11 · 14. März 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– Birgit Minichmayr: „Man ist leider erpressbar“ An der vielseitigen Schauspielerin kommt man derzeit kaum vorbei, so viel Präsenz hat sie auf der Bühne und im Kino. · Seite 20-21 Pro und Contra: Nuklearwaffen für Europa? Gewalt gegen Frauen: Nach dem Notruf? Die Warnung bleibt aufrecht Der Theologe Ullrich H. J. Körtner und der Außenpolitik-Experte Alexander Kmentt über Sicherheitspolitik und Zeitenwende. · Seite 5 Nur wenige Frauen wenden sich an die Polizei oder Beratungsstellen. Drei fiktive Fälle zeigen, wie Opferschutz funktioniert. · Seite 12–13 1983 schrieb Milan Kundera seinen Essay „Der entführte Westen“. Er liest sich auch heute beklemmend aktuell. · Seite 17 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Was wird künftig auf den Teller kommen? Aktuelle Krisen werfen ihre Schatten auf unsere Ernährungssicherheit. Ein Fokus zum Symposion Dürnstein. Was uns beim Essen blüht Foto:iStock/Eplisterra Foto: IMAGO / Bridgeman Images „Einen rein jüdischen Staat lehnte Arendt ab“ Die Philosophin Hannah Arendt kritisierte die Idee einer Zwei-Staaten- Lösung für Israel und Palästina von Anfang an. Historikerin Annette Vowinckel über Arendts Gedanken zu Nahost sowie Auszüge aus einem Essay, der sich prophetisch liest. Seiten 7–8 Fordert Franziskus die Ukraine zur Kapitulation auf? Auch wenn hier auf ein Interview einmal mehr ein übliches Empörungsritual folgte: Die Position des Papstes zur Ukraine bleibt prekär. Der Papst im Shitstorm AUS DEM INHALT Die organisierte Zustimmung Dass Putin bei den Präsidentschaftswahlen wiedergewählt wird, steht außer Frage. Warum lässt er sie überhaupt durchführen? Ein Erklärungsversuch. Seite 6 Von Otto Friedrich Der Sturm der medialen Entrüstung, der dieser Tage über Franziskus hinwegfegte, war beachtlich: Eine Passage aus einem TV-Interview des Papstes für einen italienischsprachigen Schweizer Sender wurde von vielen Kommentatoren als Aufforderung an die Ukraine zur Kapitulation aufgefasst. Der Wiener evangelische Theologe Ulrich Körtner etwa meinte, Franziskus habe da „den letzten Rest von moralischer Glaubwürdigkeit und Autorität verspielt“. Er müsse sich als Protestant „wegen des Papstes fremdschämen“. Allerdings war das ganze Interview noch gar nicht on air, sodass auch der Kontext weitgehend unbeleuchtet blieb, in dem die Äußerung vom „Mut zur weißen Flagge“ fiel, die der Ukraine sinngemäß nahelegte, weiteres massenhaftes Sterben auf den Schlachtfeldern entlang der Frontlinie durch Verhandlungen zu beenden. Soviel weiß man: Das Interview für den Sender RSI drehte sich um die Farbe Weiß in vielen Facetten; und es kam dabei auch die weiße Fahne zur Sprache. Auf diesen Kontext gingen die heftigen Reaktionen nicht ein. Allerdings war es auch das Papst-Medium Vatican News selber gewesen, welches „ Durch Schweigen und Nicht-Benennen dessen, was Sache ist, macht sich auch ein Papst die Hände schmutzig. “ Franziskus’ Interviewaussage per kontextloser Schlagzeile verbreitet hatte: Einmal mehr entpuppt sich der aktuelle Shitstorm auch als römisches PR-Desaster. Man erinnert sich, wie ein vermeintlich islamkritisches Wort aus der „Regensburger Rede“ Benedikts XVI. 2006 zu einem Aufruhr in der islamischen Welt geführt hatte – auch damals war ein aus dem Kontext gerissenes Zitat Ursache für den Furor wider den Papst. Franziskus geradezu kleinlaut Den Kontext im Blick zu haben, sollte für seriöse Medien eine Selbstverständlichkeit sein. Und abwägende Kritik, die natürlich auch dem Papst gegenüber legitim ist, erweist sich nur dann als glaubwürdig, wenn nicht nur eine Einzelaussage in den Blick genommen wird. Hier gilt dennoch ganz sicher, dass beim Ukrainekrieg das Agieren und das Sprechen von Franziskus im Gesamten nicht dazu angetan sind, der katholischen Kirchenspitze moralische Autorität zuzubilligen. Denn um den Menschen in der Ukraine Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist es unabdingbar, Ross und Reiter beim Namen zu nennen. Doch Franziskus war bislang kaum imstande, Wladimir Putin klar als Aggressor zu benennen, noch protestierte er gegen den Missbrauch des Christentums durch Patriarch Kyrill II., der das Morden quasi unter Gottes Schutz stellte. Sonderbar, dass der römische Pontifex, der Ungerechtigkeit etwa Flüchtlingen gegenüber lautstark anprangert, hier als geradezu kleinlaut wahrgenommen wird. Eigentlich müsste der Papst Klartext sprechen, zumal mit den griechisch-katholischen Glaubensgeschwistern in der Ukraine Katholiken besonders bedroht sind: Stalin ließ diese mit Rom unierte Kirche verbieten – und aus den von Russland okkupierten Territorien mehren sich Berichte, dass griechisch-katholische Gemeinden wieder der russischen Orthodoxie einverleibt werden. Das ist Krieg. Das spricht der Ökumene Hohn. Das darf ein Papst nicht hinnehmen. Durch – diplomatisches? – Schweigen und das Nicht-Benennen dessen, was Sache ist, kann sich aber auch ein Papst die Hände schmutzig machen. Die Sehnsucht, dass das Töten auf den Schlachtfeldern der Ukraine enden möge, steht einem Religionsführer gewiss an. Aber auch dieser darf sich nicht durch die Duldung von Putins Menschenverachtung zu dessen Ministranten machen – wie Franziskus zu Beginn der russischen Invasion in einer selten klaren Wortmeldung Patriarch Kyrill (wie wir heute wissen: erfolglos) ins Gewissen geredet hat. Als Katholik darf man nicht müde werden, von seinem Papst genau dies einzufordern. Das ist weit mehr, als sich bloß wieder an einem Empörungsritual rund um ein Franziskus-Wort zu beteiligen. otto.friedrich@furche.at Befremdliches bei US-Katholiken Was macht die amerikanische Kirche bis heute so anders – und verstörend? Der Theologe Benjamin Dahlke sucht in einem neuen Buch nach Erklärungen. Seite 9 Mit Babler „ein Stück des Weges“? Wie Kreisky buhlt Andreas Babler um Bürgerliche. Doch die heutige SPÖ ist proletarischer denn je. Thomas Köhler über Polit-Spitzen und einen Diskurs „am Limit“. Seite 15 Glänzende Verwandlungen Geschichten über das Unterwegssein und Gedanken über die Fragen des Lebens bestimmen das Werk Christoph Ransmayrs. Ein Porträt zum 70. Geburtstag. Seite 19 „Nicht ohne die Nichtmenschlichen!“ Frederic Hanusch forscht zu planetarer Demokratie. Er meint: Um auf die Klimakrise zu reagieren, müssen wir unsere politischen Systeme radikal neu denken. Seite 22-23 furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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