DIE FURCHE · 24 20 Medien 13. Juni 2024 Taumelnder Riese Sinkende Auflagen bei den Print-Abos werden durch Online-Erlöse in der Regel nur zum kleinen Teil wettgemacht. Dieser Trend macht auch vor den Großen nicht Halt. Von Bernhard Baumgartner Die Nachrichten aus einem der größten Verlagshäuser des Landes waren schon einmal besser: Nach Jahrzehnten voll mit satten Gewinnen musste das Management des Verlagskonzerns Mediaprint, Herr über Krone und Kurier, kürzlich herbe 25 Millionen Euro Verlust bekannt geben. Die alarmierende Zahl stammt aus dem Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2022/23. Das Eigenkapital war mit zwölf Millionen im Minus. Aber immerhin attestierten die Wirtschaftsprüfer dem Konzern eine positive Fortbestandsprognose. Keine neue Taktik Ob das nächste Jahr besser wird? Man darf es bezweifeln, obwohl beide Seiten – sowohl Krone als auch Kurier – umgehend massive Sparprogramme ins Laufen gebracht haben. Nachdem sich etwa der Kurier zu Jahresbeginn von rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getrennt hatte, ist Ende Mai auch beim Marktführer Kronen Zeitung das vormals Undenkbare passiert: 40 von rund 300 Jobs sollen bei der Krone abgebaut werden. Ein entsprechender Sozialplan ist offenbar in Vorbereitung. Dieser soll den Mitarbeitern ans Herz gelegt werden, und (vorerst) einen freiwilligen Abgang schmackhaft machen. Das ist keine neue Taktik: Auch die Kleine Zeitung war im Vorjahr in ihrer Redaktion zu dieser Sparmaßnahme gezwungen. Das machtvolle Verlags-Konglomerat mit Krone und Kurier steht unter Sparzwang. Dazu ist einer der Gesellschafter, die Signa, insolvent. Ist das die Ruhe vor dem Sturm? Mediaprint auf dem Scheideweg „ Dass Funke seine ungeliebten Österreich- Beteiligungen am liebsten heute statt morgen los wäre, ist kein Geheimnis. “ Das Verlagshaus Mediaprint teilt das Spar-Schicksal ohnehin mit fast allen anderen Verlagen Österreichs. Nahezu überall müssen Stellen abgebaut werden, gerade die Redaktionen sind dabei oft im Visier der Einsparungen. Hintergrund ist der noch immer schleppende Geschäftsgang aus dem Anzeigengeschäft, da viele Werbetreibende mittlerweile ihre Budgets lieber bei den amerikanischen Online-Giganten ausgeben. Zudem kommen die Medien auch auf dem Lesermarkt immer stärker unter Druck: Sinkende Auflagen bei den Print- Abos werden durch Online-Erlöse in der Regel nur zum kleinen Teil wettgemacht. Da die Verlage im Unterschied zum ORF gezwungen sind, ihre Online-Inhalte zu verkaufen statt sie gratis (und durch öffentliche Gebühren finanziert) anzubieten, ist der Markt ungemein verzerrt. Wer zahlt Foto: picturedesk.com / Kurier / Jeff Mangione für Nachrichten, die er anderswo gratis haben kann? Zudem sind die Haushalte durch die stark steigende Inflation zu Einsparungen gezwungen. Abos geraten so noch zusätzlich unter Druck. Dazu kommt bei der Mediaprint ein weiteres Problem. Denn einer der Gesellschafter, die Signa Holding von Rene Benko, ist in Insolvenz. Sie hatte vom deutschen Funke-Konzern (vormals WAZ) 2019 die Hälfte der Anteile an den Österreich-Investitionen des Essener Konzerns übernommen. Kolportierter Kaufpreis damals: 80 Millionen Euro. Diese Anteile hält Signa immer noch, sie sollen jedoch im Zuge der Insolvenz rasch zu Geld gemacht werden. Wohl aber zu einem deutlich geringeren Wert. Dem Vernehmen nach hatte Signa sie bereits selbst auf 45 Millionen Euro abgewertet. Funke und Signa sind zur Hälfte an der Krone und zu einem geringeren Teil beim Kurier beteiligt. Bei der Krone hält die Familie Dichand die andere Hälfte, beim Kurier Raiffeisen. Sie alle treffen sich in der gemeinsamen Verlagsholding Mediaprint wieder, die Druck, Vertrieb und gemeinsame Vermarktung erledigt. Zumindest noch. Denn dem Vernehmen nach wollen die beiden Medien diese Zwangsehe künftig so nicht mehr. Auch weil der Schlüssel der Erlöse seit jeher fix ist: 70 Prozent gehen an die Krone, 30 Prozent an den Kurier, unabhängig von den tatsächlichen Werbeverkäufen. Das ist freilich eine Regelung aus besseren Tagen, mit der keiner mehr so richtig zufrieden ist. Funke und die Dichands Trotz aller negativen Zahlen sind die Signa-Anteile aber durchaus begehrt. Sowohl Dichand als auch Raiffeisen haben daran Interessen. Funke hingegen hat da wohl die besseren Karten, hat man doch beim Verkauf der Anteile an Benko Regelungen für den Insolvenzfall festgesetzt. Die Anteile des insolventen Partners könnten „aufgegriffen“ werden – und zwar zu 60 Prozent vom Verkehrswert. Dieser dürfte sich heute (Stichwort: negatives Eigenkapital) wohl deutlich unter dem Kaufpreis aus 2019 bewegen. Hier könnte sich jemand ein Schnäppchen genehmigen. Ob Funke die Anteile nun einzieht, oder ob man sich im Rahmen einer größeren Lösung mit allen einigt, ist momentan nicht bekannt. Dass Funke seine ungeliebten Österreich-Beteiligungen am liebsten heute statt morgen los wäre, ist kein Geheimnis. Zumal der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag mit Dichand eine gewisse Asymmetrie aufweist. So muss Funke der Familie Dichand einen millionenschweren Vorabgewinn zahlen, auch wenn die Krone gar keinen Gewinn abwirft. Darüber streitet man übrigens seit Jahren vor einem Schweizer Schiedsgericht. Ausgang: unklar. Von diesem könnte allerdings der Wert der Funke-Anteile direkt betroffen sein. MEDIENWELTEN Zwischen Himmel und Erde Die Autorin ist Professorin für Medienethik an der Hochschule für Philosophie München. Von Claudia Paganini Am 14. Juni feiert der Tennisstar Steffi Graf Geburtstag, ebenso die Sängerin Gianna Nannini sowie die Politiker Donald Trump und Olaf Scholz. Promis wie sie stehen im Fokus des öffentlichen Interesses. Was interessiert, sind aber nicht nur sportliche Erfolge, künstlerisches Schaffen oder politische Positionen, sondern auch ihr Alltag, der Bereich des Privaten und Persönlichen. Der Personenkult ist ubiquitär und wird – obwohl im Kern ein altes Phänomen – durch die Digitalisierung mit ihrer Bilderflut und den vielen Möglichkeiten der Inszenierung noch vorangetrieben. Die Verehrung der Promis zeichnet sich durch Monumentalisierung und Mythisierung aus, hat aber auch eine göttliche Dimension. Die Medienphilosophin Sybille Krämer vertritt die These, dass der Monotheismus mit seinem unendlich fernen, unnahbaren und letztlich einsamen Gott nach Boten verlangt, um die Distanz zwischen Himmel und Erde zu überbrücken. Solche Vermittler waren in der Vergangenheit die Heiligen und sind heute die von den Massenmedien geschaffenen Stars. Nicht umsonst wurde mit dem Aufkommen des Fernsehens der Begriff der Diva (auf Deutsch „Göttliche“) geprägt. Diese besitzt eine Art Doppelnatur: Erscheint sie auf der Leinwand als entrückte Filmgöttin – makellos,unantastbar und in der beliebigen Reproduzierbarkeit ewig –, behält sie zugleich einen human touch, bleibt ein Mensch aus Fleisch und Blut. Dieser menschliche Aspekt wird „ Die Verehrung von Prominenten zeichnet sich durch Monumentalisierung und Mythisierung aus, hat aber auch eine göttliche Dimension. “ wiederum durch die voyeuristische Berichterstattung der Klatschpresse bedient, der göttliche Aspekt wird greifbar, wo Andachtsstätten wie Hollywoods Walk of Fame geschaffen oder mithilfe von Fanartikeln eine Art moderne Reliquienverehrung praktiziert wird. Als Vorbilder bieten Stars dem Fan vor allem Identifikationspotenzial. Indem sie Träume und Sehnsüchte bedienen, erlauben sie uns ein Spielen mit Rollen, ein Ausprobieren von Identität. Das kann inspirierend wirken, aber auch lähmend, wenn nämlich aus dem phantasievollen Entwerfen des eigenen Ichs ein zwanghaftes Festklammern an einem nicht zu erreichenden Ideal geworden ist.
DIE FURCHE · 24 13. Juni 2024 Film 21 Lisandro Alonsos episches Kaleidoskop „Eureka“ bringt in drei Episoden die Situation der Indigenen Amerikas auf die Leinwand. Großes Kino. Gebrochene Hommage Von Otto Friedrich Es ist noch kein Jahr her, dass Martin Scorsese in seinem Epos „Killers of the Flower Moon“ den Indigenen Nordamerikas eine ihnen gebührende Rolle im Film zuerkannte, welche diese nicht mehr bloß als Kanonenfutter edler oder übler Weißer im sogenannten Wilden Westen ansah. Nun ist mit dem mindestens so epischen „Eureka“ des argentinischen Regisseurs Lisandro Alonso einer der großen aktuellen Kinofilme auch hierzulande zu sehen, der seinerseits eine gebrochene Hommage an die Native Americans darstellt. Gebrochen deshalb, weil die Indigenen Nordamerikas vom Staat in Reservate verbracht wurden, wo sie heute als eine verlorene Generation mit großen Alkohol- und Drogenproblemen ihr Dasein fristen. Im Süden des Doppelkontinents muss man schon 50 Jahre zurückgehen, um noch einigermaßen unberührte Lebensräume für die Ureinwohner zu finden. Alonso erzählt drei Geschichten in „Eureka“. Die zweite handelt von der Gegenwart im Lakota-Reservat Pine Ridge in South Dakota, USA. Die dritte spielt in den 1970ern im Amazonas-Regenwald. Aber die erste Filmerzählung ist ein Western – Schwarzweiß, ums Jahr 1870 und in der Ikonographie eines John Ford spielend, eine Reverenz von Alonso. In einem Interview betonte er, der Western sei das US-Filmgenre. In dessen Sprache geht er sein Thema an. Aber auch wenn die Kulissen und die Gestalten vertraut scheinen, wird hier keine Gesellschaft hehrer Helden gezeichnet: Murphy (Viggo Mortensen) kommt in eine heruntergekommene Stadt der Gesetzlosen, um seine Tochter Molly zu suchen. Jeder schießt gegen jeden, die Frauen – Klosterschwestern wie Prostituierte – sind gleichsam mittendrin. Doch das Ende des blutrünstigen Settings ist banal, entpuppt es sich doch als TV-Western, dem die indigene Polizistin Alaina (Alaina Clifford) in Pine Ridge zuschaut – sie tut ihren frustrierenden Dienst unter den frustrierten Bewohnern des Reservats. Ihre Mitbewohnerin, Basketballtrainerin Sadie (Sadie Lapointe), versucht in der Schule, den von dieser Gesellschaft gezeichneten Jugendlichen Sinn zu vermitteln. Als aber auch Alaina nicht mehr an ihr Funkgerät geht, sucht Sadie ihren mit Schamanenpraktiken vertrauten Großvater auf, der ihr mit psychogenen Kräutern einen Tee braut, sodass sie entschwindet: Die Zeit ist „ Alonso geht seinen Film in Western- Sprache an. Auch wenn die Kulissen und Gestalten vertraut scheinen, wird hier keine Gesellschaft hehrer Helden gezeichnet. “ Altes Wissen Der alte, mit Schamanenpraktiken vertraute Lakota weiß viel übers Leben. Die Zeit sei eine Erfindung der Menschen, meint er. eine Erfindung der Menschen, sagt er ihr noch. Schließlich endet das opulente Kaleidoskop im Brasilien der 1970er, wo Indigene eines Regenwalddorfs urtümliche Rituale praktizieren, bis einer davon ausbricht und sich Goldwäschern anschließt, die in den Bächen des Waldes nach dem Edelmetall suchen: Der junge Mann erkrankt buchstäblich am Goldfieber und wird von einer Heilerin gepflegt. Die drei scheinbar unzusammenhängenden Geschichten haben aber die Bestandsaufnahme indigener Befindlichkeiten über 150 Jahre hinweg gemeinsam. Zwischen den drei Erzählungen bildet der Jabiru, ein lateinamerikanischer Storchenvogel, die mythische Klammer, und auch eine Frauengestalt mit Namen „El Coronel“ (Chiara Mastroianni) verbindet die Episoden. Episches Menschheitskino, das zum Schauen wie Nachdenken anregt. Eureka ARG/F/D/P/MEX 2023. Regie: Lisandro Alonso. Mit Viggo Mortensen, Chiara Mastroianni, Alaina Clifford, Sadie Lapointe. Filmgarten. 146 Min. DRAMA Allein als Getriebene Der Druck, der auf der Titelheldin des französischen Dramas „Julie – Eine Frau gibt nicht auf“ lastet, ist bis in den Soundtrack hinein spürbar. In unnachgiebigem Takt treiben die Ereignisse eine Alleinerzieherin vor sich her, durch eine Woche, in der ihre Probleme kulminieren. Für ein Vorstellungsgespräch riskiert sie ihren Job, den sie nicht verlieren darf, bei dem aber schon der Arbeitsweg aufgrund von Streiks eine tägliche Herausforderung darstellt. Das Entgegenkommen der alten Dame, die auf ihre Kinder aufpasst, ist mittlerweile ebenso überstrapaziert wie ihr Kontenrahmen, der unterhaltssäumige Ex-Mann nicht erreichbar. Das Auto ist kaputt, genau wie der Boiler, und Ende der Woche steht die Geburtstagsfeier ihres Sohnes an. Julie sucht bei all diesen Dingen nach Alternativen, nach jemandem, der noch Wohlwollen für sie übrighat, sie trickst, um den Kollaps ihres Lebens unter der Mehrfachbelastung immer wieder aufs Neue abzuwenden. Regisseur Eric Gravel deutet ihre sich zuspitzende Gefühlslage an, lässt auf der Suche nach Auswegen sogar den Gedanken an Suizid kurz auftauchen. Packend greift er das durch die Krisen der letzten Jahre nur noch aktueller gewordene Thema der Armutsgefährdung auf, die sich längst bis weit in die sogenannte Mittelschicht zieht und besonders leicht Frauen und Mütter treffen kann. Das unumstrittene Zentrum dieses Ringens um Lösungen, das nur selten Momente der Ruhe kennt, ist dabei Laure Calamy („It’s Raining Men“). Ihre Körpersprache trägt einen Film, der nicht die Zeit hat, sich auf überbordende Theatralik einzulassen, sondern lieber auf Dringlichkeit baut, die das Publikum dabei emotional noch stärker abzuholen vermag.(Thomas Taborsky) Julie – Eine Frau gibt nicht auf (À plein temps) F 2021. Regie: Eric Gravel. Mit Laure Calamy, Anne Suarez, Geneviève Mnich. Filmladen. 88 Min. Laure Calamy überzeugt als alleinerziehende Mutter in „Julie – Eine Frau gibt nicht auf“. DRAMA Verfolgt in alle Ewigkeit PRÄSENTIERT Jafar Panahi gehört zu den meistverfolgten Regisseuren der Welt. Der Iraner musste nach Beendigung seines aktuellen Films „No Bears“ eine sechsjährige Haftstrafe antreten, weil er den iranischen Behörden zu regimekritisch ist. Inzwischen ist er allerdings nach einem Hungerstreik auf freiem Fuß, darf aber den Iran nicht verlassen. In „No Bears“ versucht er, gegen alle Widerstände weiterhin Filme zu drehen. Schon „This Is Not A Movie“ (2011) – seinerzeit auf einem USB-Stick, der in einem Kuchen versteckt war, in den Westen geschmuggelt – zeugte von seiner Aufmüpfigkeit gegenüber der Staatsgewalt. Für Filme wie „Closed Curtain“ (2013) oder „Taxi Teheran“ (2015), beide ebenso illegal hergestellt, bekam er den Silbernen beziehungsweise Goldenen Bären in Berlin. „No Bears“ erhielt sodann 2022 den Spezialpreis der Jury in Venedig. Der Film reflektiert – mit Panahi selbst in der Rolle eines Filmregisseurs – sehr genau sein eigenes Leid: Er versucht, über Videokonferenz die Regie bei einem Spielfilm zu führen, den er in der Türkei, gleich hinter der Grenze, dreht. Dort plant ein Paar, Zara (Mina Kavani) und Bakhtiar (Bakhtiyar Panjeei), seine Flucht nach Europa. Zugleich zeigt der Film Jafars Panahi – der ebenso geschäftig wie selbstironisch mit den Tücken der Bürokratie und der Technik kämpft –, wie er sich in sein ganz persönliches innenpolitisches Drama verstrickt, als ihn seine Kamera ungewollt in einen Streit zweier Männer zieht, die um dieselbe Frau kämpfen. Es sind Witz und Selbstironie, die sich als die schärfsten Waffen dieses talentierten Filmemachers erweisen. Sie stehen über jeglicher Form der Zensur und zeigen wunderbares Kino. (Matthias Greuling) Der verfolgte iranische Regisseur Jafar Panahi ist wieder Hauptdarsteller in seinem eigenen Film. No Bears Iran 2022. Regie: Jafar Panahi. Mit Jafar Panahi, Bakhtiyar Panjeei, Mina Kavani. Panda Filmverleih. 106 Min. FILMMONTAG SELMA Der Film erzählt die Ereignisse des Protestmarschs 1965 der Schwarzen von Selma ums US-Wahlrecht für alle. Otto Friedrich/FURCHE- Autor und Christian Rathner/ ORF analysieren. Montag, 17. Juni, 19 Uhr, Otto-Mauer- Zentrum, 1090 Wien, Währinger Str. 2–4, Infos: www.kav-wien.at
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