa Depressionen sind unter der Berufsgruppe verbreiteter. „Irgendwann ist man an einem Punkt, an dem man kontinuierlich ausgelaugt ist und das gar nicht merkt“, sagt Anna Obermeyr*, eine 33-jährige Ärztin, die an der Medizinischen Universität Wien studierte und mehrere Jahre lang in österreichischen Kliniken gearbeitet hat, bevor sie vor wenigen Jahren für eine Spezialisierung nach Deutschland gezogen ist. Sie sei an ihren ersten Arbeitstagen ins kalte Wasser geworfen worden, erzählt sie im Gespräch mit der FURCHE, habe in ihren ersten Diensten von den Oberärzten gehört, sie könne alles machen, so lang sie diese nicht anrufe, habe Überstunden nicht genügend ausbezahlt bekommen und von 25-Stunden-Diensten als „gute Tage“ gesprochen, wenn sie darin eineinhalb Stunden lang Foto: iStock / PeopleImages pausieren konnte. Dabei sei sie in diesen Diensten irgendwann in der Nacht überhaupt nicht mehr zurechnungsfähig gewesen, ihre Freundinnen habe sie zu dieser Zeit kaum noch gesehen. „Der Biorhythmus ist total durcheinander“, sagt sie. Und dann sei es auch noch zu sexuellen Belästigungen durch Ärzte gekommen, die weitaus höher in der Krankenhaushierarchie standen als sie. „Bis vor gar nicht allzu langer Zeit haben Frauen in medizinischen Berufen eine Minderheit dargestellt“, erklärt Claudia Zimmermann, die Forscherin der Medizinischen Universität. Das sei in den Hierarchien der Spitäler immer noch nachzuvollziehen und könne mit ein Grund sein, warum Frauen umso belasteter sind. Vor allem die Beeinträchtigung dessen, was heute gerne Work-Life-Balance genannt wird, dürfte wesentlich zum immer akuter werdenden Personalmangel im Gesundheitsbereich beitragen. Das sieht Rosa Maria Ernst an ihren Schülerinnen und Schülern, die sie in ihrer Praxis trainiert und Claudia Zimmermann spricht von einem wachsenden Bewusstsein für eigene Bedürfnisse des Gesundheitspersonals: „Damit man in einem Job gut arbeiten kann oder sich eine langfristige Karriere vorstellen kann, braucht es eine Rücksichtnahme auf persönliche Bedürfnisse, auf die persönliche Lebensgestaltung.“ Gemeinsam gegen die Krise Drei Millionen Euro stellt die Ärztekammer der Krankenhausbelegschaft zur Verfügung, um sie im Falle eines Streikes rechtlich zu unterstützen. In den Spitälern des Wiener Gesundheitsverbundes werden indes Streikschulungen angeboten. Geht es nach Zimmermann, wären konkrete Interventionen für die psychische Gesundheit von Medizinerinnen nötig: Bessere Aufklärung über psychische Gesundheit und niederschwellige Unterstützungsangebote. Aber auch Einschränkungen in der Abgabe von Pharmazeutika könnten die erhöhte Suizidalität senken. Für Rosa Maria Ernst ist ihr Job weiterhin der, von dem sie seit Kindheitstagen geträumt hat. „Streiken würde ich nicht, dafür habe ich keine Zeit“, sagt sie lachend. Aber auch sie wünscht sich mehr Unterstützung. „Ich habe niemanden, mit dem ich am Abend über bestimmte Patienten reden kann. Wir kämpfen einzeln bis zum Umfallen.“ Dabei würde der Austausch auch die Qualität der Behandlungen erhöhen – und für diesen gibt es bereits ein Konzept: In Primärversorgungseinheiten, die Hausarztpraxen ersetzen könnten, unterstützen sich Mediziner(innen) verschiedener Fachrichtungen gegenseitig. Gemeinsam wäre es leichter. *Name von der Redaktion geändert

DIE FURCHE · 24 15. Juni 2023 Religion 9 Während dieser Tage die LGBTQ-Community in Regenbogenparaden auf die Straße geht, können nicht alle queeren Personen mitfeiern. Schwul und Religionslehrer sein – im Gegensatz zu Deutschland ist das in Österreich immer noch ein Tabu. Zumindest für den Arbeitgeber. Geheimnisträger wider Willen Von Michaela Hessenberger geht es meinen Arbeitgeber an, mit wem ich zusammen bin? Hat das vielleicht einen Einfluss auf das, „Was was ich in der Klasse erzähle? Wie ich auftrete? Wie die Jugendlichen mich und das, was ich sage, wahrnehmen?“ Andreas W. ist sichtbar erzürnt, als er zum Interview erscheint und beginnt, aus seinem Arbeitsalltag an zwei Schulen im Westen Österreichs zu berichten. Seinen echten Namen will er in der Zeitung nicht genannt wissen. Immerhin steht mit seiner Beichte schlimmstenfalls der Job auf dem Spiel. Der etwas mehr als 40 Jahre alte Mann unterrichtet das Fach „Katholische Religion“. Doch wo liegt das Problem? Nun, neben der traditionell konservativen Sexualmoral der katholischen Kirche geht es ihm vor allem um die Missio canonica. Dabei handelt es sich um die kirchliche Bevollmächtigung und Erlaubnis, Religionsunterricht zu erteilen. Sie wird verliehen – und kann auch wieder entzogen werden. Im Religionsunterrichtsgesetz des Bundes ist festgeschrieben: „Der Religionsunterricht wird durch die betreffende gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgemeinschaft besorgt, geleitet und unmittelbar beaufsichtigt.“ Aus demselben Gesetzestext rührt die Idee der Kirche beziehungsweise ihrer Schulämter, den persönlichen Lebenswandel ihrer Lehrkräfte im Auge zu behalten. Den der schwulen, lesbischen und queeren ebenso wie den der geschieden-wiederverheirateten. Eine Crux im Gesetzestext: „Alle Religionslehrer unterstehen hinsichtlich der Vermittlung des Lehrgutes des Religionsunterrichtes den Vorschriften des Lehrplanes und den kirchlichen (religionsgesellschaftlichen) Vorschriften und Anordnungen.“ Entzug der Lehrbefugnis? An diesem Punkt spätestens kommen die Tatsachen ins Spiel, dass weitere Geschlechter als Frau und Mann in weiten Teilen der Kirche hoch kritisch beäugt, in der Realität meist schlichtweg negiert werden und andere Beziehungsformen als die Ehe zwischen Frau und Mann nicht vorgesehen sind. In der Missio-Rahmenordnung aus dem Jahr 1998 heißt es, dass ein Entzug der Lehrerlaubnis dann angesagt ist, wenn die Lebensführung der Lehrkraft „durch eigenes Verschulden in offenkundigem Widerspruch zu tragenden Grundsätzen christlicher Lebensgestaltung und/ oder Handlungsorientierung steht“. Andreas W. tippt auf dem Laptop-Bildschirm auf genau diesen Passus und schüttelt energisch den Kopf. „Als hätte das Einfluss auf auch nur irgendeine Sekunde des gesamten Unterrichts“, sagt er. Foto: Imago / Zoonar „ Die vom Diözesanbischof verliehene ‚Missio canonica‘ gibt Andreas W. nicht nur die Freiheit zu lehren – sie zwängt ihn auch in ein Netz aus Lügen. “ Nach seinen ersten Einsätzen in Schulklassen bekam W. vor einigen Jahren eben diese Missio in einem feierlichen Akt samt Gottesdienst gemeinsam mit ein paar Kolleginnen und Kollegen vom damaligen Diözesanbischof verliehen. Diese gibt ihm seither nicht nur die Freiheit zu lehren – sie zwängt ihn auch in ein Netz aus Lügen. Nicht immer, aber immer wieder. Mit seiner Partnerschaft zu einem Mann kann W. nämlich nicht offen und un beschwert umgehen. „Jetzt könnte natürlich jemand kommen und sagen: ‚Selber schuld, der hat doch gewusst, worauf er sich einlässt.‘ Doch nach meinem Theologiestudium, beim Unterrichtspraktikum und zu meinem Beginn als Lehrer hatte ich viel zu tun und überhaupt keine Lust auf eine feste Beziehung – egal, zu wem. Erst, als ich meinen ersten und später meinen aktuellen Lebensgefährten kennengelernt habe, hat die Missio begonnen, mir unangenehm im Nacken zu sitzen.“ Wenn er im Klassenzimmer etwa über Wanderungen oder Konzertbesuche am Wochenende erzählt, achtet er darauf, weder ein Wir fallen zu lassen, noch den Umstand zu erwähnen, dass der zweite Teil eines solchen Wir aus einem Mann besteht. In Deutschland hingegen soll das Privatleben von katholischen Religionslehrerinnen und -lehrern in ihrem Job seit einigen Wochen keine Rolle mehr spielen. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind ihnen neuerdings unbenommen, ebenso eine neue Ehe nach einer Scheidung. Ihre Lehrerlaubnis darf ihnen aus keinem dieser Gründe mehr verweigert oder entzogen werden. Das hat die Deutsche Bischofskonferenz Anfang März beschlossen. Damit kippt sie die bisherige Ordnung, die 1973 festgeschrieben wurde. Neu ist ebenfalls, dass selbst Kritik an der Lehre der katholischen Kirche erlaubt und kein Kündigungsgrund mehr ist. Und in Österreich? Da lässt Erzbischof Franz Lackner, Vorsitzender der Bischofskonferenz, auf Anfrage der FURCHE mit- teilen, dass er keine Stellungnahme oder gar einen Blick in die Zukunft geben könne, ohne mit seinen Amtskollegen bei der nächsten Tagung gesprochen zu haben. Ob das Thema der queeren Reli-Lehrer auf der Tagesordnung steht, ist unklar. Nicht offen zum Partner stehen können Das Verstecken seines Partners kennt auch Alexander S. gut. Ebenso wie Andreas W. möchte er aus genannten Gründen anonym bleiben. Er lebt in einer kleinen, ländlich geprägten Gemeinde südlich der Donau und ist es gewohnt, sein Privatleben nicht mit der Öffentlichkeit zu teilen. GLAUBENSFRAGE Liebe Sonne Lesen Sie zum Thema auch Hildegund Keul: „Bischöfe: out in Church!“, am 16.2.2022, nachzulesen auf furche.at. Tabu bleibt bestehen Kreuz und Regenbogenfahne (Foto aus Innsbruck) koexistieren in Gottes freier Natur durchaus. Bis ins kirchliche Leben hat sich dies aber längst noch nicht herumgesprochen. Während seine Lehrer-Kolleginnen und Kollegen etliche Schüler zu ihren Facebookoder Instagram-Auftritten hinzufügen sowie ausgewählte und dennoch persönliche Details wie Urlaubsfotos mit ihnen teilen, setzt S. auf Social-Media-Boykott. Sich auf diese Weise online mit Schülern zu verbinden, wäre ein No-Go für den jungen Mann. Dabei würde er freilich gerne offen mit seiner Partnerschaft zu einem Mann umgehen – in der Schule ebenso wie daheim am Land. „Ich fände es komplett in Ordnung, wenn meine Schülerinnen und Schüler von mir mitbekommen, dass eine homosexuelle Partnerschaft ein Lebensentwurf ist, mit dem es sich gut leben lässt“, sagt er. Anders als Andreas W. ist er nicht sonderlich aufgebracht, wenn er über das Zusammenspiel von Missio canonica, Jobsicherheit und Lebensstil nachdenkt. Er habe noch nie davon gehört, dass jemandem die Lehrerlaubnis entzogen worden wäre aufgrund der Sexualität, argumentiert er lakonisch. Wenn er mit seinem Freund durch die Nacht ziehen, tanzen und feiern möchte, dann tut er das ohnehin in der nächsten größeren Stadt. Angst, erkannt zu werden? „Nein.“ Und wenn doch? „Dann freue ich mich auf die Diskussion, die aufkommt, wenn das Thema von meinem Arbeitgeber breitgetreten wird. Denn wir haben 2023 und die Vorgaben der Lehrbefugnis für Menschen aus dem LGBTQ-Spektrum sind, anders als nun in Deutschland, sowas von überholt!“ Von Hildegund Keul Eines meiner liebsten Sommergedichte stammt von Marie Luise Kaschnitz. Sein Titel „Liebe Sonne“ ist auch anders lesbar: „Liebe. Sonne.“ Um beides geht es in ihrem Gedicht. Und vor allem um eines: um Auferstehung. Die Dichterin führt vor Augen, dass es immer triftige Gründe zur Resignation gibt, sodass Menschen die Hände in den Schoß legen, Häuser verfallen und Weinberge brachliegen lassen. Was tun gegen die Sogwirkung der Resignation? Kaschnitz empfiehlt einen Blick auf küssende Lippen, die strahlende Sonne und die wunderschöne Erde. Ihre Zeugenschaft, täglich neu und unvermindert, wendet die Resignation in Richtung Auferstehung. – Allerdings wird in den letzten Jahren auch in Europa spürbar, wie ambivalent die glühende Sonne wirkt. Monatelang und teils über Jahreszeiten hinweg regnet es nicht mehr in Gebieten, die existenzielle Wasserknappheit zuvor nur vom Hörensagen kannten. Bereits 1995 ernannten die Vereinten Nationen den 17. Juni zum „Welttag zur Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürre“. Der Klimawandel steuert auf einen Kipppunkt zu, an dem sich die destruktiven Auswirkungen exponentiell verstärken. Der Fluchtgrund Klimawandel wird dann auch die Migrationsproblematik extrem verschärfen. – Das Sommergedicht von Kaschnitz lädt dazu ein, sich gerade jetzt nicht der Resignation anheimzugeben. Auch dann nicht, wenn der eigene Wirkungskreis verschwindend klein erscheint. Auferstehung ist ein Tätigkeitswort. Alle Menschen in Europa und vor allem die Wohlhabenden können dazu beitragen, den Klimawandel abzubremsen. Im Bereich Wohnen, Mobilität, Urlaub, Ernährung. Da hat die Bewegung „Letzte Generation“ völlig Recht. Wer sich aktiv und einfallsreich beteiligt, widersteht der Resignation. Dann fällt es auch leichter, den blauen Himmel zu genießen. Und den neuen Morgen, der sanft im ersten Sonnenlicht erwacht. Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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