DIE FURCHE · 506 Politik12. Dezember 2024Budgetlöcher wie das jetzige habe Österreich immer wieder gestopft,sagt Finanzexperte Thomas Wieser. Voraussetzung sei, dass Türkis undRot ihre Liebkinder nicht aus der Verantwortung entließen.„Gut, wenn dieEU drauf schaut“„So könnte dasBudgetlochgestopftwerden“, hat HeleneSchuberth,Leiterin desVolkswirtschaftlichenReferatsim ÖGB, am19. Oktober2024 skizziert;nachzulesenunter furche.at.Die EU-Mitgliedschaft Österreichs sei „ein riesiger Vorteil“, sagt Finanzexperte Thomas Wieser,weil damit eine fachkundige Institution von außen ein Auge auf das Budgetprozedere werfe.KLARTEXTNobody von Putins GnadenFoto: Wolfgang MachreichDas Gespräch führteWolfgang MachreichThomas Wieser kenntBudgetverhandlungenaus österreichischerund aus europäischerPerspektive. Wichtigda wie dort sei, nicht nur die Einsparpotenzialebeim Nachbarnzu sehen, meint er zur FURCHE.„ 99 Prozent derSchwierigkeitensehe ich zwischenTürkis und Rot.Ein Prozent ist,dass die Neosnicht mitkönnen.“Von Susanne GlassEin Urteil wie ein Donnerhall: Das rumänische Verfassungsgerichthat Freitag vergangener Woche, wenigerals 36 Stunden vor der Stichwahl, die gesamtePräsidentschaftswahl annulliert. Mit dieser beispiellosenEntscheidung sollte verhindert werden, dass es Russlandmittels eines hybriden Angriffs gelingt, den rechtsextremen,prorussischen Kandidaten Călin Georgescu zumStaatsoberhaupt eines der wichtigsten EU- und Nato-MitgliedsländerOsteuropas zu machen. Der 62-jährige Agrarökonombezeichnet Putin als Vorbild und hat angekündigt,die rumänische Unterstützung für das NachbarlandUkraine einzustellen. Bis kurz vor dem ersten Wahlgangwar Georges cu ein politischer Nobody. Dann wurden plötzlichrund 25.000 TikTok-Konten freigeschaltet, die in einerorches trierten Aktion mithilfe koordinierter Kontenund Empfehlungsalgorithmen für Georgescu Stimmungmachten. Ein rumänischer Unternehmer soll nach jetztveröffentlichten Erkenntnissen des Geheimdienstes mehrals eine Million Euro für seine Wahlwerbung aufgewendethaben. Georgescu gewann damitaus dem Nichts die erste Runde mitknapp 23 Prozent vor der liberalenKandidatin Elena Lasconi. Dies ist erstder Beginn der russischen hybriden Anschläge auf unsereDemokratien in Europa. Und wir haben noch keine Antwortdarauf. In Rumänien muss die Wahl wiederholt werden,voraussichtlich im Frühjahr. Bis dahin wird sichGeorgescu zum Opfer einer politischen Elite und ihrer Institutionenstilisieren, die ihn um seinen Sieg betrogen hat.Nur wenn es in Rumänien gelingt, die kriminellen, ausländischenMachenschaften um Georgescu glaubwürdig aufzudeckenund seinen Anhängern zu vermitteln, dass er siegetäuscht hat, hat dieses Urteil ein Etappenziel erreicht.Nur dann hat sich eine europäische Demokratie gegenden Sieg eines Nobodys von Putins Gnaden behauptet.Die Autorin ist Redaktionsleiterin Auslandund politischer Hintergrund beim Bayerischen Rundfunk.Foto: photonews.at/Georges SchneiderDIE FURCHE: Herr Wieser, die Koalitionsverhandlerstehen vor einemfünf bis sechs Milliarden Eurohohen Konsolidierungsbergfür das Staatsbudget in dennächsten zwei Jahren. Sie habeneinen geschulten Blick auf Budgetdefizite:Wie ist diese Summeeinzuordnen?Thomas Wieser: Wenn wir dieletzten 30, 40 Jahre Revue passierenlassen, haben wir immerwieder signifikante Summen fürBudgetkonsolidierungen bis zueineinhalb Prozent des BIP imJahr gestemmt. Das waren vor vielenJahren zwei bis drei MilliardenEuro, heute wären das fünf bis siebenMilliarden – gewiss nicht wenig,aber doch weitgehend machbar,wenn es tatsächlich zu einerneuen Art des Regierens kommt.Was aber früher ausgeprägter war,war die Bereitschaft, gewisse Einschnittebei sich selbst zu akzeptieren.Jetzt hat jeder irrsinnig guteIdeen, wo man beim Nachbarnsparen kann, aber bei sich selbstwinkt man ab.DIE FURCHE: Wo würden Sie denRotstift ansetzen?Wieser: Früher hat man Budgetsgerne mit der Ansage konsolidiert,das stärkere Wirtschaftswachstumwerde es schon richten. Dasist derzeit undenkbar. Das zweiteKonsolidierungsmantra lautete„Verwaltungsreformen“, dieUnsummen einsparen sollten. Tatsächlichwurde damit nie auch nurein luckerter Heller lukriert. Diesefaulen Ausreden von Budgetverhandlerngreifen nicht mehr. Jetztmuss man schauen, wo bei derTreffsicherheit des Sozialsystems,bei Umwelt- oder Landwirtschaftsförderungenoder im PensionssystemEinsparungen möglich sind.DIE FURCHE: Das müssen Türkisund Rot erst einmal ihren Seniorensprechernerklären.Wieser: In den 24 Jahren diesesJahrtausends sind die absolutenBeträge für Pensionen unverhältnismäßigstark gestiegen. Damüssen wir mit einer Anhebungdes Pensionsantrittsalters undeiner Senkung der Nettoersatzrategegensteuern. Heißt: Wer umzwei Jahre länger arbeitet, kommtauf die gleiche Pension wie jetzt.Angesichts des heutigen Durchschnittsaltersist es zumutbar,dass man nicht 30 Jahre, sondern28 Jahre in Pension ist. Ichnehme mich da nicht aus. MeineFrau und ich beziehen sehr gutePensionen, trotzdem erhalten wirwie alle anderen den Klima bonus,diese und jene Sozialleistungen.Das ist aberwitzig. Die Treffsicherheitunseres Sozialsystemsist miserabel.DIE FURCHE: Gleichzeitig kritisierenOECD und EU-Kommission, dassThomas Wieser war Sektionschefim Finanzministerium und in leitenderFunktion in der Euro-Gruppe.in Österreich der Anteil der vermögensbezogenenSteuern gering sei.Wie gehört da nachjustiert?Wieser: Einnahmenseitig sindwir mit wenigen Ausnahmen ander Grenze des Machbaren. Wirpendeln zwischen Hochsteuerlandund Höchststeuerland, wasweder wirtschaftspolitisch nochsozialpolitisch gut ist. Eine derwenigen Ausnahmen ist die offensichtlichweitgehend akkordierteGrundsteuer, wobei damitauch nicht riesige Summen zuholen sind.DIE FURCHE: Wer wäre von einerErhöhung besonders betroffen:Großgrundbesitzer, Großbauern?Wieser: Da geht es um jeden, derGrund besitzt. Die Einheitswertesind seit Jahrzehnten eingefroren,der Steuersatz ebenso. Das führtdazu, dass beispielsweise jemandmit großem Grundstück in besterWiener Lage plus/minus 250 EuroGrundsteuer im Jahr zahlt. EineNarretei! Angemessen wäre dasVierfache. Da wird seit Jahrzehntenohne Berücksichtigung derInflation und anderer Werte dasselbegezahlt. Gleichzeitig immerbessere kommunale Dienstleistungenzu erwarten, ist lächerlich.Da bin ich wieder beim wesentlichenPunkt: Man darf nicht immernur beim Nachbarn sparen,sondern muss selbstkritisch inden Spiegel schauen, was für einenselbst ökonomisch notwendigund noch moralisch vertretbar ist.DIE FURCHE: Diesen Blick müssenjetzt die Damen und Herren Koalitionsverhandlermachen.Wieser: Mit ÖVP und SPÖ ist esso und so nicht einfach, eine Budgetkonsolidierungdurchzubringen.Weil jeder seine Liebkinderhat, denen nichts weggenommenwerden darf. So eine Ausgangslageist immer schlecht für Strukturreformen.Insofern sehe ich99 Prozent der Schwierigkeitenzwischen Türkis und Rot. Ein ProzentSchwierigkeit sehe ich in derGefahr, dass die zwischen Türkisund Rot gefundenen Kompromisseso unerquicklich sind, dass dieNeos sagen, sie können da beimbesten Willen nicht mit.DIE FURCHE: Wie hilft da der EU-Druck, das Budget entlang derMaastricht-Kriterien zu sanieren?Wieser: Es muss so und so passieren.Wenn sich nichts ändert,wird der Schuldenstand so massivansteigen, dass wir gewisse unddie nächsten Generationen riesigeProbleme bekommen. Die Frageist nur, wie schnell wir das Defizitabbauen. Da ist die EU-Mitgliedschaftein riesiger Vorteil, denn eshilft immer, wenn eine fachkundigeInstitution von außen ein Augeauf das Prozedere wirft.
Foto: Getty ImagesWien – der Ort, an demZukunft gemacht wird!Jetzt anmelden für die 10. Wiener Innovationskonferenz,die von 28. bis 30. Jänner 2025 im Rathaus stattfindet.Die Forschungsquote ist imVergleich mit anderen europäischenStädten in Wienmit vier Prozent besondershoch. Mehr als 51.000 Menschenarbeiten in 1.700 Forschungseinrichtungender Stadt an der Zukunft. Schondiese Zahlen machen deutlich, dass diewissenschaftlichen Akteur*innen einenentscheidenden Beitrag zu den globalenHerausforderungen leisten – sei es inden Bereichen Gesundheit, Klima oder10. WienerInnova tions konferenz 2025Digitalisierung. In einer sich ständigverändernden Welt ist Forschung derSchlüssel, um Herausforderungen zumeistern und die Zukunft zu gestalten.STADT UNTERSTÜTZT TREIBENDEKRÄFTE DER FORSCHUNGWien nimmt eine zentrale Rolle bei derFörderung von Spitzenforschung imganzen Land ein. Zum Beispiel gehörendie COMET-Zentren ( CompetenceCenters for Excellent Techno lo gies)Von 28. bis 30. Jänner 2025 treffen sich kluge Köpfe im Rathaus und virtuell.Sie diskutieren heuer zum Thema „Wettbewerbsfähigkeit @Risk?“.Die Zukunft beginnt jetzt!Melde dich gleich an: innovationskonferenzwien.atzu den wichtigsten Programmen derösterreichischen Forschungsförderung.Diese Zentren forschen unter anderemin den Bereichen Nahrungsmittelqualität,Cyber Security, Digitalisierung undMobilität. Sie bündeln wissenschaftlichesWissen und industri elles Knowhow,um bahnbrechende Technologienzu entwickeln und Innovationen in diePraxis umzusetzen. 2024 unterstütztedie Stadt Wien 10 COMET-Zentren,1 COMET-Projekt, 2 COMET-Modulesowie ein AplusB-Zentrum (INITS –Universitäres Gründerservice) mit rund4,6 Millionen Euro.Kooperation auf höchstem Niveau:Wiener Universitäten und Forschungseinrichtungenwie die TechnischeUniversität Wien (TU Wien) und dieUniversität Wien sind maßgeblich andiesen Zentren beteiligt und kooperierenmit führenden Unternehmen.ECKDATEN AUFEINEN BLICK• Top bei Forschung& EntwicklungWien ist Spitzenreiter beiForschung und Entwicklungin Österreich. Die F&E-Quotein Wien liegt bei vier Prozentund damit deutlich über demEU-Durchschnitt von 2,26 Prozent.• Viele Tausend Beschäftigtein F&EMehr als 51.000 kluge Köpfearbeiten täglich an der Weiterentwicklungvon Technologien,davon sind bereits 40 Prozentdes Forschungspersonals in WienFrauen.• Hotspot für For schungseinrichtungenDie Stadt Wien beheimatet 1.700Forschungsstätten – das sind32 Prozent der Forschungsstättenin Österreich.Erfahre mehr über WienerInnovationen und überSpitzenforschung in Wien:wien.gv.at/wien2030Bezahlte Anzeige
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