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DIE FURCHE 15.05.2024

DIE FURCHE

20 · 16. Mai 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Nerd, Visionär, Viehzüchter Mark Zuckerberg hat mit Facebook eine neue Art der Kommunikation geprägt. Nun ist der Meta-Chef 40 geworden. · Seite 24 „Zeit, die Demokratie zu verteidigen“ Impulse für neue, pfingstliche Professionalität Verhängnis Liebe, Verderbnis Geld Jaume Duch, Sprecher des EU-Parlaments, über den nötigen Widerstand gegen Desinformation – und Enkel statt Opas in Europa. · Seite 5 Kann man in den Kirchen noch mit positiven Überraschungen rechnen? Annette Schavans Essayband „Pfingsten!“ ermutigt dazu. · Seite 8 Er schrieb über eine aus den Fugen geratene Welt: Vor 225 Jahren wurde der Schriftsteller Honoré de Balzac geboren. · Seiten 13–14 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Liebe ohne Romantik Sind Freunde die wahren Seelenverwandten? Über den Wert platonischer Beziehungen und die Fallstricke der Leidenschaft. Collage Studio Fritti (unter der Verwendung von iStock / Carlos Andres Serna Pulido) Foto: Getty Images / Pacific Press Ist das antisemitisch? Weltweit sorgen „Pro-Palästina“- Demos an Universitäten für heftige Kontroversen – zuletzt auch in Wien. Wo endet Israel-Kritik? Und wo beginnt Antisemitismus? Drei Einschätzungen von Julia Murão Permoser, Asher D. Biemann und Ilja Steffelbauer. Seiten 6, 11, 19 Der Fall Lena Schilling zeigt einmal mehr: Der Diskurs ist von Hass und vernichtenden Urteilen geprägt – jenseits durchaus berechtigter Kritik. Ein Ausweg liegt im „Gespräch der Feinde“. Geist, den wir brauchen AUS DEM INHALT Oppositioneller oder Opportunist? Péter Magyar mobilisiert Zehntausende gegen Viktor Orbán – und gehörte selbst der Fidesz an. Schaden könnte er nun auch Ungarns Opposition. Ein Porträt. Seite 6 Von Philipp Axmann Gesellschaften suchen schon immer nach Heilanden, krönen sie und lassen sie wieder fallen. Die Abkehr von den traditionellen Medien und die Hinwendung zu den völlig freien, (a)sozialen Medien hat diesen Prozess noch beschleunigt. Die jüngste Entzauberung erfährt Lena Schilling (23). Die Grünen machten sie zur EU-Spitzenkandidatin, plakatierten sie mit den Händen ein Herz formend. Weil sie nun mit teils schweren Vorwürfen konfrontiert ist, fällt der Partei die Personenzentriertheit der Kampagne auf den Kopf. Die Verteidigung „Reden wir doch über Inhalte statt Personen“ mutet heuchlerisch an: Wo sind die Inhalte auf den Plakaten? Die Bildsprache der Sujets lässt sich auch aus feministischer Sicht kritisieren – gerade für die Grünen eine zentrale Perspektive: Hätte man einen Mann mit Herz dargestellt? Klingt nach ziemlich altem Rollenbild für die junge Frau in der modernen Partei. Das grüne Narrativ, die Vorwürfe würden „keine politische Tangente“ haben, steht freilich auf wackeligen Beinen: Selbstverständlich ist der Charakter einer Politikerin prinzipiell relevant. Notorisches Lügen und vermeintliche Intriganz „ Wer blickt auf Politiker und sieht einen Menschen, eine verletzliche Seele? Dieser Blick fehlt. “ tangieren die Politik sehrwohl. Genauso wie womöglich haltlose Belästigungsvorwürfe gegen einen Journalisten. Umso mehr verwundert die grüne Verteidigungsstrategie: Statt konkrete Vorwürfe zu entkräften, setzt man auf eine Jetzt-erst-recht- Kampagne aus der Werkzeugkiste von ÖVP und FPÖ. Apropos FPÖ: Der blaue Spitzenkandidat Harald Vilimsky beteuerte in der Puls4-Elefantenrunde, sich „schützend“ vor Schilling zu stellen. Die Konkurrenz tat es ihm großteils gleich. Eine schlaue Taktik: Übermäßige Angriffe auf Schilling könnten zu einer Solidarisierung mit der jungen Frau führen und am Ende den anderen Parteien schaden. Außerdem macht Vilimsky es Schilling damit umso schwerer, Rechte als herzlos darzustellen. Eine Farce, die sitzt. Verlierer: Europa Der größte Verlierer der aktuellen Debatte ist aber die Europawahl: Eine Richtungsentscheidung für den Kontinent steht an – und Österreich diskutiert (mehr oder weniger) private Angelegenheiten anstatt politische Inhalte. Wären Ukrainekrieg, Klimakrise und identitärer Rechtsruck nicht die eigentlichen Wahlkampfthemen? Die Causa Schilling ist beispielhaft für ein größeres Phänomen. Politikerinnen und Politiker haben Macken und Mängel wie alle anderen Menschen – doch dieser Umstand scheint all zu wenige zu interessieren, ist doch der gegenwärtige Diskurs geprägt von Hass und Häme, Grenzüberschreitungen und vernichtenden Urteilen. Eine „falsche“ Meinung, und schon werden Personen des öffentlichen Lebens gecancelt, ohne Gnade. Wer blickt auf Politikerinnen und Politiker und sieht einen Menschen, eine verletzliche Seele? Dieser Blick fehlt. Was heute außerdem fehlt, ist die Verständigung. Welche Wunder sie möglich machen kann, erzählt die biblische Pfingstgeschichte: Der (Heilige) Geist erlaubte den Aposteln, in allen Sprachen der Welt von der frohen Botschaft zu erzählen. Und heute? Auch in der selben Sprache redend, finden wir oft nicht mehr zu einer gemeinsamen Sprache. Anstatt einander zuzuhören, wird über einander gesprochen. Egal ob Covid, Israel oder Schilling: Es bleibt scheinbar nur ein „dafür“ und ein „dagegen“, kein Zwischenraum, keine Ambivalenz. Wie wäre es mit einem „Gespräch der Feinde“, wie es der FURCHE-Denker Friedrich Heer 1949 formulierte? Solch ein wertschätzender, wenn auch inhaltlich kontrovers geführter Diskurs gelingt nur zwischen Gesprächspartnern, die sich auch als solche – als Partner – verstehen. Die das Du, den Menschen, im Gegenüber sehen. Nicht nur den politischen Gegner, den Feind. Ein Diskurs in diesem Geiste mag eine Utopie sein. Wir brauchen ihn aber dringender denn je. philipp.axmann@furche.at „Überzeugend ist nur die Tat“ Seit Jahrzehnten engagiert sich der deutsche Priester Stefan Hippler in der AIDS-Hilfe in Südafrika. Ein Gespräch über die Lage vor den Wahlen und die Rolle der Kirche. Seite 7 Die Netzwerkerin Das Leben von Broncia Koller-Pinell (1863– 1934) war durchdrungen von der Kunst ihrer Zeit, die sie selbst auch maßgeblich prägte. Zu sehen im Unteren Belvedere. Seite 15 Kommt die Kickl-Reform? Das Höchstgericht hob vergangenen Herbst Teile des ORF-Gesetzes auf. Für eine Reparatur in dieser Legislaturperiode bleibt freilich kaum mehr Zeit. Eine Analyse. Seite 16 Zwischen Kunst und Klinik Ab 2026 soll die Psychotherapie-Ausbildung an den öffentlichen Unis verankert sein. Die Akademisierung führt einstweilen zu gemischten Gefühlen. Seite 18 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0

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