35 · 29. August 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– on) schönzureden oder gar zu leugnen. „Unterscheidung der Geister“: Auf diese Gabe kommt es also bis zum 29. September an. Sie ist umso dringlicher, als die im nun veröffentlichten FPÖ-Wahlprogramm niedergeschriebenen Ermächtigungsfantasien à la „Volksinitiative“ oder „Notgesetz“ Österreichs Verfassung tatsächlich untergra- Von Doris Helmberger ben. So schwer es in der Praxis sein mag, vier Prozent der Bevölkerung (rund 250.000 in gekreuzigter Frosch. Ein Fastentuch mit Totenschädel. Eine mehr auch weichgezeichneten „Familieninitiative“ zu bewegen, die dann zu einer selbsternannten „Volkskanzlers“ und nun- Menschen) zur Unterschrift einer „Volks- gebärende Maria. Oder ein (Letztes?) Abendmahl in Paris: Zahl- geht schließlich nicht nur um das zen trale ner (gefühlt?) „unfähigen“ Regierung führt: vaters“ Herbert Kickl von neuer Qualität. Es Volksabstimmung über die Absetzung eireich waren zuletzt die Debatten Gebet aller Christinnen und Christen; es Allein die Idee der Aushebelung des Parlaments – laut „Legalitätsprinzip“ die zen- darüber, wo die Freiheit der Kunst endet geht um dessen völlige Umdeutung, ja Pervertierung: Das „Volk“ und dessen Wille trale demokratische Entscheidungsmacht – und wo „Blasphemie“ – im Wortsinn „Gotteslästerung“, faktisch eher die Verletzung werden an die Stelle Gottes gesetzt; und dieser wird – samt parlamentarischer Demo- „Österreich ist eine demokratische Repu- muss alle Alarmglocken schrillen lassen. religiöser Gefühle von Menschen – beginnt. So heftig das mediale Strohfeuer stets loderte: Oft haftete der Empörung etwas For- im Bundes-Verfassungsgesetz – und nicht kratie und Rechtsstaat – eliminiert. blik. Ihr Recht geht vom Volk aus“, heißt es ciertes, ja Unernstes an. „Haben wir keine Dämonische Kräfte bekämpfen etwa „Das Recht geht vom Volk aus“, wie anderen Sorgen?“, wollte man fragen. „Das Plakat ist nicht ,nur‘ Blasphemie, Kickl bewusst verkürzt. Der Rechtsphilosoph Ulrich Wagrandl formulierte es un- Außerdem: Was wäre das für ein Gott, der sondern Ausdruck einer postmodernen sich durch (mehr oder weniger anspruchsvolle) Kunst eher gelästert fühlte als durch raltheologin Regina Polak im FURCHE- tie kann das Volk nicht selbst herrschen. Dämonie“, meint dazu die Wiener Pastolängst in der FURCHE so: „In der Demokra- menschliche Barbarei und Terror, ausgeführt womöglich in seinem eigenen Na- geschehe“: Das sei die „nichts und niemanlichkeit werden.“ Durch sie wird sicher- Gastkommentar (vgl. Seite 10). „Euer Wille Nur Institutionen lassen Demokratie Wirkmen? „Gott braucht die Verteidigung durch den ernst nehmende Ankündigung eines gestellt, dass Minderheitenrechte und eifernde Hasser nicht“, meinte FURCHE- politischen Projektes zur Zerstörung der liberalen, menschenrechtsbasierten Demogesichts eines propagandistisch verführ- völkerrechtliche Verpflichtungen auch an- Chefredakteur Hubert Feichtlbauer schon 1980 anlässlich der Empörung über Gottfried von Einems Oper „Jesu Hochzeit“. eines divinisierten ,Volkwillens‘ auf Kos- Vor all dem zu warnen, wäre Aufgabe der kratie und ihrer Institutionen im Namen ten „Volkswillens“ gewahrt bleiben. Auch in die neuen FPÖ-Wahlplakate mit ten von ethnisch und religiös ,Anderen‘“. Medien und aller anderen Parteien – wenn dem Slogan „Euer Wille geschehe“ ist bislang kein göttlicher Blitz eingefahren – ob- am Ende nicht verhandeln oder kooperie- zerfleischen. Auf dass es am Ende nicht Mit solch dämonischen Kräften könne man diese sich nicht, wie die SPÖ, gerade selbst schon der Rückgriff auf das Vaterunser ren, man könne sie nur bekämpfen – ohne doch noch heißt: „Sein Reich komme“. überdeutlich ist. Und doch ist diese kalkulierte Provokation aus der Werkstatt des wa jene im Bereich von Flucht und Migratifreilich vorhandene Probleme (konkret et- doris.helmberger@furche.at Gerade findet im Tiroler Bergdorf das 80. Europäische Forum statt. Viel ist dabei vom „Geist“ die Rede, der hier angeblich weht. Eine Suche im „Dorf der Denker“. Seite 9 Auch 40 Jahre nach Neil Postmans „Wir amüsieren uns zu Tode“ bleiben seine Diagnosen zum Niedergang des Diskurses brisant, meint Otto Friedrich. Seite 11 Heuer jährt sich der Geburtstag Anton Bruckners zum 200. Mal. Christian Schacherreiter hat über das Leben des Komponisten einen Roman geschrieben. Seite 14 Der ungeschminkte Blick hinter den Vorhang des Lebens der „einfachen Menschen“ in Pompeji hält auch der heutigen Gesellschaft den Spiegel vor. Seite 16 Die vielen heißen Sommertage haben nicht nur an der Erdoberfläche massive Auswirkungen. Auch die heimischen Seen und deren Arten leiden darunter. Seite 18 @diefurche @diefurche @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0 DIE FURCHE · 36 5. September 2024 Wolfgang Mazal Das Gespräch führten (li.) und Stephan Doris Helmberger und Schulmeister haben unterschied- Till Schönwälder liche Auffassungen ergangene Woche darüber, wie sehr warnte das „Bündnis Demokratie und sich die Kirchen politisch ein- Respekt“ vor einem mischen sollten. „Volkskanzler Kickl“ und dem Ende der liberalen Demokratie – mit dabei unter anderem neben dem Ökonomen und Sprecher Stephan Schulmeister auch der Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner und die Katholische Aktion Österreich. Demgegenüber hat der Katholische Laienrat Anfang August vor „parteipolitischer Vereinnahmung“ der christlichen Soziallehre gewarnt. DIE FURCHE hat den Präsidenten des Laienrats, Wolfgang Mazal, und den Aktivisten Stephan Schulmeister zur Debatte gebeten. Mazal: Ja, in der momentanen Situation sehe ich alleine deswegen DIE FURCHE: Seit Tagen gibt es Aufregung über die Wahlplakate der keine Unvereinbarkeit. FPÖ. Auf einem prangt der Slogan: „Euer Wille geschehe“. Was Sache der Bischöfe. Wie groß ist DIE FURCHE: Aber nochmals zur halten Sie von diesen Plakaten? das Risiko, dass man von kirchlicher Seite Menschen verliert, Wolfgang Mazal: Ich halte sie für peinlich, anbiedernd und demokratietheoretisch falsch. Es nicht FPÖ wählen? wenn man klar sagt, ihr sollt ist völlig unklar, wessen Wille Schulmeister: Vielleicht gäbe es wie eruiert werden kann. Es ist einen Verlust an Kirchenbeiträgen, aber da verliert man nicht zudem klar der Versuch, sich an christliche Kreise anzunähern. jemanden, der wirklich christlich ist. Denn die Summe der For- Aber ich bin der festen Überzeugung, christliche Kreise wissen DIE FURCHE: Zu den Sujets haben tibel mit den Aussagen und Haltungen einer Partei? Und man tische Position ein Urteil gefällt Sprache des Herrn Kickl, ist we- von Kirchenseite über eine poliderungen, einschließlich der das einzuordnen. Für sie ist das sich auch Kirchenvertreter geäußert. Bischofskonferenz-Gene- kann feststellen, im Fall der FPÖ wird; aber zu einer Partei als Gesentlich ärger als bei der AfD. eher kontraproduktiv. Stephan Schulmeister: Dem ralsekretär Peter Schipka hat sie gibt es in allen Bereichen diametrale Gegensätze: egal ob Eurogen, ist einfach ein qualitativ an- seine Verhöhnung, seine Art, klar samtpaket ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ zu sa- Schauen wir auf seine Sprache, kann ich mich durchaus anschließen, aber ich würde ergänzen, tholischen Sozialakademie Öspäische Union, Klimawandel, Soderer Schritt. zu sagen, er möchte die Demokra- kritisiert. Der Direktor der Ka- dass das sehr typisch für die Persönlichkeit des Herrn Kickl ist. nitweit, hat gemeint, dass die dann kann man natürlich sa- DIE FURCHE: Wie sehen Sie die Si- auch das Bild, das er vom Staat als terreichs (ksoe), Markus Schlagzialstaatlichkeit, Fremde. Und tie abschaffen. Er steht dazu. Und Menschen, die ganz davon abhängig sind, die Zuwendung von je- seien mit christlichen Grundsät- Die Kirchenleitung kann auf- sich ja der Bischofskonferenzvor- klar – wenn er der „Vater“ der Fa- FPÖ-Positionen „nicht vereinbar“ gen: Diese Partei ist unwählbar. tuation in Deutschland? Hier hat „Familie“ zeichnet: Bitte, das ist so weils unterschiedlichem Publikum zu bekommen, treten eben Satz vonseiten der Bischöfe, dass ten rechtsextremer Parteien und Landtagswahl in Thüringen und keine Demokratie mehr. zen. Trotzdem fehlt letztlich der klären, dass zwischen den Inhalsitzende, Georg Bätzing, vor der milie Österreich ist, dann gibt es mit unterschiedlichen Gesichtern und mit unterschiedlicher sein kann. Woran liegt das? Kirchen ein diametraler Widergesprochen . Punkten, außer der Schwanger- die FPÖ für Christen keine Option den Inhalten der christlichen Sachsen klar gegen die AfD aus- Wenn also in allen wichtigen Sprache auf. Schulmeister: Ich bin der klaren Überzeugung, dass Christinlen Ebenen. Thüringen, Sachsen und Deutschtraler Gegensatz zwischen FPÖ spruch besteht. Und zwar auf al- Mazal: Ich sehe die Situation in schaftsabbruchsfrage, ein diame- Einmal schimpft Herr Kickl, führt Fahndungslisten und ist nen und Christen die FPÖ nicht Mazal: Ich glaube, dass es für einen wirklich aufgeklärten, be- jene in Österreich. Ich maße mir eine Kirche, die ihre Identität beland insgesamt doch anders als und Kirche besteht, dann muss stolz darauf, rechtsextrem zu wählen können. Auch die österreichischen Bischöfe haben in ihwusst lebenden Christen zu kei- aber nicht an, da Stellung zu bewahren möchte, auf die Mitglied- sein. Das andere Mal, jetzt zur Nationalratswahl, wird er sanfter rer Sommertagung solche Parteien kritisiert, wenn auch nicht so Schnittmengen gibt. Im Gegen- mit dem ZdK (Zentralkomitee der hänger verzichten. Beides geht ner Partei hundertprozentige ziehen. Wir als Laienrat haben schaft begeisterter Kickl-An- Lesen Sie zu und gibt sich christlich in der diesem Thema Hoffnung, ÖVP-Wähler in sein scharf und explizit, wie die Deutsche Bischofskonferenz die AfD schen Skylla und Charybdis auf Frühjahr einen langen Austausch se „Das Kreuz teil, es ist immer eine Wahl zwi- Deutschen Katholiken, Anm.) im auch die Analy- einfach nicht. Lager zu ziehen. Peinlicherweise macht aber die ÖVP dasselbe damals und auch jetzt verurteilte. allen Seiten. Und ich glaube, das gehabt. Und es war für mich interessant, dass die Position des der FPÖ“ (11. Begriffen wie „Remigration“, die der Kirchen mit DIE FURCHE: Die FPÖ agiert mit auf der anderen Seite, in der Hoffnung, FPÖ-Wähler zu gewinnen. vorbei, dass – bei allem Respekt – ge nach einem Recht zur Abtrei- ZdK eine differenzierte war: Sie Juni 2024) von als eindeutig rechtsextrem gel- Mazal: Ich glaube, die Zeiten sind sollte man auch so sagen. Die Fra- Till Schönwälder Das ist halt eine degenerierte Politik, die nur mehr den Wahlerfolg klären müssen, was sie gefälligst ein kleiner Bereich, für mich träger der AfD in kirchlichen dert man auch „Homogenität“ in ältere Herren der Bevölkerung erbung auf Krankenschein ist zwar möchten nicht, dass Funktionsten. Im neuen Wahlprogramm for- auf furche.at. im Fokus hat und nicht die Frage: zu wählen haben und was nicht. aber ein entscheidendes Kriterium. Das Christliche hat eben vie- Partei, die solche Fantasien völki- Funktionen sind. der Bevölkerung. Kann man eine Wie wollen wir die Gesellschaft Das halte ich auch für demokratiepolitisch falsch und fragwürdig. le Aspekte, aber die Schnittmen- DIE FURCHE: In Österreich wäre es scher „Reinheit“ hegt, aus christ- verändern, wie soll Österreich wirklich aussehen in 15 Jahren? Ich bin der festen Überzeugung, gen zu den Parteien werden in unvorstellbar, dass FPÖ-Funktionäre nicht in der Pfarre aktiv sein Mazal: Ich persönlich könnte licher Perspektive unterstützen? Mazal: Diese Doppelgesichtigkeit dass man alle Leute informieren soll, dass man klar zu Positiner. Es ist für mich legitim, wenn dürfen. das nicht, ganz einfach. Aber ich unserer Gesellschaft immer klei- ist allerdings nicht nur ein Problem von Kickl, sondern aller Politiker. Herr Babler hat vor einigen zu sagen, wen darf man wählen der Institution unterscheiden. onen Stellung nehmen soll. Aber muss meine Position von jener Jahren die Kreuze abmontieren und wen nicht, das ist 1950er- Beispielsweise als Katholischer lassen − und jetzt wirbt er mit Jahre-Stil. Laienrat zu sagen, wegen einzelner Positionen ist eine Partei un- katholischer Soziallehre. Das ist Schulmeister: Das ist so aber auch nichts anderes. Das ist State nicht gemeint. Es geht darum, wählbar, geht aus meiner Sicht of the Art einer fehlgeleiteten Politikberatung − quer durch alle Aussagen der katholischen und dass man logisch prüft: Sind die nicht, weil man da bei jeder Partei Parteien. evangelischen Kirchen kompa- FORTSETZUNG AUF DER NÄCHSTEN SEITE DIE FURCHE · 37 12 Diskurs 12. September 2024 IHRE MEINUNG Schreiben Sie uns unter leserbriefe@furche.at Worauf es jetzt ankommt Sein Reich komme? Von Doris Helmberger Nr. 35, Seite 1 Für diesen Leitartikel möchte ich mich herzlich bedanken. Er vermittelt, worauf es uns als Christen wirklich ankommt. Für die kommenden Nationalratswahlen ist diese Darstellung der gegebenen Situation besonders mutig und auch wichtig. Danke! Sr. Maria Assunta Schäfer (Sieglinde) Unterscheidungshilfe wie oben Herzlichen Dank für diese Unterscheidungshilfe! Schön, dass die Chefredakteurin ihre Verantwortung in dieser Weise wahrnimmt! Johann Karner, via Mail Unpassende Frage Dürfen Christen FPÖ wählen? Debatte zwischen Wolfgang Mazal und Stephan Schulmeister Nr. 36, Seiten 9–10 Ich schätze es sehr, dass sich DIE FURCHE ausführlich mit Wahl und deren Hintergründen auseinandersetzt. Statt Reparationen tiefere Erinnerung „Heiliger Newcomer“ Unheimliches Vermächtnis 85 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen soll Um die Geschichte, wie ein Splitter des Kreuzes Der Band „Miserere“ versammelt letzte Texte der ein neues Projekt in Berlin der Anerkennung pol ni- Christi in die südspanische Ortschaft Caravaca im Jänner verstorbenen österreichischen Autorin schen Leides Raum geben. · Seiten 6–7 kam, ranken sich Legenden. · Seite 8 Helena Adler. · Seite 15 Das Thema der Woche Seiten 2–4 „Euer Wille geschehe“, lässt Herbert Kickls FPÖ neuerdings plakatieren. Die Botschaft ist mehr als Blasphemie: Sie beschwört das Ende der parlamentarischen Demokratie, wie wir sie kennen. Sein Reich komme? E Welche Werte wir wählen: Freiheit Politik lebt von großen Ideen. Doch wie sehr kämpfen Österreichs Parlamentsparteien tatsächlich für ihre Ideale? Start der neuen FURCHE-Wahlserie. Folge 1: Liberalismus und Neos. „ ,Unterscheidung der Geister‘: Auf diese Gabe kommt es bis zur Nationalratswahl am 29. September an. “ GLAUBENSFRAGE Detail Flussmündung (Segelboote in leichter Brise) Jan van Goyen 1655; Foto: Getty Images / Universal Images Group / Sepia Times Foto: APA / Land Salzburg / Neumayr / Leopold / Neumayr Fotografie / Christian Leopold „Das Auto hat geschaukelt“ Pflanzenforscher Jiří Friml wurde diesen Sommer mit dem renommierten Wittgenstein-Preis ausgezeichnet. Ein Porträt. · Seite 20 „Das Vaterland versteckst du nicht einfach in der Tasche“ Nina Chruschtschowa lehnt das Politsystem von Putin ab. Trotzdem, vielmehr gerade deswegen sieht sie sich als Russin in der Verantwortung. Warum, erklärt sie im Interview. Seiten 13–14 AUS DEM INHALT Was ist der Geist von Alpbach? Alles ist eine Hetz „Ein singuläres Original“ Antiker Alltag Der Saibling in Bedrängnis furche.at Eine Frage dieses Streitgesprächs finde ich aber äußerst unpassend: „Wie groß ist das Risiko, dass man von kirchlicher Seite Menschen verliert, wenn man klar sagt, ihr sollt nicht FPÖ wählen?“ Diese Frage geht davon aus, dass die Kirche bei ihren inhaltlichen Positionen vorwiegend darauf achtet, niemanden vor den Kopf zu stoßen. Doch das wäre schrecklich! Die Aufgabe der Kirche ist es ja gerade, die Botschaft Jesu und seine Werte zu verkündigen – und nicht, auf die Beliebtheit bei ihren Mitgliedern zu schielen. Das machen – leider – politische Parteien. Johannes Missoni-Paul, 1190 Wien Ungeheuerliche Anmaßung wie oben In diesem Doppelinterview erlaubt sich Stephan Schulmeister eine ungeheuerliche Anmaßung, indem er allen FPÖ-Wähler kollektiv abspricht, „wirkliche Christen zu sein“. Wer ist er, sich ein derartiges Urteil zu erlauben? Seine persönliche Haltung zu der angesprochenen Partei sei ihm unbenommen. Auch ist es legitim und wichtig, auf viele problematische Positionen hinzuweisen. Doch mit dieser Aussage hebt sich Schulmeister auf eine Ebene, die ihm nicht zusteht. Wohltuend in diesem Interview war hingegen, dass mit Wolfgang Mazal ein besonnener Konterpart viele der bedenklichen Aussagen Schulmeisters zurechtrückte und argumentativ plausibel entkräftete. Mag. Alexander Lesigang 1230 Wien Was ist „soziale Kohäsion“? wie oben Wenn Wolfgang Mazal mehrfach eine „soziale Kohäsion“ einfordert, hat er anscheinend ein paar stattgefundene übersehen. Der „Herr Karl“ bzw. Thomas Bernhards „Heldenplatz“ haben eine solche ausgelöst. Andererseits hat uns Wolfgang Ambros aus der Seele gesungen im „Hofa“ („... tat’s mir den Hausfried’n net stör’n“)! Letzteres würde auch gleich die missglückte Suche nach einer „Leitkultur“ zu einem guten Ende bringen. Mit oder ohne „Burg“. Oskar Grollegger, Deutschlandsberg Verletzlichkeit statt Festung Wie christlich wählen? wie oben In Ostdeutschland haben die bischöflichen Warnungen vor der AfD nichts genutzt.In Österreich gibt es gleich gar keine vergleichbaren Aussagen. Täte das Not? – Ein Streitgespräch. V Foto: Clemens Fabry Religion Dürfen Christen FPÖ wählen? „ Es kann Situationen geben, in denen man sagt: Ich muss das, was ich vor der Wahl gesagt habe, verändern. “ Wolfgang Mazal 9 Kontroverse Spätestens seit dem FPÖ-Plakat „Euer Wille geschehe“ erhebt sich die Frage, wen man als Christ noch wählen kann. Dabei ist es eigentlich ganz einfach, „christlich“ zu wählen, wenn man sich dabei nur an die drei Grundsätze hält, die die ökumenische Weltversammlung vor vielen Jahren definiert hat: „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“. Mit ein wenig Nachdenken kommt man bei allen drei Begriffen auf vieles, worum es dabei geht. Zum Beispiel „Frieden“: Wie friedlich gehen wir miteinander um? Ist unsere Sprache friedlich oder hasserfüllt oder hetzerisch? Wie sieht es mit der „Gerechtigkeit“ aus? Haben nur wir ein Recht auf ein schönes Leben, andere aber nicht? Wie sieht es mit dem „Bewahren der Schöpfung“ aus? Mit dem Schutz der Natur, der Artenvielfalt, der Landwirtschaft, der Tierhaltung, dem Klima? Das sind nur ganz wenige Gedanken zu diesen drei christlichen, gesellschaftlichen Tugenden. Und dann können wir ganz nüchtern überlegen, welche Parteien diesen Anforderungen gerecht werden – und aus christlicher Sicht wählbar sind. Wolfgang Ortner, 4600 Wels Wo bleibt das Ökosoziale? Datenanalyse von Wahlkabine.at und Wahlprogrammen von Neos und Grünen Von Maximilian Hatzl Nr. 35 und Nr. 36, jeweils Seite 3 Von Hildegund Keul Während sich die Neos gesellschaftspolitisch von den Grünen weniger unterscheiden und sie bei „Freiheit“ auch nahe beieinander liegen, trennen sie wirtschaftspolitisch Welten, was sich auch darin zeigt, dass zum Beispiel Gerechtigkeit (gemeint wohl besonders die soziale) nach der Nachhaltigkeit und Sicherheit bei den Grünen an dritter Stelle liegt, dagegen bei den Neos erst an fünfter und letzter Stelle, wie Maximilian Hatzl in seiner Datenanalyse zeigt. So wie der ehemalige Vizekanzler Josef Riegler (ÖVP) mit seiner Erfindung einer christlich motivierten ökosozialen Marktwirtschaft bei seiner Partei frühzeitig in Ungnade gefallen ist, so ist es nun auch den Grünen ergangen. Die Attacken auf Klimaministerin Gewessler und Umwelt-NGOs passen ins Bild. Karl Semmler, 8283 Bad Blumau Mut zum Blickwechsel Unmenschliche Untiefen Von Vedran Džihić Nr. 34, Seite 6 sowie „Wir machen es uns zu einfach“ Interview mit Patricia McAllister-Käfer, Nr. 34, Seite 16 Danke, liebe FURCHE, für den Mut zu Beiträgen wie dem von Vedran Džihić! Außerdem danke für Patricia McAllister-Käfers Gedanken! An erster Stelle für die Idee, ab und zu den Blickwinkel von vulnerablen Personen einzunehmen. Ganz allgemein ist es unabdingbar, uns immer wieder in die Situation anderer Menschen hineinzuversetzen. Ja, auch für den Journalismus kann das wertvoll sein! Es geht nicht nur darum, dass auch deren Welt – die der Menschen mit Behinderungen beispielsweise – in den Medien abgebildet sein soll. Es geht auch und vor allem darum, wie viel wir von ihrer Lebensrealität lernen können! Außerdem gefällt mir der Aspekt, mehr als drei Linien der Berichterstattung in die Welt der Medien einzubringen. Drei sind wohl bereits besser als nur die zwei Pole – Apokalypseund „Alles wird gut“-Erzählungen –, aber indem wir möglichst viele Wege sehen und davon berichtet bekommen, weitet sich unser aller Blickwinkel. Genau das brauchen wir! Als Nächstes unterstreiche ich die Idee des Arbeitens an unserer „Zukunftsgestaltungskompetenz“. Ja, wir haben Einfluss auf unsere Zukunft, und ja, dazu müssen wir auch der Realität ins Auge schauen und nicht an schöngefärbte Märchen glauben. Zuletzt: Selberdenken und sich selbst Hinterfragen als wesentlichste Kompetenzen von angehenden JournalistInnen – mögen Sie erhört werden! Angelika Delfs, Bruck/Leitha Auch bei der September-Bonus- Ziehung geht es wieder um einen Extra- Bonus in Höhe von 300.000 Euro. Marcel Kilic am Freitag, den 13. im Lotto Studio Journalist, Podcaster und Ö3-Moderator Marcel Kilic „entführt“ bei der „Starnacht“ wieder das Publikum. Und zwar hinter die Kulissen dieses Musik-Spektakels, diesmal in der Wachau in Niederösterreich. Doch gut eine Woche davor, ausgerechnet am Freitag, den 13. (September), tritt er noch schnell vor die Kulissen. Vor jene des Lotto Studios, wo er die Lotto Bonus Ziehung präsentiert. Dabei geht es nicht nur um die „sechs Richtigen“, sondern auch wieder um einen Bonus- Gewinn in Höhe von 300.000 Euro, der unter allen am Freitag, den 13. September 2024 an der Bonus-Ziehung mitspielenden Lotto Tipps verlost wird. Annahmeschluss für die Bonus- Ziehung ist am Freitag, den 13., um 18.30 Uhr, die Ziehung gibt es um 18.47 Uhr live in ORF 2 zu sehen. Marcel Kilic, Freitag, der 13. und 300.000 Euro extra – das sind die Zutaten für die nächste Lotto Bonus-Ziehung Foto: ORF / Günther Pichlkostner In aktuellen politischen Konflikten zeigt sich die menschliche Vulnerabilität besonders machtvoll als treibende Kraft. Denn der Rechtspopulismus verfolgt eine geschickte Strategie. Er schürt das Gefühl, dass man selbst, das eigene Land, die eigene Heimat, die eigene Religion in besonderem Maß verwundbar seien und daher mit allen Mitteln geschützt und verteidigt werden müssten. Mit allen Mittel bedeutet: auch mit der Anwendung von Gewalt. Vulnerabilität dient der Begründung für Vulneranz. Dabei reicht es völlig aus, in Menschen das Gefühl zu schüren, besonders verwundbar zu sein, auch wenn dies einer Überprüfung nicht standhält. Rechtspopulismus verhindert, dass die extrem hohe Vulnerabilität von Menschen auf der Flucht vor politischer Verfolgung, vor Folter und Krieg politisches Gewicht erlangt. Sie wird kleingeredet und verdrängt. Verständlicherweise ist die eigene Vulnerabilität im wahrsten Sinn des Wortes naheliegender. Sie drängt sich schneller auf, weil sie stärker zu spüren ist. Das führt jedoch zu Ungerechtigkeiten, die das humane Zusammenleben einer Gesellschaft und das freundschaftliche Verhältnis von Nachbarstaaten untergraben. Gegenwärtige Debatten über Grenzkontrollen zwischen Österreich und Deutschland lassen hier nichts Gutes erahnen. Das Christentum steuert dem Rechtspopulismus mit einer Strategie entgegen, die jeder Mensch und jede Politik alltäglich praktizieren kann. Schau bei anderen Menschen, Staaten, Religionen auf deren Vulnerabilität und gib ihr besonderes Gewicht. Und schau bei dir selbst auf das Vulneranzpotenzial, das das eigene Handeln freisetzt. Europa bleibt nicht christlich, indem es immer mehr Festungen installiert, sondern indem es beherzt diese Strategie praktiziert. Auch und vor allem an den Landesgrenzen. Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg. RELIGION IN KÜRZE ■ FPÖ attackiert Katholisch-Theologische Fakultät In einer Parlamentarischen Anfrage an Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) hat die FPÖ die Katholisch-Theologische Fakultät (KTF) der Uni Wien und die Katholische Sozialakademie (ksoe) angegriffen. Ausgangspunkt ist der Leitfaden „Christlich verantwortlich wählen“, den die beiden Institute gemeinsam veröffentlichten. Der KTF wirft die FPÖ „Dirty Campaigning auf Kosten der Steuerzahler“ vor. RELIGION ■ Erster Anas-Schakfeh-Preis in Wien vergeben Mit dem Preis werden Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich um Menschenrechte, den Dialog der Religionen und die Förderung von Frauen Verdienste erworben haben. Prämiert wurden die Theologin Susanne Heine, die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger sowie die Wissenschaftsmanagerin Elvira Welzig. Anas Schakfeh war von 1997 bis 2011 Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.
DIE FURCHE · 37 12. September 2024 Theater 13 Von Christine Ehardt Ein Motto wollte der neue Burgtheaterchef Stefan Bachmann zum Start seiner Direktionszeit, anders als sein glückloser Vorgänger Martin Kušej, nicht ausgeben, eine erste Leitlinie wurde dann aber doch von ihm benannt: „Vielfalt“ soll im Haus am Ring einziehen, und tatsächlich startet das erste Premierenwochenende bunt, sogar kunterbunt. Passend dazu leuchten in Karin Henkels skurril-fantastischer Inszenierung der Shakespeare-Tragödie „Hamlet“ die düsteren Wolken über dem dänischen Königreich in grellbunten Farben (und damit passend zum Farbdesign des neuen BURG-Layouts), in Bachmanns eigener Regie arbeit „Johann Holtrop“, die der Neo-Chef aus Köln mitbrachte, sind es vielfältige Genres, die sich in dieser Groteske um Aufstieg und Fall eines selbsternannten Finanzgenies zu einem musikalisch-thea tralen Sprachballett verbinden, und in Therese Willstedts Dramatisierung des queer-feministischen Virginia-Woolf-Klassikers „Orlando“ im Akademietheater wird die Geschlechtervielfalt gefeiert. Familienposse Hamlet Mit der deutschen Theatermacherin Henkel holt Bachmann eine versierte Shakespeare-Umbauerin ins Haus. Ihr 2021 bei den Salzburger Festspielen gezeigter „Richard the Kid & the King“ überzeugte als blutgetränktes Psychogramm eines Serienkillers. Am Burgtheater macht sie nun aus dem vielinszenierten Königsdrama eine verspielt-ironische Familienposse. Gleich zu Beginn tummeln sich auf der in Schwarz gehaltenen und nur mit drei übergroßen Kreispodesten ausgestatteten Bühne ein paar Dutzend Geister in Leintücher gehüllt, um den Mord an Hamlet senior anzuprangern. Unter der Geisterschar verbirgt sich auch der Königsmörder Claudius (wie immer überzeugend Michael Maertens), der sogleich das (Regie-)Zepter in die Hand nimmt und nach mehr Natürlichkeit in der Darstellung („nehmt einfach den Druck raus, spielt menschliche Kunstfiguren“) ruft. Die Hauptfigur splittet Henkel auf. Gleich fünf Hamlets teilen sich die facettenreichen Charakterzüge des von Albträumen, Racheplänen und Selbstzweifeln getriebenen Prinzen: Von dämonisch (herausragend Benny Claessens), schwermütig (Katharina Lorenz) über bockig (Marie-Luise Stockinger) bis hin zu weinerlich (Alexander Angeletta) und verwegen (Tim Werths) ist alles dabei. Diesen bunten Strauß an Verhaltensauffälligkeiten zu kontrollieren, fällt den genervten (Stief-)Eltern Claudius und Gertrude (urkomisch sowohl in englischer als auch in deutscher Sprache: Kate Strong) nicht leicht. Da müssen einige Ränkespiele her, um den Machterhalt zu sichern und den Junior in Zaum zu halten. Großartig, wenn Stockinger und Angeletta als Rosencrantz und Guildenstern, in puppenhafter Lethargie erstarrt, sich von Maertens und Strong wie Marionetten dirigieren lassen, um Hamlet auszuspionieren, oder der Ertrinkungstod Ophelias (Stockinger) vom Königspaar durch eine Plastikflaschendusche ausgeführt wird. Es wird mit Witz und Charme gespielt, ohne die Düsternis und Komplexität des Originals Foto: Lalo Jodlbauer Mit Witz und Charme spricht, singt und tänzelt das Ensemble des Burgtheaters unter der Leitung des neuen Direktors, Stefan Bachmann, in die neue Saison. Große Vielseitigkeit zeichnet das Programm und die ersten Produktionen aus. Fünf Hamlets, sieben Orlandos und ein neuer Burg-Chef zu zerstören. Dass am Ende des zweiten Teils die Kindereien überwiegen, lässt einen werktreuen Zuschauer dann aber doch nicht mehr kalt: „Wo ist Shakespeare?“, hört man rufen, der Rest des Publikums zeigt sich aber begeistert von diesem famosen Schabernack. Augenzwinkernde Märchenreise Weniger euphorisch, aber immerhin freundlich fällt der Schlussapplaus zur wortgewaltigen Inszenierung des Hausherrn aus. 2023 am Schauspiel Köln uraufgeführt und mit dem Faust-Theaterpreis ausgezeichnet, ist „Johann Holtrop“ die gelungene Dramatisierung des 2012 veröffentlichten Romans von Rainald Goetz, der hier die reale Figur des deutschen Managers Thomas Middelhoff zur Vorlage für seine historische Studie vom „Abriss der Gesellschaft“ (so der Untertitel) nimmt. Bachmann macht daraus eine dramaturgisch fein gebaute, aber langatmige Theaterballade, das achtköpfige Ensemble spricht, singt und tänzelt zur live gespielten Musik eines versierten Konzertquartetts (unter der Leitung von Sven Kaiser). Die Bühne für diese musikalische Theaterreise ist von vertikal gespannten dünnen Seilen durchzogen, um die sich die Schauspielerinnen (zwei von ihnen, Rebecca Lindauer und Ines Marie Westernströer, wechseln als feste Ensemblemitglieder von Köln nach Wien) virtuos herumwinden. Die Titelrolle des „Entscheidungshysterikers“ spielt Bachmanns Ehefrau Melanie Kretschmann, die bereits von 2007 bis 2013 zum Burgtheatercast zählte. Kretschmann besticht als aalglatter Firmenchef im blauen Anzug mit weißblonder Kurzhaarperücke und mit Rockabilly-Attitüde. Die Erfolgskurve des egomanischen Jungunternehmers fällt nach dessen steilem Anstieg zur Jahrtausendwende im Zuge der Finanzkrise von 2008 rasant abwärts, das Ende fällt dementsprechend letal aus. Dass man als Zuschauer trotz temporeicher Dramaturgie bald das Gefühl bekommt, selbst in den Seilen zu hängen, liegt am handlungsarmen, aber textreichen Sprechgesang, der sich meist auf einem brüllend lauten Lärmniveau bewegt. Inhaltlich mutet das Stück veraltet an, bleibt thematisch jedoch noch immer brandaktuell. Leider sucht man in Bachmanns Arbeit vergeblich nach den Anknüpfungspunkten zur Gegenwart. Als eine „Biographie, die im 16. Jahrhundert beginnt und bis zum heutigen Tag führt“, hatte Woolf ihren 1928 erschienen Roman über Geschlechternormen und Geschlechtergerechtigkeit beschrieben. In der Inszenierung der schwedischen Regisseurin Willstedt am Akademietheater wird das literarische Meisterwerk der rebellischen Autorin zu einem leichtfüßigen und fantasievollen Roadtrip durch die Jahrhunderte (Dramenfassung Tom Silkeberg); herrlich gespielt von Elisabeth Augustin, Stefanie Dvorak, Markus Meyer, Martin Schwab, Nina Siewert und Itay Tiran sowie dem ebenfalls von Köln nach Wien gewechselten Seán McDonagh. Vor einem transparenten Vorhang aus Plastikstreifen lassen die sieben Orlandos, die sich beständig verändernden Kulturen, Normen und Klimaverhältnisse Jahrhundert- Roadtrip Ideenreich inszeniert die schwedische Regisseurin Therese Willstedt Virginia Woolfs Meisterwerk „Orlando“ als leichtfüßigen und fantasievollen Roadtrip. Die vielen Facetten der Hauptfigur werden von sieben Schauspielerinnen und Schauspielern verkörpert. „ ‚Vielfalt‘ soll im Haus am Ring einziehen, und tatsächlich startet das erste Premierenwochenende bunt, sogar kunterbunt. “ Revue passieren. Auf den adeligen Günstling am elisabethanischen Hof und einer kleinen Eiszeit folgt ein Jahrhundert später unterm strohbedeckten Sonnenschirm die Verleihung des Herzogtitels im überhitzten Klima Konstantinopels (Tiran mit barocker Prachtperücke und Einhorn-Schwimmreifen). Mit der Verwandlung zur Frau im 18. Jahrhundert (die Metamorphose wird von Meyer mit viel Verve vollzogen) bremst sich die Karriere jedoch schnell ein. Stattdessen prasseln Reifröcke, absurde Unterwäschemodelle und damit einhergehend die steifen Verhaltensregeln für eine Dame herab („Wer hat sich das ausgedacht? Die Natur sicher nicht.“). Erst ein Seemann hoch zu Ross kann dem englischen Regenwetter trotzen und das Herz der einsamen Zeitenwanderer erobern. Es ist eine augenzwinkernde und charmante Märchenreise, die die Zuschauer zwei Stunden lang in den Bann zieht. Anhaltender Applaus quittiert diese letzte Premiere am BURG-Auftaktwochenende. Insgesamt kein schlechter Start für Bachmann, der mit diesen drei so unterschiedlichen Produktionen sicherlich breite Publikumsschichten anzusprechen vermag.
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