DIE FURCHE · 2 14 Literatur & Theater 12. Jänner 2023 Annie Ernaux Seit den 1970er Jahren prägt die französische Schriftstellerin (*1940) die Literaturwelt. Zu ihren Werken zählen „Die Jahre“, „Die Scham“, „Das Ereignis“ und „Das andere Mädchen“. Von Ingeborg Waldinger Unbeholfen war jene Nacht in den 1990er Jahren, die sie mit einem Studenten verbrachte. Mit diesem Befund eröffnet Annie Ernaux die Erzählung „Le jeune homme“ – und ein nächstes Kapitel ihrer in zahlreiche Bände gesplitteten Memoiren. Die schon vor über zwei Jahrzehnten verfasste, knapp 50-seitige Geschichte jener Liaison ist erst 2022 in Frankreich erschienen. Nun liegt sie unter dem Titel „Der junge Mann“ auch auf Deutsch vor, exzellent übersetzt von Sonja Finck. „Wenn ich die Dinge nicht aufschreibe, sind sie nicht zu ihrem Ende gekommen, sondern wurden nur erlebt“, stellt die Nobelpreisträgerin als Motto voran. Erst in der Literatur wird der Rohstoff Leben vollendet. Wie schon in ihren bisherigen Büchern erweist sich die Autorin auch diesmal als schonungslose Beobachterin ihrer Mitmenschen und ihrer selbst. Mit dem einleitenden Bekenntnis, „Ich hatte schon oft Sex, um mich zum Schreiben zu zwingen“, wertet sie die Affäre mit dem studentischen Verehrer als strategische Beziehung. Ganz so einseitig war die Sache freilich nicht. Ihr Liebhaber schenkte ihr Leidenschaft und eine Atempause im Alterungsprozess; sie spendierte ihm Reisen, führte ihn in Literatur, Theater und bürgerliche Sitten ein. Das schien ihr „ein fairer Handel, ein gutes Ge- 2022 erhielt Annie Ernaux den Nobelpreis für Literatur. Nun erscheint mit „Der junge Mann“ ein neues Werk der Französin über Liebe, Tod und das unerbittliche Rad der Zeit. Die verkörperte Vergangenheit schäft, zumal ich diejenige war, die die Regeln bestimmte“. Dies ist als Anspielung auf ein – ebenfalls literarisiertes – Liebesabenteuer mit umgekehrten Vorzeichen zu lesen, auf Ernaux’ obsessive amour fou mit einem jüngeren verheirateten Diplomaten, dessen Willkür und Machtspiele sie in eine fatale Abhängigkeit trieben („Eine vollkommene Leidenschaft“ und „Sich verlieren“). „ Erst in der Literatur wird der Rohstoff Leben vollendet. Wie schon in ihren bisherigen Büchern erweist sich die Autorin auch diesmal als schonungslose Beobachterin. “ Die heute 82-jährige Autorin war Mitte fünfzig, als sie ihre Liaison mit dem Studenten begann. Sie hatte damals längst den Aufstieg ins Bürgertum vollzogen, der junge Liebhaber indes war noch tief dem proletarischen Milieu verhaftet, aus dem sie stammte. Seine prekären Lebensumstände und seine Unkenntnis der sogenannten feinen Unterschiede erinnerten sie leidig an die eigene Herkunft: „Bei meinem Mann hatte ich mich als Proletin gefühlt, bei ihm war ich Bildungsbürgerin.“ Der zentrale Ort der Liebesbeziehung, A.s Wohnung in Rouen, rief viele Erinnerungen in ihr wach: an die eigenen Studienjahre in dieser Stadt, an die heimliche Abtreibung. „Er war die verkörperte Ver- Foto: imago / skata gangenheit. Mit ihm durchlief ich alle Alter des Lebens, alle Alter meines Lebens.“ Die Autorin wähnte sich im Theaterstück ihrer Jugend. Die Gegenwart wurde irreal, zum „Duplikat der Vergangenheit“. Autobiografische und historische Splitter verbinden sich zu einem dichten, detailscharfen Erinnerungsbild. Der große Altersunterschied und die späte Literarisierung des Erlebten schaffen zugleich eine starke Distanz. Ernaux analysiert die Liebesbeziehung nüchtern und aus der für sie typischen soziologischen Sicht: Das ungleiche Paar hatte mit den starren Regeln des „Partnermarktes“ gebrochen, die Umwelt missbilligte diesen Verstoß gegen soziale Normen. „Draußen konnte man unmöglich vergessen, dass unsere Geschichte unter dem Blick der Gesellschaft stattfand, und ich nahm das als Herausforderung an, um die Konventionen zu ändern.“ Ernaux begegnete dem abfälligen Voyeurismus „ohne die geringste Scham, mit einem Triumphgefühl“. Ein Ende im Anfang Dem Geliebten hingegen schien jede Rebellion fremd. „Er glaubte nicht, dass man die Gesellschaft verändern konnte, es reichte ihm, sich anzupassen, der Arbeit möglichst aus dem Weg zu gehen und ansonsten die Vorteile zu nutzen, die sich ihm boten. Er war ein junger Mann seiner Zeit, überzeugt, dass ,wir alle Scheiße erleben‘.“ Dass dieser Mann gar ein Kind von ihr wollte, deutete sie letztlich als Verwechslung seiner Wünsche, hatte er doch auch gemeint: „Ich wäre am liebsten in dir drin und würde aus dir herauskommen, um dir zu ähneln.“ Fest stand: Es war eine Geschichte ohne gemeinsame Zukunft. Der Liebhaber erfüllte nur die Rolle eines Zeitöffners, er hatte seine Schuldigkeit getan. Ernaux schloss dieses Kapitel ihres Lebens mit einer Parallelaktion. Sie arbeitete zeitgleich an ihrer Trennung von A. – und an der Erzählung ihrer Abtreibung: „Je weiter ich mit dem Schreiben über dieses Ereignis, das vor seiner Geburt stattgefunden hatte, vorankam, desto unwiderstehlicher fühlte ich mich dazu getrieben, ihn zu verlassen. Als wollte ich ihn von mir lösen und abstoßen, so wie ich es gut dreißig Jahre zuvor mit dem Embryo getan hatte.“ „Der junge Mann“ ist ein starkes Buch über Liebe und Tod, über das unerbitt liche Rad der Zeit und über den literarischen Schaffensprozess. Der junge Mann Von Annie Ernaux Aus dem Französischen von Sonja Finck Suhrkamp 2023 48 S., geb., € 15,50 Erscheint am 16. Jänner LANDESTHEATER SALZBURG Wirbel in Lagonero Von Franz Mayrhofer Ganze 18 Jahre war Mozart alt, als in München seine zweite Opera buffa, „La finta giardiniera“, uraufgeführt wurde. Das war am 13. Jänner 1775 in München. Am Textbuch wurde seither, von Mozart selbst angefangen, all die 200 Jahre viel herumredigiert und umgeschrieben; selbst ein ehemaliger Festspielpräsident, Bernhard Paumgartner, legte eine deutsche und eine italienische Fassung vor, bis schließlich 1979 das Werk in der „Neuen Mozart-Ausgabe“ unter R. Angermüller und B. Berke erschien. Bestehen blieb ein Gefälle zwi- schen Musik und Libretto, in dem sich „Die Gärtnerin aus Liebe“ seither bewegt. So auch in dieser Salzburger Aufführung in einer Singspielfassung. Die Geschichte ist eine Liebesund Verwechslungsstory, die sich in Lagonero im Haus des Podestà abspielt. Ein bisschen kriminell geht es auch zu, schließlich hat der eifersüchtige Graf Belfiore seine Frau Violante beinahe getötet, die nun als Gärtnerin Sandrina beim Podestà Anchise Dienst tut. Für die Nichte des Podestà, Arminda, wird gerade die Hochzeit ausgerichtet, der Bräutigam: Belfiore. Das ganze Durcheinander nimmt seinen Lauf. Da gibt es noch den jun- Foto: © SLT / Tobias Witzgall Gediegen: Mozarts Opera buffa „La finta giardiniera“ mit Dennis Orellana, Laura Incko und George Humphreys. gen Edelmann Ramiro, die Kammerzofe Serpetta und den Diener Nardo ‒ nur der arme Anchise bleibt schließlich übrig. Sieben ist keine gute Zahl für Par ship. Knapp am Wahnsinn vorbei folgt die letzte Szene, und man wird den Eindruck nicht los, dass da eher eine Familienaufstellung nordischer Düsternis stattfindet als eine Lösung für alle Paare, was ohnehin nicht friktionsfrei abgeht. Burg-Schauspielerin Dörte Lyssewski hat in Salzburg mit „La finta giardiniera“ ihr Opernregiedebüt gegeben und das Gewicht mehr auf die Tragik als auf die Komödie gelegt. Goldoni und die Commedia dell’ arte sind zu suchen. Und ist musikalisch alles in Ordnung? Ja und nein. Mozart hat immer dann, wenn ihm der Li bret to text nicht konvenierte, in die nächste Arie ein „Minidrama“ hineingeschrieben. Dann ging’s weiter. Da hat es, zumindest in der Premiere, eher geholpert. Es kam zu wenig. Dennoch: Gabriel Venzago hat mit dem Mozarteumorchester Salzburg und den Sängerinnen und Sängern eine gediegene Ensembleleistung erbracht und gezeigt, dass Mozart in guten Händen ist: Laura Inckos lyrischer Sopran (Sandrina) und Victoria Leshkevichs Dramatik (Arminda) überzeugten ebenso wie der Countertenor Dennis Orellana (Ramiro) als Gast. Gustavo Quaresma (Belfiore), Luke Sinclair (Podestá), Hazel McBain (Serpetta) und George Humphreys (Nardo) blieben ebenfalls in guter Erinnerung. La finta giardiniera Salzburger Landestheater, 20., 27.1.
DIE FURCHE · 2 12. Jänner 2023 Musik 15 An Enrico Caruso, Pablo Casals und Maria Callas erinnern heuer besondere Gedenktage. Alle drei waren außerordentliche Musiker und Stars ihrer Zeit. Bis heute üben ihre Talentiertheit und ihre schillernden Persönlichkeiten eine faszinierende Strahlkraft aus. Ein Jahr der hohen C Von Walter Dobner Am 25. Februar werden es 150 Jahre, dass Enrico Caruso in Neapel, wo er auch begraben ist, geboren wurde. Eine zu spät erkannte und behandelte Rippenfellentzündung war schließlich einer der Auslöser für den frühen Tod des erst 48-Jährigen. „Er singt wie ein Engel“, konstatierte niemand Geringerer als Arturo Toscanini. Und Giacomo Puccini fragte euphorisch: „Wer hat mich Dich geschickt? Gott?“ Selbst die größten Tenöre der Gegenwart vermögen an seinem Mythos nicht zu kratzen. Was für eine Ausnahmeerscheinung dieser Tenor war, zeigt sich auch daran, dass die baritoneske Färbung seiner Stimme ihm erlaubte, in einer Vorstellung für einen plötzlich indisponierten Bass einzuspringen und eine Arie so zu singen, dass man nicht erkannte, dass er sie interpretierte. Sein bewegtes Liebesleben, die Erfindung der Schallplatte, die er unverzüglich zu nutzen wusste – am Ende hat er mehr als 500 Arien und Lieder aufgenommen –, seine fehlende Scheu, abseits der Opernbühnen in großen Arenen aufzutreten – all das hat seinen Ruhm zusätzlich befördert und machte ihn zum ersten Weltstar der Oper. Eine Karriere, die diesem Tenorissimo keineswegs in die Wiege gelegt wurde. Erst mit 24 – da hatte er, was er nicht wissen konnte, bereits die erste Hälfte seines Lebens hinter sich – gelang dem in einem Arbeiterviertel in Neapel Aufgewachsenen nach ersten missglückten Versuchen der Durchbruch: mit der Rolle des Federico bei der Uraufführung von Francesco Cileas Oper „L’Arlesiana“ im Teatro Lirico in Mailand. Später wirkte er in den Uraufführungen von „Fedora“ und „La fanciulla del West“ mit. Siebzehn Jahre war er der unumstrittene Star der New Yorker „Met“, wo er über 860 Auftritte absolvierte. An der Wiener Staatsoper war Caruso nur fünfmal zu hören: zwischen 1906 und 1913 je einmal als „Rigoletto“-Herzog, Canio, Gustav III. („Un ballo di maschera“), Cavaradossi und Rodolfo. Wiederentdecker und Demokrat Foto: imago / Cola Images „ An der Wiener Staatsoper war Caruso fünfmal zu hören: zwischen 1906 und 1913 je einmal als ‚Rigoletto‘-Herzog, Canio, Gustav III. (‚Un ballo di maschera‘), Cavaradossi und Rodolfo. “ Wie schwierig es ist, sich die Spitze zu erkämpfen, demonstriert auch der Lebensweg des bis heute berühmtesten Cellisten: Pablo Casals. Am 22. Oktober werden es fünfzig Jahre, dass er in seinem selbstgewählten Exil in San Juan de Puerto Rico starb. Nichts war dem aus dem katalanischen El Vendrell stammenden Musiker widerlicher als Faschismus. Als dieser in Gestalt des spanischen Langzeitdiktators Franco Einzug in seine spanische Heimat hielt, entschied sich Casals, diese zu verlassen. Zuerst fand er im französischen Prades, später in Puerto Rico ein neues Zuhause. Klavier und Orgel lernte der Sohn eines Organisten bereits, als die Mutter den Elfjährigen für das Cello zu begeistern verstand; dessen Ton bezauberte ihn von Beginn an. Als er zwei Jahre später in einer Musikalienhandlung in Barcelona in einem Notenstoß die sechs Bach-Solosuiten entdeckte, war es um ihn geschehen. Zwar musste er zu Beginn seiner Cellistenlaufbahn Rückschläge verkraften, indem er einen ihm sicher scheinenden Wettbewerb verlor und gezwungen war, eine Stelle als Cellist an der Oper von Barcelona anzunehmen, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu sichern. Dann aber konnte er die angestrebte Solokarriere beginnen. Bald galt er als einer der bedeutendsten Interpreten seiner Zeit, als größter Cellist sowieso. Er wurde in den großen Musikzentren gefeiert, eingeladen von amerikanischen Präsidenten oder Englands Queen Victoria. Sie notierte nach einem Auftritt von Casals in ihr Tagebuch: „Er spielt großartig, mit großer Fertigkeit und viel Gefühl.“ Einige wenige Male konzertierte Casals im Wiener Konzerthaus und im Musikverein: mit Bach-Cellosuiten, Beethoven-Cellosonaten, Haydns D-Dur-Cellokonzert oder dem Brahms-Doppelkonzert gemeinsam mit dem großen Geiger Bronisław Hubermann und den Wiener Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler. Casals hat nicht nur Bachs Cellosuiten wiederentdeckt, der Cellotechnik neue Impulse gegeben, Festivals gegründet, engagiert den Nachwuchs gefördert, bis heute stilbildende Aufnahmen als Solist wie Kammermusiker vorgelegt, dirigiert, komponiert, sondern sich zeitlebens für die Werte von Demokratie und Freiheit eingesetzt. Ein letztes Zeichen dafür war, dass er verfügte, erst nach dem Ende der Franco-Herrschaft in seinem Geburtsort beigesetzt zu werden. „Immer Kunst und Mensch“ Das, wenn man es so plakativ bezeichnen will, dritte hohe C der diesjährigen Musikregenten gehört gleichfalls einem Jahrhundertphänomen: Maria Callas. Sie würde am 2. Dezember ihren 100. Geburtstag begehen. Mit 53 Jahren wurde sie nur wenig älter als Caruso. Gleich ihm und Casals führte sie ein durchaus schillerndes Privatleben, dessen sensationsgeile Berichterstattung zuweilen ihre künstlerischen Leistungen zu überdecken versuchte. Am Ende ihres Lebens zog sie sich ziemlich aus der Öffentlichkeit zurück, starb einsam in Paris. In New York als Maria Anna Sofia Cecilia Kalogeropoulou geboren, wuchs sie nach Foto: imago / uig der Scheidung ihrer Eltern mittlerweile als Maria Callas in Griechenland auf. Noch während ihrer Studienzeit in Athen debütierte sie dort als Santuzza. 1965 nahm sie als Tosca in Londons Königlichem Opernhaus Covent Garden Abschied von der Bühne. Dem ließ sie 1973 noch eine Abschiedstournee folgen. Aber ihr Stern, der Stern der bis heute unerreichten Primadonna, die unverwechselbare Strahlkraft der Stimme der in vielen Partien, darunter Norma, Lucia, Abigaille, Medea oder Violetta, war längst verblasst. Exemplarische Platten- und Filmaufnahmen sind geblieben. Sie bestätigen, was Ingeborg Bachmann so treffend und tiefgründig über diese einzigartige Diva und Rollengestalterin formuliert hat: „Sie war immer die Kunst, FEDERSPIEL Unvergessen Geschichte liquidieren Foto: imago / zuma/Keystone Maria Callas (1923– 1977), Pablo Casals (1876–1973) und Enrico Caruso (1873–1921): Mit ihrem musikalischen Talent begeisterten sie das opernund konzert affine Publikum weltweit. und sie war immer ein Mensch, immer die Ärmste, die Heimgesuchteste, die Traviata.“ Auch abseits dieser drei Ausnahmepersönlichkeiten bieten einige Daten willkommene Gelegenheit, sich dieses Jahr an bedeutende Musiker zu erinnern. Etwa an den neuerdings in den Konzertsälen überraschend oft zu Ehren kommenden Sergei Rachmaninow: Am 1. April wäre er 150 Jahre alt geworden. Oder seinen Komponistenkollegen György Ligeti, einen der wichtigsten Bahnbrecher der Moderne, dessen 100. Geburtstag auf den 28. Mai fällt. Leo Falls 150. Geburtstag (2. Februar), aber auch Franz Lehárs 75. Todestag (24. Oktober) wären gute Anlässe, darüber nachzudenken, was es abseits ihrer gängigen Werke wert wäre, aufgeführt zu werden. Hat irgendjemand die Grünen gewählt, damit sie nach 320 Jahren der ältesten Tageszeitung der Welt den Garaus machen? Ich glaube nicht. Und doch haben sie sich beim Läuten der Totenglocken für die Wiener Zeitung mit besonderer Inbrunst ins Zeug gelegt und ihren medienpolitischen Sündenkatalog – über eine Frau an der Spitze des ORF wurde nicht einmal diskutiert – mit einer historischen Schandtat gekrönt. Lange Zeit war es vor allem die FPÖ, die das altehrwürdige Qualitätsblatt ins Visier genommen hatte. Was auch in den Jahren blauer Regierungsverantwortung nicht gelang, bringen jetzt just die Grünen zu Ende. Und brüsten sich auch noch damit. „Vielleicht ist unsere Entfremdung von der Wirklichkeit schon so groß, dass wir eine seriöse Zeitung nicht mehr erkennen“, vermutet Elfriede Jelinek. Eine Zeitung, die informiert und aufklärt: „Sie macht das eben schon lange, sie kann das.“ Weder die grüne Mediensprecherin noch die schwärzlich-türkise Medienministerin ficht der Sturm des Protests in irgendeiner Weise an. Dabei sind die Gegenstimmen politisch breit gestreut, sogar die Konkurrenz zeigt sich solidarisch. Haarsträubend ist nicht nur die Ignoranz der österreichischen Bundesregierung gegenüber der österreichischen Geschichte, die „Reform“ des Amtsblattes ist auch eine demokratiepolitische Schnapsidee: Da hat sich eine Koalition die Förderung des Qualitätsjournalismus auf ihre Fahnen geschrieben und bringt als Vorleistung gleich einmal eine Qualitätszeitung um. In einer bedenklich gelichteten Printlandschaft hätte sich die bestens profilierte Redaktion vielmehr die volle Unterstützung des Eigentümers verdient. Allein: Es fehlt der Wille und also auch der Weg. Soll es über die Wiener Zeitung einmal heißen: „Gegründet 1703 von Johann Baptist Schönwetter, liquidiert 2023 von ...“? Ah nein, das wird dann keiner gewesen sein wollen. Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin. Von Daniela Strigl
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