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DIE FURCHE 12.01.2023

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DIE FURCHE · 2 4 Das Thema der Woche Was die Welt satt macht 12. Jänner 2023 Kreislaufwirtschaft Mit ihrer Kombination aus Biogasanlage und Algenfarm schaffen der Niederösterreicher Karl Pfiel (li.) und der Israeli Elad Zoha eine in Kreislaufwirtschaft funktionierende Landwirtschaft. Von Wolfgang Machreich So wie die klappernde Mühle am rauschenden Bach in der Vergangenheit für ausreichende Lebensmittelproduktion gestanden ist, so könnte in der Zukunft das klappernde Schaufelrad im Algenbecken zum Symbol einer neuartigen wie hochwertigen Nahrungsmittelherstellung werden. Den Bauernhof von Karl Pfiel in Sitzenberg- Reidling im Tullner Becken gibt es seit der Zeit der klappernden Mühlen. Heute betreibt Pfiel auf seinem Hof das Start-up- Unternehmen „Rohkraft Green“. Aus dem Landwirt ist ein Algenwirt geworden, die bäuerliche Nähe zur Natur und zu den auf seinem Hof erzeugten Produkten ist aber dieselbe geblieben: „Wir sind keine Schraubenfabrik, wo alles immer nach dem gleichen Muster und mit dem gleichen Ergebnis abläuft“, sagt er und stellt eine unlogisch-logische Rechnung auf: „Bei uns ergibt eins plus eins nicht immer zwei. Es kann auch einmal 1,5 und das andere Mal 2,5 rauskommen, denn Algen sind Lebewesen, verhalten sich je nach Luftdruck oder Lichtverhältnissen anders. Gerade das gefällt mir als Bauer, das ist das Interessante und Schöne an meinem Beruf.“ Nur 0,2 Prozent in der EU erzeugt Niemand Geringerer als die EU-Kommission möchte jetzt dafür sorgen, dass dieser schöne und interessante Beruf des Algenbauers auch zukunftsträchtig und lukrativ wird. Mitte November des Vorjahrs präsentierte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius die Initiative für einen „starken und nachhaltigen EU-Algensektor“. Mit zwei Dutzend Maßnahmen will die Kommission die im „embryonalen Stadium“ befindliche Algenproduktion in Europa zu einem Wirtschaftssektor entwickeln, der die wachsende Nachfrage in der EU decken kann. 2017 wurden fast 36 Millionen Tonnen Algen produziert, rechnet die Kommission vor. Nur 0,2 Prozent davon wurden in der EU erzeugt. Gleichzeitig gehören die EU-Länder zu den größten Importeuren von Algenprodukten weltweit. Sollte der politische Algenturbo in den kommenden Jahren den erwünschten Schwung in der Algenproduktion auslösen, erwartet sich die Kommission, dass europäische Erzeuger bis 2030 fast ein „Biobauern: Landwirtschaft wie aus dem Kinderbuch“ (7.4.2021) ist ein anderes Lesestück von W. Machreich zu nachhaltiger Bauernarbeit; nachzulesen unter furche.at. Um den enormen Kaufkraftabfluss nach Asien zu verringern, will die EU-Kommission die europäische Algenproduktion ausbauen. Eine Algenfarm in Niederösterreich zeigt, wie das geht. Baden unter Lichtröhren bei 47 Grad Celsius Drittel der Nachfrage oder rund 2,7 Milliarden Euro von insgesamt 9,3 Milliarden Euro abdecken. „Dies würde jährlich rund 5,4 Millionen Tonnen CO₂ einsparen und zusätzlich 85.000 Arbeitsplätze schaffen“, sagt Sinkevičius. Als Anwendungsgebiete für Algen sieht der Kommissar deren Nutzung als gesundes, kalorienarmes und proteinhaltiges Nahrungsmittel genauso wie für Tierfutter, Arzneimittel, biobasierte Kunststoffe, die Papier- und Kleidungsproduktion oder die Verwendung als Biokraftstoffe. Auf die Frage, warum Europa bisher die Algenproduktion vernachlässigt habe, antwortete Sinkevičius, dass dieser Wirtschaftssektor „noch relativ neu“ sei und es „an Wissen und Technologie“ fehle. „ Unser System zeigt, dass Algenproduktion auch unter nicht optimalen klimatischen Bedingungen und in Ländern mit hohen Arbeits- und Energiekosten wirtschaftlich möglich ist. “ Die Aussage zeigt, dass der EU-Umweltkommissar noch nie in Sitzenberg-Reidling war, noch nie unter Karl Pfiels Folientunneln, neben den Algenbecken und den klappernden Schaufelrädern gestanden ist. „Die EU-Initiative kommt leider mit zehn Jahren Verspätung“, sagt Elad Zohar, „wir hatten diese Vision nachhaltiger Algenproduktion bereits Anfang der 2010er Jahre und haben seither an ihrer Umsetzung gearbeitet.“ Zohar stammt aus Israel und ist als Biologe und Experte für Aquakultur- und Algenprojekte der zweite Gründervater der Algenfarm in Sitzenberg-Reidling. Warum er sich auf seiner Suche nach einem idealen Standort für die Algenproduktion gerade für den Pfiel-Hof in der Mitte von Niederösterreich entschieden hat, erklärt er mit seinem Ziel der Umsetzung einer konsequenten Kreislaufwirtschaft: Die Biogasanlage auf dem Bauernhof liefere die erforderliche Wärme für die Algenzucht, genauso wie den Strom für die Schaufelräder, für die Wasserumwälzung und die zusätzliche Beleuchtung der Becken in sonnen armen Zeiten. In der Landwirtschaft gewonnene Nährstoffe und anfallendes CO₂ werden ebenfalls für die Algenzucht genützt, während die Reststoffe aus der Algenproduktion wieder in die Biogasanlage kommen. Foto: Wolfgang Machreich Folientunnel und die Strategie dahinter „Mit diesem in Europa ziemlich einzigartigen System können wir zeigen, dass die Algenproduktion auch unter nicht optimalen klimatischen Bedingungen und in Ländern mit hohen Arbeits- und Energiekosten wirtschaftlich möglich ist“, sagt Zohar. Wäre EU-Umweltkommissar Sinkevičius bei diesem Rundgang durch die Algenfarm dabei, würde er im Folientunnel und neben den Algenbecken große Augen über die hier schon erledigte Umsetzung seiner Algenstrategie machen; und nicht nur beim Klappern der Schaufelräder, sondern bei dieser Ansage des Biotechnologen die Ohren spitzen: „In Europa gibt es tausende Biogasanlagen, die sich als Energiestationen für Algenfarmen anbieten und bei denen unser Steckbauweisemodell sehr einfach und schnell umgesetzt werden könnte.“ Derzeit genießen die Algen in Sitzenberg- Reidling eine Art „Winterkur“, baden unter Lichtröhren und bei lauschigen 47 Grad Celsius in dem als Versuchs labor mit zig Messstationen ausgestatteten Algenbeckenprototyp. „Jetzt schaut alles friedlich aus“, sagt Elad Zohar, „man sieht gar nicht mehr, was wir bei der Erfüllung der unzähligen behördlichen Auflagen bis zur Umsetzung unserer Ideen Blut geschwitzt haben.“ Algenbauer Pfiel steht neben seinem Partner, schaut ins Narrenkastl seiner Erinnerungen, nickt und meint: „Wir kennen ja die Bürokratie in Österreich, noch dazu, wenn man mit etwas noch nie Dagewesenem, völlig Fremdem und Neuem daherkommt.“ Minister Totschnig (ÖVP): „Lücke füllen!“ Nach der Präsentation der EU-Algeninitiative in Brüssel bestätigte Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP), dass es zwischen Nachfrage und Angebot in Europa eine große Lücke gibt, „die es gilt aufzufüllen“. Von der FUR- CHE über konkrete Vorhaben für mehr Algen aus europäischer bzw. österreichischer Produktion befragt, antwortet der Minister: „Bis das ganze Potenzial von Algen in Europa sowie auch in Österreich ausgeschöpft werden kann, sind intensive Forschungsund Entwicklungsarbeiten notwendig. Ziel ist, Produkte aus Algen und dazu notwendige Technologien marktreif zu gestalten. Hier ist Österreich gemeinsam mit Tschechien mit dem Projekt ‚Algae4Fish‘ bereits aktiv.“ In diesem Programm geht es um das Recycling von Nährstoffen aus agroindustriellen Reststoffen durch die Kultivierung von Mikro algen für Fischfutter. Im Gegensatz zu Makroalgen, die aus Wildbeständen geerntet oder in Aquakulturen gezüchtet werden, gehören auch die auf der Algenfarm von Karl Pfiel und Elad Zohar geernteten Spirulina-Algen zur Gattung der Mikroalgen. Aber diese nach höchsten Qualitätsstandards gezüchteten und zertifizierten Algen sind nicht, wie man auf gut Österreichisch sagt, „für die Fisch“. Acht Produkte unter dem Markennamen „Spirulix“, darunter Müsli in diversen Sorten, Knabbergebäck, Schokolade oder Spirulinapulver als Nahrungsergänzungsmittel, stehen auf der Sortimentsliste. Inklusive der Garantie von Algenwirt Pfiel, dass der Geschmack seiner Algen genauso einzigartig ist wie ihre Herkunft „nach Reidlinger Art“. Nächste Woche im Fokus: Schwanger zu sein ist heute sicherer als jemals zuvor, dennoch gehen viele Frauen eher mit Sorgen und Ängsten als mit guter Hoffnung in und durch diese Zeit. Wer fängt die Nöte werdender Mütter auf? Und welche Rolle spielt der Eltern-Kind-Pass für einen guten Start ins Leben?

DIE FURCHE · 2 12. Jänner 2023 International 5 Nepotismus und Korruption sind prägende Elemente von Viktor Orbáns Regierungsstil. Wie Brüssel versucht, dem Einhalt zu gebieten – und ob es Chancen gibt, dass das gelingen kann. Von Ralf Leonhard Kurz vor Weihnachten wurde Ungarns Regierungschef Viktor Orbán reich beschenkt: In Brüssel flog die Korruptionsaffäre rund um die griechische Sozialdemokratin auf. Fotos mit einem Koffer voller Geldscheine, mit dem das Emirat Katar die Gunst der Abgeordneten erkauft haben soll, wurden in der Regierungspresse mit viel Häme kommentiert. Genüsslich twitterte Orbán ein Meme mit Menschen, die sich vor Lachen biegen, und der Bildunterschrift: „Das Europäische Parlament ist ernsthaft besorgt über die Korruption in Ungarn.“ Die Wochen davor waren geprägt gewesen vom Gezerre zwischen Brüssel und Budapest über Milliarden aus dem Kohäsionsfonds zur Förderung strukturschwacher Gebiete. Ungarn muss konkrete Schritte zur Bekämpfung der ausufernden Korruption nachweisen. Dass letzten Endes statt 7,5 nur 6,3 Milliarden Euro eingefroren wurden, verkaufte Orbán zu Hause als großen Erfolg. Wenige Tage später folgte die kalte Dusche: Die EU-Kommission will in den kommenden fünf Jahren insgesamt 22 Milliarden Euro an verschiedenen Fördermitteln für Ungarn zurückhalten. Das sind 65 Prozent der für Ungarn vorgesehenen Mittel. Wegen rechtsstaatlicher Bedenken. Da geht es um das Fundament des Systems Orbán. In den vergangenen zwölf Jahren seiner Herrschaft hat er die Verfassung mehrmals zu seinen Gunsten umgeschrieben, das Wahlgesetz für seine Bedürfnisse zurechtgezimmert, oppositionelle Medien ausgeschaltet, Justiz, Forschung und Wissenschaft weitgehend unter seine Kontrolle gebracht und in allen wichtigen Institutionen Leute seines Vertrauens installiert, die auch im Falle eines Regierungswechsels in seinem Sinn entscheiden würden. Dazu gehört auch die Staatsanwaltschaft, die alle Recherchen der EU-Antikorruptionsagentur OLAF in Windeseile schubladisiert hat. Der Europäischen Staatsanwaltschaft, die selbst Zugriff auf die Strafverfolgung in den Mitgliedsländern hat, ist Ungarn wohlweislich nicht beigetreten. Geld für Günstlinge Bevor jetzt also die Gelder aufgetaut werden, muss Ungarn nachweisen, dass die geförderten Programme der EU-Grundrechtecharta entsprechen. Das Verfahren ist also unabhängig vom bisher angewandten Rechtsstaatsmechanismus. Die Brüsseler Behörden werden besonderes Augenmerk auf die akademische Freiheit und das Recht auf Asyl legen. Beide sind de facto derzeit nicht gewährleistet. Der Zugang von Kindern zu Informationen über nichtheterosexuelle Lebensformen ist sogar per Gesetz ausgeschlossen. Will Orbán der EU entgegenkommen, hat er innenpolitisch gehörigen Erklärungsbedarf, denn das Gesetz zum „Schutz der Kinder vor homosexueller Propaganda“ war als große Errungenschaft verkauft worden. Dass Ungarn ein reales Problem mit Korruption und Rechtsstaatlichkeit hat, erfahren die Menschen aus den staatlich gelenkten Medien nicht. Auf dem Index der Antikorruptionsagentur „Transpar en cy International“ lässt Ungarn von den EU-Staaten nur noch Bulgarien hinter sich. Das Land „ Ungarn verzeichnet schon jetzt die höchste Inflation in der EU und die höchste Teuerung. Ein Preisauftrieb von bis zu 15 Prozent wird erwartet. “ befindet sich auf dem Niveau von Staaten wie Ghana, Kuweit und Senegal. Verwandte und Günstlinge von Orbán sind in den vergangenen Jahren durch Staatsaufträge reich geworden. „Transparency International“, das in Ungarn nur dank internationaler Finanzierung arbeiten kann, gilt als „ausländischer Agent“ und als Instrument von Orbáns Lieblingsfeind, dem milliardenschweren Spekulanten und Förderer liberalen Gedankenguts George Soros. Dass die auf Druck Brüssels vorgesehene „Integritätsbehörde“ wirklich dem systematischen Missbrauch von EU-Geldern Einhalt gebieten wird, muss sie erst unter Beweis stellen. Der Politologe Péter Krekó vom sozialliberalen Thinktank „ Political Capital“ glaubt nicht an echte Zugeständnisse. „Wir können nicht von einem Löwen erwarten, dass er von einem Moment auf den anderen Vegetarier wird“, sagte er der Deutschen Welle. Ein Abgehen von Nepotismus und Korruption würde bedeuten, „dass enge Mitarbeiter oder Familienmitglieder vielleicht sogar ins Gefängnis kommen würden“. Daniel Freund, Berichterstatter der Grünen zum Rechtsstaatsmechanismus im Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments, setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die EU Ungarn mit wirksamen Mitteln zur Ordnung ruft. Er freut sich über das Zurückhalten der Gelder: „Viktor Orbáns autoritärer Kurs in Ungarn verletzt systematisch europäische Grundrechte. Die Bedingungen für die Auszahlung von EU-Geldern sind damit nicht erfüllt. Es ist absolut richtig, dass EU-Gelder jetzt in diesem Umfang auf Eis gelegt werden.“ Für ihn zeigt die jüngste Entscheidung: „Die EU-Kommission hat die Werkzeuge, um europäische Werte mit dem Hebel der EU-Gelder zu verteidigen.“ Foto: APA / AFP / Alex Halada Vegetarismus für Löwen Kommen die Gelder nicht, wie bereits budgetiert, drohen wirtschaftlich harte Zeiten. Ungarn verzeichnet schon jetzt mit rund 22 Prozent die höchste Inflation in der EU und außerdem die höchste Teuerung. 2023 wird ein Preisauftrieb von bis zu 15 Prozent erwartet. Nach den großzügigen Wahlgeschenken, mit denen Orbán seinen Sieg bei den Parlamentswahlen vom vergangenen April erkauft hat, bleibt wenig finanzieller Spielraum für die Bewältigung der multiplen Krisen. In seinem Jahresrückblick vor der Presse nannte Orbán als wichtigste Herausforderungen für 2023, sich aus dem Krieg in der Ukraine herauszuhalten und eine Rezession zu vermeiden. Eine solche hält Ungarns Notenbankchef György Matolcsy, einst einer der treuesten Weggefährten des Premiers, für sehr wahrscheinlich. Er konnte zumindest den Preisdeckel für Treibstoff stoppen. Dank öffentlicher Subventionierung von Benzin und Diesel konnte man mit ungarischem Kennzeichen monatelang zu 1,20 Euro pro Liter tanken. Damit wurde nicht nur verschleiert, dass auch Ungarn von Russlands Energieerpressung betroffen war. Als einziges Land in der EU konsumierte es mehr Öl und Gas als vor der kriegsbedingten Energiekrise. Orbán versteht seine Position im Ukraine-Konflikt als neutral. Seine Zustimmung zu EU-Sanktionen gegen Russland oder Hilfsgeldern für die Ukraine lässt er sich durch Zugeständnisse Brüssels in anderen Bereichen abkaufen. Mit Putin konnte er gleichzeitig Sonderabkommen über Erdgaslieferungen vereinbaren. Der eigenen Bevölkerung machte er weis, dass die Russland-Sanktionen der EU mehr schadeten als dem Regime Putin. Dass er diesen selbst zugestimmt hatte, verschleierte er. Dass Orbán als einziger EU-Regierungschef von Putin mit Neujahrsgrüßen belohnt wurde, spricht Bände. Grüße aus dem Kreml erhielt Viktor Orbán als einziger EU-Regierungschef zu Neujahr. Gleichzeitig hatte Orbán verlautbaren lassen: „2023 gilt es, sich weiterhin aus dem Krieg in der Ukraine herauszuhalten.“ Lesen Sie hierzu den Text: „Viktor Orbán: Hochhalten der Nichtakzeptanz“ (13.4.2022) von Karl Pfeifer auf furche.at. Geturtel auf dem Balkan Unter dem Titel „Punching above its weight?“ (Boxen über der eigenen Gewichtsklasse?) analysiert der liberale ungarische Thinktank „Political Capital“ den zunehmenden internationalen Einfluss Ungarns. Die kurz vor Weihnachten veröffentlichte Studie sieht Orbáns Bemühungen um Einfluss in der Welt vor allem auf das Überleben des eigenen politischen Systems gerichtet. So wolle er systematische Korruption und den Abbau von Rechtsstaatlichkeit international salonfähig machen. Allianzen suche er weniger mit Staaten als mit gleichgesinnten Parteien wie der polnischen Regierungspartei PiS, den italienischen Fratelli d‘Italia von Giorgia Meloni oder den Republikanern in den USA. Viktor Orbán vertrete die Theorie, dass der Westen seine Vormachtstellung und seine Wertebasis durch „liberale Politiken“ selbst unterhöhle. So setzt sich der ungarische Premier gleichzeitig für gute Beziehungen zu wenig demokratischen Mächten aus dem Osten und für einen Wechsel im politischen Mainstream des Westens ein. Auf dem Balkan turtelt Orbán mit autoritären Nationalisten und Unruhestiftern wie dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, dem ehemaligen slowenischen Premier Janez Janša und mit Milorad Dodik, dem Spaltpilz in Bosnien und Herzegowina. Bei den Wahlen im April konnte die rechtsnationale Regierungspartei Fidesz noch einen Rekordsieg von über 54 Prozent einfahren. Eine im Dezember erhobene Umfrage des linksliberalen IDEA- Instituts sieht Orbáns Partei zwar immer noch unangefochten an der Spitze, doch ist die Zustimmung auf 31 Prozent gesunken. Er kann froh sein, dass 2023 keine Wahlen anstehen und 2024 nur die Abgeordneten zum Europäischen Parlament und die Gemeindevertretungen gewählt werden.

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