DIE FURCHE · 37 12 Religion 14. September 2023 Von Gregor Maria Hoff Nach der Synode ist vor der Synode. Kaum hat in Deutschland der Synodale Weg die letzte Plenarschleife gedreht, steht der römische Ernstfall an. Vor drei Jahren hat Papst Franziskus seiner Kirche einen synodalen Turnaround verordnet. Zum ersten Mal in der katholischen Kirchengeschichte findet eine Versammlung mit diesem Format statt. In mehreren Durchgängen wurden die Ortskirchen nach Themen und Perspektiven befragt, die nicht nur auf einer Synode diskutiert werden sollten, sondern mit denen sich die römisch-katholische Kirche konsequent synodal entwickeln soll. Franziskus selbst hat zuletzt nicht ohne Ironie darauf hingewiesen, dass es ein wenig merkwürdig klingt, wenn eine Synode über Synodalität nachdenken solle. Aber genau das braucht es aus Sicht des Papstes, um im Zuge von Beratungen zu erkunden und zu erfahren, wie echte Synodalität geht. Fotomontage: Rainer Messerklinger (unter Verwendung eines Bildes von iStock/bruev) Abbruch? Aufbruch? Bei der Weltsynode in Rom geht es um nicht weniger als um die Zukunft der katholischen Kirche. Lesen Sie zum Thema auch „Muss Österreich Synodalität neu erlernen?“ von Otto Friedrich am 21.9.2022, nachzulesen auf furche.at. „ Der Papst setzt auf einen nachhaltigen Kurswechsel, nicht nur wie die katholische Kirche geleitet wird, sondern wie sie sich selbst organisiert. “ Am 4. Oktober beginnt in Rom die erste der beiden katholischen Synodalversammlungen zum Thema Synodalität. Erstmals sind auch Nichtbischöfe bei den weltkirchlichen Beratungen stimmberechtigt. Kollaps statt Reformen? Die Ironie von Franziskus Dafür hat Franziskus von seiner amtsverbürgten Vollmacht Gebrauch gemacht. Anders als im Kirchenrecht vorgesehen, dürfen auf den beiden römischen Synoden, die in diesem und im nächsten Herbst stattfinden, Nichtbischöfe mitentscheiden. Ohne Ironie geht es bei Franziskus wirklich nicht. Schließlich hatten seine kurialen Mitarbeiter den deutschen Synodalakteuren bis zuletzt ausrichten lassen, deci sion making und de ci sion taking seien zwei verschiedene Paar Schuhe. Entscheidungen auf Syno den könnten selbstverständlich nur Bischöfe treffen. Aber so wie Franziskus sich inzwischen einen Vertrauten aus seiner Heimat als neuen Chef der obersten Glaubensbehörde zugelegt hat, so souverän gestaltet er auch das synodale Instrument um. Das ist nicht hoch genug einzuschätzen. Schließlich setzt Franziskus auf einen nachhaltigen Kurswechsel in der Art, nicht nur wie die katholische Kirche geleitet wird, sondern wie sie sich selbst organisiert. Der offene Prozess von Beratungen soll deshalb weitgehend hinter verschlossenen Türen stattfinden. Medienpolitisch erzeugt dies Irritationen – zu Recht. Zu einer offenen Kirche in offenen Gesellschaften passt diese publizistische Firewall nicht wirklich. Andererseits möchte der Papst damit interne Redefreiheit gewährleisten. Man muss Vertrauen aufbauen und auch ins Risiko gehen können. Die mediale Transparenz des deutschen Synodalen Wegs erschien Franziskus demgegenüber wohl zu parlamentarisch. Es mag eine Chance darin liegen. Schließlich werden unterschiedlichste Positionen im römischen Herbst aufeinandertreffen. Die Bruchlinien ziehen sich quer durch die Weltkirche. Die beiden Vorgänger von Erzbischof Fernández als Präfekten der vormaligen Glaubenskongregation vertreten jedenfalls andere Perspektiven, als sie ihr neuer Chef auf Ber goglio-Linie einbringen dürfte. Nicht zuletzt auf seine Rolle darf man gespannt sein. Schließlich wird sich damit zeigen, wie weit die katholische Kirche auch intern ins Risiko geht. Denn wenn es der Papst mit dem Synodalumbau ernst meint, steht die Kirche auch in Grundsatzfragen vor einem Paradigmenwechsel. Denn das Volk Gottes muss dann in seiner Vielstimmigkeit zu Wort kommen und in Entscheidungen verantwortlich eingebunden sein. Ob Franziskus das zulässt, wenn es wie auf der Amazonas-Synode um konkrete Anwendungen wie die Zulassung von verheirateten Männern zum Priesteramt geht? Da können immerhin auch viele konservative Theologen mitgehen. Insofern würde sich ein solcher Schritt, der freilich erst im Nachgang zur zweiten Synodalversammlung erfolgen könnte, als Modellstudie eignen. Denn eins ist klar: Die wirklichen Zerreißproben stehen erst an. In menschenrechtsbasierten Fragen schließen sich konservativ-traditionalistische Positionen und Reformagenden kontradiktorisch aus. Was sich in der anglikanischen Kirchengemeinschaft global vollzieht, liefert das Muster für den katholischen Stresstest lebbarer Kircheneinheit. Vor dem katholischen Kirchenbruch schaudert es Franziskus. Freilich vollzieht sich die Spaltung längst: theologisch in öffentlichen Debatten; statistisch mit explosiven Kirchenaustrittszahlen in westlich geprägten offenen Gesellschaften, denen Wachstumsgewinne vor allem im glo- STADT, LAND, FLUSS HIER IST FÜR JEDEN WAS DABEI! Eine Karte die MitarbeiterInnen und Kunden Freude bereitet. www.greenhabitat.at RZ_Die-Furche_275x100_230824.indd 1 28.08.23 09:51
DIE FURCHE · 37 14. September 2023 Religion 13 „ Es ist aufschlussreich, dass ausgerechnet ein Religionssoziologe wie Detlev Pollack Ewigkeitsfantasien vom Wesen des Katholischen belebt. “ balen Süden und in Asien entgegenstehen. Katholischer Weltkirchenzusammenhang steht damit auf der Kippe. Rom hat ihn bislang gesichert – freilich mit einer zentral organisierten Regierung, die auf Dauer schwer mit synodalen Ambitionen zu harmonisieren sein dürfte. Die nötige Risikobereitschaft Genau deshalb setzt der Papst auf einen geistlichen Austausch, in dem sich die Synodalen als Sy no de entdecken können. Die kirchliche Performance soll Wege des Verständnisses öffnen, die – wie auf dem 2. Vatikanischen Konzil – zu einem Kairos neuer Kirchenerfahrung führen können. Das aber wird ohne Risikobereitschaft nicht gelingen. Wenn Franziskus mit der Ernennung des obersten Glaubenswächters einschärft, er erwarte sich von ihm anderes als Kon trolle und Disziplinierung abweichender Positionen, setzt der Papst auch ein Zeichen für den Weg, auf dem die katholische Kirche synodal vorankommen soll. Demgegenüber hat der Religionssoziologe Detlev Pollack in einer Serie von Interviews eingeschärft, ein umfassendes Reformprogramm widerspreche dem Wesen des Katholizismus. Die Reformer vergäßen, „dass das Christentum aus der Vormoderne stammt und manches nicht veränderbar ist, ohne das Innere der Kirche anzutasten. Gerade der Katholizismus beruht auf einer scharfen Unterscheidung zwischen dem Heiligen und dem Profanen. Das Heilige und die Sakramente werden abgeschirmt von der Welt durch heilige Zeiten, heilige Räume, heilige Gefäße und durch das Priesteramt.“ Exakt in dieser Disposition liegt indes ein Wurzelgrund des katholischen Missbrauchskomplexes. Sakralisierung von Macht steht sowohl für den Papst im Zeichen seiner Klerikalismuskritik wie auf dem Synodalen Weg zur Revision an. Bricht also das katholische Identitätsprofil, wer sich auf synodale Koordinaten kirchlicher Gewaltenteilung im Volk Gottes einlässt? Führt Franziskus seine Kirche also in den katholischen Kollaps? Es ist aufschlussreich, dass ausgerechnet ein Religionssoziologe Ewigkeitsfantasien vom Wesen des Katholischen belebt. Dass sich das römische Profil des Katholizismus neuzeitlich mit besonderem Einheitsdruck und Zentralverwaltungsinteressen entwickelt hat, lässt Pollack dabei außer Acht. Nun sind es aber gerade diese Sekundärmerkmale, die sich in katholischer Auflösung befinden. Einheit geht jedenfalls unter Franziskus nicht einheitlich. Ortskirchen gewinnen unter ihm ebenso an Bestimmungskompetenzen, wie ein Zuwachs an Ambiguitäten zu verzeichnen ist. Wer souverän das Kirchenrecht in Dienst nimmt; wer gegen kuriale Einsprüche Möglichkeiten für den Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen und nichtkatholischen Partnern in konfessionsverbinden Ehen ermöglicht, öffnet lehramtliche Spielräume in pastoraler Absicht. Sie verändern mehr als nur die kirchliche Semantik. Hier zeigt sich, was sich religionssoziologisch erhärtet: Das Format des spezifisch römischen Katholizismus löst sich auf. Die Kirche wird damit weltkatholischer. Das bestätigt die historisch gewachsene Fähigkeit, Tradition mit Innovation und Reformierbarkeit zu verbinden. Ob und wie dies als päpstliches Synodalprojekt gelingen kann, muss sich in Rom erweisen – und über Rom hinaus. Der Autor ist Prof. f. Fundamentaltheologie u. Ökumene in Salzburg. GLAUBENSFRAGE Abaya-Verbot in Frankreich Von Mouhanad Khorchide Wenn es um die Trennung von Religion und Staat geht, fährt Frankreich innerhalb der Europäischen Union den strengsten Kurs. Vor etwa 30 Jahren wurde dort das Tragen von auffälligen religiösen Symbolen an Schulen verboten, vor etwa 20 Jahren folgte das vollständige Kopftuchverbot. Außerdem sind jüdische Kippas sowie große christliche Kreuze in Schulen verboten. Das Verbot richtet sich also keineswegs allein gegen Muslime. Nun wurde dort ein weiteres Verbot verhängt. Schülerinnen dürfen keine Abaya mehr tragen. Dabei handelt es sich um ein langes Gewand, das viele Frauen in islamischen, vor allem in den arabischen Ländern als eine Art Umhang über den Kleidern tragen. Der Hintergrund ist meist religiös, um jegliche Betonung des Körpers zu vermeiden. Seitdem ist eine heftige Debatte entbrannt. Für die einen geht das Verbot zu weit, es stelle einen Angriff auf die Religionsfreiheit der jungen Mädchen dar, für die anderen bedeutet es die Verteidigung der Laizität. Demnach solle die religiöse Identität der Schüler(innen) auf keinen Fall anhand ihrer Kleidung erkannt werden. Säkularität sei keine Einschränkung, sondern eine Freiheit. Das Problem, das ich sehe, ist die Stärkung einer identitätspolitischen Haltung, in der religiöse Symbole von beiden Seiten, von den Betroffenen sowie vom Staat, stark politisiert werden. Auch fühlen sich dadurch Islamisten in ihren Verschwörungsthesen bestätigt, wonach der Westen den Islam zu bekämpfen versuche. Sie instrumentalisieren solche Verbote, um Muslime vor der Identifikation mit dem Staat zu warnen, und so polarisiert sich die Gesellschaft noch stärker. Aus pädagogischer Sicht ist es dennoch wichtig, Maßnahmen einzuführen, um gerade junge Mädchen über ihr Recht auf Selbstbestimmung aufzuklären, auch gegen den Willen der Eltern, wenn diese sie zum Tragen religiöser Symbole zwingen wollen. Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster. BiR-AT_Anz_DieFurche_275x196mm_Layout 1 07.09.23 16:09 Seite 1 Danzig „Entdeckungen für Leib und Seele in Warschau, den Masuren und Danzig“ Nordpolen und Kurz-Kreuzfahrt mit der „Classic Lady“ auf den masurischen Seen vom 25. April bis 03. Mai 2024 Rund um die Masurische Seenplatte erleben Sie unberührte Naturlandschaften und die Sehenswürdigkeiten einer mehr als 700-jährigen Geschichte. Die Besatzung der Classic Lady erwartet Sie zu einer kleinen Kreuzfahrt. Auf diese Weise haben Sie die einmalige Gelegenheit, die Masuren von der Wasser- und von der Landseite her zu erkunden. Anschließend bilden die beeindruckende Festungsanlage der Marienburg, die „Stadt des Kopernikus" Frauenburg am Frischen Haff und die alte Hansestadt Danzig den krönenden Abschluss der Reise. Die ostpreußische Küche ist bekannt für ihre Vielfältigkeit und die harmonische Verbindung der Geschmacksrichtungen süß, herzhaft und sauer. Lassen Sie sich vom Schiffskoch verwöhnen, der fangfrischen Fisch aus den Masurischen Seen serviert und aus selbst gesammelten Waldbeeren, Pilzen und Kräutern köstliche Speisen kreiert. Auf einen Blick Frühbucherpreise bis zum 08.12.2023 Fluganreise inklusive Kulinarische Highlights auf einem einfachen Schiff · Masuren auf dem Wasser und an Land · Wunderbare Landschaften und großartige Zeugnisse der wechselvollen Geschichte Polens · Exklusiv-Charter Reisepreis pro Person in Zweibettkabine/Doppelbett zum Frühbucherpreis* ab € 1.990,– inkl. Flug, Übernachtungen, Ausflüge und Eintrittsgelder (*gültig bis 08.12.2023) Jetzt informieren und buchen: Birgit Kühnen, Tel. 02243/35377-16 Mehr zur Reise Erscheint Oktober 2023 – jetzt kostenlos vorbestellen Biblische Reisen GmbH • Stiftsplatz 8 • 3400 Klosterneuburg • Tel: 0 22 43 / 3 53 77-0 • info@biblische-reisen.at • www.biblische-reisen.at
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