33 · 14. August 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Gekommen, um zu bleiben In Wien soll ein Denkmal für Gastarbeiter errichtet werden. Savo Ristić ist Initiator und Ideengeber des Ganzen. · Seite 20 Demokratie als Lebensform Radikalisierung: Zwei Monate reichen oft Mit Humor und Horror Das Fundament offener Gesellschaften ist das Engagement von allen. Letzte Folge der Serie „Sommer der Demokratie“. · Seite 5 Was können Moscheen und Schulen gegen Social-Media-Verhetzung tun? Ein Gastkommentar von Mouhanad Khorchide. · Seite 8 Eva Beresins Werke changieren zwischen Schönem und Abstoßendem. Die Albertina zeigt mit „Thick Air“ eine Auswahl. · Seite 16 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Kamala Harris bringt den Demokraten neue Hoffnung. Ihr Motto: Freude statt Ödnis und Hass. Doch kann diese Botschaft in Amerikas Swing-States und den entscheidenden Kleinstädten verfangen? Eine politisch-literarische Spurensuche. · Seiten 6–7, 13 und 14 Das Land der Unmöglichkeiten Foto: iStock/ ArtBoyMB (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) Foto: iStock/hallohuahua (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) Liebes Tagebuch … Biografien gehören zum Kanon wie Romane, Novellen oder Lyrik. Aber welche Funktion erfüllten und erfüllen sie? Eine Kulturgeschichte. Die fast pseudoreligiöse Verehrung eines Stars wirft einmal mehr die Frage auf, warum es die Kirchen nicht schaffen, dem Bedürfnis junger Menschen nach Zugehörigkeit Raum zu geben. Taylor unser! AUS DEM INHALT Maria ist brat Der Sommer steuert mit Mariä Himmelfahrt auf seinen Höhepunkt zu. Gedanken über die heimliche Königin des „Brat Girl Summer“, der heuer in aller Munde ist. Seite 9 Von Till Schönwälder Die Bilder der dem Terror trotzenden „Swifties“ am vergangenen Wochenende in der Wiener Innenstadt gingen um die Welt. Gleich drei Konzerte hätte die Sängerin Taylor Swift im Ernst-Happel-Stadion spielen sollen. Aufgrund eines vereitelten islamistischen Terroranschlags wurden die Shows so kurzfristig abgesagt, dass die meisten der insgesamt 200.000 Ticketinhaberinnen und -inhaber bereits angereist waren. Was im ersten Moment wie ein Realität gewordener PR-Albtraum klingt, entwickelte sich nach und nach zu einem marketingtechnisch unbezahlbaren Wochenende für Wien. Tausende Fans sangen sich ihren Frust über die Absagen auf dem Stephansplatz von der Seele (siehe Seite 10), die Bilder wurden nicht nur von der deutschen Bild-Zeitung bis hin zum amerikanischen Nachrichtensender CNN übernommen, auch in den sozialen Netzen konnte man den Videos nicht entgehen. Die Stadt Wien, aber auch zahlreiche Wirtschaftstreibende entdeckten schnell das Potenzial der singenden „Swifties“. Unzählige Angebote, von freiem Eintritt in Museen und städtische Bäder bis Gratisverpflegung in vielen Gastrobetrieben, „ Die Teenager waren wohl nicht wegen Taylor Swift in der Kirche, sondern trotz Kirche bei Taylor Swift. “ wurden für die enttäuschten Fans bereitgestellt. Alle wollten vom Hype um den Superstar profitieren. Auch die Lutherische Stadtkirche hatte über das gesamte Wochenende kurzerhand ihre Türen geöffnet und Musik der Sängerin abgespielt. Pfarrerin Julia Schnizlein (vgl. auch Seite 9) wäre gemeinsam mit ihrer Tochter selbst bei einem der Konzerte gewesen, in der Kirche habe man den Fans einen Ort für ihre Trauer geben wollen, erklärte sie auf ihrem Instagram-Account. Viele seien gekommen, „es wurde gesungen, getanzt, aber auch gemeinsam geweint“, erzählte die Pfarrerin gegenüber Medien, die ebenfalls in Scharen in die Kirche gekommen waren. Beste Werbung also, zumal man Schnizlein tatsächlich abnimmt, dass sie mit den traurigen Jugendlichen mitfühlt. Geballte Jugend Gleichzeitig hinterlassen die Bilder der die Kirchenbank drückenden Teenager bei vielen Menschen wohl ein ambivalentes Gefühl, und das nicht nur, weil man an so viel geballte Jugend im kirchlichen Kontext schlichtweg nicht mehr gewöhnt ist. Manch einem Funktionär dürfte angesichts der Bilder wohl auch schmerzhaft bewusst geworden sein, wie weit die Kirche heute von den Lebensrealitäten junger Menschen entfernt ist. Eines war bei der Aktion nämlich augenscheinlich: Die Teenager waren wohl nicht wegen Taylor Swift in der Kirche, sondern trotz Kirche bei Taylor Swift. Hier müssen sich die Kirchen die Frage gefallen lassen, warum sie es nicht schaffen, mit adäquaten Angeboten den Bedürfnissen junger Menschen nach Zugehörigkeit und Geborgenheit Raum zu geben, während sich auf der anderen Seite um eine Sängerin ein fast schon pseudoreligiöser Kult entwickelt. Über die Frage, ob eine Kirche tatsächlich ein angemessener Ort ist, um wegen eines abgesagten Konzerts zu trauern, lässt sich wohl ebenfalls trefflich diskutieren. Denn bei allem Mitgefühl für die traurigen jungen Menschen: In letzter Instanz bleibt es nur ein abgesagter Auftritt im Rahmen einer millionenschweren Welttournee. Der Umstand, dass sich die Künstlerin selbst nach wie vor nicht mit tröstenden Worten an ihre Fans gewendet hat (Stand 13. August), hinterlässt ebenfalls einen schalen Nachgeschmack. Um die Zuwendung von jungen Menschen zum Pseudoreligiösen – freilich in einem weit folgenschwereren Ausmaß – geht es letztlich auch bei den jungen Islamisten, deren Pläne eines Blutbads in buchstäblich letzter Sekunde und nach Hinweisen aus den USA durchkreuzt werden konnten (siehe Seite 8). Hier darf die Politik – aber auch die Islamische Glaubensgemeinschaft – nicht aus der Pflicht entlassen werden. till.schoenwaelder@furche.at Hierarchische Blindheit Wenn das überhöhte Priesteramt nicht einem Wandel unterzogen wird, werden die Missbrauchscausen in der Kirche nicht verschwinden, meint Otto Friedrich. Seite 11 Ein Leopoldstädter Traum Baumeister Richard Lugner war Opernball- Ikone, Society-Löwe und Kurzzeitpolitiker. Er lebte die Sehnsüchte unserer Gesellschaft. Zum Tod des 91-Jährigen. Seite 12 Öffnen der Zeitkapsel Die wiederentdeckten Naturaliensammlungen des Benediktinerstifts Seitenstetten bergen Überraschungen. Vorabdruck des neuen Buches von Bettina Balàka. Seite 18 Die Rückkehr der Knöpfe Tech-Konzerne haben Schalter und Drehknöpfe lange durch Touchscreens ersetzt. Viele waren genervt. Nun feiert die analoge Steuertechnik ein Comeback. Seite 19 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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