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DIE FURCHE 12.12.2024

DIE FURCHE · 5022

DIE FURCHE · 5022 Wissen/Politik12. Dezember 2024SteckerrausDerzeit kann derAusbau der erneuerbarenEnergiennur die zusätzlicheNachfrage decken,fossile Energienaber nicht verdrängen.Ohne Energiesparenwird derDruck auf die Naturweiter steigen.Von Lukas BayerAuch ohne den ZahlungsstreitzwischenGazprom und OMVwürde spätestens imJänner kein Erdgasmehr von Russland nach Österreichfließen. Die Ukraine verlängertden Vertrag für die Pipelinesnicht. Sie hat verständlicherweisekein Interesse daran, den Krieggegen sich selbst weiter mitzufinanzieren.Österreichs Bundesregierunghat es seit Kriegsbeginnnicht geschafft, den Anteil an russischemErdgas wesentlich zu verringern.Letztlich wurde uns dieEntscheidung abgenommen.Droht jetzt ein kalter Winter?„Österreich hat sich lange auf dieseSituation vorbereitet. UnsereEnergieversorgung ist sicher“,entwarnte KlimaschutzministerinLeonore Gewessler (Grüne).Die Gasspeicher seien gut gefülltund die Versorgung für zwei Wintergesichert, beruhigte die RegulierungsbehördeE-Control.Das Momentum nützenAuch die Österreichische Energieagenturerwartet keine Gasmangellage.Stattdessen bezieheman Erdgas aus Norwegen,den USA und arabischen Staaten,heißt es in einer Analyse, dievom Klimaschutzministerium inAuftrag gegeben wurde. Zudemsei der Verbrauch in den letztenbeiden Jahren um 23 Prozent gesunken.Das gelang allerdingsnicht, weil maßgeblich Energieeingespart wurde – sondern weildie Winter mild waren, die Wirtschaftschwächelt, Erneuerbarestärker ausgebaut werden undÜber die Ideeder planetarenGemeingüterzum Schutzder planetarenGrenzen schriebMartin Taussam 24.1.2024,auf furche.at.Mit dem Gas-Stopp aus Russland sollte das Thema Energiesparen aufdie Agenda: Über ein strengeres Tempolimit oder die Besteuerung vonÜberkonsum müsste ehrlich debattiert werden. Ein Gastkommentar.Die Erde brauchtEntlastungdie Energieeffizienz steigt. In dennächsten Jahren dürfte der Verbrauchwieder steigen.Auf internationaler Bühne istEnergiesparen ebenso kaum Thema.So endete etwa die 29. UN-Klimakonferenzin Baku mit einemneuerlichen Bekenntnis zur Verdreifachungder Erneuerbarenund Verdopplung der Energieeffizienzbis 2030. Auch über dieGretchenfrage – den Ausstieg ausfossilen Energien – wurde langedebattiert, ohne aber konkreteZiele festzulegen.Eine Energiespardebatte istaber nötig. Denn derzeit kann derAusbau der Erneuerbaren nur diezusätzliche Nachfrage nach Energiedecken, fossile Energien aber„ Sechs von neun planetarenGrenzen sind bereits überschritten.Nahezu überall verschlechtert sichder Trend, und in vier Bereichengilt hohes Risiko. “nicht verdrängen. Selbst wennmittelfristig der Ausstieg ausFossilen gelingt, belasten wirdie Umwelt aber weiter, solangeder Energieverbrauch in Entwicklungsländernsteigt und inIndustrieländern konstant hochbleibt. Neue Windräder, Solarpaneeleund der Aufbau einer Wasserstoff-InfrastrukturbenötigenRessourcen wie seltene Erden –und deren Förderung erhöht weiterden Druck auf die Natur. Schonjetzt ist diese kritisch überlastet.Das verdeutlicht das Konzeptder planetaren Grenzen, welchesein Team rund um Johan Rockström,Direktor des Potsdam-Institutsfür Klimafolgenforschung,entwickelt hat. Sechs von neunGrenzen sind demnach bereitsüberschritten. Fast überall verschlechtertsich der Trend, undin vier Bereichen gilt hohes Risiko:neben dem Klimasystem auchin Biodiversität und Artenvielfalt,im Stickstoff- und Phosphorkreislaufsowie durch den Eindrangvon Schadstoffen und Plastik.Österreich konnte seinen Energieverbrauchbereits in den frühen2000er Jahren stabilisierenund in den letzten Jahren senken.Das gelang, weil Erneuerbare ausgebautwurden und die Energieeffizienzsteigt – aber auch weil dieBevölkerung wegen des Kriegs gegendie Ukraine beim Heizen undWarmwasser sparte. Mit der „Mission11“ gab das Klimaschutzministeriumkonkrete Tipps, um elfProzent Energie zu sparen. DiesesMomentum ist aber wieder verpufft.Pro Kopf betrachtet liegt ÖsterreichsEnergieverbrauch weiterim oberen Drittel der EU-Länder,zeigen Daten der E-Control.Auch in den Gesetzestextenzeigt sich das bekannte Bild: Sparendurch Effizienz und Elektrifizierung,nicht aber durch wenigerKonsum und Produktion.Das kürzlich novellierte Bundes-Energieeffizienzgesetz (EeffG)etwa listet zahlreiche Maßnahmen:thermische Sanierungen,den Heizungsumstieg auf Wärmepumpenoder beispielsweiseFoto: iStock/Veni vidi...shootdie Umstellung auf E-Mobilität.Insgesamt kommt das Wort „Endenergieeinsparung“mehr als140-mal vor – aber nie im Zusammenhangmit Konsumreduktion.Karl Schellmann, Energieexpertebeim WWF, nimmt hier die Politikin die Verantwortung. Diesehabe „Schlüsselbereiche wieEnergiesparen und Klimaschutzlange Zeit zugunsten kurzsichtigerProfit- Interessen vernachlässigt“,kritisierte er vor zwei Jahren.Damals forderte der WWFeine jährliche Energiesparmilliarde;nun wiederholte man die Forderungan die nächste Bundesregierung.Auch der WWF schlägt vorallem Effizienzmaßnahmen vor –etwa die Finanzierung von Energieeinsparungenin der Indus trie,höhere Sanierungsraten und denHeizkesseltausch. Das Energiesparprogrammkönnte aber die Debatteneu entfachen. Mit dem Endeder Erdgaslieferungen aus Russland,höheren Energiepreisen unddem Beginn der Regierungsbildunggäbe es erneut ein Momentum.Und es gäbe zahlreiche Vorschläge,von denen hier nur dreizur Debatte gestellt werden sollen.Kreative Strategien sind gefragtErstens ein autofreier Sonntagund ein Tempolimit: In einemfrüheren Entwurf des nationalenKlimaplans (NEKP) schlug KlimaschutzministerinGewessler(Grüne) einen autofreien Sonntagin „allen größeren Städten“ vor.Zudem befürwortet Gewesslerein Tempolimit auf Landstraßenund Autobahnen. Beide Maßnahmenlandeten in der Schublade,hätten aber Potenzial: Energiewird gespart, die Lärmbelastungsinkt, und Straßen werden sicherer,die Luft zudem sauberer.Zweitens die Besteuerung vonÜberkonsum: Superreiche werdenin der Debatte oft ausgespart.Dabei sind es die Yachten, Privatjetsund Luxuswohnungen, diemassenweise Energie verprassen.Brasilien hat nun als Vorsitzenderder G20-Ländergruppe eineMilliardärssteuer vorgeschlagen,die bis zu 250 Milliarden US-Dollarpro Jahr einbringen könnte.Sie ist zwar zu niedrig angesetzt,um den Überkonsum wesentlichzu verringern. Mit den Einnahmenließen sich aber Energiesparmaßnahmenfinanzieren.Drittens und nicht zuletzt einVerbot geplanter Obsoleszenz: Früherhielten zum Beispiel Waschmaschinenewig, heute nur nochdrei bis vier Jahre. Dieser geplanteVerschleiß kurbelt den Absatz an,verbraucht aber unnötig Ressourcen.Mit der Recht-auf-Reparatur-Richtlinie verbietet die EU solcheKniffe, verlängert die Garantieund ermöglicht Reparaturen. Bis31. Juli 2026 hat Österreich Zeit,die Richtlinie in nationales Rechtumzusetzen. Die neue Bundesregierungmuss hier unter anderemKlagsmöglichkeiten schaffen undSanktionen definieren, damit demPapiertiger Zähne wachsen.Der Autor ist freier Journalist undim Vorstand des „NetzwerksKlimajournalismus Österreich“.

DIE FURCHE · 5012. Dezember 2024Wissen23Ein gesenkter Schutzstatus des Wolfs wird den illegalen Abschuss dieser Top-Prädatoren weiter befördern und die heimischen Weidetierhalterin einer falschen Sicherheit wiegen. Ein Gastkommentar mit Replik auf das FURCHE-Interview mit Klaus Hackländer.Kräfte bündeln gegen GeschwurbelAnfang Dezember ebnete der Europaratin Straßburg den Weg dafür, den Schutzstatusdes Wolfs im Rahmen der BernerKonvention von „streng geschützt“ auf„geschützt“ zu senken. Dazu und zurallgemein hitzigen Debatte rund um denWolf äußerte sich der WildtierbiologeKlaus Hackländer von der BOKU Wien imFURCHE-Interview vom 26.11.2024.Von Kurt KotrschalVordergründig scheintdie Herabsetzung desSchutzstatus der Wölfewenig problematisch.Wölfe sind generell nichtgefährdet, und hohe Vermehrungsratengepaart mit ihrer großen Anpassungsfähigkeiterfordern über kurzoder lang ein Management in den europäischenKulturlandschaften. Aberbevor jagdliches Management einsetzenkann, müssen europaweit überlebensfähigePopulationen entstehen.Das ist für Österreich bei weitemnoch nicht gegeben, zumal es keingutes Monitoring gibt – man also garnicht so genau weiß, wie viele Wölfees bei uns gibt. Bedenklich an der Herabsetzungdes Schutzstatus ist, dassman in der Berner Konvention einepolitische Entscheidung traf: WissenschaftlicheErkenntnisse blieben gegenjede Regel außen vor. Zudem befürchtenNGOs nicht ganz zu Unrecht,dass per Wolf die Schleusen geöffnetwurden zur Schwächung des NaturundArtenschutzes in Europa. Undschließlich wird diese Entscheidungden illegalen Abschuss weiter befördernund Weidetierhalter in der falschenSicherheit wiegen, dass Schießen,nicht aber Herdenschutz dieLösung ihres Problems sei.Naturnahe WaldwirtschaftIm FURCHE-Interview zu dieserThematik besticht Klaus Hackländerdurch klare Sachlichkeit : Esist ihm rückhaltlos beizupflichten,wenn er Schießen als einzigen Lösungsansatzkritisiert, Herdenschutzund besseres Monitoring einfordertund feststellt, dass unabhängig vonseinem Schutzstatus der Wolf in Österreichnur dann „reguliert“ werdendarf, wenn ein „günstiger Erhaltungszustand“erreicht ist – sichalso genügend Rudel etablieren konnten.Davon sind wir aber noch meilenweitentfernt. Und natürlich wissenmit Hackländer alle Pragmatisch-Foto: DPA / AFP / Ingo Wagner Ingo Wagner„Der Wolf gehörtreguliert“(26.11.2024):Klaus Hackländerzur heiklenFrage, wie vieleWölfe Österreichverträgt,auf furche.at.Vernünftigen in Österreich, dass derWolf nicht einfach wieder verschwindenwird – egal wie viel man schießt.Gerade angesichts der aufgeheiztenStimmung ist diese Klarheit unschätzbarwertvoll. Umso mehr, alsKlaus Hackländer als Chef des BOKU-Instituts für Wildbiologie und „Jagdwirtschaft“sowie als Vorsitzenderder Deutschen Wildtierstiftung undanderer jagdnaher Institutionenfungiert. Das erklärt vielleicht auch,was unerwähnt bleibt. Etwa wissenschaftlicheEvidenz dafür, dass esunklug ist, Wölfe wie Schalenwild„regulieren“ zu wollen, weil damitVerluste an Weidetieren nicht geringerwerden: Denn man stört so die sozialenStrukturen der Wölfe und ihreFokussierung auf Wildtiere alsBeute. Und weil man damit Weidetierhalterin der falschen Sicherheitwiegt, nicht auf Herdenschutz setzenzu müssen. Unerwähnt bleibt„ Rechtsstaat hin oder her: Es wird geschossen, was das Zeughält. Das ist das Hauptproblem in Österreich – nicht nur beimWolf, sondern auch bei anderen geschützten Wildtieren. “BUCHTIPPauch, dass Rudelbildung in Kombinationmit Herdenschutz die beste Basisfür ein konfliktarmes, nachhaltigesZusammenleben darstellt, weil konkurrierendeWolfsrudel ihre lokalenDichten effizient selbst reagierenund eine Art Schutzschirm gegen dieschadensträchtigen, durchwanderndenJungwölfe bilden. Unerwähntbleibt vor allem, dass es gute ethische,demokratiepolitische, ökologischeund sogar wirtschaftliche Gründegibt, Wölfe zu schützen. Etwa weildiese Top-Prädatoren Wildbeständeviel effizienter gesund halten, alsmenschliche Jäger das können, weilsie in ihren Gebieten die Vielfalt derKleintierfauna fördern und weil siesogar zu effizienten Assistenten einernaturnahen Waldwirtschaft werdenkönnen – wenn man sie denn lässt.Unerwähnt bleibt zudem, dass derSchutz von Spitzenprädatoren und ihrenLebensräumen relevant bezüglichBiodiversität und Klima ist. Undunerwähnt bleibt schließlich wissenschaftlicheEvidenz, wonach legaleAbschussmöglichkeiten (wie siedie meisten Bundesländer in mehrfachemVerstoß gegen EU-Recht geschaffenhaben) den illegalen Abschussnicht verhindern, sondern dieSchleusen dafür sogar öffnen können.Genau das ist das Hauptproblemin Österreich – auch in Hinblick aufandere geschützte, aber missliebigeWildtiere. Rechtsstaat hin oder her:Es wird geschossen, was das Zeughält. Hoch an der Zeit, dass die nichtallzu vielen heimischen Vertreterder pragmatischen Vernunft um denWolf die Kräfte bündeln gegen antifaktischesGeschwurbel und politischeInstrumentalisierung – im Interessedes Natur- und Artenschutzes,der Weidetierhalter, der Jagdwirtschaftund nicht zuletzt im Sinne vonDemokratie und Rechtsstaat.Der Autor ist Prof. für Verhaltensbiologiei. R. an der Univ. Wien, Mitbegründerdes WolfsforschungszentrumsErnstbrunn, Sprecher der AGWildtiere (Forum Wissenschaft & Umwelt)sowie im wiss. Beirat des WWF.Uralte „Seelenverwandschaft“Lang istʼs her, da entwickelte sich eine Beziehung der ganzbesonderen Art: In der Altsteinzeit vor 40.000 Jahren ließensich Mensch und Wolf aufeinander ein. Man blieb zusammen,und aus Wolf wurde Hund. Biologe Kurt Kotrschalerforscht diese archaische Beziehung seitfast drei Jahrzehnten. Und diese wirdheute immer wichtiger, wie er in seinemjüngsten Buch darzulegen versteht, dasein breites Themenspektrum behandelt –bis hin zu neuen „Hundeberufen“, demökologischen Fußabdruck der Hundehaltungund dem zunehmenden Hitzestress.Wenn diese „Kumpantiere“ seit jeherGesundheit, Resilienz und emotionaleIntelligenz fördern, dann umso mehr ineiner Zeit, die durch soziale Spannungenund Misstrauen geprägt ist und in derdie Vereinsamung selbst unter jüngerenMenschen zunimmt. „Das Leben mitHund bleibt analog“, so der Verhaltensforscher.„Hunde (...) belasten uns nichtmit Zukunftsängsten, unterstützen emotionalallein durch ihre Gegenwart.“ (mt)Warum Hundeuns zu besserenMenschenmachenVon KurtKotrschalBrandstätter 2024184 S., geb.,€ 25,–SINNVOLLES SCHENKENEin Geschenk, das lange Freude macht:Laden Sie Ihre Liebsten ein zu einer Entdeckungsreise. Gemeinsam mit alten undneuen Wegbegleiter:innen – digital zurück bis 1945!Was gibt Sinn? Wonach suchen Menschen? 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