DIE FURCHE · 20 20 16. Mai 2024 Er hat gut lachen Mark Zuckerberg verbringt seine Zeit nun lieber auf dem Feld als vor dem PC. Zu seinem Vierziger hat er eine Rinderfarm gegründet. Von Manuela Tomic MOZAIK Armes Meerschwein Zu meinem zehnten Geburtstag schenkten mir meine Eltern ein Meerschweinchen. Es hatte ein zotteliges braunweißes Fell und einen schwarzen Fleck auf dem rechten Auge. Aufgrund seines Grinsemäulchens taufte ich es Smiley. In den ersten Wochen lockte ich Smiley mit Salatblättern und jagte ihn durch die Wohnung. Gestresst lief das verzweifelte Tierchen umher und verteilte seine Bemmerl auf unserem neuen Teppich. Wenn ich es mit meinen patscherten Kinderhänden fassen wollte, versteckte es sich, quiekte schrill oder fauchte. Eines Tages kam meine Schwester, die in Salzburg studierte, nach Hause. Behutsam köderte sie Smiley mit einer Karotte, um ihn zu fotografieren. Eifersucht packte mich: Mochte Smiley meine Schwester lieber als mich? Doch wenige Monate später bekam ich mein erstes Handy und begann, Smiley zu vergessen. Woche für Woche mistete meine barmherzige Mutter seinen Käfig aus, füllte sein Trinkfläschchen und seinen Napf. Nur einmal kam mir Smiley schockartig ins Bewusstsein zurück. Er hatte einen „Knubbel“ am Arsch und musste zur Tierärztin. Mutter zahlte 500 Schilling für die riskante Operation, die Smiley überraschenderweise überlebte. Jahre später, kurz vor meinem 15. Geburtstag, verendete das arme Schwein einsam in seiner Käfigecke, während ich gerade fernsah. „So sad“, schrieb ich meiner besten Freundin per SMS, als mein Vater den leblosen Leib in einem Plastiksack entsorgte. Schnell hatte ich das kleine Biest vergessen. Vor wenigen Jahren holte mich mein Gewissen ein, als ich das Foto von Smiley wieder erblickte. Es hat in unserem Familienalbum einen Ehrenplatz gleich gegenüber von Kokolo, unserem jugoslawischen Nymphensittich, der furchtlos in die Freiheit flog. Schuldgefühle nagen mit Meerschweinchenzähnen an meinem Herzchen, wenn ich an das weit unheroischere Ende meines unfreiwilligen Kuscheltiers denke. Smiley hatte bestimmt nichts zu lachen. Selbst sein Name, eine Tierquälerei. FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Kultur, Identitäten und die Frage, was uns verbindet. Die Kolumnen gibt es jetzt als Buch! Von Manuela Tomic Auf der Hawaii-Insel Kauai posierte Mark Zuckerberg Anfang des Jahres mit einem monströsen Steak für ein Foto. Der Facebook-Gründer und Meta-Chef hatte natürlich gleich auch eine neue Geschäftsidee zu verkünden. „Ich habe mit der Rinderzucht auf der Ko‘olau Ranch auf Kauai begonnen“, schrieb er. Und wie das so ist bei einem der reichsten Menschen der Welt, sein Vermögen wird auf 170,3 Milliarden US-Dollar (159 Milliarden Euro) geschätzt, löste das eine Welle der Empörung aus. „Mein Ziel ist es, mir das qualitativ beste Rindfleisch der Welt zu schaffen“, kündigte Zuckerberg an. Die Tierschutzorganisation Peta kritisierte, dieses Projekt töte Tiere und den Planeten. Zuckerberg sollte sich anderen Dingen widmen, etwa innovatives veganes Essen kreieren. Die Mittel dazu hätte er ja. Aber vielleicht ist sein neues Projekt, das er als sein „köstlichstes“ bezeichnet auch nur eine Alterserscheinung. Schließlich wird der Multimilliardär mit den ewig-jugendlichen Gesichtszügen nun 40. Zeit, um neues Terrain zu betreten? Berühmt machte ihn die Plattform Facebook, die er im Jahr 2004, im Alter von nur zwanzig Jahren, gründete. Was in den staubigen Hallen seines Studentenwohnheims an der Harvard Universität begann, veränderte nur wenig später die Art, wie die ganze Welt miteinander kommuniziert. Doch die Idee, dass soziale Medien alle Menschen verbinden und zur Demokratisierung beitragen werden, hat sich längst als falsch erwiesen. Stattdessen gelangten neben Datenschutzproblemen immer häufiger Kinder und Jugendliche ins Zentrum von Forschern und Jugendschutzorganisationen. Unzählige Studien haben mittlerweile herausgefunden, dass soziale Medien zu einem erhöhten Angstempfinden, Depressionen und Essstörungen beitragen können. Zuckerberg musste sich etwa im Februar dieses Jahres, nur vier Tage vor dem 20. Geburtstag von Facebook, von einem US-Senator sogar vorhalten lassen, ihm klebe „Blut an den Händen“. Es war in einer Anhörung zur Sicherheit von Kindern im Netz – und Zuckerberg entschuldigte sich bei betroffenen Eltern im Senatssaal. „Ich bedauere, dass sie das alles durchleben mussten“, sagte er. Bei der mehrstündigen Anhörung ging es um Probleme wie die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte sowie Mobbing und sozialen Druck. Profit gegen Sicherheit Zuckerbergs Facebook-Konzern Meta hielten die Senatoren vor, im Streben nach Profit die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen auf der Plattform zu ignorieren. Zuckerberg wies das zurück. Am Tag darauf verkündete er einen Umsatzsprung von 25 Prozent und einen Quartalsgewinn des Dachkonzerns Meta von 14 Milliarden Dollar (13 Mrd. Euro), dreimal mehr als ein Jahr zuvor. Nicht zuletzt wegen solcher Vorgehensweisen hat sich der Hype um den smarten jungen Erfinder rasch in Luft aufgelöst. Vor den US-Senatoren hat Zuckerberg immer denselben maskenhaften Gesichtsausdruck. Mit ernster Miene, leicht blutunterlaufenen Augen und Augenringen steht er diese Anhörungen jedes Mal durch, um am nächsten Tag wieder den freundlichen Entrepreneur zu geben. Dieser Kontrast steht auch für die vergangenen 20 Jahre seines Konzerns. Neben Datenschutz-Skandalen gab und gibt es die Sorge, Foto: Getty Images / Zuffa LLC / Jeff Bottari „ Zuckerberg leistet sich keine Milliardärs- Exzesse, keine wilden Partys, keine Model- Affären. “ Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wird 40. Er hat die Art der Kommunikation revolutioniert – und lebt mit der Kritik, Kinder und Jugendliche zu gefährden. Eine Annäherung. Nerd, Visionär, Viehzüchter russische Online-Kampagnen könnten die öffentliche Meinung in den USA manipulieren. Auch die EU klagt nun Meta aufgrund möglicher Verbreitung von Falschinformationen. Doch was aus Konzernsicht unterm Strich zählt, ist: Die Menschen nutzen gern Metas Dienste wie Facebook, Instagram und WhatsApp. Und mit ihnen kommen auch die Werbekunden und das Geld. Zuletzt griffen 3,98 Milliarden Nutzer und Nutzerinnen mindestens einmal im Monat auf eine von Metas Apps zu – und 3,19 Milliarden sogar täglich. Derzeit hat Zuckerberg zwei große Projekte: Künstliche Intelligenz (KI) und das Metaverse, eine Art Digitalwelt für Arbeit und Spaß. Der Gründer glaubt so an die Zukunft in einer virtuellen Realität, dass er den Konzernnamen im Herbst 2021 von Facebook in Meta ändern ließ. Wird Zuckerberg die Art, wie wir kommunizieren, noch einmal so drastisch ändern wie vor 20 Jahren? Schon immer galt der Erfinder als Außenseiter. Geboren am 14. Mai 1984, wuchs Zuckerberg in White Plains, New York, als Sohn eines Zahnarztes und einer Psychotherapeutin auf. Schon früh zeigte er eine Affinität zur Welt der Computer. Bereits als Teenager brachte er seine Programmierkenntnisse zum Einsatz und entwickelte erste Software-Anwendungen. Er entstammt einem jüdischen Elternhaus. Obwohl er sich nie als religiös gesehen hat, werden ihm jüdische Riten immer wichtiger, wie er auf sozialen Medien verkündete. Zuckerberg hat deutsche, österreichische sowie polnische Vorfahren. An der Harvard Universität studierte Zuckerberg Informatik und Psychologie. Mit drei Studienkollegen gründete er 2004 Facebook, damit sich Studierende besser miteinander vernetzen können. 2006 brach er sein Studium ab und widmete sich ganz seinem neuen Netzwerk. Mittlerweile ist Zuckerberg verheiratet mit der Kinderärztin Priscilla Chan, seine Liebe aus Studientagen, und Vater von drei Kindern. Zuckerberg ist fast schon ein ungewöhnlicher Milliardär. Sehr wenig ist von seinem Privatleben bekannt, alles wirkt kontrolliert und zugeknöpft. Noch nie hat es um den 40-Jährigen einen Skandal gegeben. Er leistet sich keine Milliardärs-Exzesse, keine wilden Partys, keine Model-Affären. Selbst in zwei Fällen, als durch Software-Fehler private Fotos für alle einsehbar waren, kam kaum Aufsehenerregendes ans Tageslicht. Statt privater Skandale gibt es bei Zuckerberg Spenden, ganz nach dem US-amerikanischen Mäzen-Modell. Gemeinsam mit seiner Frau Priscilla Chan hat er die „Chan-Zuckerberg-Initiative“ ins Leben gerufen, eine Organisation, die sich der Lösung globaler Herausforderungen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Gesundheit widmet. Die Überreichen geben einen Bruchteil ihres Reichtums zurück. Doch sie selbst bestimmen, welche Projekte sie fördern möchten. Nun verlagert Zuckerberg sein Geld also in die Rinderzucht. Gefüttert werden die Tiere mit Nüssen sowie selbst gebrautem Bier. „Jede Kuh frisst pro Jahr etwa 5.000 bis 10.000 Pfund Futter, das sind also viele Hektar an Macadamiabäumen“, schrieb er auf seinem Portal. Fragt sich, welches Hobby sich der Facebook-Gründer zu seinem 50. Geburtstag zulegt. Die Welt wird es auf einem seiner sozialen Medien erfahren. Vielleicht können wir dann schon im Metaverse mit ihm gemeinsam feiern.
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