Aufrufe
vor 11 Monaten

DIE FURCHE 15.06.2023

  • Text
  • Menschen
  • Furche
  • Juni
  • Foto
  • Zeit
  • Wien
  • Politik
  • Welt
  • Kirche
  • Babler

DIE

DIE FURCHE · 24 16 Film & Medien 15. Juni 2023 SPIELFILM Entgrenzungen mit Boléro etc. Mit „Die Schüler der Madame Anne“ (2014) und „Der Himmel wird warten“ (2016) legte Marie-Castille Mention-Schaar bereits Filme vor, in denen sie die Probleme Heranwachsender in einem Multikulti-Setting zum Ausgangspunkt einer Spielfilmhandlung machte. Nun folgt mit „Divertimento – Ein Orchester für alle“ der nächste gelungene Spielfilmzugang von Mention-Schaar. Diesmal geht es wieder um eine wahre Geschichte, nämlich die algerischstämmige Zahia Ziouani, die in den Pariser Banlieues aufwächst, aber musikalisch hochbegabt ist und Dirigentin werden will. Gemeinsam mit Zwillingsschwester Fettouma, einem begnadeten Cello-Talent, beginnt sie 1995 als 17-Jährige zum einen ein Orchester für alle aufzubauen und gleichzeitig die Dünkel von begüterten Musik-Kommiliton(inn) en zu überwinden. Unter den Fittichen des Stardirigenten Sergiu Celibidache (im Film gespielt von Niels Arestrup) gelingt das Unternehmen. Mit „echten“ Musiker(inne)n in den Nebenrollen wird das zu einem ebenso eindrücklichen wie engagierten Plädoyer für Musik als Grenz-Überwindung – was nicht zuletzt an den Hauptdarstellerinnen Oulya Amamra und Lina El Arabi liegt. (Otto Friedrich) Divertimento – Ein Orchester für alle F 2023. Regie: Marie-Castille Mention- Schaar. Mit Oulya Amamra, Lina El Arabi, Niels Arestrup. Panda. 110 Min. Niels Arestrup als Sergiu Celibidache, Oulya Amamra als Zahia Ziouani. Von Thomas Taborsky Einer der ersten Eindrücke von „Asteroid City“ ist ein durch die Landschaft rumpelndes Zugmodell, das alles Mögliche mitführt, sogar einen 10-Megatonnen-Nuklearsprengkopf – Aufschrift: „Nicht zünden (ohne Genehmigung des Präsidenten)“. Wes Anderson („Grand Budapest Hotel“, „The French Dispatch“) wäre eben nicht Wes Anderson, wenn bei ihm die Wunderkammer nicht auf eine Kammer der Wunderlichkeiten träfe. Seine jüngste Arbeit schlägt dafür ihre Zelte in einem amerikanischen Wüstenkaff Mitte der 1950er auf, wo man gewohnt ist, dass sie nebenan Atombomben testen und die einzige Sehenswürdigkeit ein Meteoritenkrater ist. In diesem lauschigen Rahmen versammeln sich hochbegabte Schüler und ihr Anhang zu einer Tagung mit wissenschaftlichen Führungen und Preisverleihung; sogar ein General soll eine Rede halten. Vexierspiel der Identitäten Eigentlich ist das alles der Plot eines Theaterstücks, und dessen Hintergrundgeschichte Gegenstand eines zeitgenössischen, stilecht in Schwarzweiß gehaltenen Live-Fernsehspiels samt Gastgeber – eine Fiktion gestülpt über eine andere, die Anderson immer wieder in Berührung bringt. Daraus bastelt er ein Vexierspiel der Identitäten und Bezüge, etwa wenn Scarlett Johansson eine Schauspielerin spielt, die eine Schauspielerin spielt, die ihre Zukunft prophezeit – von wem jetzt aber eigentlich? Oder es beim Hauptdarsteller kriselt, weil er die Motivation seiner Figur doch nicht versteht. Asteroid City Jason Schwartzman (li.) und Tom Hanks sind nur zwei aus der Starriege, die diesmal für Wes Anderson in gewohntem Changieren zwischen absurdem und existenziellem (Film-)Theater werkt. „Asteroid City“: Einmal mehr hat Kultregisseur Wes Anderson ein Starensemble versammelt, um eine Vielzahl an Geschichten in einen filmischen Reigen zu verweben. Schrulliges, aber feines Kino. Fiktion über Fiktion gestülpt „ Wie so oft bei Anderson geht es in ‚Asteroid City‘ um Trauer oder Schmerz, die auf jede erdenkliche Weise ins Irreale, Absurde gedreht werden. “ „Asteroid City“ verhält sich dabei wie ein Diorama: Man kann sich im Gewusel der liebevoll ausgestalteten Nebensächlichkeiten verlieren, im Schmunzeln über Straßenrampen, die ins Nichts führen, Automaten für alles bis hin zur Grundstücksurkunde oder Slim Whitmans berühmt-berüchtigten „Indian Love Call“, der einen instinktiv an Tim Burtons „Mars Attacks!“ zurückdenken lässt. Man kann aber auch den einen oder anderen Strang wählen, deren Figuren und Gruppen folgen, die ihre eigenen Geschichten entwickeln. Wie so oft bei Anderson geht es in vielen davon um Trauer oder Schmerz, die auf jede erdenkliche Weise ins Irreale, Absurde gedreht werden – um ihnen die Spitze zu nehmen, was einen später aber sogar noch mehr darüber sinnieren lässt. Wes Anderson spielt in „Asteroid City“ virtuos mit dem von ihm im Lauf der Jahre entwickelten, reichen Instrumentarium, und die einzige Sorge, die einem dabei in den Sinn kommt, ist jene, ob seine Filme irgendwann von Ideen und Stars überfrachtet in die Knie gehen werden. Hier jedenfalls nicht: So ein feines, schrulliges Stück Kino ist selten. Asteroid City USA 2023. Regie: Wes Anderson. Mit Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Deward Norton. Universal. 104 Min. COMIC-VERFILMUNG Ein Film, am besten schnell zu vergessen Hätte „The Flash“ – im zivilen Leben ist er der Kriminalbeamte Barry Allen (Ezra Miller) – doch auf „Batman“ (diesfalls Ben Affleck) gehört: mit übermenschlichem Tempo, seiner Superkraft, in die familiäre Vergangenheit zu hasten, um diese ändern zu wollen, ist keine gute Idee – selbst, wenn es darum geht, einen an seiner Mutter verübten Raubmord zu verhindern. (Fun Fact: Aufgrund dieser Intervention des im knallrot-gelben Dress herumhetzenden DC Comics-Superhelden spielt Eric Stoltz anstatt Michael J. Fox die Hauptrolle in „Zurück in die Zukunft“.) The Flash findet sich ausgerechnet in einer (Parallel-)Realität wieder, in der General Zod (Michael Shannon), Erzschurke vom Planeten Krypton, zur Vernichtung der Erde gelandet ist. Also rückt sie aus: die Justice League – bestehend aus dem Super Girl (Sasha Calle), Superman (Archivaufnahmen von Christopher Reeve) und mehreren Alternativ-Welt-Versionen von Batman (als Ezra Miller und Sasha Calle im DC-Comic-Verschnitt „The Flash“. pensionierter Bruce Wayne: Michael Keaton; Cameo-Auftritt von George Clooney). Fazit: Diese zusammengepfriemelten Handlungskonstruktionen werden schnell wieder vergessen sein. (Rudolf Preyer) The Flash USA 2023. Regie: Andy Muschietti. Mit Sasha Calle, Ezra Miller. Warner. 144 Min. MEDIEN IN DER KRISE Schmitt lässt Putins Handlanger sudeln Weil er sich nicht mehr wehren kann, wird Bruno Kreisky dieser Tage öfter zitiert, als es dem Andenken seiner Person guttut. Schon der SPÖ-Parteitag hatte zuletzt gezeigt, dass der Führer jedes der beiden übrig gebliebenen Lager den Altvorderen auf seine Seite zu ziehen versucht hatte. Überraschend war dann aber doch, dass sich Richard Schmitt, bekanntlich eine subtile Edelfeder des heimischen Journalismus sowie Chefredakteur des in jeder Hinsicht auffälligen Mediums exxpress.at und seines TV-Ablegers, sich an Doskozil wie Babler ein Beispiel nahm und Kreiskys Licht nicht länger unter dem Scheffel zu halten versuchte: Explizit auf Kreiskys diplomatische Gesprächsinitiativen bezugnehmend, rechtfertigte Schmitt nun ein Interview mit Dmitrii Liubinskii (oder, wie exxpress.at sich nicht entscheiden konnte, Dmitriii, Dmitiii bzw. Liubinskiii), russischer Botschafter in Wien, das gewiss stilbildend für die Zunft ist: Zum einen gab es darin keine einzige kritische Frage an Putins Handlanger in Wien, sondern Schmitt gerierte sich ausschließlich als Stichwortgeber, damit Liubinskii zum anderen übelste Kriegspropaganda zum Besten geben durfte – von, dass „die Kiewer Clique immer deutlicher ihr wahres Gesicht“ zeige, bis zu „wenn man diese Verrückten in Kiew nicht aufhält ...“. Auch nachfolgenden Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: „Der grundlegende Unterschied zwischen der russischen und der westlichen Medienlandschaft besteht darin, dass in Russland immer auch die Gegenmeinung zur Geltung kommt.“ (Otto Friedrich)

DIE FURCHE · 24 15. Juni 2023 Wissen 17 Komplexe Zukunftsszenarien im Schnelldurchlauf: Das wissenschaftlich basierte Weltklimaspiel macht nachhaltige Entwicklung für Kinder und Jugendliche greifbar. Sog des Bretts Weltklimaspiel Anlässlich des letztwöchigen SDG-Awards der Bildungsdirektion für Wien wird das innovative Planspiel mit Schüler(inne)n durchgeführt. DAS ERWARTET SIE IN DEN NÄCHSTEN WOCHEN. Die FURCHE nimmt in den kommenden Ausgaben folgende Themen* in den Fokus: Von Thomas Schinko Einmal Regierungschef oder Industriekapitän sein, ein Vertreter der Zivilgesellschaft oder gar Präsident der UNO: Per Zufallsprinzip werden die Rollen im Weltklimaspiel verteilt. Ausgangssituation ist die von fossilen Brennstoffen angeheizte Welt gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Dann beginnt die Simulation. Wie gut werden die Spieler(innen) zusammenarbeiten, um die CO2-Emissionen zu senken? Wird es gelingen, die verheerenden Folgen der Klimakrise einzudämmen? Nach jeder Spielrunde werden die Gefühle und Erkenntnisse beim Spielen reflektiert. Das Weltklimaspiel ist eine innovative Methode mit dem Ziel, die komplexe Gemengelage rund um Klimawandel und globale Nachhaltigkeit für junge Menschen erfahrbar und nachvollziehbar zu machen. Diese von der gemeinnützigen Weitblick GmbH entwickelte Methode ist ein interaktives, mehrtägiges Planspiel für Gruppen von 25–30 Personen, geeignet ab einem Alter von ca. 13 Jahren. Anlässlich des SDG- Awards der Bildungsdirektion für Wien wird es nun erstmals auch an Wiener Schulen durchgeführt. Wissenschafter(innen) aus verschiedensten Disziplinen haben da- „ Die gruppendynamischen Prozesse des Weltklimaspiels ermöglichen den Spieler(inne)n kollektive Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und Empowerment. “ ran mitgearbeitet. Mit seinem immersiven Charakter und starkem Fokus auf Gruppendynamiken soll das Spiel wissenschaftlich fundierte Fakten vermitteln, etwa über den Zusammenhang von Klimakrise, globalisiertem Wirtschaftssystem und der Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Zugleich werden Lebenskompetenzen wie kritisches und kreatives Denken, Empathie oder Problemlösungsfähigkeiten eingeübt. Nicht zuletzt sollen die Spieler(innen) den Umgang mit Komplexität erlernen sowie ihre Kommunikations- und Präsentationstechniken trainieren können. Wie der Aufstieg sozialer Klimabewegungen wie #FridaysForFuture zeigt, stellen vor allem junge Menschen eine starke Kraft für einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel dar. Gleichzeitig belastet die Klimakrise die psychosoziale Gesundheit von jungen Menschen immer stärker – ist es doch ihre Generation, die bisher wenig zur Entstehung der Klimakrise beigetragen hat, gleichzeitig aber die künftige Last der Auswirkungen tragen wird müssen. Wie lässt sich dieser Veränderungswille in konkreten Klimaschutz umsetzen, ohne in den jungen Menschen eine Ohnmacht auszulösen, die zu fatalistischer Passivität führt? Nicht nur Klima- und Nachhaltigkeitsforscher, auch Expert(inn)en aus dem Bildungsbereich sowie der Kinder- und Jugendbeteiligung stellen sich vermehrt diese Frage. So wie in vielen Bereichen der Klimawandelforschung findet derzeit auch in der Praxis der Umweltbildung ein tiefgreifender methodischer Wandel statt – hin zu partizipativen „bottom-up“-Prozessen, in denen sich die jeweiligen Expert(inn)en als Gestaltungspartner sehen. Motivation durch Freude Die bisher durchgeführten Spiele haben gezeigt, dass die jungen Spieler(innen) ein umfassendes Verständnis der komplexen Zusammenhänge bei der Klimakrise entwickeln und das Weltklimaspiel es ihnen ermöglicht, kritisch über ihre eigene Rolle bei der Bewältigung dieser Krise zu reflektieren. Denn solche gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen stellen letztlich Herausforderungen für jedes Individuum dar. Es hat sich auch bestätigt, dass die gruppendynamischen Prozesse des Weltklimaspiels den Spieler(inne)n kollektive Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und Empowerment ermöglichen. Dadurch wird verdeutlicht, dass wir die Klimakrise nur lösen werden können, wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen, dass aber dennoch jede(r) Einzelne etwas dazu beitragen kann und muss. Zu guter Letzt hat sich auch gezeigt, dass das Weltklimaspiel den jungen Menschen eine Menge Spaß macht. Es ist schön zu sehen, welche Spielfreude sich bei den Spieler(inne)n schon nach kürzester Zeit einstellt und wie dadurch ihre Motivation steigt, im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten selbst aktiv zu werden. Der Autor ist Klimaökonom und Systemwissenschafter am IIASA in Laxenburg. Er hat die Entwicklung des Weltklimaspiels wissenschaftlich begleitet. Foto: Bildnachweis Aufeinander hören Nr. 26 • 29. Juni 2023 In der digitalen Umwelt ist eine visuell dominierte Kultur entstanden. Aktuelle Entwicklungen zeigen: Es besteht die Gefahr, dass wir das Lauschen und das Zuhören verlernen. Über den Schatz der akustischen Sinneswelt. Gutes Leben Nr. 28 • 13. Juli 2023 Zu einem zufriedenen Leben gehören viele Faktoren, die man nicht früh genug fördern kann. Die pädagogische Werktagung Salzburg will daher „Zuversicht stärken“ – und DIE FURCHE fragt: „Wie gelingt gutes Leben?“ Kunst des Verzichts Nr. 30 • 27. Juli 2023 Eine Haltung des „Immer mehr!“ hat lange das gesellschaftliche Grundgefühl bestimmt. Heute wächst das Unbehagen daran. Aber wo und wie ist Reduktion sinnvoll? Ein Fokus anlässlich der Salzburger Hochschulwochen. Das Wasser-Jo-Jo Nr. 32 • 10. August 2023 Trotz verregneten Frühjahrs dümpelt der Grundwasserspiegel vielerorts in Österreichs auf Rekord-Tiefniveau. Wie das Wasserreich Österreich bewahren? Und was tun gegen den Dürre- Hochwasser-Teufelskreis? Idealismus Nr. 34 • 24. August 2023 Idealismus scheint im abgeklärten, postfaktischen Zeitalter fehl am Platz. Und wenn man für seine Ideale eintritt wie die Klimakleber, dann beruht das auf wissenschaftlichen Fakten. Warum Überzeugung dennoch essenziell ist. *Änderungen aus Aktualitätsgründen vorbehalten. Im Schatten Nr. 27 • 6. Juli 2023 Wenn es heiß wird, geht man vernünftigerweise aus der Sonne. Der Schatten steht freilich nicht nur für Schutz vor Hitze, sondern als Metapher für vielerlei. Eine kulturhistorische und literarische Erkundung. Treue im Wandel Nr. 29 • 20. Juli 2023 In Österreich geht jeder Vierte fremd. Aber ist das heute noch ein Tabu? Zu Zeiten der Monica-Lewinsky-Affäre war es eines. Heute setzen immer mehr junge Paare gleich auf Polyamorie. Über Treue im Wandel der Zeit. Franz Jägerstätter Nr. 31 • 3. August 2023 Am 9. August jährt sich die Hinrichtung des Bauern und Kriegsdienstverweigerers aus St. Radegund/OÖ zum 80. Mal. Jägerstätters Beispiel, seinem Gewissen um jeden Preis zu folgen, ist aktuell wie eh und je. Wie anfangen? Nr. 33 • 17. August 2023 Nach Sommer und Urlaub kommt der Herbst, die Zeit des Neu-Aufbruchs. Was ist nötig, damit ein Anfang gelingt – von Schule und Beruf über den Start in einem neuen Land bis zur gesellschaftlichen Transformation? Politik lernen Nr. 35 • 31. August 2023 Seit Max Webers Vortrag „Politik als Beruf“ wird das Politikhandwerk mit dem Bohren harter Bretter beschrieben. Wie Politik-Lernen heute funktionieren kann, zeigt eine Spurensuche beim Europäischen Forum Alpbach. ALLES AUCH DIGITAL AUF FURCHE.AT Podcasts, Videos, E-Paper und alle FURCHE-Artikel seit 1945 JETZT 77 Jahre Zeitgeschichte im NAVIGATOR.

DIE FURCHE 2024

DIE FURCHE 2023