DIE FURCHE · 11 18 Musik 14. März 2024 Franz Schmidt Sein Werk umfasst Symphonien, Opern, Oratorien, Kammermusik und vieles mehr. Heute wird wenig noch gespielt. Von Walter Dobner Wäre es um die Erinnerung an Franz Schmidt besser bestellt, hätte er sich nicht unter Drohungen der damaligen Machthaber zwingen lassen, seine „Deutsche Kantate“ zu komponieren? Das hat ihm prompt den Vorwurf eingetragen, ein Nazi-Sympathisant gewesen zu sein. Dieses Urteil hält einer näheren, seriösen Betrachtung nicht stand, hindert manche aber nach wie vor nicht, es weiterhin zu kolportieren. Wäre bei diesem Auftrag, den Schmidt wegen seiner gesundheitlichen Probleme dann nicht mehr fertigstellen konnte, nicht auch zu berücksichtigen, dass der Komponist damals schon so schwer krank war, dass er die politische Tragweite seines Schritts wohl nicht mehr erkennen konnte? Jedenfalls hat dieser Umstand wesentlich dazu beigetragen, dass das Werk des vor 150 Jahren, am 22. Dezember 1874, im damaligen Preßburg geborenen Komponisten weiterhin nicht die ihm gebührende Wertschätzung erfährt, sogar mancher Veranstalter bewusst einen Bogen darum macht. Am meisten gelangt noch sein gewaltiges Oratorium „Das Buch mit sieben FEDERSPIEL Türkiser Treppenwitz Foto: picturedesk.com / ÖNB-Bildarchiv Julius Bittner Jahrelang komponierte er neben seinem Beruf als Richter. Der Übergang in die Operettenära fiel ihm schwer. Foto: picturedesk.com / ÖNB-Bildarchiv / Georg Fayer 2024 ist das Jahr der Jubiläen: Bruckner, Puccini und Schönberg. Doch es böte auch Gelegenheit, an Franz Schmidt, Julius Bittner und Karl Heinz Füssl zu erinnern und sie vor allem aufzuführen. Plädoyer für die Vergessenen Nach seiner (nicht rechtskräftigen) Verurteilung meinte der Bundeskanzler a.D., der (nicht rechtskräftige) Schuldspruch gegen seinen ehemaligen Kabinettchef sei „ein Treppenwitz der Geschichte“: Dieser sei nämlich „vierfacher Familienvater“ und „einer der gläubigsten Menschen, die ich kenne“. Ja, dann! Wenn bereits ein einfacher Familienvater (wie der Ex-Kanzler) über eine erhöhte Glaubwürdigkeit verfügt, so ist die des vierfachen naturgemäß vierfach erhöht. Und dass gläubige Menschen zur Lüge nicht fähig sind, liegt sowieso auf der Hand. Sein eigenes Urteil hält der jugendliche Pensionist für „sehr ungerecht“, das ist legitim. Dass aber seine Anhänger in der heutigen ÖVP sich mit solcher Nibelungentreue an ihn klammern, ist bedenklich – und rätselhaft. Während die aktuelle FPÖ-Partie absolut rein gar nichts mit der Skandalpartei des Ibizagate zu tun haben will, stellen sich die Schwarzen wahlweise vor oder hinter ihren gefallenen Ex-Parteichef und wollen partout als Türkise weiterwursteln. Wirkt da das zauberisch-erotische Charisma des Jünglings fort? Vom Kurzzeitkanzler, der bei Amtsantritt verkündete, die Vorwürfe gegen seinen Vorgänger würden „sich in Luft auflösen“, hat man nun freilich nichts mehr gehört. Zeigten sich einige Funktionäre angesichts des Urteils eines unabhängigen Richters bloß „überrascht“, äußerten sich andere nach dem Beispiel des Verurteilten in einer Art über ein rechtsstaatliches Verfahren, die man bisher eher von den Blauen gewohnt war. Ein ÖVP-Nationalratsabgeordneter (jener, der erklärt hatte, die Hamas sei „schlimmer als die Nazis“) ging über die Behauptung einer politisch motivierten Anklage noch hinaus und vermutete eine „politische Attacke“, eine „Kampagne“ von „Mitgliedern der Judikatur“: Ihn empörte die Verurteilung aufgrund einer „Wortklauberei“ – in einem Prozess zum Thema Falschaussage. Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin. Von Daniela Strigl Karl Heinz Füssl Bert Brecht wollte ihn nach Berlin verpflichten, aber er blieb als Musikkritiker, Editor und Lehrender in Wien. Siegeln“ nach der Johannes-Apokalypse zur Aufführung. Dessen gewaltiges Hallelujah hat es auch bei jenen zu Popularität gebracht, welche dieses imposante Chor- Orchester-Opus, das die barocke und klassische Oratorientradition in eine bereits mit der Moderne kokettierende Spätromantik führt, sonst nicht kennen. Von Schmidts vier Symphonien erklingt hie und da seine letzte. Seine umfangreiche Kammermusik, einst viel gespielt, findet sich kaum in den Programmen. Besser steht es um seine Orgelmusik. Von der Oper „Notre Dame“ hört man kaum mehr als das Zwischenspiel im Konzertsaal. Ebenso verhält es sich mit seinem Dreiakter „Fredegundis“, von dem sich nur die wirkungssicheren Königsfanfaren gehalten haben. Schmidt zählt auch zu jenen, die Werke für den einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein geschaffen haben. Zwei Klavierkonzerte, die dem Virtuosen ungleich mehr gefielen als die ebenfalls für ihn komponierten Konzerte von Ravel und Prokofjew, sowie drei Klavierquintette. Deren Klavierpart hat später der Pianist Friedrich Wührer für Klavier zu zwei Händen bearbeitet. Alles Werke, die von Schmidts außerordentlichen pianistischen Fähigkeiten zeugen. „ Schmidt zählt auch zu jenen, die Werke für den einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein geschaffen haben. Zwei Klavierkonzerte, die dem Virtuosen ungleich mehr gefielen als die von Ravel und Prokofjew. “ Seine Karriere hat Schmidt, der kurzzeitig Schüler von Bruckner war, übrigens als Cellist an der Wiener Hofoper und bei den Wiener Philharmonikern begonnen, ehe er viele Jahre als Professor und hoch geachteter Rektor an der Wiener Musikakademie wirkte. Bei Franz Schmidt kann man davon ausgehen, dass er sich wenigstens in unseren Breiten einer gewissen Bekanntheit erfreut. Nicht so bei seinem Jahrgangskollegen Julius Bittner. „Musikant“ hat man den Foto: picturedesk.com / ÖNB-Bildarchiv Charlotte Till-Borchardt vor 150 Jahren, am 9. April 1874, in Wien geborenen Komponisten in Anspielung an seine gleichnamige Oper genannt. Der „erfreulichste Premierenabend seit Weingartners Direktion und der einzig bedeutsame seit der ‚Elektra‘“, berichtete der prominente Kritiker Richard Sprecht euphorisch über die Uraufführung am 12. April 1910 an der Wiener Hofoper. Schlägt man in heutigen einschlägigen Lexika nach, stößt man nicht auf dieses Bühnenwerk, sondern auf den deutlich von Wagner beeinflussten, ebenfalls – und zwar 1911 – an der Wiener Hofoper uraufgeführten Zweiakter „Der Bergsee“. Jahrelang arbeitete der promovierte Jurist als Richter in Wien. Erst ab 1922 ermöglichte es ihm eine bescheidene Pension, sich ganz auf sein kompositorisches Schaffen zu konzentrieren. Der um 1920 einsetzende neue musikalische Zeitgeist verunsicherte ihn nicht nur, er war auch Anlass zu einer strengen Selbstkritik. In seinen letzten Jahren plagte Bittner schwerer Diabetes. Um seine Existenz zu sichern, sah er sich genötigt, von Opern- auf Operettenkompositionen umzusteigen. In dieser für ihn schwierigen Situation sprang sein Komponistenkollege Erich Wolfgang Korngold helfend ein. Er bearbeitete das Pasticcio „Walzer aus Wien“, für das Bittner die Musik zusammengestellt hatte, und präsentierte es erfolgreich in den Vereinigten Staaten. Gestorben ist Julius Bittner vor 85 Jahren: am 9. Jänner 1939 in seiner Geburtsstadt Wien. Musikkritik statt Brecht Wie Franz Schmidt wurde auch Karl Heinz Füssl im Gebiet des vormaligen Altösterreich geboren: vor hundert Jahren, am 21. März 1924 in Gablonz in der heutigen Tschechischen Republik. Erst 15-jährig war er bereits ordentlicher Hörer an der Berliner Musikhochschule und einer der letzten Schüler von Hugo Distler. Nach 1946 setzte er in Wien seine Studien fort. Er inskribierte Komposition bei Alfred Uhl, Dirigieren beim legendären Hans Swarowsky. Bert Brecht wollte Füssl als Bühnenkomponisten nach Berlin verpflichten. Er entschied sich, als Musikkritiker in Wien zu bleiben, machte sich rasch als einer der profiliertesten Rezensenten im deutschen Sprachraum einen Namen. Geschätzt wegen seiner profunden Kenntnisse wie seiner sprachlichen Brillanz, mit der er sie vermittelte. H. C. Robbins Landon, der große Haydn-Forscher – Füssl nannte ihn später seinen zum Haydn-Forscher geborenen Freund –, wurde auf ihn aufmerksam, konnte ihn als Editor gewinnen. Bald wurde Karl Heinz Füssl auch in diesem Fach zu einer Autorität. Er war ein wichtiger Mitarbeiter bei der Haydn-, der Neuen Mozart-, der Johann Strauß- und der Mahler-Gesamtausgabe, schließlich Leiter der Wiener Urtext-Ausgabe der Wiener Universal Edition. Sein eminentes theoretisches Wissen gab er Studierenden auch an der Wiener Musikhochschule weiter, ab 1983 als Ordinarius für Formanalyse. Das alles schien ihn nicht vollends auszufüllen. Die ihm noch verbleibende Zeit nutzte er zum Komponieren, weil es ihm „einfach Vergnügen“ machte, wie er gerne betonte. Am Ende – Füssl starb unerwartet 68-jährig am 4. September 1992 – umfasste sein Œuvre zahlreiche Vokalstücke, vielfach an deutschen Bühnen sowie beim Carinthischen Sommer uraufgeführte Bühnenwerke und Instrumentalmusik für die unterschiedlichsten Besetzungen. In seinem Schaffen knüpft er bei den Ideen des Schönberg-Kreises wie beim späten Strawinsky an, zeigt ein besonderes Faible für eine unorthodoxe, dennoch strengsten Konstruktionsprinzipen gehorchende Anwendung der von ihm brillant beherrschten Zwölftontechnik, ohne den emotionalen Gehalt der Musik zu vernachlässigen. Die Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek richtet für diesen umfassend gebildeten Musikologen, charismatischen Lehrer und originellen Komponisten am 7. Mai im Palais Mollard einen Musiksalon aus.
DIE FURCHE · 11 14. März 2024 Literatur 19 Geschichten über Expeditionen in die entlegensten Teile der Welt, über das Unterwegssein und Gedanken über die großen Fragen des Lebens bestimmen das Werk des bereits vielfach ausgezeichneten österreichischen Autors Christoph Ransmayr. Ein Porträt zum 70. Geburtstag. Glänzende Verwandlungen Von Maria Renhardt Man kennt ihn als Globetrotter, Bergwanderer und Abenteurer, vor allem aber als einen der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller, der seine auf Weltreisen gewonnenen Erfahrungen, Begegnungen mit Menschen oder die Beschäftigung mit den Sternen in seiner Literatur zur Sprache bringt. Am 20. März feiert Christoph Ransmayr seinen 70. Geburtstag. Aus diesem Anlass hat der Fischer Verlag einen Erzählband mit dem Titel „Als ich noch unsterblich war“ herausgebracht. Das Umschlagbild – es zeigt einen flammenden Schabrackentapir aus Keramik – unterstreicht die Spur zur Unsterblichkeit und damit zur Metamorphose der Worte in Schrift, die er oft reflektiert. Ransmayrs neue Prosa versammelt 13, eigentlich aber nur 12a bereits verstreut publizierte Texte aus der Reihe „Spielformen des Erzählens“. Augenzwinkernd präzisiert er im Vorwort den mit der Zahl 13 verbundenen Aberglauben; die Bezeichnung 12a symbolisiert für ihn die unzähligen, nach oben hin offenen, nicht kartografierbaren Möglichkeiten des Erzählens: „Geschichten ereignen sich nicht, Geschichten werden erzählt.“ Diese Textsammlung bietet dazu einen anschaulichen und repräsentativen Querschnitt. Welt als Löffel voller Buchstaben Christoph Ransmayr ist im oberösterreichischen Salzkammergut in Roitham aufgewachsen. In der Nähe des Traunsees hat er früh seine Liebe zur Wildnis und zu den Erlebnissen in ihr entdeckt. In der Titelerzählung seines neuen Bandes lässt er wie schon öfters anklingen, dass seine Mutter, „eine liebevolle, mit jahrhundertealten Märchen und Liedern vertraute Frau“ die ersten Leseversuche ihres Sohnes noch lange vor dessen Besuch der Volksschule durch die Zubereitung von Buchstabensuppen maßgeblich unterstützt hat: „Du hast mit einem Löffel voll Buchstaben dein Leben, die Welt in der Hand“, hat sie ihm als Weisheit mitgegeben. Die Bibliothek seines Vaters, eines Volksschullehrers, eröffnet ihm später weitere Horizonte. Ihm hat er im Text „An der Bahre eines freien Mannes“ ein berührendes Denkmal gesetzt, indem er autofiktional auf kunstvolle Weise dessen Leben mit der Geschichte des Michael Kohlhaas verschränkt. Den Sekundentod des Vaters und den Abschied des Sohnes von ihm hat er schon früher einmal im Erzählband „Atlas eines ängstlichen Mannes“ thematisiert. Nach dem Studium und einer kurzen Redakteurstätigkeit wird Ransmayr freier Schriftsteller. Später lebt er auch längere Zeit in Irland. Sein erster Roman „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“ über die berühmte Payer-Weyprecht-Expedition ist 1984 erschienen. In der Erzählung „Floßfahrt“ berichtet der Ich-Erzähler über Recherchen in der Kartensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, in der ihm der „Eichentisch im Lesesaal [...] über fünf Wintermonate zu einer Art Floß“ wurde, „auf dem er „mit dem Packeis weiter und weiter nach Norden driftete“. Erst viel später hat Ransmayr als Passagier eines russischen Eisbrechers das Franz-Josef-Land selbst besucht und den Insel-Archipel durchwandert: „Ich war auf den Schroffen der Rudolfsinsel also tatsächlich am nördlichsten Ende der eurasischen Landmasse, von dem der Eisbrecher Yamal, dessen Name Das Ende der Welt bedeutet, dann eine donnernde Spur bis an den Nordpol zog.“ In seinem „Atlas“ führt ihn die Geschichte eines Golfspielers („Abschlag am Nordpol“) literarisch abermals zurück zu diesem Eisbrecher, der „entsprechend den achtzehn Löchern eines Golfplatzes achtzehn Bälle gegen den Horizont“ schlägt, „achtzehn Bälle vom absoluten Ende der Welt in Richtung Äquator“. Und wie so oft bei ihm wird auch diese Erzählung in einem größeren existentiellen Kontext aufgehoben. Ransmayrs Bücher entstehen meist über einen längeren Zeitraum hinweg. Neben sechs Romanen hat er Erzählbände, Lyrik, Reden, dramatische Texte und die sogenannten „Spielformen des Erzählens“ publiziert. Als interessant erweist sich zudem seine Zusammenarbeit mit anderen Künstlern wie etwa mit dem Maler Anselm Kiefer, der seinen jüngsten Lyrikband „Unter einem Zuckerhimmel“ illustriert hat. Und dazwischen war Ransmayr viel unterwegs; früher hat er sich sogar als „Halbnomade“ bezeichnet und sich dabei als Tourist gesehen. Als er einmal im Standard zur Archivierung seiner Erlebnisse befragt wurde, meinte er, dass er mit Bleistift in kleinen Notizbüchern im Brusttaschenformat nur Stichworte notiere: „Diese Bruchstücke werden dann zu Appellen an mein Erinnerungsvermögen, und ich muss hellwach sein, wenn ich nach Jahren wieder in diesen Notizbüchern lese.“ Später, beim Bearbeiten dieser Notizen, lasse er sich „vom Magnetismus der Geschichten“ leiten. Werke wie der im Flattersatz geschriebene Roman „Der Fliegende Berg“ führen auf den Spuren der Geschichte zweier Brüder in den Transhimalaya. In diesen Stoff hat er zahlreiche Erlebnisse von Expeditionen mit seinem Freund Reinhold Messner eingearbeitet. Auch die Erzählung „ Ransmayrs Texte sind geprägt von Offenheitgegenüber dem Fremden, von Neugier, Tiefe und Poesie; oft ist ihnen eine philosophische Signatur eingeschrieben. “ „Am See von Phoksundo“ führt in das Land der Tibeter. Darin schildert er eine eindringliche Begegnung zweier Wanderer mit einem Halbnomaden im winterlich verschneiten „Niemandsland zwischen Tibet und Nepal“. Der jüngste Erzählband enthält erneut seinen ersten Text „Strahlender Untergang“. Darin geht es um ein ungeheuerliches Entwässerungsexperiment in der Wüste. Ein Mensch stellt sich Lesen Sie dazu „Abgründe und Schuld: Christoph Ransmayrs Roman ‚Der Fallmeister‘“ von Maria Renhardt vom 24.3.2021 auf furche.at. LITERATUR &WEIN Das Internationale Kulturenfestival Foto: APA / Wolfgang Huber-Lang Fixstern der Literatur Seit den frühen 1980er Jahren publiziert Christoph Ransmayr (* 1954) als freier Literat. Zu den zahlreichen Ehrungen zählt der Österreichische Würdigungspreis für Literatur 2004. für dieses Projekt, hinter dem sich nackte, grausame Radikalität verbirgt, zur Verfügung, um sich in einer abgetrennten Zone ohne Fluchtmöglichkeit „inmitten der Siedehitze, / der Leere“ wiederzufinden. Schutzlos dem gleißenden Sonnenlicht ausgesetzt, wird er ein „Protagonist des Verschwindens“. Spiegel seiner Welterfahrungen Ransmayrs Werke kennzeichnet eine immense thematische und künstlerische Vielfalt. Sie führen oft in die Ferne und greifen Impulse aus seinen Welterfahrungen oder aus alten Mythen auf. Oder aber es geht um die Auseinandersetzung mit dunklen, verdrängten Kapiteln der Geschichte wie in „Morbus Kitahara“. Überhaupt führen ihn Themen auch zurück in seine Heimat. Im Zentrum stehen häufig die großen Fragen des Seins: Tod und Überleben, das Phänomen der Zeit, Liebe, Schuld und Vergebung, so in seinem letzten Roman „Der Fallmeister“. Beim Schreiben selbst bleibt nichts dem Zufall überlassen, schon gar nicht der erste Satz. Ransmayrs Texte sind geprägt von Offenheit gegenüber dem Fremden, von Neugier, Tiefe und Poesie; oft ist ihnen eine philosophische Signatur eingeschrieben. In einem Interview sagte er einmal, dass „ohne die Erfahrung, die ein Mensch in der Welt tatsächlich gemacht hat, [...] keine Gedanken und kein Gedankenspiel“ möglich wären. Es gäbe „keine Träume, keine Fantasien“. Ransmayr verwandelt sie glänzend in Literatur. Als ich noch unsterblich war Erzählungen Von Christoph Ransmayr S. Fischer 2024 224 S., geb., € 24,70 18. – 21. APRIL 2024 literaturundwein.at
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