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DIE FURCHE 12.10.2023

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DIE FURCHE · 41 18 Musik & Literatur 12. Oktober 2023 Von Walter Dobner Puccinis „Il trittico“ an der Wiener Staatsoper, ein wenig bekannter Donizetti im MuseumsQuartier, eine österreichische Erstaufführung an der Kammeroper. Die letzte „Il trittico“-Neuinszenierung an der Wiener Staatsoper datiert aus dem Jahr 1979. Die jüngste Produktion des letzten Teils dieses Puccini-Triptychons, „Gianni Schicchi“, stammt aus 2000, damals pointiert zusammengeführt mit Schönbergs Oratorium „Die Feuerleiter“. Jetzt versuchte man sich im Haus am Ring erneut an allen drei Einaktern. Mit unterschiedlichem Erfolg. Das gilt vor allem für die Szene. Wollte Regisseurin Tatjana Gürbaca mit ihrer Arbeit nur zeigen, wie man sich im Laufe eines Abends von Minimalismus zu überdrehter Komödiantik steigern kann und dabei vermehrt auf Personenführung setzt? Wenigstens dieses Konzept ist aufgegangen. Allerdings vielfach zu Lasten der einzelnen Stücke. Denn in dieser sonst spannend präsentierten Kriminalstory „Il tabarro“ steckt mehr als ein Herumirren im Dunkeln, begleitet von den aufdringlich auf die schwarze Bühne (Henrik Ahr) montierten Worten „Schwer ∙ Glücklich ∙ Sein“. Davon blieb ‒ ebenfalls auf einer atmosphärelosen Bühne ‒ in „Suor Angelica“ nur mehr „Sein“ als Motto. Der Fokus der Regie lag auf der Interaktion zwischen der in alter Tradition erstarrten, lieblosen Fürstin und ihrer Nichte Angelica. Was aber soll der läppische Nicht immer winkt das Glück Drei Mal ein Akt Die zweite Geschichte von „Il trittico“ ist „Suor Angelica“ gewidmet. In der Neuinszenierung brillieren Michaela Schuster (Zita), Moritz Israiloff (Gherardino), Eleonora Buratto (Schwester Angelica). Schluss? Dieses unvermutete Wiederauftauchen des längst toten Kindes, für das die Fürstin ein Holzspielzeug mitbringt, das es von der Begegnung mit seiner Mutter ablenkt? Der Versuch einer Traumsequenz, weil Gürbaca dem Erlösungsgedanken des Opernschlusses misstraut? Offensichtlich. Und dieses die Lachmuskeln meist so strapazierende Trittico-Finale: „Gianni Schicchi“? Ist es eine Commedia dell’arte mit Bezügen zu so manchen Wagner’schen Figuren? So liest man es im Programmheft, auf der Bühne kann man es nur vermuten. Humor hat allerdings mit Klamauk nichts zu tun. Darin verstrickt sich diese Kostümparade, mit Rinuccio als Militär auf einem Esel und Lauretta als Schönheitskönigin. Gianni Schicchi braucht nur ein Handtuch über den Kopf werfen, um gegenüber den übrigen, schrill kostümierten Protagonisten (Kostüme: Silke Willrett) unerkannt zu bleiben. Das wirkt nicht nur angesichts der letzten, von Marco Arturo Marelli verantworteten Darstellung von Puccinis einziger komischer Oper geradezu lächerlich. Die Buh-Rufe des Publikums ließen nicht lange auf sich warten. „ Ambrogio Maestri, der die Gewieftheit des Gianni Schicchi mit höchster vokaler Präsenz brillant kombinierte, stach seine sängerischen Kombattanten mühelos aus. “ Umso mehr feierte es in „Il tabarro“ Michael Volles profunden Michele und Anja Kampes kraftvolle Giorgetta, applaudierte in „Suor Angelica“ Eleonora Buratto als zwischen Verzweiflung und Hoffnung bewegend changierende Gestalterin der Titelfigur und die vor allem schauspielerisch beeindruckende Fürstin von Michaela Schuster. Ambrogio Maestri, der die Gewieftheit des Gianni Schicchi mit höchster vokaler Präsenz brillant kombinierte, stach seine sängerischen Kombattanten in „Gianni Schicchi“ mühelos aus. Serena Sáenz heimste mit dem Ohrwurm „O mio babbino caro“ den erwarteten Sonderapplaus ein. Philippe Jordan am Pult sorgte für eine ideale Balance zwischen Bühne und Orchestergraben, war den qualitativ unterschiedlichen Darstellern ein differenzierter Begleiter. Mit seinem impulsiven Musizieren konterkarierte er erfolgreich das mediokre Bühnengeschehen. Dafür gab es begeisterten Beifall und Blumen. Skurrile Fantasy und Liebesleid Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn Zweimal hat sich Gaetano Donizetti an diesem Sujet versucht. Zuerst in Form einer italienischen Oper, „Poliuto“, die er später zu einer französischen Version erweiterte: „Les Martyrs“. Damit eröffnete das Musik- Theater an der Wien im MuseumsQuartier seine neue Spielzeit. Im Original ist es eine Dreiecksgeschichte vor der Kulisse der grausamen Christenverfolgung in Armenien im 3. nachchristlichen Jahrhundert. Regisseur Cezary Tomaszewski hat sie an den Beginn des vorigen Jahrhunderts verlegt, um den von den Türken nach wie vor nicht anerkannten Völkermord der Armenier durch die Osmanen zu thematisieren. Eine durchaus diskutable Umdeutung, aber nicht in Form einer solchen von skurriler Fantasy und Science-Fiction dominierten, mit surrealen Symbolen überfrachteten Szenerie (Bühne: Aleksandra Wasilkowska). Ohne Übertitel ließe sich die zentrale Liebesgeschichte kaum erschließen, denn meist wird so undeutlich artikuliert, dass nur wenig zu verstehen ist. Zudem trieb Dirigent Jérémie Rhorer das den charakteristischen Tonfall der Partitur nur selten treffende ORF Radio-Symphonieorchester Wien zu derartigen Klangkaskaden, dass selbst stimmgewaltige Interpreten wie John Osborn (Polyeucte) und die ihre Höhen schrill ansteuernde Roberta Mantegna (Pauline) ihre Not hatten, sich einigermaßen durchzusetzen. Blieb als einziges Atout in dieser verirrten, die Geschlechter durcheinanderwirbelnden, schrägen Kostümparade der sich in unterschiedlich schrillen Gewändern präsentierende Arnold Schoenberg Chor. Da hatte das MusikTheater an der Wien mit dem Saisonbeginn an seiner zweiten Spielstätte, der Kammeroper, mehr Fortüne: der österreichischen Erstaufführung der durch eine wahre Begebenheit in Russland inspirierten, 70-minütigen Kammeroper „Denis & Katya“ von Philip Venables. Einer in die Gegenwart transferierten Romeo-und-Julia-Version, in der das Spannungsverhältnis von Realität und Digitalität abgehandelt wird. Zwei in mehrere Rollen schlüpfende Protagonisten (exzellent der ausdrucksreiche Mezzo Hasti Molavian, ebenso wortdeutlich Bariton Timothy Connor) suchen, wenngleich letztlich erfolglos, zu ergründen, was es mit dem Tod zweier von zu Hause geflüchteter Teenager, die zuvor ihre Probleme via Videos im Internet öffentlich gemacht hatten, auf sich hat. Fünf Celli (vier live, das fünfte aufgenommen und zugespielt, souverän ausgeführt von Mitgliedern der Klangforum Wien PPCM Academy) und elektronische Klänge kreieren mit abwechslungsreichen Rhythmen die musikalischen Konturen dieses Konversationsstücks. Diese geben auch die Tempi der einzelnen Szenen vor. Die unterschiedlich intensiven Klänge offerieren aufschlussreiche Blicke in die Psyche der Figuren. Unterstützt von der auf die Gestik und Mimik der beiden Protagonisten zielenden Regie von Marcos Darbyshire im sich nach hinten verjüngenden, schwarz ausgelegten Bühnenbild Martin Hickmanns. Il trittico Wiener Staatsoper, 13., 16., 20., 23.10. Denis & Katya Kammeroper, 12.10. GANZ DICHT VON SEMIER INSAYIF Von der Kunst abzubiegen und im Alltag zu schweben biegen wir ab“, so lautet der Titel des Gedichtbandes von Martina Jakobson „Hier und dieser Titel trifft sowohl die äußere Schale als auch einen wesentlichen inneren Kern des Buches. Einerseits durchstreifen die 56 reimlos, metrisch ungebundenen, in drei Kapiteln versammelten Gedichte, Landschaften des Burgenlandes in ruhiger Präsenz und stellen so, mit intensiver Bildhaftigkeit, die äußere Grundbewegung dar. Da heißt es z.B. „wir erkunden das Weizenfeld/zerreiben Körner/ zwischen den Fingern//über den Streifen aus Hellblau/Erde und Schorf/ “. Andererseits benennt der Titel auch einen inneren Wesenskern des Buches, da das Abbiegen ein präzises poetisches Verfahren darstellt, nämlich an fokussierten Objekten oder Momenten mit assoziativen Sprüngen mühelos abzubiegen, und so an entfernten Orten der Erinnerung oder der Phantasie zu landen. „zwei Mädchen 9 Jahre vielleicht/pompös um die Köpfe/geschlungene Handtücher/…/Römerinnen mit Krügen/ die Luxemburg mit Federhut/Pop-Sängerinnen mit Turmfrisur/ Helmut-Newtons hohe Mädchen /Ärztinnen mit Schutzhelm und Visier/die Holzbrücke ist ihr Laufsteg/“. So werden Natur, Kindheit, Vergangenes, Beobachtetes, Politisches, Gegenwärtiges und Humorvolles ineinander verwoben, überblendet und in Schwebe gebracht. „Let all be simple“ lautet das Zitat von Charles Simic, das den 73 Gedichten im Lyrikband „Tag mit Motte“ vorangestellt ist. Und der Dichter Mario Hladicz weiß dieses Zitat mit außerordentlicher Behutsamkeit und zartem Humor in Leichtigkeit zu übersetzen. Es finden sich in den drei Kapiteln feine Beobachtungen alltäglicher, scheinbar nebensächlicher Ereignisse, die unprätentiös und unaufgeregt daherkommen. Aber mit jedem Flügelschlag werden diese durch eine besondere poetische Beleuchtung in ein eigenwillig zart bis zärtliches Schwirren versetzt. „/du lässt Steine übers Wasser hüpfen/bald schon entziehen sie sich dem Blick/vielleicht springen sie immer weiter/hinaus aus der Stadt dorthin wo man/Verständnis für ihre Verschwiegenheit /hat …“. Mal sind die Gedichte narrativ oder szenenhaft, manchmal mit melancholischem Augenzwinkern wie in dem kurzen 4-Zeiler mit dem Titel „Drama auf vier Zeilen“: „So oft an sie gedacht dass sie/ihres permanenten Schluckaufs wegen//langsam vereinsamte/…“. Durchwegs ungereimt und ungebunden entfachen sie ihren Zauber in einem besonderen Blick, einem unerwarteten Gedanken, in dem die Poesie im Alltäglichen eine unentdeckte Öffnung erzeugt. Im Gedicht „Mittwoch“ heißt es: „Was würde man geben für eine Tür/um hinauszutreten aus diesem Tag“. „ganz dicht“ stellt jeweils vor einem Dicht-Fest in der Alten Schmiede (nächstes: 12.10.2023) Lyrik vor. Hier biegen wir ab Gedichte von Martina Jakobson edition lex liszt, 2022 71 S., geb., € 16,– Tag mit Motte Gedichte von Mario Hladicz edition keiper 2023 100 S., geb., € 20,–

DIE FURCHE · 41 12. Oktober 2023 Theater 19 Die deutsch-georgische Autorin Nino Haratischwili legt mit „Phädra, in Flammen“ eine zeitgemäße Interpretation der tragischen Heldin vor. Eine Frau sieht rot Von Christine Ehardt Er gehört zu den absoluten Bühnenklassikern: Der Phädra-Mythos zeichnet seit Euripides und Seneca tiefe Spuren in die Theaterhistoriographie. Die Sage um Leben und Sterben der unglücklichen Gattin des Minotaurus-Bezwingers Theseus wurde von Jean Racine und seinem Übersetzer Friedrich Schiller bis hin zu Sarah Kane immer wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Nun legt die deutsch-georgische Autorin Nino Haratischwili mit „Phädra, in Flammen“ eine interessante Neuzeichnung der tragischen Heldin aus Athen vor, die für ihre österreichische Erstaufführung von Regisseurin Tina Lanik atmosphärisch-dicht in Szene gesetzt wurde. Schwülstiges Liebesinferno Auf der ganz in rotes Licht getauchten Bühne des Akademietheaters quälen die Enkelin des Sonnengottes Helios recht irdische Probleme. Ehezwistigkeiten, die Wechseljahre, Falten und verpasste Chancen setzen Sophie von Kessel als Titelheldin im roten Ganzkörper-Glitzeroutfit zu. Sie sehnt sich „in den Uterus des Lebens“ zurück, da kommt ihr die ungestüme Liebe der jugendlichen Persea (Dagna Litzenberger Vinet) gerade recht. Die mit Tattoos übersäte Schwiegertochter in spe bringt frischen Schwung in die Palastmauern. Nicht nur ihr Verlobter, Thronfolger Demophon (Julian von Hansemann), auch dessen sanftmütiger Bruder Acamas (Etienne Halsdorf) buhlen um ihre Zuneigung, dabei hat die selbstbewusste Schönheit in ihrem kleinen Schwarzen nur Augen für die Mutter des Bräutigams. Die Gegenüberstellung der beiden starken Frauenfiguren macht die Rolle des Hippolytos – Stiefsohn Phädras und in den historischen Vorlagen Ausgangspunkt der Tragödie – obsolet. Ei- ne Veränderung, die für Haratischwili während ihres Schreibprozesses in Georgien angesichts der offenen Aggressionen gegen die LGBT-Bewegung im Land evident wurde. 2021 hatten rechte Gruppen mit der Unterstützung der orthodoxen Kirche gegen ein friedlich ablaufendes Pride-Festival mobil gemacht. Bei den gewalttätigen Ausschreitungen kam es zum Tod eines jungen Journalisten. Gleichzeitig bringt die neue Figurenkonstellation ebenso wie der Titelzusatz das Stück in die Nähe des französischen Spielfilms „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ von 2019, dem ebenfalls eine lesbische Liebe zugrunde liegt. „ Im letzten Drittel verliert die Inszenierung an Dynamik: ein ambitioniertes Stück, das konzentriert und voller Ironie startet und schlussendlich im Kitsch versinkt. “ Der überarbeitete Plot funktioniert erstaunlich gut und gibt der Geschichte einen aktuellen Twist. Laniks Inszenierung verheddert sich aber trotz zahlreicher ironischer Brechungen wie der Stimme von Kessels über Lautsprecher zusehends in ein schwülstiges Liebesinferno. Das „Voiceover“ gibt launige Auskunft über die jeweiligen Mondphasen und die Gefühlszustände der Protagonisten. „Phädra ist sehr glücklich“ heißt es etwa im Moment der innigen Liebe zwischen Königin und Schwiegertochter. Doch dieses Glück währt natürlich nicht lange. Dafür sorgen sowohl die griechische Mythologie als auch die Gegenwartsbezüge. Spindoctor und Hohepriester Panopeus (Philipp Hauß) lässt in seinem Tempelmagazin unter der Rubrik „Die Götterlästerer“ das Volk über Ungläubige und Zweifler richten. In einem Exklusiv-Interview gesteht Phädra darin die „gleichgeschlechtliche Unzucht“ und setzt so im wahrsten Sinne des Wortes eine Hetzjagd in Gang. Der Raum für das epische Drama kommt gänzlich ohne Requisiten aus, stattdessen wird er nur von Licht (Michael Hofer) und Sound (Electric Indigo) erschaffen. Auf der abschüssigen Bühne, an deren Ende ein übergroßer Vollmond strahlt, entsteht zwischen den zwölf Ensemblemitgliedern (inklusive sechsköpfigem stummem Frauenchor) über weite Strecken eine intensive Choreographie aus Distanz und Nähe. Dem an Pathos überreichen Spiel von Kessel können vor allem ihre männlichen Mitstreiter nicht viel entgegenhalten, am besten gelingt das noch Ernest Allan Hausmann als Theseus und Halsdorf, dessen Rolle als verschmähter Liebhaber, der ungewollt Panopeus entscheidende Hinweise gibt, am facettenreichsten angelegt ist. Während man den streng strukturierten Dialogen trotz der eingestreuten Kraftausdrücke wie „Soziopath“, „Arschkriecher“ oder „Titten“, die zu irritierten Lachern aus dem Publikum führen, anfangs noch gebannt folgt, verliert die Inszenierung im letzten Drittel an Dynamik. Auch die politischen Implikationen aus dem Zusammenspiel von Macht und Religion treten in den Hintergrund. Zum Finale vermischen sich Horror- mit Liebesfilmanklängen, wenn dem detailreichen Bericht über die blutrünstige Ermordung Perseas der physische Zusammenbruch Phädras folgt. Ein ambitioniertes Stück, das konzentriert und voller Ironie startet und schlussendlich im Kitsch versinkt. Phädra, in Flammen Akademietherater, 16., 24.10., 9., 16.11. Foto: © Marcella Ruiz Cruz Foto: Ernst Wukits SALZBURGER STÜCKE Von König, Tod und Teufel Von Franz Mayrhofer Der eine König ist Kreon von Theben, der andere König ist auch Tod und Teufel in einer Gestalt: Sophokles „Antigone“ im Salzburger Schauspielhaus und Elfriede Jelineks „Wolken.Heim / Am Königsweg“ in den Kammerspielen des Landestheaters Salzburg, zwei Stücke von Regisseur Johannes Ender zu einem Abend vereint. Beide Stücke zum gegenwärtigen Disput über Politik, Staat und Gesellschaft. Die Zusammenführung der beiden Jelinek-Texte ist ein großer Wurf: Einmal in der Ablehnung rechter Ideologie, zum anderen wird die Gefährlichkeit des Auftretens eines „Führers mit der starken Hand“ gezeigt. Führt Sophokles „Antigone“ – natürlich auch in dieser Fassung Michael Köhlmeiers – vor, wie sich der Gewissenentscheid selbst bei Androhung der Todesstrafe wider das Gesetz des Königs als richtig erweist, weil er dem ungeschriebenen, unwandelbaren Gottesgebot folgt, so zeigt Elfriede Jelinek im ersten Teil „Wolken. Heim“, wie sich rechtes Gedankengut in einer Familie einnistet, umworben von einem König als elegantem Beau, der das Klima vergiftet. Im „Königsweg“ irrlichtert der König als Satan und Tod in einer Gestalt durch das Geschehen. Schmieriger König, furchterregender Tod Die Premieren erhielten an beiden Bühnen einhellige Zustimmung. Im Landestheater fand sich die Familie zusammen im Wohnzimmer eines Häuschens (Ausstattung Hannah Landes) mit dem großartigen Marco Dott als Großvater, Matthias Hermann (Vater), Tina Eberhardt (Mutter), Martin Trippensee (Sohn), Leyla Bischoff (Tochter) und schließlich mit Gregor Schulz als einem zunächst schmierigen König und dann auch als furchterregendem Tod. Die literarische Qualität der Jelinek-Texte mit den bewusst eingesetzten Versatzstücken aus der Weltliteratur und der aktuellen Situation gab der Eröffnung der Spielzeit im Schauspiel entsprechenden Akzent. Im Schauspielhaus spielt sich die „Antigone“ auf einer kulissenfreien Ebene ab (Ausstattung Ragna Heiny). Robert Pienz führt sein Ensemble ohne Chor durch die Handlung. Der Chor wurde durch Eins, Zwei, Drei ersetzt (Rene Eichinger, Michael Zehentner, Michael Graf), folgt aber stringent dem Handlungsablauf der Sophokleischen Vorlage und führt durch alle Höhen und Tiefen einer leidgeprüften Verwandtschaft und damit – mit der Bestattung des Polyneikes – zur Frage nach dem Widerstand gegen die Staatsgewalt. All das ist gekonnt gespielt, berührend der Dialog zwischen Antigone (Magdalena Lermer) und Ismene (Johanna Egger), Olaf Salzer gibt einen kalten König Kreon und würde man Isabella Wolf als Seher Teiresias akustisch verstehen, würde man das weitere Unheil verstehen. Aber: Ein großer Theaterabend. Antigone Salzburger Schauspielhaus, 13.10., 17.10., 19.–21.10. Wolken.Heim / Am Königsweg Salzburger Landestheater, 13. und 14.10., 18.10. „Antigone“, die antike Tragödie des Sophokles, wirft in der Fassung von Michael Köhlmeier aktuelle Fragen auf.

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