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DIE FURCHE 15.02.2024

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DIE FURCHE · 7 20 Film 15. Februar 2024 HISTORIENFILM Ambivalente Kochkunst Die Köchin Eugénie weiß genau, was sie tut und hat alles im Blick. Die Meisterin ihres Fachs lässt das in der Frühe geerntete selbstgezogene Gemüse in einen Kupfertopf purzeln. Es spritzt, es dampft, es zischt. Mit geübter Hand rührt sie um. Die Abfolge ihrer Handgriffe hat sie exakt getaktet. Geschmeidig nimmt die bravouröse Kameraführung die Vorgänge in ihren Blick und weckt mit ihrer gesammelten Aufmerksamkeit die Freude am Entdecken und Genießen. Doch „Geliebte Köchin“ will weitaus mehr als die Sinne schulen und die Illusion eines anregenden Besuchs in einem Feinschmecker-Château erwecken. Der Historienfilm über Maitre Eugénie und den Gourmet Dodin ist eine instruktive Kulturgeschichte eines nationalen Symbols samt feinfühliger Darstellung eines sich liebenden Paares. Dieser in Cannes preisgekrönte Film mit seinem hervorragenden Schauspielensemble spielt Ende des 19. Jahrhunderts, das als „goldenes Zeitalter der französischen Gastronomie“ gilt. So kann das Paar zudem als Allegorie dieser weltberühmten Institution gelesen werden. Dabei vermittelt Trân Anh Hùngs Film, basierend auf einem Roman von Marcel Rouff (1924), nicht nur, wie komplex das Handwerk der Kochkunst und ihrer verschiedenen Küchen ist. Sondern er führt auch vor Augen, dass ihre Krea - tionen und die Fähigkeit zum Genuss Arbeit und Bildung des Geschmacksinns voraussetzen; diese Kunst verfeinert die Sitten. Das sanfte, mal kupferfarbene, mal nach Omelette duftende Licht könnte deren Mühen in Vergessen hüllen. Der subtile Film zeigt jedoch auch den Preis dieses Metiers. Einmal krümmt sich die Köchin schmerzvoll, aber die Arbeit zwingt sie schnell zurück an den Herd. Zudem ist ihr Reich nach einer strikten Geschlechterordnung organisiert. Den Ruhm heimsen die Männer ein, sie begründen Traditionen, kochen öffentlich für Adlige und in den aufkommenden Nobelhotels. Mit der Ausbildung der talentierten jungen Pauline verbindet Eugénie die Hoffnung, dass die nächste Generation nicht mehr nur wie sie die kunstvollen Kreationen eines Antonin Carême interpretiert, sondern selbst klassische Rezepte erfindet. Das Machtgefälle offenbart sich auch da, wo ihre Wünsche nach Selbstbestimmung und nach einer Ehe mit dem Feinschmecker miteinander ringen. Nur als Ehefrau könnte Eugénie Dodin zum Bankett eines Prinzen begleiten, aber sie begäbe sich in dessen Verfügungsgewalt. So gebührt Trân Anh Hùngs facettenreicher und ästhetischer Rückschau auf ein zentrales Kapitel nicht nur der französischen Kochkunst drei Sterne. (Heidi Strobel) Geliebte Köchin (La passion de Dodin Bouffant) F 2023. Regie: Trần Anh Hùng. Mit Juliette Binoche, Benoît Magimel, Emmanuel Salinger, Patrick D’assumçao. Polyfilm. 135 Min. Juliette Binoche als Maître Eugénie, Benoît Magimel als Gourmet Dodin Bouffant in Trân Anh Hùngs Historiendrama „Geliebte Köchin“. Von Otto Friedrich Das Leben der Stella Goldschlag, die 1922 in Berlin geboren wurde und 1994 als Ingrid Gärtner in Freiburg aus dem Leben schied, ist an Abenteuerlichkeit und Tragik kaum zu überbieten. Man konnte sehr schnell auf die Idee kommen, daraus einen Filmstoff zu machen: Dem blonden jüdischen Mädchen werden von den Nazis ab der Gymnasialzeit Steine um Steine in den Weg gelegt, sie und ihre Familie müssen zunehmend das Schlimmste befürchten, nur die Arbeit in Rüstungsbetrieben sichern nach Kriegsausbruch das Überleben. Aber eine lebenslustige Person wie Stella versucht sich dennoch durchzubringen und geht – nach Folter und aus Angst um ihre Eltern – einen Teufelspakt mit ihren Schergen ein, indem sie sich bereit erklärt, Juden bei der Gestapo zu denunzieren, die dann in die Vernichtungslager deportiert werden. Natürlich kann Stella die Eltern vor der Ermordung nicht bewahren – und muss bei Kriegsende selber mit ihrer Rolle als jüdische „Greiferin“ fertig werden. Nach dem Krieg verurteilt Die Sowjets inhaftieren sie zehn Jahre – unter anderem im vormaligen KZ Sachsenhausen. Nachdem Stella freigekommen ist, wird ihr in Westberlin noch einmal der Prozess gemacht, der gleichfalls mit einer Verurteilung endet; die Haft erlässt ihr das Gericht, weil Stella eben schon von den Sowjets eingesperrt war. Schließlich verschlägt es sie mit ihrem vierten Ehemann, Karl Gärtner, nach Freiburg im Breisgau, sie konvertiert zum Christentum, wird „Stella. Ein Leben“ zeichnet die krummen Wege der Stella Goldschlag (1922–94) nach – mit allzu großer Vorsicht gegenüber dem heiklen Thema. Jüdin, die Juden verriet Antisemitin und stirbt nach mehreren Suizidversuchen durch Ertrinken. Man könnte solches Leben in seinen Brüchen und Abgründen gewiss plausibel verfilmen. Allerdings krankt das Biopic „Stella. Ein Leben“ von Kilian Riedhof daran, dass sich „ Leider verhindert das Korsett, erinnerungspolitisch ja nichts falsch zu machen, dass diese Stella auf der Leinwand eine Person aus Fleisch und Blut wird. “ der Film erkennbar nicht vorwerfen lassen will, er verharmlose die Taten der Protagonistin und bediene sich des Stoffs um einer krypto-antisemitischen Agenda willen. Nein, Riedhof lässt keinen Zweifel daran, dass er Derartiges nicht aufkommen lassen will und dass er jede Anmutung, Juden wären auch nicht besser als die NS-Täter, im Keim erstickt. Aber kann man dieses unglaubliche Leben unter derartiger Vorsichtwaltung filmisch adäquat erzählen? Diese Frage stellt sich in „Stella. Ein Leben“ permanent, der Film thematisiert die inneren Konflikte seiner Hauptfigur viel zu wenig. Da nützt es kaum, dass mit Paula Beer eine Hauptdarstellerin zur Verfügung stand, die dieser tragischen Figur der Zeitgeschichte gewiss Farbe und Plausibilität hätte verleihen können. Leider verhindert das Korsett, geschichts- und erinnerungspolitisch nur ja nichts falsch zu machen, dass ihre Stella auf der Leinwand eine Person aus Fleisch und Blut wird. So ahnt man durch den Film, was für ein aberwitziges Leben diese Frau führte und führen musste. Der Stoff hätte aber weit mehr geboten als diese bloße Ahnung. Stella. Ein Leben D/A 2023. Regie: Kilian Riedhof. Mit Paula Beer, Jannis Niewöhner, Katja Riemann, Lukas Miko. Filmladen. 113 Min. Missio-Schokotafeln Schoko-Tafel Vollmilch Haselnuss Krokant ART714 Schoko-Tafel Weiße Himbeere ART715 je je 5,50 € Osterkerzen Osterkerze „Er ist auferstanden“ ART780 Osterkerze „I am a good shepherd“ ART781 je 24,50 € Schoko Osterlamm (4 Stück) ART127 16,00 € Seilerstätte 12/1, 1010 Wien Öffnungszeiten: Mo-Do 8 – 17:00 Uhr, Fr 8 – 12:00 Uhr Online bestellen: missio.at/shop Missio-Bibelbeutel ART744 14,90 € Eine größere Produktauswahl finden Sie im beiliegenden Prospekt oder unserem Online-Shop: www.missio.at/shop

DIE FURCHE · 7 15. Februar 2024 Film & Medien 21 Wie geht angemessene mediale Berichterstattung zu Suizid(versuchen)? Ein Gastkommentar aus aktuellem Anlass. Zunächst geht es um Beziehung Melancholisch, zuweilen pathetisch: In „Rückkehr zum Land der Pinguine“ widmet sich Antarktisforscher Luc Jaquet zum dritten Mal einer außergewöhnlichen Expedition. Von Alexandra Zawia Mit 23 Jahren lebte der 1967 geborene, französische Antarktisforscher Luc Jacquet das erste Mal ein Jahr lang bei den Kaiserpinguinen am Südpol. 15 Jahre später wurde er für sein Filmdebüt „Die Reise der Pinguine“ prompt mit dem Oscar ausgezeichnet. Bis heute gehört der Film zu den erfolgreichsten – und tatsächlich besten – Naturdokumentarfilmen des Kanons. Selbstverständlich versuchte Jacquet einige Jahre später, daran anzuschließen: Das Sequel „Die Reise der Pinguine 2“ war 2017 aber nicht annähernd so erfolgreich. Doch, wie Jacquet es nun in seinem dritten Film der Reihe, „Rückkehr zum Land der Pinguine“, erklärt: Der Südpol ist ein Magnet und wer dieser Anziehung einmal gefolgt ist, muss immer wieder dorthin zurückkehren. „Rückkehr zum Land der Pinguine“: Dokumentarfilm mit der Introspektion eines Reisenden. Der Südpol ist ein Magnet Die Introspektion eines Reisenden ist Gegenstand dieses Films, der sich in kontrastreichen schwarz-weiß Bildern bereits formal deutlich von seinen „Vorgängern“ abhebt. Es ist ein melancholisches, zuweilen etwas pathetisch anmutendes Tagebuch des Übergangs, wie Jacquet das selbst beschreibt, in eine Welt des Millionen Jahre alten Eises und der unvorstellbaren Extreme. Ab seinem Ausgangspunkt in Patagonien reflektiert er (deutsches Voice-Over: Ronald Zehrfeld) über seinen tief empfundenen Respekt für den Forschergeist á la Magellan und seine Demut gegenüber der Natur. Der Score von Cyrille Aufort ist alles andere als subtil, doch effektiv. Glasklar wird jedenfalls: Der Glaube an die Menschheit erstarkt am ehesten, wo es keine Menschen gibt. Rückkehr zum Land der Pinguine (Voyage au Pôle Sud) F 2023. Regie: Luc Jacquet. Polyfilm. 83 Min. Von Golli Marboe In diversen Aussendungen der letzten Tage prangern aus tragischem, aktuellem Anlass renommierte Einrichtungen, wie der Presseclub Concordia, die katholischen Publizistinnen und Publizisten, das Frauennetzwerk Medien und etliche andere eine „unfassbare Hetzjagd“ gegen einzelne Menschen in den sozialen Netzwerken an. Das stimmt uneingeschränkt – wir müssen zu Regeln finden, wie wir mit Andersdenkenden auch online besser kommunizieren. In zahlreichen Solidaritätsnoten im Netz wird nun nach Schuldigen gesucht, die für diese vermeintliche Verzweiflungstat zur Verantwortung gezogen werden sollten. Vor fünf Jahren starb mein Sohn Tobias durch Suizid. Bis heute wirkt diese Katastrophe bei seinem Freundeskreis und bei uns in der Familie nach. Aber nach Schuld fragt niemand. Das ist keine Kategorie, die im Andenken an einen Verstorbenen eine Rolle spielt. Bei aller nachvollziehbarer Kritik an einer „Hetzjagd“: Wissen wir denn sicher, was die Hintergründe in den Stunden vor einem Versuch, sich das Leben zu nehmen, wirklich waren? Sollten nicht gerade renommierte Journalisten und Journalistinnen wissen: Man veröffentlicht Informationen erst dann, wenn diese von mehreren Seiten bestätigt sind. Ganz besonders gilt das beim Verdacht auf Selbsttötung: Suizid und Suizidversuche sind nie monokausal. Angehörige und Betroffene lesen mit! Wenn das Leben nur so einfach wäre, wie das so mancher Populist eben glauben machen möchte. Doch das ist es nicht. Wenn jetzt in der völlig zu Recht aufgebrachten Journalisten-Blase die Forderung nach Regeln für die Kommunikation in sozialen Medien gefordert wird, dann ist das großartig. Lasst uns also nach Regeln suchen, aber lasst uns nicht in einen ähnlichen Ton verfallen, wie jenen, den es zu kritisieren gilt. Und vor allem sollte man nie vergessen, dass immer auch Angehörige, persönlich Betroffene, vielleicht auch Hinterbliebene bei diesem Diskurs mitlesen. Wie könnten solche Regeln aussehen? Grundsätzlich sollte in all unserer Kommunikation, so banal es klingen mag, die „goldene Regel“ gelten: Was du nicht willst, dass man dir „ Wann, wenn nicht jetzt müssten wir das Wesentliche im Leben markieren: Empathie – auch für jene, die wir nicht verstehen. “ tut, das füge auch keinem anderen zu. Vielleicht möchten wir uns alle miteinander – ob in der Journalisten-Blase oder auch in unserem persönlichen privaten Umgang – in den sozialen Medien an der Kunst der Kommunikation der Telefonseelsorge im Sinne der Krisenintervention ein Vorbild nehmen: Bevor noch Sachfragen ausgetauscht, diskutiert oder erstritten werden, geht es zunächst einmal um die Beziehung und die Ausgangslage der am Dialog beteiligten Personen. Ein Perspektivenwechsel sollte erfolgen: Warum kommuniziert die oder der Andere das gerade? Hat die Person selbst gerade Druck, Sorgen, Angst – oder befindet sie sich in einer Zwangssituation? Zunächst gilt es zu verstehen, was mein Visà-Vis ausdrücken möchte. Das bedeutet, eine Information jedenfalls einmal auf den Informationswert hin zu untersuchen und es nicht gleich besser zu wissen. Dann braucht es eine Unterscheidung zwischen Haltung und Mensch, vielleicht in diesem Stil: „Ich lehne Ihre gewalttätige Sprache und beleidigende Wortwahl ab, die Sie hier verbreiten, aber ich sehe auch Ihre Gefühle, Ihre Wut, Ihre Angst – Wut, Angst, Sorgen kenne ich auch. Könnten wir uns zunächst einmal darüber austauschen?“Und dann kann man beginnen, über ein Sachthema zu diskutieren. Dieser Dialog wird von einem anderen Geist geprägt sein, als ein spontanes Posting. Ja, die Telefonseelsorge mag andere Ziele verfolgen als die Journalisten-Blase oder die breite Öffentlichkeit. Aber warum eigentlich? Der Umgang mit einem Schicksalsschlag wie einem Suizidversuch sollte eine Mahnung sein, einen wertschätzenden Umgang in Worten wie in Taten miteinander zu pflegen. Wann, wenn nicht jetzt müssten wir das Wesentliche im Leben markieren: Empathie – auch für jene, die wir nicht verstehen. Der Autor ist Obmann des „Vereins zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien“ (VsUM). Hilfe bei suizidalen Gedanken Personen mit Suizidgedanken sowie deren Angehörige finden Hife unter suizid-praevention.gv.at sowie österreichweit bei der Telefonseelsorge unter der Nummer 142, bei Rat auf Draht unter 147 oder bei der Psychiatrischen Soforthilfe der Psychosozialen Dienste unter (01) 31330. Weiter denken DER FURCHE PODCAST Warum essen wir Tiere? Ein Podcast für die Fastenzeit Klimakrise und Tierethik erfordern eine globale Wende im Fleischkonsum. Kulturphilosoph Thomas Macho spricht mit FURCHE- Wissensressortleiter Martin Tauss über das Raubtier Mensch, Massentierhaltung, perverse Machthaber und die Kunst der Askese. furche.at/podcast

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