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DIE FURCHE 14.12.2023

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DIE FURCHE · 5016

DIE FURCHE · 5016 Film14. Dezember 2023FILMKOMÖDIEPlatte kulturelleKlischeesDer Franzose Gilles Legardinierist ein Autor sogenannter„Bestseller-Romane“, die sichgut zwischen kitschigen Schmonzettenund konstruierten Burlesken einordnenlassen. Mit „Monsieur Blakezu Diensten“ hat er einen seiner eigenenRomane mit Bewegtbildern versehen.Der Amerikaner John Malkovichin der Hauptrolle des BritenAndrew Blake, ein Karriere-müder„Unternehmer des Jahres“, der seinerjüngst verstorbenen, französischenFrau nachtrauert, war entweder LegardiniersIdee oder aber die jenerGeldgeber, die gerne aus Koproduktions-Töpfenein Publikums-anbiederndesMischmasch „zaubern“. Soauch hier. Malkovich muss dafür denganzen Film lang Französisch sprechen,womit sich nicht nur er, sondern(ganz sicher) auch die Menschheitschwertut. Blake verlässt seineHeimat um einige Zeit auf einemfranzösischen Landsitz zu verbringen,wo er einst mit seiner Ehefrauresidierte. Dort lebt die verarmteSchlossbesitzerin Madame Beauvillier(Fanny Ardant) alleine mit ihrerKöchin Odile (Émilie Dequenne)und deren Kater Mephisto. Dazuwuseln ab und zu noch ein Ex-Gärtnerund ein Dienstmädchen über dasGelände um die völlig sinnentleerteHandlung da wieder anzustoßen,wo die „Hauptdialoge“ wiederholtins Leere führen. Die plattesten allerkulturellen Klischees, aber auchkomplett verirrte Geschlechter-„Komik“sind die wesentlichen Eckpfeilerdieses Drehbuches, das inszenatorischeÜberlegungen nicht einmalandeutet. (Alexandra Zawia)Monsieur Blake zu Diensten(Complètement cramé!)L/F, 2023. Regie: Gilles Legardinier. MitJohn Malkovich. Filmladen. 111 Min. 21.12.Malkovich muss dafür den ganzen Film langFranzösisch sprechen, womit er sich schwer tut.KojiYakushoDer japanischeSchauspielstar istin der Rolle desToilettenbetreuersHirayama in seinemElement.Beim Filmfest inCannes erhielt erdafür die SilbernePalme als BesterHauptdarsteller.Von Otto FriedrichEin (Werbe-)Film über öffentlicheToiletten undihre Reinigung? Hierzulandekäme kaum jemandauf die Idee, dasschmutzige Business in die Kinoszu bringen. In Tokio jedochgelang es Autor und WerbefilmerTakuma Takasaki, Wim Wendersnach Tokio zu bringen, um sicheine Reihe öffentlicher Klos inParks anzuschauen, die allesamtvon bekannten Architekten geplantworden waren. Einen Fotoband,so das Begehr an Wenders,oder ein paar Kurzfilme wünschtensich die Auftraggeber vomdeutschen Autorenfilmer.Und Wim Wenders verwendetedie 16 möglichen Drehtage, umstatt der vier Kurzfilme „PerfectDays“ zu zaubern, einen Spielfilm,der anhand der Figur des KloputzersHirayama zu einer grandiosenParabel übers Glück im Lebengeriet. Gemeinsam mit Takasakientwickelte Wenders ein Drehbuch,das Hauptdarsteller KojiLangsam, bedächtig entrollt Wim Wenders in seiner neuen Tokio-Hommage „Perfect Days“ eine einnehmende Philosophie des Glücks.Und bietet Hauptdarsteller Koji Yakusho eine Bühne zum Brillieren.Vom Glückdes Klomanns„ Es geht darum, auch in scheinbarvölliger Unscheinbarkeit, Lebensmutund -freude zu beweisen.“Yaku sho („Die Geisha“, „Babel“)auf den Leib geschrieben scheint.„Perfect Days“ schlug auch beimFilmfest in Cannes ein, Yakushobrachte von dort die Silberne Palmeals Bester Hauptdarsteller mit.Hirayama, ein Mann in denSechzigern, betreut für die Firma„The Tokyo Toilet“ öffentlicheBedürfnisanstalten als Servicemann.Tag für Tag dasselbe Ritual:Hirayama steht auf und vollziehtdie Morgentoilette, er lässt sich eineKaffeedose aus dem Auto matenherunter und begibt sich auf seineKlo-Runde. Mit gleicher Akribiesäubert er die einzelnen Locations,untersucht auch schwerzugängliche Stellen nach fäkalemSchmutz, sodass diese Tempel derExkremente in einem Sauberkeitszustandsind, von dem man – beispielsweise– in der Wienerstadtnur träumen kann.Die Liebe Hirayamas zu seinemschmutzigen Beruf erstaunt auchseinen faulen Kollegen Takashi.Im Serviceauto hört HirayamaMusikkassetten aus den 1970-ern– etwa den Lou-Reed-Song „PerfectDay“, der dem Film auch denNamen gegeben hat. Nach der Arbeitfotografiert Hirayama leidenschaftlichgerne mit einer AnalogkameraBäume in Parks; undmit behelfsmäßigen „Blumentöpfen“aus Zeitungspapier nimmt erBaumschösslinge mit nach Hause,die er zu Bonsais weiterzüchtet.Die Routinen, denen Hirayamafolgt, sind seit Jahren die gleichen:Allabendlich verzehrt erNudeln am selben Imbiss-Stand,sonntags wäscht er im immer glei-SINNVOLLES SCHENKENBereiten Sie mit einem FURCHE-GeschenkaboIhren Liebsten Freude!Sie schenken damit Zeit für neue Perspektiven,für Zugänge, die zum Weiterdenken anregen.›› Immer und überall digital und entspannt auf Papier›› Alle Artikel seit 1945 im FURCHE-NavigatorHEUTE BESTELLEN,ZU WEIHNACHTENSCHENKEN!furche.at/abo/schenkenaboservice@furche.at01 512 52 61 52

DIE FURCHE · 5014. Dezember 2023Film & Medien17chen Waschsalon seine Wäsche;und in „seiner“ Buchhandlungkauft er jeweils ein gebrauchtesTaschenbuch, das er danach liest.Ein beschauliches Leben, dasaus dem ewiggleichen Fluss derDinge und vor allem: lauter kleinenGlücken besteht. In großerLangsamkeit und in der Beschaulichkeitseiner Profession lebtHirayama seine Tage dahin, nurhin und wieder beginnen die Zuschauerzu ahnen, dass „The TokyoToilet“ gewiss nicht die ursprünglicheBerufsstation des KlomannesHirayama war.Wanderung zwischen KulturenErst als Nichte Niko, Tochterseiner Schwester Keiko, zu der erden Kontakt verloren hat, bei Hirayamaauftaucht – sie ist von zuHause ausgerissen – kommt etwasUnruhe in die Gemächlichkeitdieses Alltagstrotts – undHirayama muss sich auch einerVergangenheit stellen, die in seineraktuellen Lebensweise verschollenund vergessen schien.Ganz offensichtlich gab esauch Dramen in Hirayamas Leben;aber wer erwartet hatte, dassWenders diese Unwirtlichkeitenzu Film werden ließ, liegt falsch.Denn die betörende Philosophie,der „Perfect Days“ Ausdruck verleiht,will nicht die Brüche einerExistenz hervorkehren. Sondernes geht darum, auch in scheinbarvölliger Unscheinbarkeit, Lebensmutund -freude zu beweisen.Es ist dieses Streben nachGlück, dem Wim Wenders in „PerfectDays“ so perfekt und einnehmendfrönt. Japanfreund Wendershat selber erklärt, dass ersich auch in diesem Film demVater des japanischen Arthouse-Kinos,Yasujiro Ozu (1903–63),nachfolgt: „Er hat uns ein seismografischesBild des kulturellenWandels in Japan übermittelt, vonden 1920-ern bis zu seinem frühenTod in den 1960-ern.“Wenders gelingt mit „PerfectDays“ einmal mehr eine Wanderungzwischen den Kulturen.„Das Glück is a Vogerl“ – dieserSpruch passt auch auf den hierfestgehaltenen ostasiatischenKosmos. Auch wenn er in diesemKontext etwas ganz anderes bedeutetals in der Urwiener Version.Perfect DaysJ 2023. Regie. Wim Wenders. Mit KojiYakusho, Tokio Emoto, Arisa Nakano.Polyfilm. 123 Min. Ab 21.12. im Kino.DRAMAMeisterhafte BalanceBabak Jalalis „Fremont“ evoziert eine Melancholieund erinnert an die frühen Filme Jim Jarmuschs.Die junge Donya (Anaita Wali Zada) istnach der Machtübernahme der Talibanaus Afghanistan in die USA geflohen,doch in Kalifornien fühlt sie sich verlorenund leidet an Schlafproblemen. Monotonist ihre Arbeit in einer Fabrik für Glückskekse,doch Bewegung kommt in ihr Leben, alssie mit der Erstellung von Texten für die kleinenBackwaren betraut wird. Nicht nur inder Schilderung der Verlorenheit Donyas erinnertBabak Jalalis „Fremont“ an die frühenFilme Jim Jarmuschs, sondern auch in derFILMBIOGRAFIEAls sich 1943 deutsche Besatzungssoldatenin Edvard Munchs Osloer Atelierumsehen, drängen sich dem betagtenMaler Erinnerungen an ähnlich aufwühlendeMomente auf. So springt das Biopic immerwieder in die Vergangenheit, beleuchtet dieLiebe zu Milly Thaulow, die Schließung seinerAusstellung beim Verein Berliner Künstlerund seinen Aufenthalt in der Klinik vonDr. Jacobson. Inszenatorisch orientiert essich dabei an der Selbstdarstellung des Malers.„Munch“ bebildert die Eindrücke undStimmungen des modernen Ausdruckskünstlersformgewaltig, vermittelt darüberanschaulich und unmittelbar dessen Schaffensprozess,seine Farbpalette und Bildthemensowie seine Auseinandersetzung mitzeitgenössischen Stilrichtungen, aber auchmit dem Theater von August Strindberg undMax Reinhardt.Analog knüpft der Regisseur stilistischBezüge zu Filmen etwa von Julian Schnabel,Christian Petzold oder Paweł Pawlikowski.Doch der Darstellung von MunchsGenius fehlt ein entscheidender Aspekt.Denn der Künstler machte seine Motivebestechenden Schwarzweißfotografie, dieebenso wie die Trompetenmusik eine melancholischeStimmung evoziert. Wie das enge4:3-Format den Blick der Zuschauer aufs Wesentlichelenkt, so sorgt die weitgehende Beschränkungauf statische Einstellungen füreinen lakonisch-trockenen Erzählstil. Meisterhaftwahrt dabei der 1978 im Iran geboreneund seit 1986 vorwiegend in England lebendeRegisseur die Balance zwischen Ernstund Komik. Zum beglückenden Gesamteindrucktragen aber auch die ebenso knappenwie prägnanten Dialoge und das trockeneSpiel des aus Profis und Laien gebildeten Ensemblesbei. Großartig ist die afghanischeJournalistin und Moderatorin Anaita WaliZada, die hinter dem emotionslosen Blickdie stille Verlorenheit und Einsamkeit Donyasspüren lässt, aber auch Jeremy AllenWhites Verkörperung eines Automechanikers,der kaum weniger einsam als die Afghaninist, sorgt in diesem Kleinod für einenHöhepunkt. (Walter Gasperi)FremontUSA 2023. Regie: Babak Jalali.Mit Anaita Wali Zada. Polyfilm. 91 Min.Selbstdarstellung des MalersIn der Darstellung des Genius fehlt ein Aspekt:Munchs Kunst war ein wirtschaftliches Unternehmen.durch wiederholte Selbstzitate zu Bildformeln.Die geschlossene Ausstellung wurdenach Düsseldorf und Köln von ihm selbstnochmals in Berlin gezeigt. Munchs Kunstwar nicht zuletzt auch ein wirtschaftlichesUnternehmen. (Heidi Strobel)MunchN 2023. Regie: Henrik Martin Dahlsbakken.Mit Alfred Ekker Strande, Mattis Herman Nyquist,Ola G. Furuseth. Einhorn. 104 Min.MEDIEN IN DER KRISEWörter – vomKanzlermenübis zu BrakkaAlle Jahre wieder kommt nichtnur das Christkind, sondern– ein paar Tage früher allerdings– das „Wort des Jahres“. DerGlossist muss gestehen, dass diediesjährige Wahl endenwollend originellist: „Kanzlermenü“, die galligeQualifizierung eines unglücklichenSagers Karl Nehammers über leistbareBilligmahlzeiten einer Fastfoodkette,in den Olymp des österreichischenAlltagsdeutsch zu heben,mutet schon ordentlich verwegenan. Allenfalls darf man sich einmalmehr fragen, warum der gekürteAusdruck nicht als „Unwort des Jahres“firmierte – dorthin hätte es gewissbesser gepasst.Aber die „Unwort des Jahres“-Kategorieist ja auch schon längst mit„Klimaterroristen“ besetzt – dieserWahl wollen wir gerne beitreten:Denn die Autofahrer ärgernden Klebeaktivitätenvon Klimabewegten ineinen Topf mit Attentätern, Bombenlegernund Entführern zu werfen, istmehr als eine sprachliche Unsitte.Ratlos hingegen ließ unsereinendas Jugendwort des Jahres zurück:„Brakka“ erschließt sich einem Babyboomereinfach nicht, und dass auchdie eigenen Kinder aus der GenerationZ damit wenig anzufangen wissen,beruhigt nicht wirklich. Hosensollen damit gemeint sein – undvor allem TikTokker wissen sich, soheißt es, mit dieser Ausdrucksweisevertraut. Wir Bildungsbürger sindstracks der Etymologie des Speaksunserer Kids nachgegangen – undstießen staunend aufs lateinischebracae: Das waren Beinkleider, dieüber Perser und Kelten zu den Römernstießen und die noch im britannischenMittelalter populär waren(im Englischen gibt es ja heute nochbreeches): Sage da einer noch, dassdie Jungen von heute nicht kulturaffinsind! (Otto Friedrich)KREUZ UND QUERAUF DEN SPUREN DESHEILIGEN FRANZ VON ASSISIDI 19. DEZ 22:55Er war der verwöhnte Spross eines reichen Tuchhändlers – und wurdezum Begründer eines Bettelordens: der heilige Franziskus. Die Reportagevon Peter Beringer zeigt die Stätten dieser wundersamen Wandlungdes Heiligen aus Assisi, dem auch die Erfindung der Weihnachtskrippezugeschrieben wird. An ihr wird deutlich, wie Franziskus mit einfachenMitteln den Menschen die christliche Botschaft nahebringen wollte.religion.ORF.atFurche23_KW50.indd 1 06.12.23 09:27

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