7 · 15. Februar 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Mikrobiom: Aufbruch der Kolonauten Warum die zunehmende Ausleuchtung der Darmflora einen neuen Blick auf das Leben und die Gesundheit eröffnet. · Seite 23 „Nur gegen rechts sein reicht nicht“ Ein böses Erwachen Das Dasein erforschen Politikpsychologe Thomas Kliche über die „Demos gegen rechts“ und die Frage, wie man Menschen für Demokratie begeistern kann. · Seite 6-7 Ulrich H. J. Körtner über die Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland, die fehlendes Problembewusstsein aufzeigt. · Seite 10 Mit Günter Brus starb eine der konsequentesten und bahnbrechendsten Künstlerpersönlichkeiten nach 1945. · Seite 18-19 Das Thema der Woche Seiten 2–5 Die Generation TikTok ist noch polarisierter als ihre Eltern. Was konservative Männer und progressive Frauen entzweit. Und wie radikale Politiker davon profitieren. Foto: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Ein Mann des Ausgleichs Jugend der Extreme Eine neue Biografie über Karl Seitz zeichnet in einem facettenreichen Bild das beeindruckende Leben des ersten sozialdemokratischen Bürgermeisters von Wien nach – und offenbart bittere Parallelen zur heutigen Zeit. Seite 17 Der Fall Föderl-Schmid offenbart das ungeheure Ausmaß an Vernichtungswut im digitalen Raum. Warum es nach aller Bestürzung nun eine Metanoia braucht – strukturell und individuell. Hass-Fasten: Geht das? AUS DEM INHALT Vom Bauernbub zum Kapitalmagnat Wang Chuanfu wuchs als Vollwaise in Armut auf. Heute ist er Chef von BYD, dem größten E-Autobauer der Welt. Die Geschichte eines kometenhaften Aufstiegs. Seite 8 Von Doris Helmberger Warten, hoffen – und schweigen: Das wäre die adäquate Reaktion gewesen, als vergangene Woche eine der profiliertesten Journalistinnen des deutschsprachigen Raums als vermisst gemeldet wurde – die stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung und langjährige Standard-Chefin, Alexandra Föderl-Schmid. Tatsächlich hielten sich die allermeisten Qualitätsmedien mit Wortspenden zurück, bis es nach 24 Stunden doch noch zur glücklichen Wendung kam. In den Sozialen Medien freilich tat sich ein Abgrund auf – während dieser bangen Stunden, aber noch mehr davor und danach. Es war eine unvergleichliche Hetzjagd, der die Journalistin zuvor ausgeliefert war, ungeschützt offenbar auch von der eigenen Redaktion. Vorwürfe, in ihren Texten mitunter vorgefertigte Passagen übernommen zu haben, hatten schon zu ihrem operativen Rückzug geführt, als die weit rechts stehende Propaganda-Plattform Nius des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt weiter zum Halali blies – mit dem „Plagiatjäger“ Stefan Weber als bezahltem Gehilfen. Einzelne Ungenauigkeiten in Föderl- „ Niemand ist gezwungen, sich an Hetzjagden zu beteiligen. Jeder kann statt Häme Argumente liefern. “ Schmids Dissertation wurden monströs aufgeblasen, tausende Trolle versprühten in der Folge – teils mit Klarnamen – Hass und Häme, die vermeintlich „sozialen“ Medien wurden zum Vernichtungsraum. Nicht nur Föderl-Schmid selbst diente als Feindbild, sondern die Süddeutsche bzw. „die Medien“ insgesamt. Der Tenor: Nach den Plagiats-Vorwürfen gegenüber AfD-Chefin Alice Weidel und der „Kampagne“ gegen Hubert Aiwanger wegen der „Flugblattaffäre“ dürfe man sich jetzt nicht wundern. Hate Speech als digitale Geißel So sehr sich öffentliche Spekulationen über die Ursachen persönlicher Verzweiflungstaten verbieten (vgl. dazu den Gastkommentar auf Seite 21), so notwendig ist nach allem Entsetzen eine Aufarbeitung des Geschehenen. Beginnen wir beim Naheliegendsten: Hate Speech und „digitale Hinrichtungen“ sind ein generelles Übel und mit allen Mitteln zu bekämpfen. Sie sind eine Geißel der digitalen Welt – völlig unabhängig, ob die Opfer (darunter vielfach Frauen) im politischen Spektrum „links“ oder „rechts“ zu verorten sind. Davon zu unterscheiden ist (legitime) Kritik an politischen Missständen, Fehlern oder politischen Konzepten, wie dies im Qualitätsjournalismus Usus ist. Dass dieser auch selbst fehlerhaft ist, deshalb ebenfalls kritisiert werden kann und entsprechend Aufarbeitung leisten muss, versteht sich von selbst. Dennoch bleibt er eine Säule der liberalen Demokratie – und das Wuchern von algorithmusgetriebenen Hass-Fabriken wie X (vormals Twitter) oder nebulos finanzierten Propaganda- Plattformen deren größte Gefährdung. Dass es künftig unter dem Vorwand des Datenschutzes noch leichter als bisher möglich sein könnte, die Pressefreiheit zu torpedieren und Redaktionen (womöglich angeleitet von rechten Demokratieverächtern) mit Slapp-Klagen lahmzulegen, ist eine weitere Dystopie. Eine zweite Lehre aus dem Fall Föderl- Schmid müssen verstärkte Anstrengungen zur wissenschaftlichen Qualitätssicherung sein. Nicht selbsternannte „Jäger“, sondern unabhängige Instanzen müssen prüfen, ob und in welchem Ausmaß Standards verletzt wurden. Es ist eben ein Unterschied, ob (wie im Fall Föderl-Schmid) einzelne Zitate fehlen oder (wie im Fall der ehemaligen Ministerin Christine Aschbacher) automatisch übersetzter Nonsens publiziert wird. Nicht zuletzt ist auch jeder und jede Einzelne gefordert, sich der digitalen Vernichtungswut entgegenzustellen: Niemand ist gezwungen, sich an Hetzjagden zu beteiligen – jeder hat Zeit, kurz innezuhalten und statt Häme Argumente zu liefern. Die begonnene Fastenzeit könnte für eine solche Abstinenz vom Hass ein guter Anlass sein. doris.helmberger@furche.at Wie gestalten wir uns selbst? Die Fastenzeit kann Anlass sein, zu fragen, woran wir uns ausrichten: vom Körperideal in Sozialen Medien bis zur Abhängigkeit von Smartphones. Von Ursula Baatz. Seite 9 Celanscher Ochsenweg Eine Quint-Essenz über Paradoxien, die Gattin des Rendsburger Museumsdirektors, Schwestern im Geiste – und was das alles mit Trockenshampoo zu tun hat. Seite 15 Konstruktive Auflösung Für merkwürdig hält Daniela Strigl den Umgang mit dem Dollfuß-Museum: Statt sich ernsthaft mit diesem Machtpolitiker auseinanderzusetzen, sperrte man zu. Seite 19 „Wissenschaft ist kein Museum“ In Schweden ist das Vertrauen in die Forschung auf hohem Niveau stabil geblieben. Woran liegt das? Antworten aus Lund und Stockholm. Seite 22 furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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