DIE FURCHE · 7 16 Diskurs 15. Februar 2024 ZEITBILD In Kauf nehmen? Foto: Ashraf Amra/Anadolu via Getty Images IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Dämme der Demokratie Von Otto Friedrich, Nr. 6, Seite 1 Im dritten Absatz halten Sie fest, dass die Verfassungskrise als „Selbstausschaltung des Parlaments“ verniedlicht wurde. Leider gelingt Ihnen dasselbe im Absatz davor mit der Formulierung „in dem der autoritäre Bundeskanzler Engelbert Dollfuss ,zu Tode kam‘“ (als ob es ein Unfall gewesen wäre). Er wurde von den Nazi-Putschisten ermordet! Dr. Ulrich Paumgartten 6020 Innsbruck „Weisungsrecht ist Klotz am Bein“ Interview mit Staatsanwälte- Präsidentin Cornelia Coller, Nr. 5, Seite 3 Im Interview erhält Wolfgang Machreich überzeugende Antworten zu allen Fragen. Sehr nachvollziehbar spricht sich die Grazer Erste Staatsanwältin für einen Dreiersenat einer Generalstaatsanwaltschaft aus. Nach der bisherigen Gesetzeslage kann die Politik in der Person der Justizministerin vom Weisungsrecht an die Staatsanwaltschaft Gebrauch machen und die Verfahrenseinstellung erzwingen, sozusagen das Verfahren „derschlogn“. Bekanntlich ist die grüne Justizministerin Alma Zadic über Vorschlag eines Arbeitskreises im Justizministerium seit längerer Zeit bemüht, das Weisungsrecht von der Politik wegzubringen und einer Generalstaatsanwaltschaft, bestehend aus einem Dreiersenat, zu übertragen. Aber dagegen wehrt sich vehement die ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, die einer einzigen Person an der Spitze einer Bundesanwaltschaft das Weisungsrecht zugestehen will. Warum, ist in der langen Diskussion von Edtstadler noch nicht plausibel erklärt worden. Dabei braucht man kein Jurist zu sein, um mit dem Hausverstand zu erkennen, dass die Unbeeinflussbarkeit eines Dreiersenates besser gesichert ist als bei einer Einzelspitze. Angesichts der vielen Verdachtsfälle auf Korruption und Wirtschaftskriminalität im Dunstkreis der ÖVP wäre die Hartnäckigkeit der türkisen Ministerin geeignet, erst wieder einen Weg für eine politisch motivierte Einflussnahme in Gerichtsverfahren offen zu halten. Über die Legislaturperiode Wie alt mag dieses Mädchen sein? Zwei Jahre? Es sitzt vor einem provisorischen Zelt in Deir al-Balah – eine Stadt in Zentralgaza. Laut Nachrichtenagentur ist das Kind mit seinen Angehörigen und wenigen Habseligkeiten vor wenigen Tagen aus Rafah geflüchtet. Die Ankündigung Israels, als letzte große Stadt im Gazastreifen nun auch in Rafah – jene Stadt, die man zu Kriegsbeginn als Zufluchtsort ausgeschildert hatte – eine Bodenoffensive zu starten, versetzt seit Tagen die rund 1,4 Millionen dort zusammengepferchten Menschen in Panik. Israels Armee argumentiert, dass nur auf diese Weise die Terrororganisation Hamas entscheidend geschlagen werden könne, Geißeln befreit würden. Dennoch wird international die Empörung immer lauter. Wie gerechtfertigt ist es, die hohen menschlichen Kosten in Kauf zu nehmen? Im Gazastreifen sterben laut UNICEF derzeit im Schnitt 115 Kinder am Tag. Nicht zuletzt ein im Netz kursierendes Video, auf dem zu sehen ist, wie aus einem Haus in Rafah die Leiche eines palästinensischen Mädchens, dessen Beine in Fleischfetzen zerfetzt worden waren, getragen wird, befeuert die Debatte. Andere Aufnahmen aus der Stadt zeigen vier weitere Kinder, die tot auf Krankenbahren liegen. Die UNO, die USA und viele weitere Staaten warnten eindringlich vor einer weiteren humanitären Katastrophe. (Brigitte Quint, APA) hinweg hat sich zwar in der türkisgrünen Regierung leider oft gezeigt, dass die ÖVP dem grünen Partner möglichst wenig Erfolge gönnen will, aber in dieser für den Rechtsstaat so wichtigen Sache, sollte sich kein Teil der Regierung dem Verdacht aussetzen, das Weisungsrecht in die falsche Richtung zu lenken. Karl Semmler, Bad Blumau Stachelige Persönlichkeiten Von Bernhard Fink, Nr. 5, Seite 22 Ich habe mit großem Interesse Ihren Artikel gelesen. Seit etwa eineinhalb Jahren sind wir Besitzer der Plakette „Natur im Garten“. Regelmäßig haben wir auch Igel, die willkommen sind und offenbar sowohl genug Nahrung als auch Unterschlupf hier finden, vor allem auch Ruhe. Wie viele Igel wir genau haben, kann ich nicht sagen, meist sehen wir sie nur einzeln, wenn die Dämmerung beginnt. Auch zahlreiche andere Tiere leben bei uns, so etwa Buntspechte, Ringelnattern, Erdkröten. Regelmäßig kommt auch ein schöner großer Grünspecht zu Besuch, seit zwei Jahren nisten in einem aufgelassenen Krähennest ganz oben im alten Birnenbaum Falken. Alle diese Tiere lasse ich in Ruhe hier leben. Ich habe das Gefühl, dass in den letzten Jahren immer mehr von ihnen bei uns im Garten auftauchen, weil sie, so glaube ich, Rückzugsorte brauchen (Thema Landverbauung). Mit zwei meiner Nachbarn habe ich aufgrund meines Gartens dann und wann Probleme, da sie den ihrer Meinung nach „perfekt gepflegten“ Garten haben wollen: kurz geschnittener Rasen, begradigte Flächen, Entfernung aller (!) Bäume aus ihren Gärten. Der Rasen muss bei ihnen jede Woche gemäht werden, im Herbst darf kein einziges Blatt Laub im Garten bei ihnen liegen! Ich selbst lasse im Herbst den Großteil des Laubes liegen, es ist, glaube ich, ein Rückzugsort für unzählige kleine Insekten zum Überwintern. Die Komposthaufen wären auch erstens einmal zu klein dafür, und zweitens fehlt mir aufgrund der Berufstätigkeit auch die Zeit dafür. Im Frühling ist dann ohnehin der Großteil des Laubes von alleine verschwunden. Wie gesagt, danke nochmals für den tollen Artikel über den Igel, ich werde ihn mir aufheben. Peter Weichselbaumer via Mail In dieser Ausgabe der FURCHE finden Sie eine bezahlte Beilage der Missio Service GmbH. Jackpot für den österreichischen Sport Bisher über 2 Mrd. Euro Sportförderung aus Mitteln der Österreichischen Lotterien, seit 2023 mindestens 120 Mio. Euro jährlich aus dem Budget des Sportministeriums. Im Dezember 1948 beschloss der Nationalrat das Sporttoto-Gesetz und legte mit der Einführung von Toto in Österreich den Grundstein für die österreichische Sportförderung. Im Jahr 1986 wurden die Österreichischen Lotterien gegründet, um Lotto „6 aus 45“ einzuführen und die Durchführung von Toto zu übernehmen. Die Österreichischen Lotterien konnten durch eine über die Jahre hinweg dynamische Geschäftsentwicklung seitdem mehr als 2 Milliarden Euro für den Sport in Österreich zur Verfügung stellen und avancierten damit zum wichtigsten Financier des Breiten- und Spitzensports in unserem Land. Den vorerst letzten Meilenstein in der Entwicklung der Sportförderung bildete die Novellierung des Glücksspielgesetzes im Dezember 2022: Die Sportförderung wurde mit einer Erhöhung um 50 Prozent auf einen Mindestbetrag von nunmehr 120 Mio. Euro jährlich angehoben. Von dieser Erhöhung um 40 Millionen Euro profitieren die 60 österreichischen Fachverbände, die Breitensportverbände ASKÖ, ASVÖ, Sportunion, der Verband Alpiner Vereine Österreichs sowie die Bundes-Sportorganisation Sport Austria, das Österreichische Olympische Comité, das Österreichische Paralympische Comité, der Österreichische Behindertensportverband und Special Olympics Österreich – und somit 1,8 Millionen Vereinsmitglieder in rund 15.000 Sportvereinen. Gen.-Dir. Erwin van Lambaart (li.) und Vizekanzler Werner Kogler präsentierten die aktuellen Kennzahlen der Sportförderung Foto: © Achim Bieniek IN KÜRZE DIE FURCHE EMPFIEHLT RELIGION ■ 20 Jahre „Autofasten“ Religionsvertreter laden wieder dazu ein, in der Fastenzeit umwelt- und gesundheitsfreundliche Alternativen zum Autofahren zu nutzen. „Bus, Bahn, Fahrrad, Fahrgemeinschaften und die eigenen Füße sind dem Auto vorzuziehen“, sagte der Umweltreferent der Erzdiözese Wien, Michael Gaßmann, zur Kathpress. Bis 30.3. will die Aktion Menschen dazu bewegen, „klimafreundlichere Möglichkeiten zu entdecken, um von A nach B zu kommen“, so Gaßmann. Heuer ist das bisher ökumenische Projekt erstmals interreligiös aufgestellt. Als „brennendes Problem“ bezeichnet der Wiener Umweltreferent die steigende Zahl an Pkw-Neuzulassungen. GESELLSCHAFT ■ Steigende Masernfälle Die steigenden Masernfälle in Österreich sind auf die sinkenden Durchimpfungsraten zurückzuführen. Wie aus einer Anfragebeantwortung durch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zu entnehmen ist, sank die Zahl der abgerufenen Kombinationsimpfungen gegen Masern-Mumps-Röteln (MMR) seit 2020 – und somit seit Beginn der Corona-Pandemie. „Durch steigende Impfskepsis sind etwa Masern wieder auf dem Vormarsch“, so Rauch auf der Plattform X (früher Twitter). „Mein Appell: Lassen Sie Ihren Impfstatus und den Ihrer Kinder kontrollieren und holen Sie gegebenenfalls Ihre Schutzimpfung jetzt nach.“ WISSEN ■ „Mental Health Radio“ Um die Stigmatisierung rund um das Thema psychischer Erkrankungen zu brechen und Betroffenen Unterstützung zu geben, startet ab sofort das „mental health radio“. Jede Folge beleuchtet ein spezifisches Thema im Bereich der psychischen Gesundheit, von Depressionen und Angststörungen bis hin zu Suchtproblemen und dem Umgang mit Lebenskrisen, gaben die Initiatoren bei einer Pressekonferenz bekannt. „mental health radio“ ist nicht nur eine Radio- und Podcast- Sendung, sondern auch eine umfassende Web-Plattform, die sich der Förderung der psychischen Gesundheit verschrieben hat (www.mentalhealthradio.eu). Benefizkonzert für die Ukraine In der Wiener Stadthalle findet ein Solidaritätskonzert statt; der ORF strahlt es am Vorabend des sich zum zweiten Mal jährenden Kriegsbeginns in ORF1 aus, um für „Nachbar in Not“ Spenden zu sammeln (Eintritt frei, Registrierung unter https://ticketing50.cld. ondemand.com/shop/756). „United for Ukraine“ (uforua) Mittwoch, 21. Februar, 19.30 Uhr Wiener Stadthalle, Halle D
DIE FURCHE · 7 15. Februar 2024 Geschichte 17 Von Hellmut Butterweck Karl Seitz war der Typ, der uns heute fehlt. Als „entschlossenen, aber konzilianten, selbstlosen und konsequenten Menschen“ und als Politiker, der stets den Ausgleich suchte und zu Kompromissen bereit war, ohne jemals seine Grundsätze preiszugeben, beschreibt ihn Alexander Spritzendorfer in seiner Biografie „Karl Seitz – Bürgermeister des Roten Wien“. Die Sozialdemokraten hatten solche Männer, aber auch jene, die 1933 die Demokratie in Österreich abschafften, hätten sie gehabt. Sie gingen über alles, was im eigenen Lager nicht ganz so wollte wie sie, hinweg. Nicht nur Thomas Mann, auch Friedrich Funder schrieb dem nach dem 12. Februar 1934 neun Monate lang eingekerkerten Seitz einen langen Brief, er schickte dem gesundheitlich Angeschlagenen auch einen bequemen Lehnstuhl und Bücher in die Zelle – nicht zuletzt auch eine symbolische Tat, die, indem sie möglich war, den Unterschied zwischen Hitlers Despotie und Schuschniggs „Diktaturl“ illustriert. Seitz’ wohlhabende Familie war durch den Börsenkrach von 1873 verelendet, der 1869 geborene junge Lehrer kannte die Lebensumstände und Schulen der Ärmsten nur zu gut. Die Rückschritte, gegen die er rebellierte, kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Nach Österreichs Niederlage in der Schlacht von Königgrätz 1866 wurde, erfahren wir, einer der Gründe in der hohen Zahl von Analphabeten in der Armee gesehen, was eine Schulreform nach sich zog. 1869 wurde die Schulpflicht auf acht Jahre verlängert, die Schülerzahl pro Klasse mit höchstens 80 (!) begrenzt, die Lehrerausbildung verbessert und die Schulaufsicht dem Staat unterstellt. Es gibt nur einen Bürgermeister Als Seitz seine Lehrerausbildung beendete, stand die nächste Schulreform an. Der Gesetzentwurf vom 3. Jänner 1888 sah vor, die Schulpflicht wieder auf sechs Jahre zu senken, die Schulen wieder der Kirche zu unterstellen und die Fächer Naturgeschichte, Physik, Geografie und Geschichte zu streichen. Karl Seitz benützte die feierliche Überreichung der Abschlusszeugnisse für einen Protest gegen dieses „Schandgesetz“. Er war der richtige Mann am richtigen Platz zur richtigen Zeit. Einer Zeit, in der manche ländliche Schulklassen über 100 Schüler hatten, in der an jedem Vormittag 40 bis 50 Kinder einer Favoritner Schule den Lehrer Seitz, der höchstens fünf Essensmarken zu verteilen hatte, um ein warmes Essen baten. In der in Ottakring jedes fünfte Kind barfuß oder in Holzpantoffeln in die Schule kam, in zerrissenen Hosen und im Winter ohne Mantel – und viele nicht nur hungerten und froren, sondern auch arbeiten mussten. Spritzendorfer erzählt fesselnd und engagiert, wie der Halbwüchsige, der sich weinend für den Lehrerberuf entschied, Foto: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Ideologisch verboten und in Haft Nach dem „Anschluss“ 1938 wurden Karl Seitz und andere Politiker , etwa Leopold Kunschak oder Carl Vaugoin , in Haft möglichst ungünstig fotografiert und die Bilder an NS-Medien verkauft. In einem facettenreichen Bild zeichnet eine neue Biografie über Karl Seitz das beeindruckende Leben des ersten sozialdemokratischen Bürgermeisters von Wien nach – und offenbart bittere Parallelen zur heutigen Zeit. Ein Mann des Ausgleichs weil ein Medizinstudium nicht in Frage kam, zum Vorkämpfer einer frustrierten, miserabel bezahlten, Reformen fordernden und bei jeder Gelegenheit gemaßregelten Lehrerschaft wurde, wie ihn die Sozialisten entdeckten, wie er sich widerstrebend, weil er seinen Job riskierte, in Floridsdorf als Kandidat für den niederösterreichischen Landtag aufstellen ließ – und wie er in den frühen Morgenstunden des 13. Februar 1934 aus dem Rathaus geschleift wurde. Auch, wie er zur Audienz bei Kaiser Franz Joseph beordert wurde, der ihm eine Zigarre anbot und sagte, „er sei neugierig auf jenen Mann, der einen Ministerposten ausgeschlagen hatte. Er habe bisher nur mit Menschen zu tun gehabt, die dies unbedingt werden wollten.“ Seitz weigerte sich, den „Anschluss“ zu begrüßen. Wenige Tage nach der Okkupation verhaftet, wurde er gefragt: „Sind Sie der ehemalige Oberbürgermeister Dr. Karl Seitz?“ Seine Antworten sind charakteristisch für ihn: „Nein.“ „Lachhaft. Sie können das doch nicht leugnen!“ „Gar nichts leugne ich.“ „Wieso?“ „In den paar Worten, die Sie da geredet haben, sind nicht weniger als drei große Fehler. Erstens bin ich kein Doktor, sondern ein ganz gewöhnlicher Volksschullehrer, zweitens bin und war ich kein Oberbürgermeister. So etwas gibt es in Deutschland. Hier in Wien haben wir es nur zu einem Bürgermeister gebracht, und der bin ich. Und drittens, Ihr allergrößter Fehler: Ich bin kein ehemaliger, sondern ich bin der legal gewählte Bürgermeister von Wien, und einen anderen gibt es nicht.“ Otto Glöckel: auch heute aktuell Beim Abschnitt über das Schicksal von Otto Glöckel stellen sich die Parallelen zu dem, was heute das politische Leben vergiftet, ganz massiv ein. Mit der Art und Weise, wie der Nationalratsabgeordnete, Präsident des Stadtschulrates und Schulreformer nach dem 12. Februar 1934 behandelt wurde, wären wir beim Thema Rache und ideologisch motivierter Hass in der Politik. Glöckel wurde über acht Monate ohne Anklage eingekerkert, zwei Monate in fensterloser Zelle mit kaltem Steinboden, ohne Lektüre, ohne Spaziergänge, ohne Besuch. In den ersten sechs Monaten darf ihn seine Frau zweimal besuchen – in Gegenwart eines Kriminalbeamten. Briefe und Telegramme aus ganz Europa setzen sich für ihn ein, der Sicherheitsdirektor weist alles ab, weil sich Glöckel mit seiner Schulreform „in einer den Tendenzen seiner Partei gemäßen, vielfach höchst unerfreulichen Weise betätigt“ habe. Nach seiner Freilassung, Ende Oktober, war Glöckel ein schwerkranker Mann, trotzdem wurde ihm erst im Juli des nächsten Jahres gestattet, zur Erholung nach Niederösterreich zu fahren. Er starb, 61 Jahre alt, wenige Tage vor der Abreise. Und heute? Die Drohung, nach ihrer Machtergreifung (oder wie immer der Betreffende es nannte) Politiker zur Verantwortung zu ziehen, also sich zu rächen (aber wofür?), war aus den Reihen der umfragestärksten Partei bereits zu hören. Die Empörung blieb moderat. Heute wird anders als damals nach der Macht gegriffen. Die Ausschaltung der Höchstgerichte und die Kompromisslosigkeit als konsequent durchgezogenes Zur Wohnbauoffensive in der Ersten Republik lesen Sie „Rotes Wiener Wohnwunder“ von Isabella Marboe vom 6.11.2014 auf furche.at. „ In einem Brief schrieb Karl Seitz, es müsse ‚eine Politik der Sitte geben, sonst gibt es nur eine solche der Unsitte.‘ “ Herrschaftsprinzip gehören aber nach wie vor dazu. Wo, wie in Österreich, Kompromisslosigkeit (noch) kein Herrschaftsprinzip ist, wird sie zur politischen Grundhaltung und auch der Hass in der Politik nimmt zu. Bauen für 200.000 Menschen Die Nazis hatten Karl Seitz nach der KZ-Haft nach Plaue in Thüringen verbannt. Als er am 22. Juni 1945 in Wien ankam, jubelte ihm eine gewaltige Menschenmenge zu. Doch Karl Renner, Seitz’ ehemaliger Sekretär Adolf Schärf und Oskar Helmer hatten sich bereits die Macht in der SPÖ aufgeteilt. Nicht nur die Juden waren ihnen unwillkommen, auch dass Seitz wieder mitreden wollte, machte ihnen gar keine Freude. Ein Gemeindebau und ein Denkmal im Rathauspark erinnern an den Mann, der von der Rampe des Parlaments die Republik ausrief, den Nachfolger Viktor Adlers als Parteivorsitzender, das erste Staatsoberhaupt der Republik und einen der populärsten Bürgermeister Wiens, unter dem die längst weltberühmt gewordenen Gemeindebauten mit 60.000 Wohnungen für 200.000 Menschen entstanden. Eine Straße oder ein Platz wurden bisher nicht nach ihm benannt. In einem Brief an den Bildhauer Gustinus Ambrosi schrieb Karl Seitz, es müsse „eine Politik der Sitte geben, sonst gibt es nur eine solche der Unsitte.“ Ein wichtiges Buch! Karl Seitz – Bürgermeister des Roten Wien Von Alexander Spritzendorfer Falter Verlag 2023 272 S., geb., € 29,90
Laden...
Laden...
Ihr Zugang zu neuen Perspektiven und
mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte.
© 2023 DIE FURCHE