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DIE FURCHE 15.02.2024

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DIE FURCHE · 7 24 Ausstellung & Musik 15. Februar 2024 Die Schau „abstrakt.!?“ im Museum Gugging stellt die zeitgenössische Künstlerin Laila Bachtiar vier Säulenheiligen des Hauses gegenüber. Natur in vielen Strichen Ein Baum in Schraffuren In spannenden Gegenüberstellungen wird das Werk von Laila Bachtiar (*1971) präsentiert, „Ein Baum“, Bleistiftzeichnung, 2010, Privatsammlung. Von Theresa Steininger Eine der wenigen Künstlerinnen, die in Gugging arbeite(te)n, im künstlerischen Dialog mit vier Herren der ersten Generation zu präsentieren, jener, die im „Haus der Künstler“ in der Art-Brut-Institution nahe Klosterneuburg ihre Kreationen schufen: Dies zeigt die neue Ausstellung „abstrakt.!?“ im Museum Gugging, die sich vor allem um die Grafikerin Laila Bachtiar dreht. Es ist die zweite Schau von Nina Ansperger, der neuen künstlerischen und wissenschaftlichen Leiterin, nach einer über David Bowie, Gerhard Roth und Co als Inspirationsquellen. Wieder hat sich Ansperger einen thematischen Überbau gesucht und in der Abstraktion gefunden ‒ wenngleich hier nicht alles so klar ist, wie es auf den ersten Blick scheint. „Zwar ist Abstraktion ein zentrales Gugginger Thema, allerdings darf man nicht zu schnell schließen: Viele Werke, die wir hier zeigen, sind beim zweiten Betrachten gar nicht „ Die Ausstellung möchte die Besucher nicht nur mit vollendeten Werken konfrontieren, sondern sie auch am Entstehungsprozess teilhaben lassen. “ gegenstandslos, sondern arbeiten mit einem Wechselspiel zwischen Figurativem und Abstraktion. Wir versuchen, genau diesen Privatsammlung / Private Collection Foto: Courtesy galerie gugging Spannungsbogen darzustellen“, so Ansperger. Im Zentrum der Ausstellung steht Bachtiar, die 1971 geboren wurde und aktuell oft ins Atelier neben dem Museum Gugging zum Arbeiten kommt. Ihr Werk beschreibt Ansperger als „kraftvoll und vielschichtig. Zwar ist sie nicht Bewohnerin des ‚Haus der Künstler‘, aber eine für unsere Institution sehr wichtige Person“. Zu thematisieren, dass sie eine der wenigen Frauen ist, die hier arbeiten und gearbeitet haben, sei für die Konzeption der Ausstellung nicht ausschlaggebend gewesen, sagt Ansperger: „Das ist historisch bedingt, da das ,Haus der Künstler‘ ja aus einer Männerstation hervorging. Aber wir werden in einer eigenen Veranstaltung auf diese Diskrepanz eingehen.“ Aufgesplittet hat die Direktorin die Ausstellung in vier Themenbereiche von „Motiv und Linie“ über „Figur“ bis zu „Verdichtung“ und „Farbe und Abstraktion“. Während Laila Bachtiar den Besuchern vorher weniger ein Begriff sein wird, sind die Künstler, die ihren Arbeiten gegenübergestellt werden, eng mit dem Haus verbunden: Allen voran Rudolf Horacek, dessen berühmtes großformatiges Selbstporträt ja sogar zur Gugginger Ikone wurde. Von ihm hängen hier auch zahlreiche kleinere Arbeiten, die alle auf das Motiv des Kopfes konzentriert sind. „Mir war wichtig, ihn in vielen Facetten zu zeigen“, so Ansperger. Die Bedeutung des Strichs Tierzeichnungen von Laila Bachtiar hängen solchen von Erich Zittra gegenüber, der ebenfalls oft Tiere porträtierte und diese mit dichten, oft vielfarbigen Strichen überzeichnete. Während Zittra seine Figuren radikal mit Linien bearbeitete, hantiert Bachtiar vor allem mit Schraffuren innerhalb vorab definierter Flächen. „Es ist faszinierend, wie selbstsicher sie den Stift führt und wie schon in ihren Anfängen immer wieder Schritte Richtung Abstraktion gesetzt wurden“, so Ansperger. Später werden die Felder, die sie mit Farben ausfüllt, immer dichter, „mehr und mehr werden Bachtiars Figuren durch ihr intensives Bearbeiten bis zur Unkenntlichkeit verändert, Linien stellen nun keine Grenzen mehr dar.“ Dass generell das Sujet der Figur in den Werken der Gugginger Künstler eine so zentrale Rolle spielt, geht auch darauf zurück, dass der Gründer und Psychiater Leo Navratil seine Patienten in den Sitzungen oft dazu aufforderte, solche zu zeichnen. Philipp Schöpke interpretierte das für sich, indem er die gezeichneten Menschen fast durchleuchtete und ihre Organe sichtbar machte. In seiner späteren Zeit ging er immer mehr zu atmosphärischen Farbschichtungen über. Sehr figurativ arbeitete anfangs auch Rudolf Liemberger, dessen Motive im Laufe der Jahre immer mehr zu verschwinden schienen. Nach und nach wird auch Laila Bachtiars Werk immer dichter und abstrakter, oft muss man genau hinsehen, um noch Adleraugen oder Vogelschnabel unter den Bleistiftschraffuren zu erkennen. „Es sind Werke, die zum genauen Hinschauen auffordern“, wie Ansperger sagt. Die Ausstellung möchte die Besucher nicht nur mit vollendeten Werken konfrontieren, sondern sie auch am Entstehungsprozess teilhaben lassen. So kann man in einem Video sehen, wie Laila Bachtiar an ihrem Werk „Hund“ arbeitet und minutiös schraffiert, was sie vorab an Liniengerüst geschaffen hat. Außerdem hängt am Ende der Schau ein angefangener Hase, den Bachtiar im Laufe der Ausstellungsdauer weiterzeichnen wird. Auf dass die Zuschauenden noch unmittelbarer in die Arbeitsweise einer besonderen Künstlerin eintauchen können. abstrakt.!? zwischen figuration und abstraktion Museum Gugging, bis 17. März 2024 www.museumgugging.at KAMMEROPER WIEN Die Musik dominiert, die Szene ist rätselhaft Von Walter Dobner Zu den vielen Komponisten, auf die breitenwirksam zuerst der große Geiger Gidon Kremer aufmerksam gemacht hat, zählt Astor Piazzolla. Die vielschichtigen Tangos des prominenten Argentiniers haben sogar Eingang in das Repertoire wichtiger Kammermusikformationen gefunden wie dem Alban Berg Quartett. Piazzolla gilt auch als Erfinder einer neuen Tango-Art: des Tango nuevo, der Klassikund Jazz-Elemente brillant mit einbindet. Damit hat er wesentlich dazu beigetragen, diesen Tanz über Südamerika hinaus hoffähig zu machen. Auch Musiktheater stammt aus Piazzollas Feder. „María de Buenos Aires“, eine zweiteilige „Tango Operita“, die man auch als eine Art Oratorium verstehen kann. Thema ist die – wohl nach dem Vorbild des biblischen Schöpfungsberichts – auf sieben Tage verdichtete Geschichte des bunten Lebens einer schließlich in Buenos Aires ermordeten Tango-Sängerin. Sie hat so gut wie alle Facetten des Frau-Seins zuvor durchlebt, wartet zuweilen mit Zügen der Muttergottes auf. Eine lineare Handlung sucht man vergebens. Vielmehr wird man in knappen 90 Minuten mit einer Vielfalt von Rückblenden konfrontiert. Eine Fortsetzung der ebenfalls durch Mord umgekommenen Carmen? Geht es hier nicht auch um die Frage, wie dieser Femizid gesühnt werden soll? Und welche Rolle spielt die religiöse Dimension dieser wohl grundsätzlich das Thema Frau abhandelnden Parabel? Aber Maria (intensiv, tänzerisch zu wenig gefordert: Luciana Mancini) ist angesichts des die Musik dominierenden Tangos wohl auch als Symbol dieses sich stets erneuernden Tanzes zu sehen. Diesen Aspekt hat die Regisseurin Juana Inés Cano Restrepo jedenfalls vor Augen. Dennoch scheint sie sich bei ihrer Inszenierung nicht festlegen zu wollen, ob sie die unterschiedlichen Assoziationsfäden verstärken oder sie entwirren will, um daraus ihre Botschaft aus diesem Zweiakter zu kreieren. Originell ist jedenfalls ihr Ansatz, inmitten des Geschehens eine Art Verhandlung zu imaginieren, um so darüber nachzudenken, zu welchem Ergebnis ein Gericht angesichts dieses Femizids kommen könnte. Entsprechend erscheinen die beiden Erzähler, Duende (souverän Daniel Bonilla-Torres) und Payador (mäßig strahlend Jorge Espino), in Talaren von Richter und Staatsanwalt. Allerdings, auch diese Idee bleibt letztlich zögerlich-skizzenhaft. Das eigentliche Ereignis dieser meist stilecht im Ambiente einer Tango-Bar (Anna Schöttl) spielenden Produktion ist ohnedies die instrumentale Seite. Die hätte man sich gar nicht zündender, farbiger und spannender vorstellen können, wie es die aus dem Akkordeonisten Christian Bakanic, dem Violine- und Mandola- Virtuosen Klemens Bittmann, dem Kontrabassisten und Percussionisten Eddie Luis und dem Pianisten Andrés Añazco bestehende Formation „folksmilch“ hinreißend vorzeigte. María de Buenos Aires Kammeroper, 16., 18., 20., 22., 25., 27., 29.2.2024

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