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DIE FURCHE 13.04.2023

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DIE FURCHE · 15 2 Das Thema der Woche Durch die altrosa Brille 13. April 2023 vor 9500 v. Chr. Frühe Stammesgesellschaften ab circa 9500 v. Chr. Frühe Agrargesellschaften ca. 1300–1100 v. Chr. Ägypten: Neues Reich ca. 800 v. Chr. bis 30 v. Chr. Antikes Griechenland Partnerschaften basieren auf Clanlinien und anderen Verwandtschaftsstrukturen. Mit ehelichen Zusammenschlüssen sollen Äcker und anderes Eigentum gesichert werden. Erstmals wird das Wort „Liebe“ geschrieben. In der dreiteiligen Hieroglyphe zu sehen sind eine Hacke, ein Mund und eine männliche Figur mit einer Hand im Mund. Auf Papyrusrollen werden Liebesgedichte verewigt. Die Liebesgötter Aphrodite und Eros werden verehrt. Liebe wird allerdings vor allem in der geistigen Verbundenheit zwischen Männern anerkannt. Eheschließungen zwischen Mann und Frau finden nur zur Zeugung von Nachkommen für den Staat statt. CHRONIK DER LIEBE Liebe kennt kein Alter. Aber was bedeutet es, sich spät im Leben noch einmal frisch zu verlieben? Was meint „Verliebtheit“ eigentlich? Gibt es die Liebe nach der großen Liebe? Und wie funktioniert Partnerschaft mit Demenz? Ein Fokus über das schönste Gefühl der Welt. Von Jana Reininger Redaktion: Jana Reininger und Victoria Schwendenwein Die Mehrheit der frisch verliebten Paare lernt sich heute über Dating-Apps kennen, so zeigen es jüngste Studien. Dort wird basierend auf Äußerlichkeiten nach links oder rechts geswipt. Wer ein match hat, sich also gegenseitig gefällt, kann ein Date ausmachen und dann –ganz im Gegensatz zur technischen Funktionsweise der Apps – intuitiv entscheiden: Mag man den Geruch des anderen? Kann man sich mit seinem Gegenüber Intimität vorstellen? Wird man sich nach dem ersten Treffen wiedersehen? Die Liebe ist etwas Magisches. Wann sie einen überrollt, scheint außerhalb unserer Macht zu stehen. „Welch eine himmlische Empfindung ist es, seinem Herzen zu folgen“, schrieb Johann Wolfgang von Goethe einst – und diesem Gebot scheinen wir auch heute noch nachzugehen, wenn wir uns ganz nach Gefühl in eine neue Beziehung hineinfallen lassen. Verliebtheit ist das Resultat biochemischer Prozesse. Hormone stellen unser Leben auf den Kopf, sorgen für Bauchkribbeln und rauben uns den Appetit (siehe Seite 3). Auch die Psychologie beeinflusst, wie wir lieben. So finden wir uns oft in Beziehungen wieder, deren Dynamiken uns aus früher Kindheit bekannt sind, wie Attraktivitätsforscher aufzeigen. Ist die Menschheit der Liebe also machtlos ergeben? Ganz so einfach ist es nicht. Die romantische Liebe ist eine Erfindung der Neuzeit, schreibt etwa die Soziologin Barbara Kuchler, die sich seit mehreren Jahren mit ihr auseinandersetzt. Und tatsächlich: Dass romantische Beziehungen vor allem gesellschaftlichen Konventionen folgen, scheinen wir heute oft zu vergessen. Zweisamkeit Nie zuvor wurde der Mensch so alt wie heute. Welchen Zweck erfüllen Beziehungen im späten Lebensabschnitt? Romantische Beziehungen werden oft als Resultat biochemischer Prozesse verstanden. Doch sie sind vor allem auch gesellschaftlich geprägt. Die Regeln der Liebe „Die Ehe“, schrieb der spätantike Dichter Palladas, „beschert einem Mann zwei glückliche Tage: den, an dem er seine Braut zu Bett bringt – und den, an dem er sie zu Grabe trägt.“ Die Misogynie in diesem Zitat war Norm im alten Griechenland und auch viel später noch. Doch wo kein Miteinander auf Augenhöhe stattfindet, sind auch keine Partnerschaften auf Augenhöhe möglich. Tatsächlich wurden Beziehungen zwischen Mann und Frau vor allem zum „ Erst mit der zunehmenden Unabhängigkeit von Frauen wurde die romantische Liebe in der westlichen Welt langsam zum Anlass für Partnerschaften. “ Zweck der Fortpflanzung eingegangen – eine Pflicht dem Staat gegenüber, wie man meinte. Liebesgefühle, die gesellschaftlich angepriesen wurden, so etwa von Philosophen wie Platon, bezogen sich vor allem auf die geistige Verbundenheit unter Männern. Ähnlich verlief es auch noch viele weitere Jahrhunderte. Unter den Römern dienten Ehen vor allem dem Zweck, Eigentum zu sichern, so wie das bereits seit der Agrargesellschaft der Fall war. Mit dem Aufkommen des Christentums hatte Liebe zunächst vorrangig Gott gegenüber Bedeutung. Menschliche Sexualität wurde seit Augustinus von Hippo abgewertet. Die Körperfeindlichkeit zog sich noch lange durch die (katholische) Kirche. Auch über das Mittelalter und die Renaissance hinweg erfüllten Bild: Rainer Messerklinger (unter Verwendung eines Fotos von iStock/spukkato ) Partnerschaften keinerlei romantischen Bedürfnisse. Zwar gewann die Liebe an Bedeutung – so schrieb etwa die Gräfin von Champagne im Jahr 1174 „Niemandem soll ohne triftigen Grund seine eigene Liebe vorenthalten werden“ –, doch wurde sie zunächst vor allem in Gesang und Anbetung unerreichbarer Frauen ausgelebt. Augenhöhe sieht anders aus. Vor allem auch, weil sie eine wirtschaftliche Unabhängigkeit beider Partner voraussetzt. Erst mit der Industriellen Revolution im 18. Jahrhundert und der zunehmenden Unabhängigkeit von Frauen wurde die romantische Liebe in der westlichen Welt zum Anlass für Partnerschaften. Erstmals durften manche Angehörige beider Geschlechter ihren Unterhalt bestreiten, ihre Lebensführung und ihre Partnerwahl selbst bestimmen. Das Ideal der Großfamilie begann sich aufzulösen, und Arbeit und Privatleben wurden zunehmend getrennt. Ein „ungeheurer Kulturerfolg“ Die rasanten Entwicklungen der Gesellschaft, der technische Fortschritt und die vielen Veränderungen, die die Welt unvorhersehbar machten, weckten bei vielen Menschen ein Bedürfnis nach Sicherheit. Die emotionale Bindung im Häuslichen wurde zum Ideal, in dem viele ihre Bedürfnisse erfüllt sehen wollten. Die romantische Liebe war ein „ungeheurer Kulturerfolg“, schrieb der Soziologe Hartman Tyrell, und im Jahr 1817 definierte die Brockhaus-Enzyklopädie die Ehe erstmals als „lebenslängliche Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts, die in ihrer Vollkommenheit auf Liebe beruht“. Diese Definition ist selbstverständlich einfach gedacht. Sie lässt anhaltende wirtschaftliche Abhängigkeiten genauso außer Acht wie die zunehmende Kommerzialisierung von Gefühlen, die die Liebe einmal mehr zu einem komplexen Thema macht. Heute leben wir einmal mehr in Zeiten unsicherheitsbringender Umbrüche. Und tatsächlich: Auf Apps wie TikTok erfreuen sich unzählige Videos über das häusliche Glück junger Paare großer Beliebtheit. Aber wie sieht es mit dem „Rettungsanker Beziehung“ bei älteren Paaren aus? Nie zuvor haben Menschen so lange gelebt wie heute. Welchen Zweck erfüllen Beziehungen, die in einem Lebensabschnitt nach Familiengründung, Erwerbsarbeit und vielleicht sogar nach „der großen Liebe“, zwischen Demenz, Krankheit und Abschied entstehen? „Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe schützt bis zu einem gewissen Grade vor Alter“, sprach einst die französische Schauspielerin Jeanne Moreau. Ob das wahr ist? LEBEN MIT DEMENZ Die Zuneigung ist geblieben Ferry (89) und Amalia Ebert (87) sind seit 66 Jahren verheiratet. Viele Stationen ihres Lebens hat Amalia vergessen, sie ist seit sieben Jahren dement. Wie sehr sich ihr Leben seither verändert hat, nimmt sie dennoch war. „Es gibt im Alter Dinge, die sind unbegreiflich“, sagt sie. Um damit umzugehen, sucht Ferry den Austausch mit anderen Betroffenen in einer Männerrunde von „Pro Mente“, einer Gesellschaft für psychische und soziale Gesundheit. „Es kommt drauf an, wie die Partnerschaft vorher gelebt wurde“, lautet seine Erkenntnis. Im Fall der Eberts war es ein intensives Leben. Ferry Ebert wurde einst unter anderem als Erfinder des „Kondom- Automaten“ bekannt. Als Unternehmer hat er die Welt gesehen, kein gesellschaftliches Event ausgelassen, wirtschaftlich alle Höhen und Tiefen erlebt. Der Leitspruch des Paares: „Mit unseren vier Händen schaffen wir es.“ Dieser Ausdruck der Zuneigung ist geblieben. Er legt ihre Hände in seine, Amalia lächelt zurück. „So erfüllt wie jetzt konnten wir die Liebe noch nie leben“, meint Ferry. Ein ganzes Leben lang habe sich Amalia um alles gekümmert, um die beiden Kinder und auch um ihn, den „eigentlichen Pflegefall“, wie er sich selbst nennt. Als Sportler war er oft verletzt, heute hat er einen Schlaganfall hinter sich. Amalia betreut er dennoch selbst zu Hause, er will ihr etwas zurückgeben: „Wegen der paar Jahre Pflege kann ich doch nicht hadern. Was sind sie verglichen mit dem ganzen Leben ihrer Fürsorge ?“ Die Tochter und eine externe Hilfe unterstützen ihn. Das Paar selbst ist nach wie vor umtriebig, trifft Freunde, schottet sich nicht ab. Dafür hat Amalia einen Spruch: „Wir leben so dahin und lassen außer Acht, dass jeder Moment das Leben kürzer macht.“ (vs) Foto: Victoria Schwendenwein Ferry Ebert lebt mit seiner Frau Amalia in Wien-Penzing.

DIE FURCHE · 15 13. April 2023 Das Thema der Woche Durch die altrosa Brille 3 ca. 8. Jh. v. Chr. bis 7. Jh. n. Chr. Römisches Reich 354 bis 430 n. Chr. Augustinus von Hippo 11. Jahrhundert Mittelalter 15. bis 16. Jahrhundert Renaissance Die Beziehung zwischen Mann und Frau gewinnt an Bedeutung, jedoch werden Ehen nach wie vor nicht aus Liebe geschlossen, sondern um Eigentum zu mehren. Ehebruch ist gängig. „Liebe – und dann tu, was du willst“, lautet die Aufforderung des Kirchenlehrers. Einher geht das freilich mit einer Abwertung der körperlichen Liebe und Leidenschaft. Der eheliche Beischlaf dient ausschließlich der Fortpflanzung. Auf den französischen Fürstenhöfen erwacht die Sehnsucht nach Romantik. Erstmals sollen Menschen die Freiheit haben, ihren Begierden zu folgen – allerdings außerhalb der Ehe. Diese bleibt eine rationale Zweck gemeinschaft. Eine neue Mittelschicht, das Bürgertum, entsteht. Diese sucht Erfüllung zunehmend abseits der Religiosität. Frauen werden von Männern umschmeichelt, jedoch nicht als gleichwertig erachtet. Sich im Alter neu zu verlieben, wird immer noch tabuisiert, obwohl die Liebe und ihre Begleiterscheinungen laut Forschung ein wichtiger Beitrag zur Gesundheit sind. Ein Paar aus der Steiermark zeigt, wie es trotz Krankheit gelingt, sich auf eine neue Beziehung einzulassen. Nicht mehr ohne einander Von Victoria Schwendenwein Er zupft an einem Osterhasen aus Stroh, sie lächelt zustimmend. Für den Fototermin hat sie sich zurechtgemacht, roten Lippenstift aufgetragen, den grünen Steirerjanker übergeworfen. Das österliche Dekoobjekt soll auf das Foto, mit dem das Paar porträtiert wird. Es soll die Lebensfreude der beiden veranschaulichen; ungeachtet der Herausforderungen, die ihnen im Alltag begegnen. Sie ist an einer schweren Form von Parkinson erkrankt und lebt im Caritas-Pflegewohnhaus Fernitz in der Nähe von Graz. Er besucht seine Partnerin jeden Tag, mindestens fünf Stunden lang. Juliane Spandl (76) und Josef Fröhlich (84) sind seit vier Jahren ein Paar. 40 Jahre lang haben sie im selben Ort gewohnt, ohne einander wahrzunehmen. Kennengelernt haben sie einander auf dem Friedhof. „Wir sind beide verwitwet“, erklärt Fröhlich. Er war 50 Jahre lang verheiratet, hat zwei Kinder und seine Ehefrau vor ihrem Tod gepflegt. Spandl hat einen Sohn und lebte 45 Jahre lang in einer Ehe. Nach dem Tod ihres Mannes wollte sie keinen Mann mehr in ihr Leben lassen. Doch der aufgeweckte Josef gab nicht nach, bestand auf einen Kaffee. „Dann ist daraus mehr geworden“, sagt Spandl und schmunzelt. Foto: Victoria Schwendenwein Freude am Leben Der bunte Dekohase ist für Juliane Spandl und Josef Fröhlich Ausdruck ihrer positiven Lebenseinstellung. Trotz gesundheitlicher Herausforderungen ist ihre Liebe lebendig. Brauchen und Gebrauchtwerden Seither lebt das Paar eine Beziehung, die ebenso ungewöhnlich wie völlig normal ist. Wie sie lassen sich immer mehr Menschen nach einer langen Partnerschaft auf eine neue Liebe im hohen Alter ein. Möglich macht das eine immer höhere Lebenserwartung. Was in der Forschung längst als selbstverständlich betrachtet wird, rückt in der Gesellschaft erst nach und nach ins Bewusstsein. „Wir sind nicht gewöhnt, dass auch Menschen im hohen Alter ein Liebes leben haben“, erklärt der Gerontologe Franz Kolland. Er forscht am Wiener Institut für Soziologie zu den Themen Bildung, Kultur, Gesundheit sowie Pflegeversorgung im Alter. Das Phänomen jener Menschen, die auch mit fortgeschrittenem Alter am gesellschaftlichen Leben teilhaben, kennt man erst frühestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts. „Die Gesellschaft muss jetzt lernen, dass auch Hochaltrige Bedürfnisse haben“, sagt Kolland. Eine neue Liebe zu finden, sei daher im Alter nicht so einfach. Bestehende soziale Netzwerke werden mit zunehmendem Alter kleiner. Oft reduzieren sich Kontakte damit nach und auf die Verwandtschaft. Dazu kommt laut Kolland, dass die Gesellschaft gegenwärtig stark alterssegregiert denkt. „Es kommt zu keiner Altersdurchmischung.“ Das ist die schlechteste Voraussetzung für neue Kontakte und erst recht für den sogenannten zweiten Frühling. Meist entscheidet zudem das direkte Umfeld betroffener Paare, wie und ob sie eine neue Beziehung leben können. Der Soziologe erklärt: „Wenn Kinder da sind, werden Mutter oder Vater immer in Verbindung mit dem verstorbenen Elternteil betrachtet.“ Oft spiele die Frage nach dem Erbe eine wesentliche Rolle. Vergessen werde dabei, dass es für ein Altern in Würde Beziehungen und ein funktionierendes soziales Netzwerk brauche. Sind sie nicht vorhanden, laufen ältere Menschen Gefahr, den Sinn ihres Leben infrage zu stellen. „Der Herrgott hat mich verlassen“, sei in diesem Zusammenhang ein oft getätigter Ausspruch, erklärt Kolland. Die Liebe und die mit ihr verbundenen Begleiterscheinungen sind für Ältere daher nach wie vor ein Tabuthema. Es geht ums Brauchen und Gebrauchtwerden, um Nähe statt Einsamkeit, um Gesundheit – und auch um Sexualität. „Ich habe ihr gesagt, Sexualität gehört für mich zu einer Beziehung dazu“, schildert Josef Fröhlich ganz offen, wie es in seiner Beziehung zu Juliane ernst wurde. Selbstverständlich ist das nicht, denn sozialisiert wurden er und seine Partnerin freilich noch ganz anders. „Es galt, nicht über so etwas zu sprechen“, bestätigt Juliane, womit viele Menschen ihrer Generation bis heute konfrontiert sind. Probleme wälzen gehört aber nicht zu den Eigenschaften des Paares, obwohl Spandls Parkinson-Erkrankung einen schweren Verlauf nimmt und Fröhlich wegen gesundheitlicher Probleme einst sogar frühpensioniert wurde. Er konnte sich wieder erholen; ihre Krankheit erlaubt es der 76-jährigen Juliane heute nur noch langsam zu sprechen, der Bewegungsapparat ist stark eingeschränkt, sie sitzt im Rollstuhl, trotzdem sagt sie: „Unser Alltag lässt das vergessen.“ Zweieinhalb Jahre der Beziehung konnte das Paar voll auskosten. Er hat ihr Orte gezeigt, die sie bis dahin nicht kannte. Sie hat ihn zu Treffen der „Generation 50 plus“ mitgenommen. Als ehemalige Gemeinderätin ist ihr die aktive Teilhabe am Ortsgeschehen wichtig. Er unterstützt das Anliegen auch gut zwei Jahre später. Der Liebe tue die Krankheit keinen Abbruch, sie sei daran gewachsen. „Wir sind immer unterwegs“, erklärt er, „die Leute freuen sich schon, wenn sie uns sehen.“ Vor allem die jeweiligen Kinder des Paares hätten die Beziehung gut aufgenommen. „Sie wissen, dass wir jetzt jemanden haben, der sich „ Jetzt im Alter sind wir in der Liebe reifer, erfahrener, toleranter und großzügiger. Die Beziehung basiert vor allem auf den gemeinsamen Interessen. “ Juliane Spandl und Josef Fröhlich kümmert“, erklärt Fröhlich und meint damit die seelische Verbundenheit, die zwischen ihm und seiner Partnerin bestehe. Jetzt im Alter seien sie in der Liebe reifer, erfahrener, toleranter und großzügiger. Die Beziehung basiere vor allem auf den gemeinsamen Interessen. Tagesausflüge gehören deshalb nach wie vor dazu, genauso wie der tägliche Spaziergang durch den Ort, wo Bekannte und Freunde getroffen werden. Dem Paar kommt zugute, dass das Pflegewohnheim Fernitz mitten im Ort errichtet wurde. Unmittelbar vor der Tür steht die Kirche, nicht weit weg findet sich ein Kaffeehaus. Leiter Peter Lohder-Taucher sieht darin einen wesentlichen Vorteil für die Lebensqualität seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Juliane Spandl und Josef Fröhlich bestätigen seine Einschätzung. Die Lage der Einrichtung biete die Möglichkeit, komplikationslos im Ort unterwegs und nicht vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten zu sein. Soziale Orte für ältere Menschen Laut Gerontologe Franz Kolland ist das ein wichtiger Aspekt, um Menschen im Alter sichtbar zu machen. Ein Auftrag, den er an Vereine und Institutionen weitergibt. So gebe es etwa in der Kirche durchaus Potenzial, Treffpunkte zu schaffen. Gerade im Alter brauche es die Gelegenheiten, neue Kontakte zu knüpfen. Denn: „Ganz fremde Personen kommen eher nicht zusammen“, schätzt der Experte ein. Dazu brauche es schon soziale Orte. Für Juliane Spandl und Josef Fröhlich ist der Friedhof nach wie vor ein solcher. Besuchten sie früher getrennt ihre verstorbenen Eheleute, stehen sie heute gemeinsam vor dem Grab. Für den Soziologen ein gängiges Phänomen, um eine symbolische Zustimmung der Verstorbenen einzuholen. Spandl und Fröhlich bestätigen das: „Sie sind als großer Teil unseres Leben natürlich immer noch präsent.“ Gerade deshalb will das Paar das Hier und Jetzt genießen. Täglich für seine Juliane da zu sein, bedeutete für Josef Fröhlich selbstverständlich auch, auf ihre Rehabilitationskur mitzukommen, denn: „Wir haben es gut miteinander. Im Vordergrund stehen die schönen Geschichten.“

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