Aufrufe
vor 1 Woche

DIE FURCHE 13.03.2024

DIE FURCHE · 1114

DIE FURCHE · 1114 Diskurs13. März 2025ERKLÄRMIR DEINEWELTIm Presbyteriumin den HimmelschaukelnDen gesamten Briefwechselzwischen Hubert Gaisbauerund Johanna Hirzberger könnenSie auf furche.at bzw. unterdiesem QR-Code nachlesen.Hubert Gaisbauerist Publizist. Er leitete dieAbteilungen Gesellschaft-Jugend-Familie sowieReligion im ORF-Radio.Ja, so ist das mit der Verantwortung! Spätestens seitdem „Kleinen Prinzen“ wissen wir es: Wir sind fürdas verantwortlich, was wir uns vertraut gemacht haben.Sogar für eine Rose. Und erst recht für einen Hund,ich habe dafür volles Verständnis! Als wir vor zig Jahrenmit einem jungen Hund und einem beunruhigenden Verdachtbeim Tierarzt saßen, den Hund auf dem Schoß, dafragten die Kinder flüsternd und ängstlich: Glaubst du,muss er sterben? Nein, sagten wir trockenen Mundes –und wenn, dann kommt er sicher in den Hundehimmel!Apropos Himmel. Letzte Woche waren wir im Himmel,einem Menschenhimmel, wenigstens für ein paar Viertelstunden.In Bremen, in der evangelischen„Unser Lieben Frauen Kirche“.(Ich meine, Himmel ist – potentielljedenfalls – überall. Wenn es die Menschenwollen. Leider aber auch dasGegenteil.) Also Bremen: Die Museenwaren zu, klar, Montag. Dann sindwir eben um und durch die schönenKirchen gewandert. In der einen – St.Petri Dom! – haben wir eine gescheiteMittagsandacht mit Orgelkonzert erlebt– und dann, weil gleich daneben,Besuch der Frauenkirche. Ist gleich: Besuch im Himmel.Da standen sie vor dem Kirchentor, raue bärtige Männer,etwas verwahrlost, rauchten oder nahmen einenSchluck aus der Flasche. Drinnen in der Kirche ist dasnämlich nicht gestattet. Aber das Tor ist offen und wirtreten ein – in die Wärme, in das Licht, in die Menschenfreundlichkeit.In den Seitenschiffen der schönen Hallenkirchemit blauleuchtenden Fenstern lange Tischreihen.Da hocken sie während der kalten Zeit, immer amMontag, da gibt es Raum, Zeit und ein warmes Essen – fürdie an den Randzonen unserer Städte, für alleinstehendeAlte, Obdachlose, Frierende an unserer überhitzten Zeit.Manche sitzen schweigend, manche reden miteinander.Jetzt ist für sie jedenfalls Himmel. Alles ruhig undfreundlich. Dazwischen werden von Helfenden dampfendeTeller ausgeteilt und leer gegessene abgeräumt, werdenOrangen aus einem Korb angeboten, wird denen, diesich eine Bratwurst geholt haben, Senf dazu aus der Tubegedrückt. Himmel.Kindliche Freude„ Ich habe in ‚UnserLieben Frauen Kirche‘von Bremen Gegenwartempfunden. Imallerhöchsten Sinndes Wortes. “Und dann noch etwas, zu meiner ganz kindlichen Freude:Im völlig leeren und blaudurchlichteten Presbyteriumhängt aus dem hohen Gewölbe anzwei langen Seilen eine Schaukel. Einehohe, ganz gewöhnliche Schaukel.Daneben ein Schild: „Hier schaukelnSie mit Gottes Segen (auf eigeneGefahr)“ – ich musste es probieren: ineinem gotischen Presbyterium, jetztnoch dazu protestantisch – schaukelnwie ein Kind! Glücksgefühl. Himmel.Liebe Frau Hirzberger, vielleichthalten Sie mich für sentimental. Undwenn schon: Ich habe in „Unser LiebenFrauen Kirche“ von Bremen Gegenwart empfunden.Im allerhöchsten Sinn des Wortes. Eigentlich sind wirja der Kunst zuliebe nach Bremen gefahren. Zu meinerLieblingsmalerin Paula Modersohn-Becker. In ihren Bildernist auch viel Himmel zu spüren: innere Ruhe. Ihrwar so wichtig, das zu Schützende am Menschen und ander Natur zu zeigen. Ihre Stillleben nannte sie „meineMärchen“. Das Märchen von den Bremer Stadtmusikantenallerdings erzählen wir uns jetzt noch viel lieber, alswir es unseren Kindern erzählt haben.Ich grüße Sie herzlich.ANALYSEDie Stunde der Wahrheit kam in Syrien früher als erwartetDie Ordnung der neuen syrischen Republik wurde am 6. und7. März auf grausame Weise herausgefordert. Assad-Loyalisten,deren bewaffnete Verbände noch über Rückzugsgebieteim Grenzgebiet zum Libanon verfügen, hatten seit längeremeine koordinierte Offensive gegen Verbände des Regimes vonAhmad al-Sharaa geplant. Am 6. März griffen ihre Bewaffneten,unterstützt von den berüchtigten Mahir al-Assad unterstelltenShabiha-Milizen, 21 Posten und Einrichtungen der Verbände desHTS-Regimes in den Vororten der Küstenstädte Tartus und Latakiasowie entlang der wichtigsten Küstenstraßenan. Bei den Kämpfen wurden„ Die in vielen RegionenSyriens gepflegte Pluralitätvon Zugehörigkeiten wirddurch einen neuen Ethnonationalismusentlangvon Religionsgrenzenüberformt. “mehrere hundert Menschen getötet. Gerüchteüber einen Staatsstreich machtendie Runde. Sofort formierten sich bewaffneteVerbände, die von eilig aus Homsmobilisierten regimenahen Einheitenunter dem Kommando eines abtrünnigenKriegsherrn unterstützt wurden.Nicht wenige Bewaffnete alawitischerMilizen sollen sich als Sicherheitskräfteder HTS ausgegeben und dem Mob angeschlossenhaben.Im Morgengrauen des 7. März nahmen dann die Bewaffnetenblutige Rache: Mehr als tausend Menschen sollen den pogromartigenMassakern zum Opfer gefallen sein. Die Mehrzahl der Opferwaren Alawiten. Erst in der Nacht zum 8. März ebbten die Auseinandersetzungenlangsam ab. Das Regime in Damaskus verurteiltedie Gewalt scharf. Viele der Täter waren Milizionäre aus Zentralasienund dem Nordkaukasus, die sich in Idlib ultrareligiösenDschihad-Bünden angeschlossen hatten. Dazu kamen Gangster,die ihre Bandenmacht im Rahmen der Syrischen Nationalarmeeausübten und nun nicht bereit waren, sich der neuen syrischenArmee zu unterstellen. Lokale Größen des alten Regimes, die mitTerror die Bevölkerung gegen Damaskus aufbringen wollten,schickten ihre Handlanger los. Nicht zu vergessen wütende Nachbarschaften,die sich für erlittenes Unrecht wie das Massaker vonBaniyas 2013 durch alawitische Milizen rächen wollten. KriminellePlünderer und wohl auch einige Angehörige der Sicherheitskräftedes HTS, die sich von der Führung in Damaskus verratenfühlen, gehörten ebenfalls zu den Tätern.Manch einer nutzte die Lage für persönlicheAbrechnung.Zur Gewalt anstachelnd wirkte auchdas Ausbleiben der von der Regierung immerwieder versprochenen Übergangsgerechtigkeit,ein ultrareligiöser Fanatismusgegen alles Schiitische und damitauch gegen die Alawiten, Rachegelüste gegen„Kollaborateure“, Bandenkriminalitätund eine wachsende Kriegsstimmunggegen das Regime.Schon am Tage der Massaker kursiertenwilde Gerüchte: Jihadistische Sunniten würden nun auch Kirchenangreifen und zerstören, in christlichen Nachbarschaften und Dörfernwüten und Kultstätten der Alawiten dem Erdboden gleichmachen.Vergebens versuchten Würdenträger der christlichen Konfessionen,in einer gemeinsamen Erklärung die Wogen zu glätten.Bislang, so hieß es, gebe es keinerlei Hinweise auf antichristlicheAusschreitungen. Und doch sind die Massaker ein Hinweis darauf,wie sich im Krieg und nun in der Nachkriegszeit die machtpolitischeSortierung und Stigmatisierung der komplexensoziokulturellen Zugehörigkeiten nachethnoreligiösen Großgruppen verstärkt hat.Dieser Ethnonationalismus entlang religiöserGrenzen hat nicht nur die Religionslandschaftin Syrien tiefgreifend verändert, sondernauch die Religionen selbst. Sie haben inVon ReinhardSchulzeweiten Bereichen ihren kultisch-rituellen Bezug verloren und sindzu Instanzen einer genealogisch definierten identitären Zugehörigkeitgeworden. Die in vielen Regionen bis heute gepflegte Pluralitätentsprechend kommunaler, kultureller, verwandtschaftlicher undpolitischer Lebenswelten wird durch den neuen Ethnonationalismus,der nach Religionsgrenzen territorial festgeschrieben ist, immerdichter überformt.Zunächst gelang es dem Regime, einen fragilen Waffenstillstanddurchzusetzen. Viele Bewaffnete beider Seiten konnten jedochin das Hinterland fliehen. Das Regime versprach, gegen dieGewalttäter auch in den eigenen Reihen vorzugehen. Dazu setztees eine siebenköpfige Untersuchungskommission ein, bestehendaus sechs Richtern und einem Sicherheitsexperten, die zwar derdemokratischen Opposition gegen das Assad-Regime angehörten,sich aber explizit nicht als Teil der HTS verstehen. Der Aufstandund die anschließenden Pogrome haben die Fragilität der neuenOrdnung drastisch vor Augen geführt. Angesichts der Gewaltexzessezweifeln nicht wenige Beobachter am Fortbestand der neuensyrischen Republik unter Ahmad al-Sharaa. Die Stunde der Wahrheitist für das Regime früher gekommen als erwartet.Der Autor ist Nahost-Experte und leitete bis 2023 das „ForumIslam und Naher Osten“ an der Universität Bern.Medieninhaber, Herausgeberund Verlag:Die Furche – Zeitschriften-Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KGHainburger Straße 33, 1030 Wienwww.furche.atGeschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner,Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-FlecklChefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-FlecklRedaktion: Philipp Axmann BA, MMaga. AstridGöttche, Viktoria Kapp BA, Dipl.-Soz. (Univ.)Brigitte Quint (CvD), Magdalena Schwarz MA MSc,Dr. Brigitte Schwens-Harrant, Mag. Till Schönwälder,Dr. Martin Tauss, Astrid Wenz-Theriault MAArtdirector/Layout: Rainer MesserklingerAboservice: +43 1 512 52 61-52aboservice@furche.atJahresabo (inkl. Digital): € 298,–Digitalabo: € 180,–; Uniabo (inkl. Digital): € 120,–Bezugsabmeldung nur schriftlich zum Ende derMindestbezugsdauer bzw. des vereinbartenZeitraums mit vierwöchiger Kündigungsfrist.Anzeigen: Georg Klausinger+43 664 88140777; georg.klausinger@furche.atDruck: DRUCK STYRIA GmbH & Co KG, 8042 GrazOffenlegung gem. § 25 Mediengesetz:www.furche.at/offenlegungAlle Rechte, auch die Übernahme vonBeiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten.Dem Ehrenkodex der österreichischenPresse verpflichtet.Bitte sammeln Sie Altpapier für das Recycling.Produziert nachden Richtlinien desÖsterreichischenUmweltzeichens,Druck Styria,UW-NR. 1417

DIE FURCHE · 1113. März 2025Diskurs15Die institutionalisierten „Einzelfälle“ zeigen, wie sehr das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismusunter Nationalratspräsident Walter Rosenkranz zur Farce verkommt. Ein Gastkommentar.Das geht sich für michnicht mehr auspersönliche Einladung und dasProgramm erhalten Sie in Kürze.“Mit diesen Worten lud der Präsidentdes Nationalrats Ende Februar zu„Ihreeiner Veranstaltung gegen Gewaltund Rassismus im Gedenken an die Opfer desNationalsozialismus ins Parlament. An demText wäre nichts ungewöhnlich, hieße der Nationalratspräsidentnicht Walter Rosenkranz –und hätte dieser bei seinem Amtsantritt nichtangekündigt, bei derartigen Veranstaltungenzur Seite zu treten. Ob sein Gedächtnis nunkurz oder lang ist, hat bei Rosenkranz offenbardamit zu tun, was ihm gerade opportunerscheint. Schließlich waren es seine Erinnerungen,die ihn überhaupt erst so umstrittenwerden ließen.Schon vor der Wahl zum Nationalratspräsidentenhaben viele, darunter das Dokumentationsarchivdes österreichischen Widerstandes,auf Rosenkranz’ bedenkliches Verständnis vonErinnerungspolitik hingewiesen. In einer Listevon Burschenschaftern als „Leistungsträger inÖsterreich zwischen 1918 und 1938“ ehrte erzahlreiche Personen, die nach dem „Anschluss“Österreichs ans Deutsche Reich steile Karrierenhingelegt hatten, teils auch davor Nationalsozialistenwaren, wie der am Juliputsch beteiligtespätere Polizeipräsident Otto Steinhäusl.Rosenkranz betonte rund um seinen Antritt,er habe vielleicht bei Generalstaatsanwalt JohannKarl Stich, einem Hauptverantwortlichenfür die Justizmorde an Widerständigen, dessenNS-Vergangenheit übersehen und würde dasheute nicht mehr so schreiben. Nicht ohne hinzuzufügen,dass Stich doch nur für seine illegaleNSDAP-Mitgliedschaft verurteilt wordensei. Das belegt einmal mehr, wie selektiv Rosenkranz’Erinnerung ist, denn offenbar hatte ermehr Ahnung von Stichs Biografie, als er vorgab.Es zeigte aber auch die ungenügende Praxisder Entnazifizierung, die sich in Österreichstärker auf Formalismen wie Parteimitgliedschaftorientierte als auf die Taten der Täter.Eine Liste, die ins Gesicht schreitUnser Hinweis, dass nicht der Einzelne auf derListe, sondern die ganze Liste das Problem sei,dass die darauf zu findenden Namen – von EduardPernkopf bis Heinrich Srbik – Menschen, dieFoto: DÖW / Daniel Shakedsich mit dem Nationalsozialismus beschäftigen,ins Gesicht schreien würden, dass sogar GüntherBerka, Alter Herr der „Libertas“, auf dessenVorarbeit Rosenkranz aufbaute, noch 1957 voreiner vermeintlichen „Beherrschung des deutschenKulturlebens durch Juden“ gewarnt hatte,wurde mit dem Hinweis auf den einen, angeblichschlecht recherchierten Namen vomTisch gewischt. Für die Mehrheit der Abgeordnetenzum Nationalrat wogen Usancen schwererals die Vergangenheit des angehenden Präsidenten.„Lieber Walter, wie heißt es so schön: Thefloor is yours“, wünschte Wolfgang Sobotka beider Übergabe seinem Nachfolger.DIESSEITSVON GUTUND BÖSEVon AndreasKranebitter„ Das DÖW wird anZeremonien, die dieOpfer verhöhnen,anstatt sie zuwürdigen, nichtteilnehmen.“Zur großen Überraschung der Alles-Gute-Wünschenden ging Walter Rosenkranz so ansWerk, wie es zu erwarten gewesen wäre, wennman die FPÖ ernst nimmt. Er gab AUF1 ein exklusivesAntrittsinterview, er lud den ungarischenPremier Viktor Orbán ins Parlament einund ließ dafür die EU-Fahne demontieren. Erübernahm mit René Schimanek den Büroleitervon Norbert Hofer, an dessen Hauptwohnsitzspäter NS-Devotionalien und 30 KilogrammMunition gefunden werden sollten, er hielt anseinem Büroleiter sogar noch fest, als selbst diesererkannte, dass er nicht mehr zu halten war.Als Nachfolger installierte er mit BernhardRochowanski den nächstbesten Burschenschafter,Mitglied der akademischen Burschenschaft„Oberösterreicher Germanen in Wien“und bis 2024 Stellvertretender Vorsitzenderdes Österreichischen Pennäler-Rings. Und: Rosenkranzkündigte an, als Vorsitzender des Kuratoriumsund des Komitees des Nationalfondsder Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismusbei Gedenkveranstaltungen beiseitetretenzu wollen, um bei der erstbestenGelegenheit am 9. November von der JüdischenHochschülerinnenschaft einzufordern, für seineKranzniederlegung beiseitezutreten.Der Opfer gedenken, aber die Täter ehren?Die neue Bundesregierung hat sich ins Programmgeschrieben, den Vorsitz des Nationalfondsneu zu regeln. Doch bis es so weit ist, wirdRosenkranz weiter zu Gedenkveranstaltungenins Parlament laden – und Anlässe dafürwird es angesichts der kommenden Jahrestageeinige geben. Was wird wohl der Inhalt dieserVeranstaltungen sein? Welche Institution wirdsich dafür hergeben, Usancen zu folgen, auchwenn das bedeutet, gemeinsam mit jemandemzu gedenken, der das nur tut, weil es ihm opportunerscheint? Wie werden sich Institutionenund Einzelpersonen angesichts der institutionalisiertenEinzelfälle verhalten? Wie ernstkann ein Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismussein, wenn Täter gleichzeitig alsLeistungsträger geehrt werden?Für mich geht sich das nicht aus. Es habennicht Tausende ihren Widerstand gegen denNationalsozialismus mit dem Leben bezahlt,es sind nicht Zigtausende zu dessen Opferngeworden, damit das Gedenken an sie zurPhrase verkommt. Wir und andere Gedenkinstitutionenkönnen und dürfen solche Veranstaltungennicht mit unserer Teilnahmeadeln. Das DÖW wird an solchen Zeremonien,die die Opfer verhöhnen, anstatt sie zu würdigen,nicht teilnehmen. Und wir rufen alle Menschen,denen Gedenken ernst ist und derenGedächtnisse länger und Erinnerungen besserals jene von Walter Rosenkranz sind, zumBoykott dieser Farce auf.Der Autor ist wiss. Leiter des Dokumentationsarchivsdes Österreichischen Widerstandes.ZUGESPITZTKöniglichePlaylist„Could You Be Loveeed“ schalltBob Marleys Stimme aus demköniglichen Musikzimmer desBuckingham Palace. Ungewöhnlichentspannt sitzt König Charles inseinem antiken, mit rotem Samtgepolsterten Lieblingssessel, dasweiße Hemd lässig aufgekrempelt.Ungehemmt klopft der Monarchmit seinen Fingern auf die frischpolierte Mahagoni-Tischplatte zumBeat. „Das ist Musik zum Tanzen“,denkt sich der Brite stolz und scrolltdurch seine erst neulich erschieneneMusikshow auf Apple Music.Von Disco-Ikonen Diana Ross undKylie Minogue über die Soul-Legende Miriam Makeba bis hinzur Queen of Pop Beyoncé lassensich so einige bekannte Stimmen inder Playlist des Monarchen finden.Keinesfalls zufällig wird die buntgemischte erste Folge der Musikshow„The King’s Music Room“pünktlich zum CommonwealthDay am 10. März veröffentlicht.„Lovely“, denkt sich der 76-jährigeKönig und wippt rhythmisch mitden Füßen: „Was für eine frecheIdee des königlichen Marketingteams!“Als „Upside Down“ aus denLautsprechern ertönt, hält es derRoyal nicht mehr aus: Auf demPerserteppich legt er eine feurigeTanzeinlage hin. „Soll noch einersagen, wir wären rassistisch –oder gar obsolet!“Tabea MauszPORTRÄTIERTWie Sara Duterte ihren Vater verteidigtAlle Welt blickt auf den ehemaligen Präsidentender Philippinen. Nach einem Urlaub in Hongkongwurde Rodrigo Duterte bei seiner Rückkehr nachManila festgenommen. Ein Haftbefehl des InternationalenStrafgerichtshofs in Den Haag war der Auslöser, derVorwurf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In seinensechs Jahren an der Spitze des Staates soll er durch seinenrigiden Anti-Drogen-Kurs für den Tod von mehr als6000 Menschen verantwortlich gewesen sein.Während der 79-Jährige im Gefängnis sitzt, setzt sicheine weiter für ihn ein: Sara Duterte, seine Tochter undseit Juni 2022 Vizepräsidentin der Philippinen. In derÖffentlichkeit wird sie oft nur „Inday Sara“ genannt. Sowerden im Süden der Inselgruppe weibliche Verwandtebezeichnet, der Kosename heißt „geschätzte Tochter“oder „geschätzte Schwester“. Die Rechtsanwältin trittbereits seit Jahren in die politischen Fußstapfen ihresVaters. 2010 übernahm sie das Bürgermeisteramt derStadt Davao City, wo Rodrigo Duterte mit Unterbrechungenknapp 20 Jahre Bürgermeister war. Und auch in ihremTon bleibt Sara Duterte ihrem Vater nichts schuldig:Im November drohte sie Präsident Ferdinand MarcosJr., ihn umbringen zu lassen, sollte sie selbst Opfer einesAttentats werden. Beide entstammen einflussreichenPolitiker-Dynastien. Marcos Jr. ist der Sohn des 1989verstorbenen, gleichnamigen Diktators. Dessen zwanzigjährigeRegentschaft war geprägt von Mord, Folterund dem Verschwinden politischer Gegner. Die politischeAllianz zwischen Marcos Jr. und Sara Duterte hatteursprünglich für beide Vorteile: Marcos Jr. wurde Präsident,Duterte seine Vizepräsidentin.Im Februar hat das philippinische Repräsentantenhausein Amtsenthebungsverfahren gegen Sara Duterteeingeleitet. Die Begründung: Korruption undVerletzung des öffentlichen Vertrauens. Als Bildungsministerinhabe sie zehn Millionen Euro aus dem Budgetmissbräuchlich verwendet. Die Mehrheit der Abgeordnetenstimmte für eine Absetzung, nun muss der Senatentscheiden. Bis dahin bleibt die Vizepräsidentin allerdingsim Amt. Und verteidigt ihren Vater weiterhin: Diephilippinische Regierung hätte einen Bürger des Landesan „fremde Mächte“ ausgeliefert. Das sei „eine Beleidigungfür jeden Philippiner, der an die Unabhängigkeitunseres Landes denkt“. Wie lang Sara Duterte noch imAmt bleibt, ist unklar. Die Duterte-Dynastie gibt sich jedenfallsnoch nicht geschlagen. (Astrid Wenz)Foto: APA / AFP / Jam Sta RosaDie RechtsanwältinSaraDuterte tritt indie Fußstapfenihres Vaters. EinAmtsenthebungsverfahrenkönnteihre politischeKarriere beenden.

DIE FURCHE 2024

DIE FURCHE 2023