Aufrufe
vor 10 Monaten

DIE FURCHE 12.10.2023

  • Text
  • Besson
  • Literatur
  • Franziskus
  • Hamas
  • Wien
  • Israel
  • Slowenien
  • Oktober
  • Menschen
  • Furche

DIE

DIE FURCHE · 41 24 Ausstellung 12. Oktober 2023 Von Astrid Göttche Die Vorteile liegen auf der Hand: Schwefelwasser hat eine heilende Wirkung. Es ist schmerzlindernd, entzündungshemmend und desinfizierend. Baden besitzt gleich mehrere Heilquellen mit der Kraft des gelben Goldes. Es wundert daher nicht, dass sich Baden in den letzten Jahrhunderten zu einer der traditionsreichsten Kurstädte Europas entwickelte. Günstige Faktoren wie die Nähe zu Wien, optimale klimatische Bedingungen und eine Naturlage mit hohem Erholungspotenzial befeuerten den Kurtourismus zusätzlich. Aber was bedeutete es früher, einen Kuraufenthalt in Baden zu erleben? War es bloß ein Luxus Wohlhabender, die in den warmen Quellen Linderung ihrer Leiden erfuhren, oder fanden auch weniger Begüterte Heilung? Antworten liefert die Ausstellung „Aufbaden-Abbaden“ im Kaiserhaus Baden, die anhand von kunstvollen Stichen, Schwefelsteinen, kuriosen Turn- und Therapiegeräte sowie frühen Filmaufnahmen und Fotografien Einblicke in die Entwicklung der Badekultur bietet: Gesundes Nass Heute soll man nicht länger als 15 Minuten im Schwefelwasser verweilen. Früher badeten Heilsuchende mehrere Stunden darin. Mit einer einladenden Ausstellungsinszenierung beleuchtet die Schau „Aufbaden-Abbaden“ die Entwicklung des Kurtourismus in Baden – und zeigt, wie sich die Badekultur im Laufe der Jahrhunderte wandelte. Stinkig, aber heilsam vom Ankommen in der Kurstadt über das „Aufbaden“ im Schwefelbecken, heilsamen Anwendungen im Wasser, im Turnsaal und beim Ausgehen im Kurpark, bis hin zum Abtauchen im Einzelbad, um schließlich im Strandbad wieder aufzutanken. Die Schau beleuchtet den Kurtourismus in Baden und zeigt, wie er das Leben in der Stadt beeinflusste. „ Die Gäste kamen aus Frankreich, England, Russland und sogar aus Indien. Kein Wunder, dass Baden in der Hochsaison oft mehr Besucher fasste als Bewohner. “ Wie international beispielsweise das Kurpublikum schon im frühen 19. Jahrhundert war, belegen ausgestellte Kurlisten und mehrsprachige Reiseführer. Die Gäste kamen aus Frankreich, England, Russland und sogar aus Indien. Kein Wunder, dass Baden in der Hochsaison oft mehr Besucher fasste als Bewohner. „Betuchte Kurgäste“ reisten im 18. und 19. Jahrhundert meist mit Familie und Angestellten an. Aber nicht nur Adelige und reiche Bürger kamen in den Genuss der Heilquellen. Auch armen Bevölkerungsgruppen wurde der Zugang zu den Schwefelquellen zugestanden, wie ein Badzettel Foto: Stadtarchiv Baden aus dem Jahr 1835 zeigt, auf dem ein Tagelöhner 24 Bäder im „Armen-Bad“ verordnet bekam. Je nach Geschlecht, Religion und sozialer Stellung wurde gemeinsam oder getrennt gebadet – Armen-, Militär- und das sogenannte Judenbad sind Ausdruck davon. Die jeweiligen Moral- und Hygienevorstellungen der Zeit spiegelten sich in Badeordnungen wider. Wie eine „Instruction zur Benutzung des Herzogsbads“ von 1679 veranschaulicht, war „geistlich christlicher Gesang erlaubt“, das Singen von Liebesliedern aber untersagt und auch „umherschwimmen, einander untertauchen oder Wellen zu machen“ verboten. Am Beginn eines Kuraufenthaltes galt das „Aufbaden“ als wichtig, bei dem sich der Körper an das schwefelhaltige Wasser gewöhnen sollte. Beim „Abbaden“ sollte der Körper am Ende der Kur quasi wieder entwöhnt werden. Je nach Größe des Portemonnaies gab es Bassinbäder, in denen sich mehrere Badende ein Becken teilten, oder Stundenbäder, die allein genutzt wurden. Zu einem Kuraufenthalt gehörten aber selbstverständlich auch wohltuende Anwendungen im Wasser und an Turngeräten. Besonders faszinierend sind in diesem Zusammenhang die ausgestellten „Zandergeräte“, Vorläufer heutiger Fitnessgeräte, die ab 1900 – vom schwedischen Heilgymnastiker Gustav Zander entwickelt – verbreitet zum Einsatz kamen. Schluckweise zum Wohl Heilung erhoffte man sich aber auch in der Trinkkur. Bereits im 16. Jahrhundert wurde Badener Schwefelwasser pur oder mit Milch vermischt zum Trinken verabreicht ‒ für manche ein Akt der Überwindung. Abbildungen der Trinkhalle unweit des Kurhauses sowie Trinkgläser und Becher, die als Souvenirs gerne mitgenommen wurden, stehen ganz im Zeichen dieser Form der Kur. Werbeartikel verweisen darauf, dass ab 1912 die mit Schwefel versetzte „Badener Peregrini Stadtquelle“ in Flaschen abgefüllt und zur „Nachkur“ verkauft wurde. „Lidoatmosphäre“ wiederum verströmte das Strandbad, das 1926 innerhalb von 80 Tagen errichtet wurde, und Baden nach dem Ersten Weltkrieg erneut zum Weltkurort machen sollte. Alles in allem überzeugt die Schau durch eine interessante Auswahl an Exponaten und eine einladende Ausstellungsgestaltung, die den Fokus auf eine spannende Informationsvermittlung legt. Dazu gehören interaktive Stationen ebenso wie ein Begleitheft für Kinder und eine Begleitbroschüre zur Ausstellung, die gleichzeitg als Notizheft für Kurgäste genutzt werden kann. Die Ausstellung unterstreicht, warum Baden als eine der bedeutendsten Kurstädte Europas 2021 in die UNESCO-Weltkulturerbeliste „Great Spa Towns of Europe“ aufgenommen wurde. Aufbaden-Abbaden Kurkultur in Baden Kaiserhaus Baden Hauptplatz 17, 2500 Baden Bis 5. November 2023 IN KÜRZE LITERATUR ■ Literaturnobelpreis an Jon Fosse MEDIEN ■ VfGH zu ORF-Gremien MEDIEN ■ Das Feuilleton ante portas Der norwegische Prosa- und Theaterautor Jon Fosse ist der Literaturnobelpreisträger 2023. Der 64-Jährige wird „für seine innovativen Stücke und Prosa, die dem Unsagbaren eine Stimme geben“, geehrt, so der Sekretär der Schwedischen Akademie, bei der Bekanntgabe des Preises in Stockholm. Bekannt wurde Fosse als Dramatiker, er fungierte auch als Übersetzer ins Norwegische u.a. von Franz Kafka, Thomas Bernhard, Peter Handke, James Joyce oder Samuel Beckett. In den letzten Jahren trat Fosse vermehrt als Romancier hervor. Sein auf sieben Teile angelegter Romanzyklus „Heptalogie“, von dem zuletzt der Band „Ich ist ein anderer“ (Teil III–V) auf Deutsch vorliegt, ist „unverkennbar an Becketts Prosa“ geschult, wie FURCHE-Literaturkritiker Rainer Moritz 2022 bemerkte: „Sein Erzählen ist nichts für Liebhaber von Actionthrillern, und doch bekommt diese ‚langsame Prosa‘, wie er sein Schreiben selbst nennt, schon nach wenigen Seiten eine beklemmende Eindringlichkeit.“ Der neue Nobelpreisträger, der neben Oslo auch einen Wohnsitz im niederösterreichischen Hainburg besitzt, ist 2013 zur katholischen Kirche konvertiert. Wie er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk 2015 erzählte, habe ihn nicht zuletzt die Beschäftigung mit Meister Eckhard und dessen mystischer Spiritualität auf diesen religiösen Weg gebracht. Die Regelung zur Zusammensetzung des ORF-Stiftungs- und Publikumsrates ist laut Verfassungsgerichtshof (VfGH) teils verfassungswidrig. In einem Erkenntnis ortet das Höchstgericht „Verstöße gegen das Unabhängigkeits- und Pluralismusgebot“ nach dem Bundesverfassungsgesetz Rundfunk. Als problematisch bewertet man vor allem den übermäßigen Einfluss der Regierung bei der Besetzung der ORF-Gremien. Das ORF-Gesetz muss bis März 2025 repariert werden. In der operativen Tätigkeit der Gremien ändert sich damit vorerst nichts. Auch bisherige Entscheidungen der Gremien sind vom VfGH-Erkenntnis nicht betroffen. Das Feuilleton könnte Realität werden. Die geplante Monatszeitung mit Schwerpunkt Kultur, Medien, Zeitgeschichte, Debatten hat nach zwei Tagen bereits rund 40.000 Euro via Crowdfunding erreicht. Nötig sind 75.000 Euro, damit wohl im Dezember die erste reguläre Ausgabe erscheint. Verantwortlich fürs Projekt zeichnen Ex-Schreiber der Wiener Zeitung, die mit 1. Juli als Printmedium eingestellt wurde. Das Herausgebergremium rund um die vormaligen Feuilletonleiter Christina Böck und Bernhard Baumgartner sowie Filmspezialist Matthias Greuling, der auch FURCHE-Filmkritiker ist, zeigte sich über den „immensen Zuspruch“ erfreut.

DIE FURCHE 2024

DIE FURCHE 2023