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DIE FURCHE 12.12.2024

DIE FURCHE · 504 Das

DIE FURCHE · 504 Das Thema der Woche Der Vaterinstinkt12. Dezember 2024Handynutzung und Hausübungen: In Elterncafés an WienerVolksschulen sprechen Experten mit Vätern und Mütternüber Erziehungsfragen. Ein Ziel: fürsorgliche Papas fördern.Sesam, öffnedich!Foto: iStock/SolStockWie finanzielle Anreizeeine höhereNachfrage in SachenVäterkarenzbewirken könnten,lesen Sie in derLangfassungdieses Texts auffurche.atAuch wenn dieVäterkarenz inÖsterreich gesetzlichverankert ist,bleibt die Umsetzungschwierig.Die gesellschaftlicheAkzeptanz,aber auch die Einstellungder Arbeitgeberspielen dabeieine zentraleRolle.In Schweden spielen die Väter eine aktive Rolle in der Erziehungihrer Kinder. Was macht die Politik dort anders als hierzulande?Die Langversiondieser Reportagemit dem Titel„Elternarbeit: Dassind die Sorgenvon Migra-Papas“(9.12.24) lesenSie auf furche.at.Mehr Latte Papasfür ÖsterreichFür viele Migra-Eltern gleichen österreichische Schulen der „mystischen Höhle“, zu der sich Ali Babain dem arabischen Märchen per Zauberformel Zugang verschaffen muss.Von Magdalena SchwarzEin Papa hebt die Hand, er wirktangespannt. Dolmetscherin Sulafübersetzt seine Frage aus demArabischen: Haben seine Kinderdie Hausübung gut gemacht,dann werden sie mit Handyzeit belohnt.Ist das richtig? Sozialpädagoge ChristophStrassmayer liefert einen Erziehungstipp.Doch eigentlich ist es etwas anderes, waser den Eltern heute mitgeben möchte.Eine Stunde davor, in der VolksschuleQuellenstraße 54 in Favoriten, demzehnten Wiener Bezirk. Christoph undsein Kollege Dennis Halkali kennen denMehrzwecksaal gut. Ein verwaister Notenständersteht im Eck, in der Mitte Sesselreihen.Die Workshopleiter sind um die 30Jahre alt, sie tragen Hoodie und Jeans. Ab16.50 Uhr trudeln dieersten Teilnehmendenein. Zwei Männer nehmenvorn Platz. „Ichbin der Papa von Mara,sie ist in der 1C. OderC1? Das weiß ich nie“,stellt sich der eine vor.Die Elterncafés sindTeil des Diakonie-Projekts„Sesam“. Der Namesteht für „Schule,Eltern und Sozialraumarbeiten miteinander“, aber auch für „Sesam,öffne dich!“. Denn dass Kinder mitMigrationshintergrund und aus ökonomischbenachteiligten Familien hierzulandeschlechtere Bildungschancen haben,liegt auch an unsichtbaren Hürden.„ Wir können keinenPapa von Grund aufändern. Wir könnennur dafür sorgen, dasser sein Kind bewussterumarmt, wenn ernach Hause kommt. “Sie sollen es besser habenKnapp ein Drittel der Schulanfänger inWien hat Eltern, die keine Erfahrung mitdem österreichischen Bildungssystem haben.„Wenn wir zwischen ihnen und derSchule einen Zusammenhalt schaffen,dann ist das hundertmal besser als jedeLernhilfe am Nachmittag.“Neben Workshops zum Schulstart oderErnährung besuchen die Gruppen auchVolkshochschulen und Jugendzentren oderverbringen Familiennachmittage, etwa imIndoorspielplatz. Außerdem sind Christophund Dennis einmal pro Woche in derVolksschule, um individuell zu beraten.Das Thema heute: Grenzen. Ein Vaterhebt die Hand. Wenn er Mara bittet, ihreHausaufgaben zu machen, dann vertröstetsie ihn. Die Pädagogen geben Sulaf Zeit,ihre Tipps zu übersetzen. Vielleicht könntedie Belohnung etwas sein, was mit demVater zu tun hat, etwa ein Buch vorzulesen?Wichtig sei es auch, konkret zu benennen,was das Kind gut gemacht habe. Hierhakt eine Mutter ein. Ihr Kind sei Vorzeigeschüler.Solle sie ihn trotzdem weiterloben?Oder wird er dadurch vielleicht übermütig?Studien zeigen, dass Migra-Elternein großes Interesse am Bildungserfolg ihrerKinder haben. Die Familien haben vielauf sich genommen, um nach Österreich zukommen. Die Nachkommen sollen es besserhaben, studieren,am besten Jus oder Medizin– so das Klischee.Die Probleme der Elternreichen von derHandynutzung bis zuHausübungen. Gegen18 Uhr sind die wichtigstenAnliegen geklärt,die Mütter undVäter bedanken sich.Während Christophund Dennis zusammenpacken,beschreiben sie das Bild vonVätern, das sie vermitteln wollen. „DasVäter café wurde auch wegen der vielenFemizide ins Leben gerufen“, sagt Christoph.Ein sensibles Thema: Manche Bürgerund Politiker sehen einen Zusammenhangzwischen der Einwanderung und der Zunahmean Gewalt. „Ich habe unglaublichliebe arabische und afghanische Väter kennengelernt“,sagt Christoph. „Und ich binschon auf einen österreichischen Papa getroffen,der ein Hakenkreuz auf dem Rückentätowiert hatte und dachte, das ist super,wenn ich das meinem Sohn zeige.“Sie könnten niemanden von Grund aufändern, so der Pädagoge. „Wir können nurdafür sorgen, dass der Vater sein Kind bewussterumarmt, wenn er nach Hausekommt.“Foto: SesamVon Miriam Al KafurIn Schweden sind Gruppen von sogenanntenLatte Papas, also Vätern, diesich in vollem Ausmaß um ihre Kinderkümmern, keine Seltenheit. Der Begriff„Latte Papa“ ist umgangssprachlichund spielt mit dem Klischee des Mannes, dersich in der Karenz mit anderen zum Kaffeetrinkenam Spielplatz trifft. Es ist inzwischendie Norm, dass Väter aktiv in der Kindererziehungmitwirken. Das hat auch gesetzlicheGründe: Eltern in Schweden haben das Recht,480 Tage bezahlte Karenzzeit zu nehmen, wovonjeder Elternteil 240 Tage beanspruchenkann. Papas müssen mindestens 90 Tage inAnspruch nehmen, andernfalls verfallen diese.Dieses Use it or lose it-Modell hat geholfen,eine Kultur zu formen, in der die Beteiligungdes Vaters selbstverständlich geworden ist.Bereits 1974 wurde in Schweden derGrundstein für die Gleichstellung von Väternin der Erziehung gelegt. „Wir konntenes uns damals einfach nicht leisten, 50 Prozentder Bevölkerung so lange Zeit daheimzu haben“, sagt Lars Plantin, Professor fürsoziale Arbeit an der Universität Malmö.Deshalb wurde 1974 die Väterkarenz eingeführt.In Anspruch nahm sie anfangs kaumjemand. Erst die Aufwertung der Kindergärtendurch mehr Plätze und geschultes Personalbereitete ihr einen Aufschwung. Aberauch in Schweden ist diese Entwicklungnicht über Nacht geschehen: 2024 markiertdas 50-Jahr-Jubiläum der Väterkarenz.In Österreich ist es anders: Väterkarenzwird in hierzulande noch immer als Ausnahmebetrachtet. Zwar gibt es die Möglichkeitfür Männer, Elternzeit zu nehmen, doch nurein kleiner Teil nutzt dieses Recht. Eva Bur-„ Die Zeiten, in denen die Rolledes Mannes auf die finanzielleAbsicherung seiner Familiebeschränkt war, sind ingroßen Teilen Skandinavienslängst vorbei. “Nächste Woche im Fokus:ger, Leiterin der Abteilung Frauen und Familiebei der Arbeiterkammer (AK), stellt fest:„Bei 82 Prozent der Paare geht nur die Mutterin Karenz. Etwa 13 Prozent der Väter gehenfür eine sehr kurze Zeit.“Der Anteil der Väter, die in Österreich Kinderbetreuungsgeldbeziehen, ist zwischen2017 und 2022 gesunken, zeigt aber seit2023 wieder einen leichten Anstieg – vonvier auf 4,2 Prozent. Grund dafür könnte eineGesetzesänderung sein: Seit 2023 wirdder Familienzeitbonus nicht mehr auf dasKinderbetreuungsgeld angerechnet, wasden „Papamonat“ attraktiver macht.Arbeitgeber in die Pflicht nehmenBurger plädiert, die Arbeitgeber zur Verantwortungzu ziehen: „Unternehmen spieleneine essenzielle Rolle. Sie sollten ihreMitarbeiter in dieser Phase begleiten, überdie Möglichkeiten aufklären und nicht vonder Karenz abraten.“ Regelmäßig hört sie vonFällen, in denen Firmen von der Karenz abratenund mit Karriereeinbußen argumentieren.Dabei sollte das Bild einer 60-Stunden-Wochenicht mehr das Ideal sein.Das Angebot der Väterkarenz fand beider gebildeten Mittelschicht in Schwedendeutlich mehr Anklang als bei Beschäftigtenin handwerklich geprägten Berufsfeldern.Nach einem ersten Aufschwung stagniertedie Zahl bei den Arbeitern lange Zeit.Plantin appelliert an die Arbeitgeber: Siesind Schlüsselfiguren und sollten eine Vorbildrolleeinnehmen. Doch vieles lässt sichauch auf die Firmenkultur zurückführen:„Etwa in Anwaltskanzleien herrscht ein hoherLeistungsdruck, da ist es sehr unüblich,dass Eltern in Karenz gehen.“„Wir müssen die Rahmenbedingungen sogestalten, dass eine Karenz für beide Elternteileattraktiv ist“, fordert Burger von derAK. In Österreich bleibt die Väterkarenz weiterhineine Ausnahme. In Schweden hingegenhat sich die Gesellschaft längst für einegleichwertige Aufteilung der Kinderbetreuungentschieden. Der Latte Papa ist dortnicht nur ein Trend, sondern längst Normalitätgeworden. In Österreich müsste dafürnoch viel getan werden.„Evangelium von Jesus Christus, Gottes Sohn“: Schon im ersten Satz des Markus-Evangeliumsliegt die ganze Sprengkraft des christlichen Glaubens. Heute meist als kitschiges Familienfestgefeiert, ist der Ursprung von Weihnachten eine Anmaßung.

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