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DIE FURCHE 12.12.2024

DIE FURCHE · 5024

DIE FURCHE · 5024 Ausstellung12. Dezember 2024Von Theresa SteiningerAm Anfang standenidyllische, teils wolkenverhangeneunddüstere Naturansichten– wer vonPaul Gauguin vor allem strahlende,vor Farbigkeit strotzende Südseebilderkennt, für den kommtdas, was die Ausstellung im KunstforumWien zeigt, unerwartet.Aber genau das will man auchund packt diesen Wunsch sogarin den Titel. „Gauguin Unexpected“nennt Evelyn Benesch dievon ihr kuratierte Schau. Diesesoll anhand von rund 80 Werkenein anderes Bild des Künstlerszeigen, eines, das seine Entwicklungnachvollziehen lässt, dieeben im Kreis der Spätimpressionistenbegann. „Gauguin wolltebald hin zu einem gelösten, freienund unkonventionellen Umgangmit der Form, dem Oszillierenzwischen Kulturen und Traditionen“,so Benesch. Später würdeer das dann in seinen berühmtenBildern aus den Tropengegendenweiterführen, die entscheidendeWendung habe sein Œuvre abernoch in Frankreich genommen.„Es ist gerade die Zeit in der Bretagne,wo er mit den Vorbildernbricht und wo das Entscheidendepassiert.“ Und auch Kunstforum-DirektorinIngried BruggerKunstvielfaltDie Ausstellungzeigt einen Querschnittaus GauguinsŒuvre,darunter: „Auti TePape – Spiel imSüßwasser“, 1893–94, Suite Noa Noa,Holzschnitt inSchwarz, Orangebraunund Gelb aufSimili-Japanpapier.Das Kunstforum Wien zeigt Paul Gauguin von unerwartetenSeiten – und ohne Aufarbeitung der schattigen.Zusammenspiel vonGemüt und Farbekonstatiert: „Man schaut immernur die Tahiti-Bilder an, aber dasWichtige ist eigentlich in der Bretagnepassiert.“So widmet die Schau GauguinsEntwicklung viel Raum. Das startetmit einer frühen Landschaftmit Pappeln, die sogar noch vorseinem Kontakt mit den Impressionistenentstand. Durch derenEinflüsse kommt er dann zumehr Leichtigkeit und Struktur,„aber er wird sich auch bewusst,dass er an einem Punkt angelangt,wo der Spätimpressionismusausgereizt ist und es etwas„ Schon früh wird er zu einem Vorreiter der Abstraktion,der sich von der Illusion des Naturgetreuen abkehrt und dasMalen nach Gefühlen ins Zentrum seines Schaffens stellt. “Neues geben muss“, erklärt Benesch.So wendet sich Gauguinvon der Abbildhaftigkeit ab, lerntVincent van Gogh kennen – undso verschieden die beiden sind,haben sie doch Einfluss aufeinander.Gauguin geht es nun nichtmehr um das Einfangen des Moments,sondern darum, in deckendenFarben zu malen undStimmungen, Situationen undArchetypen aus der Erinnerungfestzuhalten. In der Bretagne hellensich sein Gemüt und seineFarbwelt auf, was er später in Tahitidann zur strahlenden Umsetzungvon Sonne und Leben bringensollte – wofür man ihn heutevorrangig kennt.Schon früh wird er zu einemVorreiter der Abstraktion, dersich von der Illusion des Naturgetreuenabkehrt und das Malennach Gefühlen, Träumen und Instinktenmit großer Farbkraft insZentrum seines Schaffens stellt.„Durch seinen neuen Stil mit hohemAbstraktionsgehalt und Aufsehenerregenden Farbwelten erreichter einen direkt. Als er nachTahiti aufbricht, ist seine Bildsprachegefestigt“, sagt Benesch.Um die Entwicklung des Künstlersvom Spätimpressionistenzum Symbolisten und Synthetistenund zu einer neuen, weit ins20. Jahrhundert weisenden Bildsprachezu zeigen, präsentiertFoto: © Galleri K, Oslo; Privatbesitzman im Kunstforum dank zahlreicherLeihgaben auch Skulpturen,Keramiken, Holz, Grafiken,Buchillustrationen und mehr.Und lässt dabei ein heikles Themaeher außen vor: Denn GauguinsLebenswandel in den Tropenmacht ihn heutzutage zum„Bad Boy der Moderne“, wie das IngriedBrugger ausdrückt. In ihrerRede bei der Presseeröffnungging sie – im Gegensatz zur Schauselbst – auf diese Vorwürfe ein.„Gauguin war zweifellos eineambivalente Persönlichkeit“, sagtsie mit Bezug auf die Vorwürfevon Kolonialismus, Rassismusund Sexismus. „Selbst wenn erein Titan als Künstler war, ist seineBiografie wild, abenteuerlichund auch verstörend.“ Vor allemseinen Umgang mit erst 13-jährigenLebensgefährtinnen nenntsie „ekelhaft“, erinnert aber auchdaran, dass das „damals legitimwar. Auch wenn sein Agieren ausheutiger Sicht absoluter Missbrauchwar, war damals vieles,was heute moniert wird, selbstverständlich.“Seiner Zeit entsprechendhabe Gauguin zwangsläufigeine eurozentrische undpaternalistische Sicht auf andereKulturen gehabt; er idealisierteund stereotypisierte diese. Ihr seiwichtig, so Brugger, dass die Ausstellung„kein abschließendes Urteilüber den Menschen Gauguinfällen möchte“, sondern seinekünstlerische Entwicklung präsentiereund diese nachvollziehbarmache. „Wir wollen uns keinmoralisches Urteil erlauben, sondernuns auf kunsthistorischeFragen konzentrieren.“Haus der ungewissen ZukunftDie Behandlung ebensolcherFragen auf der Freyung und dieFortführung der Ausstellungstätigkeitim Bank Austria Kunstforumsind aktuell sehr infrage gestellt.Zuletzt hieß es, das Haus seidurch die Folgen der Signa-Pleitebedroht und stehe vor dem Aus.Denn Signa war nicht nur Vermieterdes Standorts in der WienerInnenstadt, sondern auch größterSponsor. So ließ man Anfangder Woche wissen, ein weitererBetrieb sei aus wirtschaftlichenGründen nicht möglich. Zuletztwar aber von einer Fortführungder Ausstellungstätigkeit bis Sommer2025 die Rede. Die Gaugin-Ausstellung sollte demnach nichtbetroffen sein – und kann noch bis19. Jänner eine unbekanntere Seitedieses Malers zeigen.Gauguin UnexpectedBis 19. Jänner 2025Kunstforum Wienwww.kunstforumwien.atIN KÜRZEKUNSTMUSIKFILMMEDIEN■ Arnulf Rainer, 95Am 8. Dezember 1929 in Baden bei Wiengeboren, gründete er 1950 gemeinsam mitErnst Fuchs, Anton Lehmden, Arik Brauer,Wolfgang Hollegha und Josef Mikl die„Hundsgruppe“. 1953 begegnete er demPriester Otto Mauer, in dessen Galerienächst St. Stephan er bald präsent war. MitBeginn der 50er Jahre wandte sich ArnulfRainer den für ihn charakteristischen Übermalungenzu. 2009 wurde in Baden das eigensihm gewidmete Museum eröffnet. DieJubiläumsausstellung zum 95. Geburtstag,„Das Nichts gegen Alles“, ist Rainers frühenArbeiten sowie Kreuzdarstellungen und-übermalungen gewidmet. ■ Ein Nest für die OperDie Wiener Staatsoper hat am 6. Dezemberihren zweiten Standort Nest für jüngeres Publikumoffiziell eröffnet. Den programmatischenStart des neuen Hauses feiert man amSamstagvormittag mit der Uraufführungvon Thierry Tidrows „Sagt der Walfisch zumThunfisch“ in der Inszenierung von Sara Ostertag.Diese Produktion richtet sich an Kinder.Doch das Nest-Programm nimmt auchJugendliche in den Blick: Am 13. Dezemberfolgt die Premiere der „Götterdämmerung“,keine Inszenierung von Wagners „Ring“,sondern ein Spielen in dessen und zugleichunserer Welt. Das Ensemble Nesterval adressiertein Publikum ab 16 Jahren. ■ Filmpreis für „Emilia Pérez“Der Musicalthriller „Emilia Pérez“ des französischenRegisseurs Jacques Audiard wurdebei den 37. Europäischen Filmpreisen alsFilm des Jahres ausgezeichnet. In dem ungewöhnlichenGenremix geht es um einenmexikanischen Drogenbaron, der ein neuesLeben als Frau beginnen möchte. Audiardwurde im schweizerischen Luzern als besterRegisseur und Drehbuchautor gewürdigt,Hauptdarstellerin Karla Sofía Gascónbekam den Preis als beste Schauspielerin.Als bester Schauspieler wurde indes AbouSangare aus Guinea für das Drama „Souleymane’sStory“ ausgezeichnet. Er spielt darineinen Asylsuchenden in Paris.■ Stern-Reporter Heidemann totDer langjährige Stern-Journalist Gerd Heidemanngalt als gewissenhafter Rechercheur,heute ist sein Name aber vor allemmit einem der größten MedienskandaleDeutschlands rund um gefälschte „Hitler-Tagebücher“ verbunden. Heidemann fiel1983 auf den Betrüger Konrad Kujau he rein,der ihm die vermeintliche Sensation fürheute umgerechnet 4,8 Millionen Euro verkaufte.Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichungim Stern stellten sich die Tagebücherals Fälschung heraus. Kujau undHeidemann wurden zu jeweils vier JahrenHaft verurteilt. Nun starb Heidemann mit93 Jahren in Hamburg.

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